5.4.2 Führungsstil in Deutschland
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- Swen Dressler
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1 5 Welches Umfeld findet Diversity in Deutschland vr? Mitarbeiters und die klare, erlebte Zugehörigkeit zum Unternehmen wesentliche Faktren für ein prduktives und erflgreiches Unternehmen (Bundesministerium für Arbeit und Sziales 2007). Ein hhes Maß an Prfessinalität und Qualifikatin führt in Deutschland zu einer emtinal weitgehend neutralen Arbeitswelt mit vergleichsweise wenigen Gruppenknflikten, aber mit berufs-, geschlechts- und altersspezifischer Ausgrenzung, die allerdings in mnkulturellen Umfeldern nicht als Knflikt zum Tragen kmmt. Einen weiteren Teil der Landeskultur bildet das Erbe der deutschen Geschichte. Die natinale Identitätsentwicklung und Grenzsicherung wurde zu Beginn dieses Kapitels besprchen. Sie ist möglicherweise mit dafür verantwrtlich, dass einige unternehmenskulturelle Besnderheiten in deutschen Unternehmen bebachtet werden können. S akquirieren deutsche Knzerne Unternehmen im Ausland und empfinden dies, zu Recht, als Ausdruck des Glbalisierungs- der Knzentratinsprzesses. Umgekehrt wehren sich Unternehmen und Belegschaften mitunter sgar Medien und das gesellschaftliche Umfeld gegen vergleichbare Übernahmen internatinaler Knzerne in Deutschland. Ein ähnliches Missverhältnis kann hinsichtlich der Besetzung vn Management-Psitinen festgestellt werden. Während deutsche Unternehmen stark dazu neigen, ihre ausländischen Niederlassungen und Tchtergesellschaften vn Deutschen führen zu lassen, pchen umgekehrt deutsche Tchtergesellschaften internatinaler Knzerne darauf, hier in Deutschland lkale (deutsche) Manager einzusetzen. Insgesamt bilden in Deutschland die partizipativen Grundtendenzen, die prfessinelle Fkussierung swie das sziale und Whlfahrtsbewusstsein ein psitives Umfeld für Diversity. Dennch stehen Unternehmen vr der kmplexen Herausfrderung, eine ffene und wertschätzende Unternehmenskultur zu entwickeln Führungsstil in Deutschland Führung bezeichnet eine sziale Beziehung, bei der es eine Über- und Unterrdnung derart gibt, dass eine Persn gegenüber einer der mehreren anderen verhaltensbestimmend wird. Dies kann in einem bilateralen Verhältnis ebens geschehen wie in einer Gruppensituatin der in einer Organisatin (Reinhld 1997, S. 192 f.). Dabei ist gut vrstellbar, dass die knkrete Ausgestaltung entsprechender Führungssituatinen sehr unterschiedlich ausfallen kann. S untersuchte eine internatinale Vergleichsstudie (Huse et al. 2002) den Managementstil in acht verschiedenen Ländern. Dabei erhben die Frscher flgende gängige Kriterien: Leistungsrientierung, Zukunftsrientierung, Humanrientierung, Risikvermeidung, 110
2 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen 5.4 Aggressivität, Machtgefälle. Die Studie zeigt, dass sich die Managementkultur in Deutschland durch eine hhe Leistungsrientierung auszeichnet. Arbeit genießt eine hhe Prirität, und Leistung muss messbar sein und sich an gesetzten Zielen der Vrgaben rientieren. Für Diversity kann dies bedeuten, dass die Akzeptanz vn Vielfalt nur bei adäquater Leistung erflgt. In diesem Zusammenhang wird relevant, dass in Mnkulturen die jeweiligen Insidergruppen Maßstäbe definieren, denen Outsider meist nicht genügen. Hierdurch erklärt sich das Phänmen, dass Minderheiten ft davn berichten, sich durch mehr der bessere Arbeit besnders beweisen zu müssen. Zudem besteht laut der Studie in deutschen Führungsetagen eine sehr hhe Zukunftsrientierung. Dies impliziert, dass vergangenen Erflgen wenig Relevanz beigemessen wird und dass Unternehmen und ihre Manager die eigene Zukunft im Visier haben. Diversity wird in diesem Umfeld nur als attraktives Mdell anerkannt, wenn es klar erkennbare Vrteile für die Organisatin und die Beteiligten bietet. (Skala vn 1 = sehr niedrig bis 7 = sehr hch) Leistungsrientierung Zukunftsrientierung Humanrientierung 5,0 5,2 5,0 5,0 4,7 4,8 4,75 4,75 4,6 4,68 4,4 4,5 4,1 4,0 4,5 4,48 D USA GB F NL CH PL CHN Abb. 20a: Die deutsche Management-Kultur im internatinalen Vergleich (1) (Quelle: Huse et al. 2002) Bei der Humanrientierung lassen sich laut Studie nch Defizite erkennen, diesbezüglich gibt Deutschland ein recht schlechtes Bild ab. Es wird eine grundsätzliche Skepsis gegenüber Teams knstatiert, bwhl sich dieser Trend in den letzten Jahren sicherlich ein wenig abgeschwächt hat. Der Mensch am Arbeitsplatz muss in und mit seiner Individualität nch mehr Anerkennung erfahren. 111
