Finanzkrise und realwirtschaftliche Entwicklung: Einige aktuelle Perspektiven
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- Magdalena Holst
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1 Finanzkrise und realwirtschaftliche Entwicklung: Einige aktuelle Perspektiven Dr. Peter Mooslechner Oesterreichische Nationalbank Direktor der Hauptabteilung Volkswirtschaft OeNB - Kamingespräch Wien, 21. November 2008
2 Inhaltsübersicht Die Krise: Eine aktuelle Kurzbestandsaufnahme Aus der Geschichte lernen? Einige potentielle Transmissionskanäle der Krise Prognosen in Krisenzeiten Einige Fragen/Diskussionspunkte..
3 Deutliche Zuspitzung der Finanzmarktkrise in den letzten Wochen Aktienkursindizes brechen ein Index ( = 1) Starker Anstieg der Zinsspreads In Basispunkten Dec.06 Mar.07 Jun.07 Sep.07 Dec.07 Mar.08 Jun.08 Sep.08 DOW JONES Euro Stoxx 50 DJ Euro Stoxx 50 DAX ATX 0 Dec.06 Mar.07 Jun.07 Sep.07 Dec.07 Mar.08 Jun.08 Sep.08 USD*) EUR*) GBP*) *) Zinsdifferenz zwischen dem Dreimonats-Libor (Euribor) und dem Dreimonats-Reposatz
4 Refinanzierungskosten der Banken steigen deutlich Interbankzinssätze - 3M OIS Spreads CDS Spreads 370 in Basispunkten 350 in Basispunkten Jul.07 Quelle: Bloomberg. Sep.07 Nov.07 Jän.08 Mär.08 Mai.08 USD Jul.08 Sep.08 EUR 0 Jul.07 Sep.07 Nov.07 Jän.08 Mär.08 Mai.08 Jul.08 Sep.08 ITRAXX Financial Subordinated 5Y ITRAXX Financial Senior 5Y ITRAXX Crossover 5Y (rechte Achse) 200
5 Globaler Wachstumseinbruch Grafik Prognosen zum W irtschaftswachstum Industrieproduktion in den CESEE EU-Mitgliedstaaten in %, yoy USA Japan China Indien Brasilien Mexiko BG CZ EE LV LT HU PL RO SI SK 2007 Q Q Q Quelle: IWF-Herbstprognose Quelle: Eurostat.
6 Euroraum in Rezession Komponenten des realen BIP gg. Vorperiode; in %-Punkten 1,5 1,3 Industrielle Produktion Veränderung gg. Vorjahresmonat in % 6 Letzter Wert: Sep ,1 5 0,9 0,7 0,5 0, ,1-0,1-0,3-0,5 2006q q q q q Quelle: Eurostat. Vorratsveränderungen und Statistische Differenz Konsumausgaben der privaten Haushalte und POoE Konsumausgaben des Staates Bruttoanlageinvestitionen Außenbeitrag (Waren und Dienstleistungen) Bruttoinlandsprodukt -3 Jän.06 Jul.06 Jän.07 Jul.07 Jän.08 Jul.08 Quelle: Eurostat. Industrielle Produktion Kapazitätsauslastung (rechte Achse) Gleitender 3-Monatsdurchschnitt der Ind. Prod. 81
7 Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu früheren Krisen in den USA und im Euroraum USA EU Unternehmen Bessere Ausgangslage Bessere Ausgangslage Wohnbau, Haushalte Bedeutende Rolle von Wohninvestitionen und Konsum wichtigere Rolle als in früheren Krisen Politik Stärkere und frühere Zinssenkungen, Maßnahmen zur Verbesserung der Liquidität des Finanzsektors Langsamere Anpassung bei den Preisen als in den USA. Haushalte in deutlich besserer Verfassung als in den USA Besonderheiten Niedriger Realzins Stärker bankenbasiert als USA, daher widerstandsfähiger. Große Unterschiede zwischen einzelnen Ländern des Euroraum
8 Finanzieller Stress verstärkt Rezessionen bzw. Abschwünge Reales BIP von 17 Industrienationen in Krisenzeiten Veränderung des realen BIP zum Vorjahresquartal (in %) Analysen von EZB, IMF und OECD zeigen, dass Rezessionen bzw. Abschwünge durch finanziellen Stress verstärkt werden Insbesondere Konsum und Investitionen reagieren stärker Turbulenzen im Finanzsektor führen zu einer schwereren Rezession, wenn Immobilienpreise und Kreditvolumen zuvor stark gestiegen sind Volkswirtschaften mit stärker marktbasiertem Finanzsystem reagieren empfindlicher/stärker auf finanzielle Schocks Quelle: IWF. Quartale vor bzw. nach dem Start des Abschwungs/Rezession Abschwünge mit vorhergehendem finanziellem Stress im Bankensektor Abschwünge ohne vorhergehendem finanziellem Stress im Bankensektor Rezession mit vorhergehendem finanziellem Stress im Bankensektor Rezession ohne vorhergehendem finanziellem Stress im Bankensektor
