Dialogische Prinzipien und Lernmodelle von Buber, Freire, Ruf und Gallin. Lebensproblemzentrierter Unterricht Eva Tracht
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- Cornelius Bach
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1 Dialogische Prinzipien und Lernmodelle von Buber, Freire, Ruf und Gallin Lebensproblemzentrierter Unterricht Eva Tracht
2 1. Martin Buber 1.1 Dialogisches Prinzip 1.2 ICH-DU und ICH-ES 1.3 Erziehung Säulen Buberscher Dialogik 2. Paulo Freire 2.1 Dialogisches Prinzip 2.2 Das Wort 2.3 Kennzeichen des Dialogs 2.4 Erziehung 3. Ruf und Gallin 3.1 Dialogisches Lernmodell 4. Vergleich Buber Ruf und Gallin 5. Quellen Gliederung
3 1 Martin Buber 1878 in Wien geboren 1965 in Jerusalem verstorben Jüdischer Religionsphilosoph Chassidist (= die Frommen ) 1923 Werk Ich und Du Prägte den Begriff dialogisches Prinzip
4 1.1 Dialogisches Prinzip - Buber Dialog nicht nur das Gespräch zwischen zwei Parteien sondern auch die non-verbale Ebene Prinzip wie sich die individuelle Bewusstheit oder das Bewusstsein in Begegnung mit anderen Menschen und der materiellen Welt realisiert Teilbestand jeglichen sozialen Handelns grundlegend für soziale Interaktion Das wesenhafte eines Menschen ist die Mitmenschlichkeit, also das Bezogensein auf seine Mitmenschen (ein Gegenüber DU) Die Wirklichkeit entfaltet sich zwischen dem ICH und dem DU
5 1.2 ICH-DU und ICH-ES Grundworte bzw. Grundwortpaare gibt es nicht einzeln jedes ICH hat ein DU oder ein ES bezeichnen den Umgang die der Mensch mit seiner Umwelt haben kann
6 ICH-DU und ICH-ES ICH - DU Welt der Beziehungen Mensch findet darin Erfüllung Bringt sich mit ganzem Wesen ein Gibt sich zu erkennen Erkennt sein Gegenüber als Individuum Akzeptanz des Gegenüber (losgelöst von gesellschaftlicher Bedingtheit) Beziehungsprinzip ICH - ES Welt der Objekte, Erfahrungswelt Frage nach Beschaffenheit, Ursachen und Wirkungen ohne sich selbst damit in Beziehung zu setzen Erforschen, Katalogisieren der Welt Orientierung gewinnt eigenen Standpunkt durch Reflexion auf die Welt Distanzierungsprinzip
7 ICH-DU und ICH-ES ICH kann ohne DU oder Es nicht existieren Jeder Mensch lebt im Zwiespalt des Ich Ohne ES kann der Mensch nicht leben, ohne DU ist er kein Mensch Mensch kann sich nur durch sein Umfeld sich seiner selbst bewusst machen und die Welt durch Distanzierung erfahrbar machen
8 1.3 Erziehung - Buber in Kontakt treten (ICH-DU Beziehungen) Lehrer und Schüler sollen auf gleicher Ebene sein und gegenseitig aufeinander wirken Lehrer nimmt von außen bewusst auf was vermittlungswürdig und wesentlich ist um es nach Ver- und Aufarbeitung (durch seine Person) dem Zögling entgegenzuhalten Erzieher der Repräsentant der Wirklichkeit Erziehung das Einwirken auf den Zögling Grundlage Vertrauen
9 1.4 5 Säulen Buberscher Dialogik Innewerden Mögliche Wahrnehmungsweise des anderen Basiert auf der Beziehung zum Gegenüber Jemand sagt mir was und ich bin verpflichtet zu antworten Vergegenwärtigen Der andere wird ein Selbst (bewusst machen) Gewinnt Distanz Gegenseitigkeit Zukehrung zum anderen Akt der Umfassung Gegenseitige Erfahrung der anderen Seite ohne eigene Konkretheit zu verlieren
10 5 Säulen Buberscher Dialogik Urhebertrieb Voraussetzung für Erziehung reicht nicht aus, Trieben muss etwas geboten werden woran sie sich positiv entfalten und ihr selbst herausbilden können Erziehung Verbundenheit Ziel der Erziehung: Personwerdung liegt im Erfüllen der Verbundenheit nur am DU wächst und reift der Mensch
11 2 Paulo Freire Brasilianischer Pädagoge Kritisiert brasilianisches Erziehungssystem (Kampf gegen Unterdrückung und Elend) entwickelte in den 60er Jahren ein Alphabetisierungsprogramm Technik des raschen und gezielten Erwerbs von Lesen und Schreiben Methode der Bewusstseinsbildung zu diesem Zeitpunkt in Brasilien Analphabeten nicht wahlberechtigt Schritt zur Demokratisierung Brasiliens
