32.8 Die lineare Differentialgleichung 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten
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- Norbert Schwarz
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1 3 Die lineare Differentialgleichung. Ordnung mit konstanten Koeffizienten 3.1 Lösungsbegriff für explizite Differentialgleichungen n-ter Ordnung 3. Das Anfangswertproblem für explizite Differentialgleichungen n-ter Ordnung 3.3 Der freie Fall 3. Der Fall bei Berücksichtigung der Luftreibung 3.5 Der harmonische Oszillator 3.8 Die lineare Differentialgleichung. Ordnung mit konstanten Koeffizienten Zunächst wird der Lösungsbegriff für eine explizite Differentialgleichung 1. Ordnung zum Lösungsbegriff für eine explizite Differentialgleichung n-ter Ordnung (n N) verallgemeinert. Auch der Begriff des Anfangswertproblems wird für Differentialgleichungen n-ter Ordnung eingeführt. Danach werden drei Beispiele aus der Physik für lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten betrachtet. Schließlich wird die allgemeine Lösung des Anfangswertproblems für die lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten hergeleitet. 3.1 Lösungsbegriff für explizite Differentialgleichungen n-ter Ordnung Seien D R R n und f : D R gegeben. Ist I R ein Intervall, dann heißt ϕ : I R eine Lösung der expliziten Differentialgleichung n-ter Ordnung y (n) = f(x, y, y, y,..., y (n 1) ), wenn 1) ϕ n-mal differenzierbar ist; ) (t, ϕ(t), ϕ (t),..., ϕ (n 1) (t)) D für jedes t I ist; 3) ϕ (n) (t) = f(t, ϕ(t), ϕ (t),..., ϕ (n 1) (t)) für jedes t I ist. C 1 [3] 1
2 Kapitel VII Elementare Lösungsmethoden für gewöhnliche Differentialgleichungen Auch hier müssen Bedingungen 1) und ) schon deshalb gefordert werden, damit Bedingung 3) überhaupt sinnvoll formuliert werden kann. In diesem Paragraphen werden wir uns nur mit Differentialgleichungen. Ordnung y = f(x, y, y ) beschäftigen. Genauer gesagt untersuchen wir sogar nur eine spezielle Klasse von linearen Differentialgleichungen. Ordnung, und zwar Differentialgleichungen. Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Definitionsgemäß heißt dies f(x, y, y ) := a 1 y a 0 y + b(x), D := I R mit Konstanten a 1, a 0 R und einer stetigen Funktion b : I R. Diese Differentialgleichung schreibt man meistens in der Form y + a 1 y + a 0 y = b(x). Nach Definition ist eine Lösung ϕ über I durch eine -mal differenzierbare Funktion ϕ von I in R mit ϕ (t) + a 1 ϕ (t) + a 0 ϕ(t) = b(t) für t I gegeben. Differentialgleichungen zweiter Art spielen auf Grund des Newtonschen Kraftgesetzes in Physik und Technik eine wichtige Rolle. Bewegt sich ein Massenpunkt längs der Zahlengeraden und bezeichnet ϕ(t) seine Position auf