Atom- und Kernphysik. Feinstruktur der charakteristischen Röntgenstrahlung einer Wolfram-Anode. LD Handblätter Physik P
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- Gertrud Gerhardt
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1 Atom- und Kernphysik Röntgenphysik Struktur von Röntgenspektren LD Handblätter Physik P Feinstruktur der charakteristischen Röntgenstrahlung einer Wolfram-Anode Versuchsziele g Aufnahme des Spektrums einer Wolfram-Anode g Untersuchung der Struktur der L-Serie. g Bestimmung der Aufspaltung der L-Schalen. Wz 007 Grundlagen Beim Betrieb einer Röntgenröhre wird neben dem Bremsstrahlungskontinuum auch die charakteristische Strahlung ausgesendet (siehe auch z.b. LD Handblatt Physik P6.3.3.). Im Gegensatz zur Bremsstrahlung weist die charakteristische Strahlung keine kontinuierliche Verteilung der Strahlungsstärke im Spektrum auf, ihr Spektrum setzt sich aus scharfen Linien zusammen. Die charakteristische Strahlung entsteht, wenn die Elektronen, die in der Röntgenröhre zur Anode beschleunigt werden, andere Elektronen aus den inneren Schalen der Atome des Anodenmaterials herausschlagen, deren Bindungsenergie kleiner als die Energie der auftreffenden Elektronen ist. Das dabei ionisierte Atom hat dann eine Vakanz (Elektronenloch) in einer zuvor abgeschlossenen Unterschale. Dieser Zustand mit einem Loch in der ansonsten vollständigen Atomhülle ist bis auf das Vorzeichen sehr ähnlich zu einem Atom mit nur einem einzigen Elektron, weshalb man zur genauen Bezeichnung des Zustandes auf die bekannten Quantenzahlen der Atomphysik wie 1S 1/, P 3/ zurückgreifen kann, allgemein nl j. Alternativ werden die Schalen in der Röntgenspektroskopie auch mit den Buchstaben K, L, M usw bezeichnet sowie deren Aufspaltung in Unterschalen wie L1, L, L3. Diese Elektronenlöcher werden jeweils mit Elektronen aus höheren, schwächer gebundenen Schalen des Atoms aufgefüllt: z.b. kann die L-Schale dadurch gefüllt werden, dass ein Elektron aus der M-Schale dahin übergeht. Ein solcher Übergang ist mit der Emission eines Photons verbunden. Diese Strahlung weist nur bestimmte diskrete Photonenenergien auf, die der Energiedifferenz der beteiligten Niveaus entspricht, und ist für jedes chemische Element charakteristisch. Fig. 1: Vereinfachtes Termschema eines Atoms mit einigen charakteristischen Röntgenlinien aus der K- und L- Serien. Bei höherer Auflösung des Röntgenspektrums erkennt man eine Aufspaltung aller Schalen (außer der K-Schale) in einzelne Unterschalen. Verantwortlich hierfür sind zum einem die Spin-Bahn Kopplung, z.b. die Aufspaltung zwischen Orbitalen wie L (P 1/) und L3 (P 3/), zum anderen die veränderte Abschirmung der Kernladung durch die noch vorhandenen restlichen Elektronen bei Orbitalen mit anderer Verteilung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Loches, wie L1 (S 1/). Die Aufspaltung durch Spin-Bahn Kopplung ist auch aus der optischen Spektroskopie bekannt, beispielsweise die gelben Linien D 1, D des Natriums. Es gibt heute zwei verschiedene Systeme der Nomenklatur