12 2.1 Dialogisches Prinzip - Freire Menschliche Existenz ist auf dialogische Beziehung zwischen ICH und DU angewiesen ein einzelnes ICH kann ohne DU nicht wahrhaft menschlich sein in dialogischer Beziehung der Subjekte benennen und verwandeln sie die Welt ein Subjekt ist kein individuelles Wesen, lebt in gesellschaftlicher Wirklichkeit menschliches Bewusstsein ist auf diese Wirklichkeit ausgerichtet Aufgabe des Bewusstseins: die dialektische Mensch-Welt- Beziehung reflektieren und nicht als statische Gegebenheit registrieren
13 2.3 Das Wort mehr als ein Instrument dass den Dialog ermöglicht besteht aus zwei Dimensionen: Aktion und Reflexion Wenn eine der Dimensionen vernachlässigt wird, leidet automatisch die andere Wort ohne Inhalt / Aktion = leeres Geschwätz Handlung ohne Reflexion / Sprache = leeres agieren
14 Das Wort Beinhaltet ein Wort beide Dimensionen, so stimmen Wort und Handlung überein Ein wirkliches Wort sagen, heißt daher die Welt verändern Dialog ist die Begegnung zwischen Menschen, vermittelt durch die Welt, um die Welt zu benennen Notwendigkeit zu reflektieren und sich kritisch zu äußern Indem der Mensch Abstand zu dem gewinnt was er begreifen will, kann er das Problem begreifen und über diese Problematisierung etwas verändern (problemformulierende Methode)
15 2.4 Kennzeichen des Dialogs Liebe Begründung des Dialogs und der Dialog selbst Liebe zum Volk dient dazu vom Volke zu lernen Demut Bereitwilligkeit etwas zu tun Die Begegnung von Menschen, die sich der gemeinsamen Aufgabe des Lernens und Handelns verschrieben haben, wird zerstört, wenn jemand nicht demütig ist Glaube Glaube an den Menschen, an seine Berufung ein voller Mensch zu sein
16 Kennzeichen des Dialogs Hoffnung Wurzelt in der Unvollendetheit des Menschen Dialog, der auf Hoffnungslosigkeit beruht wird langweilig und steril Kritisches Denken Echter Dialog nur dann möglich, wenn sich der Dialogpartner auf kritisches Denken einlässt Entdeckt das dialektische Verhältnis zwischen Mensch und Welt und lässt dessen Spaltung nicht zu Kritisches Denken begreift die Wirklichkeit als Prozess und nicht als statische Größe Steht in Spannung von Aktion und Reflexion, d.h. es kann sich vom Handeln nicht lösen
17 2.5 Erziehung Freire Bankiers-Konzept Eigenständiges Forschen wird Kindern aus der Hand genommen und ihnen die Wahrheit vorgesetzt Lehrer und Schüler sollen sich in einen gemeinsamen Forschungsprozess einfügen Reflexion im Austausch mit den Gedanken/ Einwänden der Schüler kritischer Austausch mit Schülern beständiger Lernprozess Lehrer und Schüler sind für Prozess verantwortlich und wachsen daran
18 3 Ruf und Gallin Urs Ruf Lehrer für Deutsch Peter Gallin Lehrer für Mathematik Seit 2006 Professoren für Gymnasialpädagogik in Zürich
19 3.1 Dialogisches Lernmodell Ausgangspunkt: Beobachtung, dass der Lernerfolg bei Schülern oft gering bleibt wenn ihnen fertige Lerninhalte vorgesetzt werden Rücksichtnahme auf unterschiedliches Lerntempo, Vorwissen und Lerntypen Über dabei entdeckte Zusammenhänge soll in einen Dialog getreten werden, um schließlich zu wirklichem Können zu gelangen
20 Singuläre Phase Kernidee initiieren des Lehr- und Lernprozesses Motivation und Interesse der Schüler soll geweckt werden 3 Merkmale einer guten Kernidee: Biografischer Aspekt: Ich Eine Kernidee ist eine persönlich gefärbte formulierte Aussage über einen komplexen Sachverhalt, die meinem Gesprächspartner ohne Umschweife klar macht, was für mich der Witz der Sache ist. Wirkungsaspekt: Du Kernideen fordern das Gegenüber heraus, sein eigenes Verhältnis zum Stoff zu klären und die persönlichen Triebkräfte zu aktivieren. Sie offerieren Sicherheit und Orientierung, ohne die Eigentätigkeit einzuschränken. Sachaspekt: Wir Kernideen sind der Auftakt zum Lernen auf eigenen Wegen. Sie fangen ganze Stoffgebiete in vagen Umrissen ein, rücken eine provozierende Eigenheit in den Vordergrund und laden zu einem partnerschaftlichen Dialog ein.