der Zahlengerade zur Zeit t, so ist seine Geschwindigkeit zur Zeit t 0 definiert durch (siehe auch die Bemerkung vor 18.) v(t 0 ) = lim t t0 ϕ(t) ϕ(t 0 ) t t 0, also v(t 0 ) = ϕ (t 0 ), seine Beschleunigung durch v (t 0 ) = lim t t0 v(t) v(t 0 ) t t 0, also v (t 0 ) = ϕ (t 0 ). Besitzt der Punkt die Masse m und bewegt er sich unter dem Einfluß einer Kraft, die mit der Stärke K längs der Zahlengerade y wirken soll, so gilt nach dem Newtonschen Kraftgesetz K = m y. Vielfach läßt sich nun angeben, wie die Kraft von der Zeit x, dem Ort y und der Geschwindigkeit y abhängt. Setzt man so ist K = K(x, y, y ), y = 1 m K(x, y, y ) =: f(x, y, y ). Gesucht ist dann eine Funktion ϕ : I R mit ϕ (t) = f(t, ϕ(t), ϕ (t)) für t I, also eine Lösung der Differentialgleichung y = f(x, y, y ). Man wird nun vermuten, daß die Lage ϕ(t) des Körpers zur Zeit t eindeutig bestimmt ist, wenn man die einwirkende Kraft K und seine Masse m, d.h. also wenn man f kennt und wenn darüberhinaus seine Anfangslage ϕ(ξ) zum Zeitpunkt ξ und seine Anfangsgeschwindigkeit zum Zeitpunkt ξ, also ϕ (ξ) bekannt sind. Man wird also vermuten, daß das Anfangsproblem y = f(x, y), y(ξ) = η 0, y (ξ) = η 1 eindeutig lösbar ist. Hierbei definiert man: [3] C 1
3 Die lineare Differentialgleichung. Ordnung mit konstanten Koeffizienten 3. Das Anfangswertproblem für explizite Differentialgleichungen n-ter Ordnung Seien D R R n und f: D R gegeben. Sei (ξ, η 0, η 1,..., η n 1 ) D ein fester Punkt. Dann heißt ϕ : I R eine Lösung des Anfangswertproblems y (n) = f(x, y, y,..., y (n 1) ), y(ξ) = η 0, y (ξ) = η 1,..., y (n 1) (ξ) = η n 1, wenn ϕ eine Lösung der Differentialgleichung y (n) = f(x, y, y,..., y (n 1) ) ist, und ξ ein Punkt von I mit ϕ(ξ) = η 0, ϕ (ξ) = η 1,..., ϕ (n 1) (ξ) = η n 1 ist. (ii) ϕ heißt eine eindeutige Lösung des Anfangswertproblems y (n) = f(x, y, y,..., y (n 1) ), y(ξ) = η 0, y (ξ) = η 1,..., y (n 1) (ξ) = η n 1 (über I), wenn ϕ eine Lösung dieses Anfangswertproblems ist, und wenn für jede andere Lösung ψ : I R dieses Anfangswertproblems ψ = ϕ gilt. Da in der Physik meistens die Zeitvariable durch t, die Ortsvariable durch x repräsentiert, und Ableitungen nach der Zeit oftmals mit einem Punkt statt mit einem Strich bezeichnet werden, schreibt man eine Differentialgleichung. Ordnung oft auch in der Form ẍ = f(t, x, ẋ). Da ξ dann dem Anfangszeitpunkt t 0, η 0 dem Punkt x 0 auf der x-achse und η 1 der Anfangsgeschwindigkeit v 0 zum Zeitpunkt t 0 entspricht, werden die Anfangsbedingungen dann auch in der Form x(t 0 ) = x 0, ẋ(t 0 ) = v 0 geschrieben. Das Newtonsche Kraftgesetz würde also in der Form K = mẍ, d.h. ẍ = 1 m K geschrieben. Hierbei ist K = K(t, x, ẋ) die Kraft, die in Richtung der Zahlengerade zur Zeit t auf einem im Punkte x befindlichen Körper der Geschwindigkeit ẋ wirkt. 