3 5 Welches Umfeld findet Diversity in Deutschland vr? Des Weiteren wird das Machtgefälle in deutschen Unternehmen als gering eingestuft, wbei Machtgefälle nicht gleichbedeutend ist mit Hierarchiestufen. Gemeint ist eine weitgehende Akzeptanz fachlicher Autrität. Fach- der funktinale Autrität beruht auf der zuerkannten der erwiesenen Sachverständigkeit und Kmpetenz einer Persn. Respekt wird vr allem durch erbrachte Leistung gewnnen. Hierdurch entsteht einerseits ein Spannungsfeld mit dem Ptenzial- Prinzip Diversity, das umfassenden Respekt für unterschiedliche Individuen erwartet. Andererseits betnt auch Diversity die Beiträge vielfältiger KllegInnen zum kllektiven Erflg. Außerdem besteht im internatinalen Vergleich in deutschen Unternehmen eine mittlere Neigung zur aggressiven Durchsetzung. Dies zeigte sich durch die Analyse der Knsensrientierung, verdeckter Knflikte und der Persnalplitik zur Knfliktlösung. Hier finden sich wenige Anknüpfungspunkte zum Ptenzial- Prinzip Diversity, das swhl verschiedene Perspektiven und Meinungen als auch die ffene Knfliktaustragung fördert. Der persnalplitische Ansatz vn Diversity flgt indes eher den Gedanken der Präventin und Partnerschaft. Ferner beinhaltet die deutsche Management-Kultur laut Studie eine mäßig ausgeprägte Akzeptanz vn Risiken. Dies bedeutet, dass Planung und Planbarkeit einen hhen Stellenwert haben. Außerdem liegt die Prirität auf Bekanntem, was zur bevrzugten Einstellung vn Mitarbeitern führt, die das Prfil der Führungskräfte abbilden. In dieser Hinsicht stellt Diversity wiederum eine Herausfrderung dar, da der Fkus auf Unbekanntem liegt: Durch Aufgeschlssenheit der gar Neugier will Diversity immer neue Lerneffekte erzeugen, die Individuen und Organisatinen weiterbringen. (Skala vn 1 = sehr niedrig bis 7 = sehr hch) Neigung, Unsicherheit zu vermeiden Neigung, sich aggressiv durchzusetzen Machtgefälle 5,15 4,55 4,5 4,3 4,05 4,7 4,6 4,5 3,95 4,2 3,85 4,1 3,9 3,8 3,65 3,95 3,6 3,9 3,65 3,25 3,45 3,45 3,4 3,15 D USA GB F NL CH PL CHN Abb. 20b: Die deutsche Management-Kultur im internatinalen Vergleich (2) (Quelle: Huse et al. 2002) 112
4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen 5.4 Die eingehende Betrachtung der Managementkultur in Deutschland zeigt, dass es hinsichtlich Diversity im Bereich des Führungsstils Verbesserungsptenzial gibt und dass immer nch gewisse Herausfrderungen bestehen, die Unternehmen in anderen Ländern schn überwunden haben. Um internatinal knkurrenzfähig zu sein und zu bleiben, müssen Unternehmen in Deutschland diesen Aspekten Rechnung getragen Werbekultur in Deutschland Nachdem die Vraussetzungen für Diversity innerhalb vn Unternehmen betrachtet wurden, ist nun ein Blick auf das externe Umfeld vn Unternehmen angebracht. Dabei ist unter Berücksichtigung kulturstiftender Aspekte auch eine differenzierte Betrachtung der Medienlandschaft in Deutschland erfrderlich. Hier müssen unter anderem flgende Fragen gestellt werden: Stellen die Massenmedien gesellschaftliche Vielfalt dar? Wenn ja, wie? Welche Themenauswahl wird vrgenmmen? Wie werden Unterschiedlichkeiten thematisiert? Welche Bild- und Sprachwahl nehmen Massenmedien vr? Trtz wachsender Vielfalt in Deutschland existieren nur wenige Inhaltsanalysen zu relevanten Teilaspekten vn Diversity für das deutsche Fernsehen der für deutsche Tageszeitungen. S können sich Annahmen bezüglich der Medienkultur