3 Kürzeste und längste Wege
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- Hans Friedrich
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1 33 3 Kürzeste und längste Wege 3. Kürzeste Wege Praktisch jeder von uns nutzt Routenplaner (im Internet, Smartphone oder Navi), um den kürzesten/ schnellsten/ wirtschaftlichsten Weg von einem Startort s zu einem Zielort z zu finden. Das ist offensichtlich ein typisches Optimierungsproblem in der Graphentheorie, wobei wir allgemeiner Kantenfolgen betrachten. Zur Vorbereitung entsprechender Verfahren betrachten wir folgendes Problem: Beispiel 3.. Einem zufällig ausgewählten Menschen auf der Erde soll ein Brief zugestellt werden. Der Brief ist vertraulich und darf daher nur zwischen Menschen weitergegeben werden, die sich kennen. Um die Aufgabe zu lösen, ordnen wir jedem Menschen auf der Erde eine Ecke zu und verbinden zwei Ecken genau dann, wenn die zugehörigen Menschen sich kennen. Man erhält einen ungerichteten Graphen mit ca. 7 Milliarden Ecken und muss einen Weg von der eigenen Ecke zu der des Empfängers finden. (Für kleine Graphen kann man möglicherweise schnell einen solchen Weg mit Hilfe einer Zeichnung erkennen. Um ein solches Problem bei Graphen mit sehr vielen Ecken und Kanten zu lösen, sind Algorithmen sinnvoll, die für kleine wie große Graphen eine Lösung finden.) Eine Lösungsmöglichkeit (für zusammenhängende Graphen) ist die folgende: Man überlegt zunächst, wen man alles kennt. Ist der gewünschte Empfänger darunter, so ist das Problem gelöst. Gehört der Empfänger nicht zu den unmittelbaren Bekannten (die wir Bekannte Stufe nennen), dann fragt man alle Bekannten, ob diese den Empfänger kennen. Kennt einer dieser Bekannten den Empfänger, dann gibt man ihm den Brief und er gibt ihn dem Empfänger. Kennen die Bekannten der Stufe den Empfänger auch nicht, so fragen sie jeweils ihre Bekannten (der Stufe 2), ob diese den Empfänger kennen und so weiter. k l m i j a e f b c d Bezeichnet in dem obigen Graph a den Absender, h den Empfänger, dann entsprechen die Ecken b, e und k den Bekannten der Stufe, die Ecken c, f, i und l der Stufe 2, die Ecken d und j der Stufe 3 und die Ecken g, h und m der Stufe 4. Damit existiert ein Weg von a nach h mit 4 Kanten, und dieser ist nach Kantenzahl der kürzeste. Damit der Algorithmus auch den Weg als Ergebnis liefert, speichern wir bei jeder Ecke e der i-ten Stufe die Ecke e i -ten Stufe, von der aus e zuerst erreicht wurde. In dem Beispiel ergeben sich die Zuordnungen g h Ecke a b c d e f g h i j k l m Vorgänger - a e c a b j d e f a k j
2 3. Kürzeste und längste Wege 34 und damit der Weg aecdh, wobei bei dem Verfahren ausschließlich das Wissen über die Nachbarn jeder einzelnen Ecke verwendet wurde. Wir betrachten nun allgemein einen (kanten-) bewerteten gerichteten (oder ungerichteten) Graphen G = (E,K) mit zwei Ecken s und z, in dem jede Ecke von s aus erreichbar ist, und suchen eine s-t-kantenfolge mit minimalem Kosten. Dabei könnten durchaus negative Zahlen als Bewertungen auftreten, z.b. wenn man eine Fahrroute mit minimalen Kosten sucht, aber man auf bestimmten Verbindungen Gewinn (also negative Kosten ) erzielen kann. Beispiel 3..2 In dem Graph e 5 2 e e 2 4 e 3 e 4 gibt es zwischen e und e 4 nur einen Weg mit Wert 2. Andererseits gibt es unendlich viele Kantenfolgen von e nach e 4 mit den Werten -2, -5, -8,... Gibt es also in G Kreise mit