3.3 Der freie Fall Ein Körper mit der Masse m falle unter dem Einfluß der Schwerkraft zur Erde. Die Luftreibung bleibt zunächst unberücksichtigt. Die Schwerkraft bewirkt, daß ein über der Erde befindlicher frei beweglicher Körper senkrecht zur Erde herabfällt. Die Schwerkraft K ist proportional zur Masse des Körpers. Die Proportionalitätskonstante, die für alle Körper dieselbe ist, wird mit g bezeichnet. Dann gilt K = mg. C 1 [3] 3
4 Kapitel VII Elementare Lösungsmethoden für gewöhnliche Differentialgleichungen Der Punkt, an dem der fallende Körper sich zum Zeitpunkt t 0 = 0 befindet, werde zum Nullpunkt der Zahlengerade gemacht. Die Zahlengerade die x-achse weise senkrecht auf die Erdoberfläche. Dann gilt also K = mẍ und somit lautet () ẍ = g. Gesucht ist also eine Funktion ϕ : I R mit (3) ϕ (t) = g für t I. 0 Körper Erde Die Beschleunigung ϕ (t) des Körpers ist also konstant und für alle Körper dieselbe. Hat der Körper zur Zeit t 0 = 0 die Geschwindigkeit (ϕ (0) =) v 0, so gilt ϕ (t) ϕ (0) = t 0 g dx = gt, d.h. ϕ (t) = v 0 + gt. Also ϕ(t) ϕ(0) = t 0 (v 0 + gx)dx = v 0 t + 1gt. Wegen ϕ(0) = 0 folgt also ϕ(t) = 1 gt + v 0 t. Besitzt der Körper zur Zeit t = 0 die Geschwindigkeit v 0 = 0, so ist der zurückgelegte Weg als Funktion der Zeit durch (ϕ(t) =) 1gt gegeben. 3. Der Fall bei Berücksichtigung der Luftreibung Die Reibungskraft, die auf einen Körper bei der Bewegung durch einen flüssigen oder gasförmigen Stoff wirkt, ist, bei kleinen Geschwindigkeiten des Körpers, proportional zur Geschwindigkeit des Körpers. Der Proportionalitätsfaktor hängt ab von der Gestalt des Körpers und von der Art des Stoffes, in dem sich der Körper bewegt. Kehren wir nun wieder zum Beispiel eines durch die Luft fallenden Körpers mit der Masse m zurück. Dann ist die auf den Körper einwirkende Kraft durch m g ρẋ mit ρ R + gegeben. Das Minuszeichen erklärt sich dadurch, daß die Reibungskraft der Schwerkraft entgegen wirkt. Also lautet die Bewegungsgleichung des in der Luft fallenden Körpers ẍ = g ρ mẋ, x(0) = 0, ẋ(0) = v 0. Gesucht ist also eine zweimal differenzierbare Funktion ϕ mit ϕ = g ρ m ϕ, ϕ(0) = 0, ϕ (0) = v 0. Setzt man ψ = ϕ, so muß also für ψ gelten: ψ = g ρ m ψ, ψ(0) = v 0. Die Lösung dieser Differentialgleichung berechnet sich etwa mit 31.9 zu ψ(t) = e ρ m t (v 0 + g t 0 e ρ m x dx) = e ρ m t (v 0 + g[ m ρ e ρ m t m ρ ]) = (v 0 m ρ g)e ρ m t + mg ρ. [3] C 1