der Röntgenlinien, das historische nach dem schwedischen Physiker M. Siegbahn (z.b. L α1), und das systematische, von der IUPAC empfohlene (z.b. L3-M5). Die historischen Bezeichnungen der charakteristischen Röntgenlinien werden aus dem Symbol der Elektronenschale (K, L, M usw.) und einem griechischen Kleinbuchstaben (α, β, γ usw.) oder einem lateinischen Kleinbuchstaben zusammengesetzt. So steht die Bezeichnung Kα-Linie für die Übergan- LD Didactic GmbH. Leyboldstrasse 1. D Hürth. Telefon: (033) Fax: (033) info@ld-didactic.de
2 P LD Handblätter Physik ge aus den L-Schalen in die K-Schale. Bei höherer Auflösung entdeckte man die Aufspaltung der einzelnen Linien und benannte diese Feinstrukturaufspaltungen dann mit Ziffern entsprechend der Intensität. Weitere Untersuchungen klärten dann die genaue Struktur der einzelnen Unterniveaus, die im folgenden Bild dargestellt ist. S 1/ N1 M1 P 1/ N M P 3/ N3 M3 D 3/ N4 M4 D 5/ O1 O O3 O4 O5 N5 M5 L3 L1 L Fig Detaillierte Struktur der Schalen mit erlaubten Übergängen L1 L L3 M1 M M3 M4 M5 N1 N N3 N4 N5 O4,O5 L3 Ll Lα Lα1 Lβ6 Lβ Lβ Lβ5 L Lν Lβ1 Lγ1 Lγ6 L1 Lβ4 Lβ3 Lγ Lγ3 K Kα Kα1 Kβ3 Kβ1 Kβ5 Kβ5 Kβ Kβ Kβ4 Kβ4 Tab 1: Liste der erlaubten Übergänge und Vergleich von Siegbahn und IUPAC Nomenklatur Die K-Schale ist der am tiefsten gebundene Zustand, also 1S 1/ und spaltet nicht weiter auf, die nächsthöhere L-Schale setzt sich aus drei Unterniveaus zusammen, die in der Röntgenspektroskopie L1, L, L3 genannt werden und mit den S 1/, P 1/ und P 3/ Zuständen des Loches übereinstimmen. Die nächsthöhere M-Schale spaltet in 5 Unterniveaus auf, da hier auch D-Orbitale besetzt werden können. Die möglichen Übergänge zwischen den einzelnen Niveaus werden in Tabelle 1 dargestellt, beispielsweise der Übergang eines Elektrons vom Niveau M5 (Spalte) zu L3 (Zeile) emittiert ein Röntgenquant mit der Differenz der Bindungsenergie beider Niveaus, und diese Linie wird nach IUPAC-Notation L3-M5 genannt, nach Siegbahn L α1. In Tabelle 1 sind nur die erlaubten Übergänge benannt, die anderen sind aufgrund der Auswahlregeln verboten. Wie in der Optik gilt auch hier L=±1, j=0, ±1. Ein Übergang M1 (S 1/) - L1(3S 1/) verletzt die erste Bedingung, M5 nach L würde die zweite Bedingung verletzen. Beide Übergänge werden in den Spektren erwartungsgemäß nicht beobachtet. LD Didactic GmbH. Leyboldstrasse 1. D Hürth. Telefon: (033) Fax: (033) info@ld-didactic.de
3 LD Handblätter Physik P Geräte 1 Röntgengerät Röhre mit Wolfram-Anode LiF Kristall PC mit Windows 98/NT oder höher Aufbau Fig3: Aufbau des Goniometers Einige wichtige Details zum Versuchsaufbau sind in Fig. 3 dargestellt. Im Einzelnen sind folgende Schritte erforderlich (siehe auch Gebrauchsanweisung zum Röntgengerät): - Röntgengerät mit Röntgenröhre Wolfram bestücken - Kollimator in die Kollimatoraufnahme (a) einbauen (Führungsstifte beachten). - Goniometer so an den Führungsstangen (d) befestigen, daß der Abstand s 1 zwischen der Spaltblende des Kollimators und dem Targetarm ca. 6 cm beträgt. Flachbandkabel (c) für die Goniometersteuerung