9 Schickt die Konjunkturlokomotive USA Europa in die Rezession? W irkung von US-Schocks auf die USA und den Euroraum Index (Prozentuelle Reaktion des US-BIP nach 20 Quartalen = 1) 1.2 BIP-W achstum in den USA und im Euroraum % Veränderung zum Vorjahr USA Euroraum USA Euroraum Quelle: Schneider M. and G. Fenz (2008): Transmission of business cycle shocks between the US and the euro area. OeNB-Working Paper 145 Quelle: NBER, Eurostat; Prognose für 08-09: EK
10 Können/Sollten wir aus früheren (Finanz-)Krisen lernen? Konjunkturverlauf in Österreich in Zeiten von Finanzkrisen Abweichung von HP-gefiltertem Trend in % 2.0 BIP I 2.0 BIP II Q-12 Q-8 Q-4 Q Q+4 Q+8 Q+12 Aktienkurscrash 1987Q4 Nikkeicrash 1990Q1 Skandinavische Bankenkrise 1990Q4-2.0 Q-12 Q-8 Q-4 Q Q+4 Q+8 Q+12 ERM-Krise 1992Q4 US-Hedgefondskrise 1998Q4 Konjunktureinbruch 2001Q3 Aktuelle Krise 2008Q4
11 Transmissionskanäle der Finanzmarktkrise (in Österreich) Direkte Auswirkungen: Österreichische Banken sind von der Subprimekrise nur sehr begrenzt direkt betroffen Höhere Finanzierungskosten: Aktien-, Anleihen- und Kreditfinanzierungskosten für Unternehmen gestiegen. Verschärfung der Kreditrichtlinien: Besonders für Unternehmenskredite signalisiert der Bank Lending Survey eine Verschärfung Kreditklemme: Weder Umfragen noch hard facts belegen eindeutig Beschränkung der Kreditvergabe; aber anekdotische Evidenz für Großunternehmen Außenhandel: Wachstumserwartungen für die österreichischen Exportmärkte für 2009 deutlich zurückgenommen Vermögenseffekte: 2007Q3-2008Q3 Verluste gemäß Wertpapierstatistik Haushalte: 24 Mrd. EUR (17 Mrd. ohne Stiftungen); Unternehmen: 14 Mrd. EUR Vertrauen: Vertrauensverluste bereits stärker als 2001; Trendwende noch nicht in Sicht CESEE-Exposure: Das Länderrisiko einiger osteuropäischer Staaten ist deutlich gestiegen starke Verflechtung der österreichischen Wirtschaft (Außenhandel, FDI, Finanzsystem)
12 Finanzierungskosten für Unternehmen zuletzt deutlich gestiegen Finanzierungsbedingungen für Unternehmen in % Kredite (Zinssatz im Neugeschäft für Euro-Kredite mit Volumen über 1 Million EUR) Anleihen (Rendite von Anleihen von Unternehmen der Ratingstufe BBB im Euroraum) Aktien (Gewinnrendite für den österreichischen Aktienmarkt) Quelle: OeNB, Thomson Financial, Wiener Börse AG.
13 Verschärfung Lockerung Kreditrichtlinien: Ergebnisse des EZB Bank Lending Survey Richtlinien für die Gewährung von Krediten an Unternehmen Veränderung in den letzten drei Monaten Seit Ausbruch der Krise 2007Q3 wurden die Richtlinien für Unternehmenskredite in Österreich und im Euroraum (EA) deutlich verschärft. 1 = deutlich verschärft / 2 = leicht verschärft / 3 = weitgehend unverändert geblieben / 4 = etwas gelockert / 5 = deutlich gelockert 4 Richtlinien für Konsumentenkredite sind weniger stark betroffen. 3 Bank Lending Survey signalisiert kein (Ö) bzw. geringes (EA) Nachlassen der Kreditnachfrage Q2 2007Q3 2007Q4 2008Q1 2008Q2 2008Q3 Kredite an kleine und mittlere Unternehmen Kredite an große Unternehmen. Gesamt Quelle: OeNB.