5 Die lineare Differentialgleichung. Ordnung mit konstanten Koeffizienten Also ist ϕ(t) wegen ϕ(0) = 0 dann gegeben durch ϕ(t) = m ρ (v 0 m ρ g)(1 e ρ m t ) + mg ρ t. Für lange Fallzeit stabilisiert sich wegen ψ(t) mg ρ für t also die Fallgeschwindigkeit zu mg ρ. In beiden Fällen ließ sich also die Differentialgleichung zweiter Ordnung dadurch einfach lösen, daß man sie zunächst auf eine Differentialgleichung 1. Ordnung reduziert. Dies wird im folgenden Beispiel nicht mehr möglich sein. 3.5 Der harmonische Oszillator Ein Körper mit der Masse m sei am Ende einer masselosen Feder befestigt. Die Feder liege horizontal auf der ebenfalls horizontalen x-achse. Bei ungespannter Feder möge sich der Körper mit der Masse m im Nullpunkt der Zahlengerade in der sogenannten Gleichgewichtslage befinden. Dehnt oder komprimiert man die Feder um x (x > 0 beim Dehnen, x < 0 beim Komprimieren), so übt die Feder eine Rückstellkraft K = cx ( für c R + ) aus. Die positive Konstante c heißt Federkonstante. Die Gleichung selbst heißt Hooksches Gesetz und ist für kleine Auslenkungen recht gut erfüllt. Nullpunkt m Gleichgewichtslage K = 1 x x m Dehnung (x > 0) K = 1 x m Komprimierung (x < 0) x Nun wird nach dem Newtonschen Gesetz der Körper mit der Masse m durch diese Kraft beschleunigt gemäß mẍ = cx, d.h. () ẍ = ω x mit ω = c m. Die Gleichung () nennt man die Gleichung des harmonischen Oszillators. Dieser Gleichung genügt z.b. auch ein einfaches (= mathematisches) Pendel bei kleiner Auslenkung oder elektrische Schwingungskreise bei kleinen Strömen und Spannungen. C 1 [3] 5
6 Kapitel VII Elementare Lösungsmethoden für gewöhnliche Differentialgleichungen Ist nun die Feder gedehnt oder komprimiert worden und befindet sich der Körper mit der Masse m zur Zeit t 0 im Punkt x 0 mit Geschwindigkeit v 0, so ist die Lage ϕ(t) der Masse zum Zeitpunkt t also durch die Lösung von ẍ = ω x, x(t 0 ) = x 0, ẋ(t 0 ) = v 0 gegeben. Die Lösung dieses Anfangswertproblems wird für eine etwas allgemeinere Fragestellung in 3.7, und noch einmal expliziter in Aufgabe 10 gegeben. Nimmt man nun an, daß die Bewegung des Körpers mit der Masse m durch eine geschwindigkeitsproportionale Reibung gedämpft wird, so tritt zusätzlich die Reibungskraft rẋ (mit r R + ) auf. Die Gesamtkraft, die auf den Körper mit der Masse m wirkt, ist also durch cx rẋ gegeben. Die Bewegung des Körpers mit der Masse m wird dann beschrieben durch mẍ = rẋ cx, x(t 0 ) = x 0, ẋ(t 0 ) = v 0. Wirkt von außen zum Zeitpunkt t noch zusätzlich eine Zwangskraft z = z(t) auf den Körper, so wird die Bewegung insgesamt beschrieben durch mẍ = rẋ cx + z, x(t 0 ) = x 0, ẋ(t 0 ) = v 0, also durch ẍ + r mẋ + c m x = 1 m z(t), x(t 0) = x 0, ẋ(t 0 ) = v 0. Benutzen wir wieder die in der Mathematik übliche Schreibweise, so wollen wir also das Anfangswertproblem y + a 1 y + a 0 y = b(x), y(ξ) = η 0, y (ξ) = η 1 lösen (mit a 1 := r m, a 0 := c m, b := 1 m z, ξ := t 0, η 0 := x 0, η 1 := v 0 ). Die Lösung dieses Anfangswertproblems ist in 3.8(ii) angegeben. 