aufstecken. - Schutzkappe des Fensterzählrohrs entfernen, Fensterzählrohr in die Sensoraufnahme (e) einsetzen und Zählrohrkabel an die Buchse GM-TUBE anschließen. Das Röntgengerät erfüllt die Vorschriften über die Bauart einer Schulröntgeneinrichtung und eines Vollschutzgeräts und ist als Schulröntgengerät und Vollschutzgerät unter BfS 05/07 V/Sch RöV bauartzugelassen. Durch die werksseitig eingebauten Schutz- und Abschirmvorrichtungen ist die Dosisleistung außerhalb des Röntgengeräts auf unter 1 µsv/h reduziert, einen Wert, der in der Größenordnung der natürlichen Strahlenbelastung liegt. g Röntgengerät vor dem Zugriff Unbefugter schützen. Eine Überhitzung der Anode in der Röntgenröhre ist zu vermeiden. g Bei Einschalten des Röntgengeräts überprüfen, ob sich der Lüfter im Röhrenraum dreht. Das Goniometer wird ausschließlich über elektrische Schrittmotoren verstellt. g Targetarm und Sensorarm des Goniometers nicht blockieren und nicht mit Gewalt verstellen. - Durch Verschieben des Sensorhalters (b) den Abstand s zwischen dem Targetarm und der Spaltblende der Sensoraufnahme auf ca. 6 cm einstellen. - Targethalter mit Targettisch (f) einbauen. - Rändelschraube (g) lösen, LiF-Kristall flach auf den Targettisch legen, Targettisch mit Kristall vorsichtig bis zum Anschlag anheben und Rändelschraube gefühlvoll anziehen (dabei mögliches Verkanten durch leichtes Anpressen vermeiden). Durchführung - Programm Röntgengerät starten, korrekten Anschluss des Röntgengeräts überprüfen und ggf. vorhandene Messdaten mit dem Button oder der Taste F4 löschen. - Kristall automatisch einmessen lassen, dazu im Programm mit dem Button oder der Taste F5 Dialogfenster öffnen, unter Kristall Kristall einmessen auswählen, die Röntgenröhre Wolfram und den eingesetzten Kristall auswählen. Nach Klick auf Einmessen beginnt die automatische Justage, die nach ca. 1 Minute erfolgreich beendet ist. - Röhren-Hochspannung U = 35 kv, Emissionsstrom I = 1,00 ma und Winkelschrittweite β = 0,1 wählen. - Taster COUPLED für die ϑ-kopplung von Target und Sensor betätigen. LD Didactic GmbH. Leyboldstrasse 1. D Hürth. Telefon: (033) Fax: (033) info@ld-didactic.de
4 P LD Handblätter Physik - Den unteren Grenzwert des Targetwinkels auf,5, den oberen Grenzwert auf 50,0 stellen und Messzeit pr o Winkelschritt t = s wählen. - Mit dem Taster SCAN Messung und Datenübertragung zum PC starten. - Die Messreihe mit dem Button oder der Taste F unter einem passenden Namen speichern. Messbeispiel Fig 4: Spektrum der Wolframröhre in Winkeldarstellung In Fig. 4 ist ein typisches Spektrum der Wolfram Anode dargestellt. Man erkennt hier das Kontinuum mit einem Maximum bei unter 10, dem die charakteristischen Linie n überlagert sind. Man erkennt zwischen 15 und die L γ, Lβ und Lα Gruppen, die schon eine teilweise Aufspaltung zeigen. Bei ca. den doppelten Winkeln erscheinen die gleichen Linien in zweiter Ordnung, mit deutlich verbesserter Auflösung. Höhere Ordnungen Wählt man nun im Programm Röntgengerät unter Kristall die korrekten Einstellungen für den