zunächst nur an Einzelbeispielen rientieren. Die Bandbreite reicht hier vn der Lindenstraße und etlichen Daily Saps, in denen zahlreiche Facetten vn Vielfalt deutlich und mit gezielten Lerneffekten vermittelt werden, bis hin zur Fernsehwerbung, bei der sich ein anderes Bild ergibt. Unabhängig vn einzelnen und stets persönlich eingefärbten Eindrücken, bestand in Expertenkreisen die Vermutung, dass sich die Fernsehwerbung in Deutschland recht einseitig an einen nicht klar definierten Mainstream wendet und insfern die Marktvielfalt nicht berücksichtigt. Eine Untersuchung, die im Jahr 2002 im Auftrag vn Ungleich Besser Diversity Cnsulting durchgeführt wurde, untermauerte diese Annahme. Untersuchungsgegenstand war die kmmerzielle Werbung in deutschen Fernsehsendern mit mehr als einem Przent Marktanteil. Das Untersuchungsmaterial bestand aus 170 Werbeblöcken mit Werbespts (13 Stunden Sendezeit). Ziel der Untersuchung war die Bestimmung vn Leitlinien und Kntextfaktren einer Diversitybezgenen Werbestrategie. Hierzu wurde analysiert, inwieweit die TV-Spts bestehende Vielfalt und Offenheit abbildeten und nutzten der an Rllenklischees, tradierten Mustern und idealtypischen Darstellungen festhielten. Die Analyse der repräsentativ ausgewählten TV-Spts ergab, dass die Fernsehwerbung bestehende gesellschaftliche Vielfalt kaum widerspiegelte, sndern eine klare Präferenz für den Mainstream aufwies. Dem Diversity-Ansatz flgend identifizierte die Studie in verschiedenen Themenbereichen die jeweiligen dminanten bzw. untergerd- 113
5 5 Welches Umfeld findet Diversity in Deutschland vr? neten Gruppen. Das Untersuchungsmaterial wurde mit den demgrafischen Daten und Entwicklungen der deutschen Gesellschaft abgeglichen. Als quantitative Kriterien dienten die Diversity-Dimensinen Geschlecht, Alter, Ethnizität, sexuelle Orientierung und Haushaltstyp. Als qualitative Kriterien wurden Frmen der Steretypisierung herangezgen, zum Beispiel Hausfrau und Mutter versus Frau im Beruf, traditinelles Frauenbild versus mderne Frau, traditinelles Männerbild versus mderner Mann, Deutsche versus Migranten, Hetersexuelle versus Hmsexuelle, Junge/Menschen mittleren Alters versus Ältere/Seniren. Zentrales Ergebnis der Studie war, dass die Fernsehwerbung nur in wenigen Bereichen die bestehende Vielfalt in der Gesellschaft widergespiegelte. Stattdessen rientierten sich die TV-Spts in starkem Maße am Mainstream und verwendeten Rllenklischees. Damit ergab sich eine deutliche Diskrepanz zur Marktrealität. Auf der qualitativen Ebene wurden kulturelle Hintergründe vernachlässigt, während steretype Bilder zur Diskriminierung und Ausgrenzung zahlreicher Käufergruppen führten: hilfsbedürftige Alte, extische Migranten und s weiter. Interessanterweise entwickelte sich das Bild vn Angehörigen der dminanten Gruppe dagegen überprprtinal psitiv , ,9 17, % 9,2 Frau im Beruf Seniren Ethnien Hmsexuelle mderne Frau Segmentgröße (Mi.) 23 % 30 % 4,2 7 % Abgedeckter Segmentanteil 9,5 44 % 76 % mderner Mann Abb. 21: Diversity in der Fernsehwerbung (Quellen: Ungleich Besser Diversity Cnsulting; Ltz 2002) Eine weitere Erhebung vn Ungleich Besser Diversity Cnsulting im Printmedienbereich zeigte 2007, dass traditinelle Frauen- und Männerbilder die Werbung in Deutschland weiterhin dminieren, während sich aber der Trend zu mdernen Rllenbildern frtsetzt. Dies ergab die Analyse vn 686 Printanzeigen in aufla- 114