3.6 Die Funktionen c k, s k : R R Definiere für k R die Funktionen c k : R R und s k : R R durch cos(x sin(x k) k) für k > 0, für k > 0, k c k (x) := 1 für k = 0, cosh(x s k (x) := x für k = 0, k) für k < 0, sinh(x k) k für k < 0. Für alle k R gilt: c k = ks k und s k = c k. (ii) c k und s k sind auf R Lösungen der Differentialgleichung y = ky und genügen den Anfangsbedingungen c k (0) = 1, c k (0) = 0 bzw. s k(0) = 0, s k (0) = 1. (iii) Für alle t R gilt: det ( c k (t),s k (t) c k (t),s k (t) ) = 1. Beweis. Für k = 0 ist die Aussage trivial. Für k R + folgt die Aussage mit cos = sin,.1(iii) sin = cos..1(ii) [3] 6 C 1
7 Die lineare Differentialgleichung. Ordnung mit konstanten Koeffizienten Für k R + folgt die Aussage mit (ii) Aus folgt: cosh =.9(ii) sinh, sinh =.9(ii) cosh. c k = (c k ) = ( ks k ) = kc k, s k = (s k ) = c k = ks k. Für k = 0 sind die Anfangsbedingungen offensichtlich erfüllt. Ist k R + so ist c k (0) = cos(0) = 1, c k (0) = ks k(0) = 0, Ist k R + so ist s k (0) = sin(0) k = 0, s k (0) = c k(0) = 1. c k (0) = cosh(0) = 1, c k (0) = ks k(0) = 0, s k (0)) = sinh(0) k = 0, s k (0) = c k(0) = 1. (iii) Es ist zu zeigen, daß für t R gilt: c k (t)s k (t) s k(t)c k (t) = 1. Für t = 0 folgt dies aus (ii). Nun gilt: (c k s k s kc k ) = c k s k +c ks k s k c k s kc k = c ks k s kc k = c k( ks k ) s k ( kc k ) = 0. (ii) Also folgt mit Die spezielle lineare Differentialgleichung. Ordnung y = ky + b(x), k R Seien I ein Intervall, ξ I und η 0, η 1 R. Sei b : I R stetig. Sei (λ 1, λ ) R die eindeutige Lösung von (zur Definition von c k, s k siehe 3.6): ( )( ) ( ) ( ) ( ck (ξ), s k (ξ) λ1 η0 λ1 s )( ) c k (ξ), s k (ξ) =, d.h. = k (ξ), s k (ξ) η0 c k (ξ),. λ η 1 λ c k (ξ) Dann ist λ 1 c k + λ s k I die eindeutige Lösung über I des Anfangswertproblems y = ky, y(ξ) = η 0, y (ξ) = η 1. Insbesondere ist die Menge aller Lösungen über I von y = ky durch {λ 1 c k + λ s k I : λ 1, λ R} gegeben. (ii) Es bezeichnen G 1 : I R die Stammfunktion von s k b mit G 1 (ξ) = 0 und G : I R die Stammfunktion von c k b mit G (ξ) = 0. Dann ist (mit λ 1, λ aus ) ϕ = λ 1 c k + λ s k G 1 c k + G s k = (λ 1 G 1 )c k + (λ + G )s k die eindeutige Lösung auf I des Anfangswertproblems y = ky + b(x), y(ξ) = η 0, y (ξ) = η 1. Beweis. Nach 3.6(iii) ist det ( c k (ξ), s k (ξ) c k (ξ), s k (ξ) ) = 1; die in angegebene Gleichung besitzt also nach Linearer Algebra genau eine Lösung (λ 1, λ ) R. C 1 [3] 7 η 1