Gitterebenenabstand des Kristalls und die verwendete Röhre, wie im folgenden Bild Fig 6: Energiedarstellung mit Spektren in erster und zweiter Ordnung Im Experiment wird mit festen Winkelschritten von 0,1 Grad gearbeitet, die Energieänderung de/dθ pro Messpunkt ist damit nicht konstant, sondern je höher die Ordnung des Spektrums ist, desto feiner werden die Winkelschritte. Aus der Bragg Gleichung λ = d sin Θ /n und E = hc/λ ergibt sich E ~ n/ sin Θ und de/dθ ~ n cos Θ/ sin² Θ Die Linienbreite der einzelnen charakteristischen Linien wird im vorliegenden Experiment durch die Spalte des Kollimators und vor dem Zählrohr bestimmt und beträgt bei allen Winkeln ca. 0,5. In Energiedarstellung bedeutet dies aber, dass in höheren Ordnungen die Linienbreite in Energiedarstellung deutlich abnimmt, wie auch in Fig 6 zu sehen ist. Die Linien der zweiten Ordnung sind weniger als halb so breit wie die der ersten Ordnung und zeigen deutlich besser die Struktur der Röntgenübergänge. Andererseits sind die Linien aber deutlich weniger intensiv, so dass prinzipiell schwache Linien wie die Ll und Lν Linien nur in erster Ordnung zu sehen sind. Fig. 5: Auswahl für Energiedarstellung dargestellt, und aktiviert dann Alle Ordnungen zeigen werden die gemessenen Winkel Θ in Energien umgerechnet LD Didactic GmbH. Leyboldstrasse 1. D Hürth. Telefon: (033) Fax: (033) info@ld-didactic.de
5 LD Handblätter Physik P Auswertung R 1/s 1000 L l L ν L β1 L β L α1 L γ1 L α L β4 L γ L γ3 100 L β3 7 7,5 8 8,5 9 9, , ,5 1 1,5 Fig 7: Ausschnitt des Spektrums in Fig 6 E / kev Übergang Messwert / kev Literaturwert / kev Lα1 8,40 8,3976 Lα 8,34 8,335 Lβ1 9,67 9,674 Lβ 9,96 9,948 Lβ3 9,8 9,8188 Lβ4 9,53 9,549 Lγ1 11,9 11,85 Lγ 11,59 11,608 Lγ3 11,67 11,6745 Ln 8,7 8,744 Ll 7,4 7,387 Differenz der Linien Lα und Lβ1 bestimmt werden und beträgt 1,33 kev Der gleiche Abstand sollte auch zwischen den Ll und Lν Linien zu finden sein, da diese vom M1 Niveau jeweils nach L und L3 verlaufen. Aus der Messung ergibt sich ein Wert von 1,3 kev, etwas ungenauer, da die schwachen Linien nur in erster Ordnung sichtbar waren. Das gleiche wiederholt sich bei Lβ und Lγ1 mit einem Abstand von ebenfalls 1,33 kev Aus den gemessenen Energien der einzelnen Übergänge lassen sich nun die Aufspaltungen der einzelnen Niveaus bestimmen. In den vorangegangenen Handblättern wurde bei den leichten Elementen die Feinstruktur-Aufspaltung zwischen den Niveaus L3 und L aus der Differenz Kα1-Kα bestimmt. Da bei Wolfram die K-Schale mit den experimentell verfügbaren 35 kv nicht angeregt werden kann, können die K- Linien in diesem Experiment nicht beobachtet werden. Wie in Fig und Tabelle 1 zu sehen ist, gibt es aber zwei Übergänge aus dem Niveau M4 sowohl nach L als auch L3. Damit kann die Aufspaltung von L und L3 auch über die LD Didactic GmbH. Leyboldstrasse 1. D Hürth. Telefon: (033) Fax: (033) info@ld-didactic.de
6 P LD Handblätter Physik LD Didactic GmbH. Leyboldstrasse 1. D Hürth. Telefon: (033) Fax: (033) info@ld-didactic.de
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