14 Aktuelle WKÖ-Umfrage: Keine Anzeichen einer Kreditverknappung
15 Vermögenseffekte: Wertpapierkursverluste der privaten Haushalte in Österreich (seit 2007Q3) Seit 2007Q3 belaufen sich die Wertpapierverluste der privaten Haushalte auf 24 Mrd. Euro; korrigiert um die Privatstiftungen auf 17 Mrd. Euro Effekte von Vermögenspreisänderungen auf den privaten Konsum und das Wirtschaftswachstum in Österreich sind eher gering Die aktuellen Verluste lassen den Konsum über eine Zeitraum von 5 Jahren um 0,4 Prozentpunkte zurückgehen, das BIP um 0,13 Prozentpunkte. Kurs- und W echselkursverluste des Haushaltssektors aus der Veranlagung in handelbaren W ertpapieren Mio EUR 1, ,000-2,000-3,000-4,000-5,000-6,000-7,000-8,000-9,000-10,000 inkl. Privatstiftungen 2007Q3 Q4 2008Q1 Q2 Q3 verzinsliche W ertpapiere börsennotierte Aktien Investmentzertifikate
16 Abwertung EUR bzw. USD Aufwertung EUR bzw. USD Vermögenseffekte: Fremdwährungskredite leiden unter Wechselkurs- UND Kapitalmarktentwicklungen = 100 W echselkursentwicklung Endfälligkeit und Tilgungsträgerverwendung bei Fremdwährungkrediten 100% 90% 80% 21,6% 21,0% % 60% 50% 40% 30% 20% 10% 78,4% 79,0% 70 Jän.08 Apr.08 Jul.08 Okt.08 0% Quelle: OeNB. Endfälligkeit Tilgungsträgerunterlegung Quelle: Bloomberg. EURCHF EURHUF EURRON EURJPY USDUAH Endfälligkeit bzw. Tilgungsträgerunterlegung Keine Endfälligkeit bzw. nicht tilgungsträgerunterlegt
17 Die Mehrzahl der Transmissionskanäle der Finanzmarktkrise auf die Realwirtschaft sind in traditionellen Makromodellen nicht abgebildet, Kreditklemme Kreditvergabe-konditionen Finanzierungskosten CESEE-Exposure der Banken Exportmärkte Finanzsektor Unter-nehmen Bankbilanzkanal Staat Haushalte Vertrauenseffekte Kanal abgebildet Kanal teilweise abgebildet Kanal nicht abgebildet Austrocknung des Interbanken-marktes Vermögenseffekte
18 die massiven Prognoserevisionen können daher von den Modellen nur unzureichend erklärt werden Revisionen der OeNB-BIP-Prognosen für Österreich (gegenüber der jeweils letzten Prognose im Halbjahresabstand) Zerlegung der Revision der aktuellen (vorläufigen und vertraulichen) O en B-Prognose gegenüber Juni Revisionen im Dezember 2001 für 2001 und 2002 Aktuelle Revisionen für 2009 und 2010 Quelle: OeNB. Revision (in Prozentpunkten) Neue Daten Rest Externe Annahmen Gesamte Revision
19 Einige Fragen/Diskussionspunkte..(I) 1. Auslöser und Propagierung der Krise: Entstehungs- und Übertragungsmechanismen (international national)? 2. Unterschiedliche Betroffenheit: Faktoren und Strukturen für Schockresistenz? 3. Krisenvermeidung und Krisenverhinderung: Verhinderungs- und Aufsichtsmechanismen (international national)?
20 Einige Fragen/Diskussionspunkte..(II) Gibt es eine Mitschuld von ökonomischer Theorie und Wirtschaftspolitik? Dichotomie von Realwirtschaft und Finanzmärkten Effizienz/Optimalitätsanspruch/Dominanz der Finanzmärkte Vernachlässigung der Systemperspektive?????
21 Einige Fragen/Diskussionspunkte..(III) Dimensionen/Mechanismen der Propagierung der Krise: Macro - financial propagation Micro - financial propagation Macro - real propagation Micro - real propagation Direct propagation Indirect propagation National propagation International propagation Ben Bernanke: Nonmonetary Effects of the Financial Crisis in the Propagation of the Great Depression, AER June 1983
22 Ein etwas optimistischerer Schluss. 1. Österreich: BIP pro Kopf USA: (Real-) Kapitalstock USA: (Real-) Kapitalstock pro Kopf
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