8 Kapitel VII Elementare Lösungsmethoden für gewöhnliche Differentialgleichungen Nach 3.6(ii) sind c k I und s k I Lösungen von y = ky. Also ist auch λ 1 c k + λ s k I eine Lösung von y = ky. Nach Definition von λ 1, λ genügt λ 1 c k +λ s k auch den Anfangsbedingungen, ist also eine Lösung des Anfangswertproblems in. Zur Eindeutigkeit der Lösung: Seien nun ϕ 1, ϕ zwei Lösungen des Anfangswertproblems auf I in. Setze ψ := ϕ 1 ϕ. Dann gilt: ψ = kψ, ψ(ξ) = 0, ψ (ξ) = 0. Es ist zu zeigen: () ψ = 0. Ist k R +, so folgt aus : (kψ + ψ ) = kψ ψ + ψ ψ = 0 und (kψ + ψ )(ξ) = 0. Also ist kψ + ψ = 0 und wegen k R + auch ψ = 0, d.h. es gilt (). Ist k = 0, dann gilt (ψ ) = ψ ψ = 0 und ψ (ξ) = 0. Also ist ψ = 0 und wegen ψ(ξ) = 0 auch ψ = 0. Ist k R +, dann ist c k = cosh( kx) > 0, ( ψ c k ) = ψ c k ψc k c k und ( ψ c k )(ξ) = 0. Zum Nachweis von (), d.h. von ψ c k = 0, reicht es daher nachzuweisen (3) 0 = ψ c k ψ c k. Nun ist ψ (ξ)c k (ξ) ψ(ξ)c k (ξ) = 0 und (ψ c k ψ c k ) = ψ c k +ψ c k ψ c k ψ c k = kψc k ψc k = kψc k +ψkc k = 0. Daher folgt (3). Zur Gesamtheit aller Lösungen von y = ky: Für beliebige λ 1, λ R ist λ 1 c k + λ s k I eine Lösung von y = ky (benutze 3.6). Ist nun ψ irgendeine Lösung von y = ky, so gilt mit η 0 := ψ(ξ), η 1 = ψ (ξ), daß ψ das Anfangswertproblem y = ky, y(ξ) = η 0, y (ξ) = η 1 löst. Nach gerade Bewiesenem muß dann aber ψ = λ 1 c k + λ s k mit geeigneten λ 1, λ R sein. (ii) Setze ϕ 1 := λ 1 c k + λ s k I mit λ 1, λ gemäß. () ϕ := G 1 c k + G s k. Wir zeigen zunächst, ϕ = ϕ 1 + ϕ ist eine Lösung des Anfangswertproblems von (ii). Nach Definition von λ 1, λ gilt gemäß : (5) ϕ 1 = kϕ 1, ϕ 1 (ξ) = η 0, ϕ 1 (ξ) = η 1. [3] 8 C 1
9 Die lineare Differentialgleichung. Ordnung mit konstanten Koeffizienten Ferner ist ϕ differenzierbar und es gilt nach Definition von G 1, G : ϕ = G 1 c k G 1 c k + G s k + G s k = bs kc k G 1 c k + bc ks k + G s k = G 1 c k + G s k. Also ist ϕ differenzierbar mit ϕ = G 1 c k G 1c k + G s k + G s k bs k c k + kg 1c k + bc k s k kg s k = 3.6(ii) = 3.6(iii) b 1 k ( G 1 c k + G s k ) = () kϕ + b. Es gilt also ϕ = kϕ + b mit ϕ (ξ) = ϕ (ξ) = 0 wegen G 1(ξ) = G (ξ) = 0. Wegen (5) löst daher ϕ = ϕ 1 + ϕ das Anfangswertproblem von (ii). Sei nun ψ eine weitere Lösung dieses Anfangswertproblems, dann ist ψ ϕ eine Lösung von y = ky, y(ξ) = 0, y (ξ) = 0. Da dieses Anfangswertproblem durch die Nullfunktion gelöst wird, gilt ψ ϕ = 0 nach, d.h. ψ = ϕ. 3.8 Die lineare Differentialgleichung. Ordnung mit konstanten Koeffizienten y +a 1 y +a 0 y = b(x), a 1, a 0 R Seien I ein Intervall und b : I R stetig. Dann gilt für jedes ξ I und η 0, η 1 R: Es gibt genau eine Lösung ψ : I R des Anfangswertproblems y + a 1 y + a 0 y = b(x), y(ξ) = η 0, y (ξ) = η 1. (ii) Setze k := a 0 a 1. Bestimme dann mittels 3.7(ii) die eindeutige Lösung ϕ : I R des Anfangswertproblems y = ky + e a 1 x b(x), y(ξ) = e a 1 