6 Exkurs: Lässt sich Diversity vn den USA auf Deutschland übertragen? 5.5 genstarken deutschen Nachrichtenmagazinen. Der Vergleich mit der früheren Erhebung zur TV-Werbung zeigt einen zaghaften Trend: Frauen werden inzwischen häufiger in einer Berufsrlle (24 %) der selbstbestimmt (29 %) dargestellt. Männliche Prtagnisten beteiligen sich im Gegenzug öfter im Haushalt und zeigen mehr Gefühle. In 28 % der untersuchten Anzeigen verkörpert der Mann einen mdernen Typus. Da die Kaufkraft vn Bevölkerungsgruppen außerhalb des vermeintlichen Mainstreams wächst, können es sich Unternehmen kaum nch leisten, dieses Ptenzial zu ignrieren. Der gesellschaftliche Wandel muss sich gemäß dem Ptenzial-Prinzip auch im Marketing widerspiegeln, wenn Unternehmen auch in Zukunft ambitinierte Wachstumsziele erreichen wllen. Zusammenfassung Neben dem staatlich-plitischen und dem gesellschaftlich-kulturellen Umfeld scheinen auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland nch Nachhlbedarf in Sachen Diversity zu haben. Dennch haben die letzten Jahre gezeigt, dass einige Unternehmen ihre Strategien hinsichtlich Diversity überarbeitet haben. Der Fkus sllte dabei auf einer klaren und facettenreichen Analyse und der Implementierung vn Diversity-Maßnahmen liegen. Wie dies im Detail aussehen kann, wird in den Kapiteln 6 und 7 erläutert. 5.5 Exkurs: Lässt sich Diversity vn den USA auf Deutschland übertragen? Da Kultur die individuellen Werte und Bedürfnisse, aber auch die Erwartungen und Anfrderungen der Mitarbeiter an die Organisatin und Führung bestimmt, kann vn Managementknzepten nicht hne weiteres erwartet werden, dass sie unabhängig vn Kultureinflüssen überall die gleiche Eigenschaft und damit den gleichen Erflg haben (Scherm 1999, S. 28). Dies bedeutet, dass Knzepte wie Diversity sich ganz unterschiedlich entwickeln können und sich nicht eins zu eins aus einem anderen kulturellen Kntext nach Deutschland übertragen lassen. Tatsächlich waren und sind schn die Gründe für das Betreiben vn Diversity in den USA andere als in Deutschland. Diese Aussage basiert vr allem auf den grundsätzlich verschiedenen rechtlichen, ethisch-mralischen und demgrafischen Gegebenheiten. Der Einführung vn Diversity liegen in den USA zum Beispiel mehrere Bürgerrechtsbewegungen zugrunde (z. B. die Frauen-, Schwarzen- und Hmsexuellenbewegungen), die drt häufiger und aktiver aufgetreten sind als in Deutschland. Durch den vn ihnen erzeugten öffentlichen Druck entstanden nach und nach Diversity-relevante rechtliche Regelungen (Antidiskriminierungsgesetz, Einstellungsquten, Fördervrgaben für benachteiligte Mitarbeitergruppen, staatliche Regulierungsmaßnahmen). Schließlich entwickelte sich das Bewusstsein, dass Vielfalt erst dann zu einem Erflgsfaktr beim Ausbau der amerikanischen Wirt- 115
7 5 Welches Umfeld findet Diversity in Deutschland vr? schaft wird, wenn Unterschiede tatsächlich wertgeschätzt und durch Einbeziehung genutzt werden. In Deutschland (und Eurpa) gleicht sich die Grundsituatin in manchen Aspekten nach und nach der Ausgangslage in den USA an: Die Antidiskriminierungsgesetzgebung setzt einen klaren Impuls für Diversity, und auch die demgrafische Situatin entwickelt sich zum Beispiel hinsichtlich Migratin und Alterung ähnlich wie in den USA. Was bleibt, sind aber sehr unterschiedliche Verständnisse vn Chancengleichheit, Fairness und Einbeziehung swie eine grundlegend andere Ausgangssituatin im Hinblick auf kulturelle und identitätsstiftende Prägungen, die ihre Wurzeln in der (mnkulturellen) Vergangenheit haben. Dies hat unter anderem dazu beigetragen, dass in Deutschland bislang zahlreiche Diversity-Ptenziale (zum Beispiel im Marketing) trtz öknmischer Flaute ignriert wurden und Ausgrenzung in manchen Bereichen wie dieses Kapitel gezeigt hat öffentlich akzeptiert wird. Das wesentliche Fazit aus dem Vergleich der Rahmenbedingungen für Diversity in Deutschland und den USA besteht in der Erkenntnis, dass das grundlegende Verständnis für Diversity in Deutschland weiter vertieft werden muss, swhl auf privatwirtschaftlicher Ebene als auch im öffentlichen Bereich. Die zweite zentrale Erkenntnis besteht darin, dass die vielfältigen Vrteile und Verbesserungen, die Diversity bieten kann, swie die Trends, die eine wirtschaftliche Ntwendigkeit für Diversity erkennen lassen, systematisch als Business Case kmmuniziert werden müssen, damit sie nch weiter in die Strategien der Unternehmen in Deutschland einfließen können. 116
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