21 Singuläre Phase Auftrag Anstoß zur Auseinandersetzung mit fachlichem Inhalt 3 Merkmale eines Auftrages: Ermutigung zur singulären Produktion: Ich Der erste Teil eines Auftrags muss für alle erfüllbar sein. Eröffnet er für jedes Begabungsniveau ein lohnendes Betätigungsfeld, kann jeder Lernende den ihm gemäßen Zugang wählen. Herausforderung durch ein anspruchsvolles Gegenüber: Du Der zweite Teil des Auftrags lässt den Lernenden die Potenz des fachlichen Gegenübers spüren und fordert ihn so zu Höchstleistungen heraus. Enthält ein Auftrag eine solche Rampe für Könner, werden unterschiedliche Begabungen simultan gefordert und gefördert. Spannung für die anwesenden Lernpartner: Wir Ist Individuelles gefragt, sind Aufträge zwangsläufig offen. Das sichert den Lernenden die volle Aufmerksamkeit ihrer Rezipienten. Selbst für routinierte Lehrpersonen sind die Lösungen nicht voraussehbar.
22 Singuläre Phase Lernjournal fachbezogene Handlungskompetenz dargestellen 3 Anforderungen ans Lernjournal: Chronologisch: Ich Alles wird schön der Reihe nach dokumentiert, genauso, wie es sich in der Auseinandersetzung mit dem Stoff und den Lernpartnern abgespielt hat. Ausformuliert: Du Im Reisetagebuch müssen sich auch Lernpartner und Lehrkräfte zurechtfinden können. Stichwörter und zusammenhangslose Kritzeleien genügen nicht. Unzensiert: Wir Im Reisetagebuch gelten die lokalen Normen des internen Sprachgebrauchs. Beurteilt wird immer nur das, was für den nächsten Entwicklungsschritt relevant ist
23 Divergierende Phase Rückmeldung Zum ersten Mal Kontakt von ICH und DU 3 Merkmale von Rückmeldungen: Persönliche Antworten auf einen Produktionsschwung: Ich Ein Mensch antwortet einem anderen. Der singulären Standortbestimmung eines Lernenden, der seinen Lernweg ausführlich und unzensiert dokumentiert, entspricht die Ich-Botschaft eines Rezipienten, der seine singuläre Gegenposition bezieht. Freilegen und Verstärken von Entwicklungstendenzen: Du Bewusst machen, was gelungen ist. Ausfiltern und sichern, was das produktive Potential erweitert: Erfolg versprechende Versuche, interessante Fragestellungen, fruchtbare Irrtümer. Dem Lernenden helfen, das Eigene aus einer fremden Perspektive zu betrachten. Konkrete und präzise Hinweise zu den dokumentierten Spuren: Wir Ins Zentrum rücken, was der Lernende tatsächlich geleistet hat. Die Aufmerksamkeit auf Normen lenken, die bei der Produktion wirksam waren. Alle Aussagen auf konkrete Spuren im Reisetagebuch abstützen
24 Reguläre Phase Beurteilung der Einträge im Lernjournal Es stehen Qualitäten und nicht Defizite im Vordergrund Ein Häklein bedeutet erfüllt", zwei Häklein intensive Nutzung des Angebots", drei Häklein ein Wurf Das gestrichene Häklein ist das Angebot einer zweiten Chance
25 Reguläre Phase Autografensammlung die Lehrkraft wählt in der Rolle einer Herausgeberin interessante Passagen aus den Lernjournalen der Lernenden aus, kennzeichnet sie mit deren Namen, ordnet sie systematisch und versieht sie mit Titeln, klärenden Kommentaren. repräsentiert das gemeinsame Wir: den vorläufigen Stand des Wissens und Könnens der Klasse auf ihrem Weg zum Regulären.
26 Schaubild
27 4 Vergleich Buber Ruf/Gallin Gegenseitigkeit Vergegenwärtigung Innewerden Hinwendung Schüler Lehrer Eigenen individuellen Lernweg ermöglichen Prozess des Verstehens Umfassung ICH-DU Beziehung = Lehrer- Schüler und ICH-ES Distanzierung Forderung nach Beziehung zwischen Lehrer Schüler nicht so radikal vorhanden Erweiterung: ICH-DU-ES Beziehung = Lehrer- Schüler- Lernstoff
28 5 Quellen Buber, Martin (1984): Das dialogische Prinzip. 5. Auflage, Verlag Lambert Schneider. Heidelberg Dilcher, Dominik (2007): Didaktik der Kernideen: Grundlage einer allgemeinen basalen Didaktik?. S Gallin, Peter; Ruf, Urs (1998): Sprache und Mathematik in der Schule. Auf eigenen Wegen zur Fachkompetenz. Seelze (Kallmeyer) Gallin, Peter; Ruf, Urs (2003): Dialogisches Lernen in Sprache und Mathematik. Band 1: Austausch unter Ungleichen. Seelze (Kallmeyer) Ruf, Urs (2010): Dialogisches Lernmodell. In: Stand: Rösch, Christoph (1987): Die Erziehungskonzeption Paulo Freires. Europäische Hochschulschriften: Reihe 11, Pädagogik; Band 332. Verlag Peter Lang GmbH. Frankfurt am Main Vierheilig, Jutta ; Lanwer-Koppelin, Willehad (1996): Martin Buber Anachronismus oder Neue Chance für die Pädagogik? 1. Auflage, Afra Verlag. Butzbach-Griedel
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