ξ η 0, y (ξ) = e a 1 ξ ( a 1 η 0 + η 1 ). Dann ist ψ aus gleich e a 1 x ϕ(x). Beweis. Wir zeigen zunächst, ψ(x) := e a 1 x ϕ(x) mit ϕ aus (ii) löst das Anfangswertproblem in. Nun gilt: ψ(ξ) = e a 1 ξ ϕ(ξ) = e a 1 ξ e a 1 ξ η 0 = η 0, () ψ = a 1 e a 1 x ϕ(x) + e a 1 x ϕ (x), (3) ψ = a 1 e a 1 x ϕ(x) a 1 e a 1 x ϕ a 1 e a 1 x ϕ + e a 1 x ϕ. Also ist () ψ (ξ) = a 1 e a 1 ξ ϕ(ξ)+e a 1 ξ ϕ (ξ) = a 1 e a 1 ξ e a 1 ξ η 0 + a 1 η 0 +η 1 = η 1. C 1 [3] 9
10 Kapitel VII Elementare Lösungsmethoden für gewöhnliche Differentialgleichungen Ferner erhält man ψ + a 1 ψ + a 0 ψ = e a 1 x (ϕ a 1 ϕ + a 1 ϕ + a 1 ϕ a 1 ϕ + a 0 ϕ) (5) (),(3) = e a 1 x (ϕ + (a 0 a 1 )ϕ) = e a 1 x (ϕ + kϕ) = e a 1 x e a 1 x b(x) = b(x). Aus, () und (5) folgt, daß ψ das Anfangswertproblem in löst. Es bleibt die eindeutige Lösbarkeit des Anfangswertproblems in zu zeigen. Sei nun ψ 1 eine weitere Lösung des Anfangswertproblems in. Dann gilt mit λ = ψ ψ 1 (6) λ + a 1 λ + a 0 λ = 0, λ(ξ) = 0, λ (ξ) = 0. Es reicht zu zeigen: µ := e a 1 x λ löst (7) y = ky, y(ξ) = y (ξ) = 0, denn dann folgt e a 1 x λ = 0 nach 3.7, also λ = 0. Nun ist µ(ξ) = 0 und (8) µ = a 1 e a 1 x λ + e a 1 x λ, (9) µ = a 1 e a 1 x λ + a 1 e a 1 x λ + a 1 e a 1 x λ + e a 1 x λ. Also gilt µ (ξ) = (6),(8) 0 und µ + kµ = (9) e a 1 x (λ + a 1 λ + a 1 λ + kλ) = e a 1 x (λ + a 1 λ + a 0 λ) = (6) 0. Also löst µ auch (7). Zu 31 und 3 sehe man sich insbesondere an: Heuser, Analysis I: 55 58, 7 75 und Als Bücher für gewöhnliche Differentialgleichung seien insbesondere empfohlen: H. Heuser: Gewöhnliche Differentialgleichungen, B.G. Teubner, Stuttgart. W. Walter: Gewöhnliche Differentialgleichungen, Springer Verlag, Berlin New York Hong Kong. Als Bücher zur Vorlesung Analysis II und zum Teil auch Analysis III seien empfohlen: H. Heuser: Lehrbuch der Analysis II, B.G. Teubner, Stuttgart W. Walter: Analysis II, Grundwissen Mathematik, Springer Verlag, Berlin New York Hong Kong M. Barner und F. Flohr: Analysis II, de Gruyter Lehrbuch, Walter de Gruyter, Berlin New York O. Forster: Analysis ; Differentialrechnung im R n, gewöhnliche Differentialgleichungen, Vieweg Studium, Grundkurs Mathematik, Braunschweig/Wiesbaden. Die Frage nach Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen von Anfangswertaufgaben für beliebige explizite Differentialgleichungen werden für Differentialgleichungen 1. Ordnung kurz im folgenden Kapitel angesprochen, und dann für explizite Differentialgleichungen n-ter Ordnung im Kapitel X ausführlich behandelt. Sogenannte Randwertaufgaben (siehe Aufgabe 11) und Sätze über stetige Abhängigkeiten von den Anfangswerten sind der Analysis IV vorbehalten. [3] 10 C 1
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