negativem Wert, dann gibt es keine optimale Lösung. Zunächst betrachten wir im folgenden nur gerichtete stark zusammenhängende Graphen G = (E,K) mit nichtnegativer Bewertung w : K IR und wollen für eine beliebige feste Ecke s E die Längen (die Werte) einer kürzesten Kantenfolge von s zu jeder anderen Ecke e E bestimmen. Da man zu jeder s-e-kantenfolge durch Weglassen von Kreisen einen s-e-weg erhält, dessen Wert wegen der nichtnegativen Kantenbewertung nicht größer als der der Kantenfolge ist, beschränken wir uns hier auf die Suche nach einem minimalen s-e-weg. O.B.d.A. sei G vollständig, d.h. für jedes Paar von Ecken a,b E ist ab K (wir setzen gegebenenfalls w( ab) := ). Definition 3..3 Sei G = (E, K) ein gerichteter Graph mit nichtnegativer Bewertung w, U E, s U, e E. Dann bezeichnen wir mit { minw(w); W ist s-e-weg mit Zwischenecken nur in U, ρ U (s,e) := sonst den Abstand von s zu e bezüglich U. Grundlage des nächsten Algorithmus ist folgender Satz 3..4 Sei G = (E, K) ein vollständiger gerichteter Graph mit nichtnegativer Bewertung w, s E. Ist W für a E ein kürzester Weg von s nach a, b E eine Zwischenecke von W und sind W und W die Teilwege von s nach b bzw. von b nach a, dann gibt es keinen kürzeren Weg von s nach b als W und keinen kürzeren Weg von b nach a als W. Speziell gilt ρ G (s,a) ρ G (s,b)+w( ba) für alle ba K.
3 3. Kürzeste und längste Wege 35 Wir betrachten nun folgenden Algorithmus von Dijkstra (959). [] Zuerst ordnen wir jeder Ecke e einen Wert f(e) zu, und zwar der Startecke s den Wert f(s) = 0 und den anderen Ecken den Wert f(e) =. Weiter sei M =, M = E und w(k) die Länge der Kante k. [2] Wir wählen eine Ecke u M mit minimalem Wert. [3] Ist diese Ecke gleich der Zielecke z, dann ist der Algorithmus beendet. Ansonsten ersetzen wir M durch M {u} und M durch M \{u}. [4] Für jede Ecke e in M, die mit u durch eine (Schnitt-)Kante verbunden ist, berechnen wir f(u)+w( ue). Wenn dieser Wert kleiner als f(e) ist, ersetzen wir f(e) durch diesen Wert. [5] Das Verfahren mit Schritt 2 fortgesetzt. Anwendung des Algorithmus auf Beispiel 3..5 a b s 22 z c d Die Werte, die nach jedem Schritt den Ecken zugeordnet sind, werden in einer Zeile eingetragen. Ist eine Ecke im Schritt 2 ausgesucht, wird der ihr zugeordnete Wert fett gedruckt und in den anschließenden Zeilen kein weiterer Wert eingetragen. Bei jedem Schritt enthält also die Menge M genau die Ecken, für die Werte in Normalschrift eingetragen sind. Durchlauf Auswahl s a b c d z M M 0 0 s,a,b,c,d,z s 2 3 a,b,c,d,z s 2 c a,b,d,z s,c 3 d a,b,z s,c,d 4 a b,z s,c,d,a 5 b 48 z s,c,d,a,b Satz 3..6 Dijkstras Algorithmus bestimmt die Länge des kürzesten s-z-weges. Bemerkungen und Beispiele 3..7 () Für das Beispiel 3..5 ergibt sich als Länge eines kürzesten s-z-weges 48. Den entsprechenden kürzesten Weg erhält man durch Rückverfolgung des Algorithmus: Wir beginnen mit z. Der Wert von z änderte sich letztmalig bei Auswahl der Ecke b, der Wert von b letztmalig bei Auswahl von c und der Wert von c letztmalig bei Auswahl von s. Damit ergibt sich der kürzeste Weg scbz.
4 3. Kürzeste und längste Wege 36 (2) Bei negativen Kantenbewertungen arbeitet der Algorithmus von Dijkstra i.a. nicht mehr korrekt: Der folgende Graph hat zwar einige Kanten mit negativer Bewertung, aber keine Kreise negativer Länge. e 5 e e e 4 3 e 3 Der kürzeste Weg von e nach e 4 ist e e 2 e 3 e 4 mit Länge 4. Der Algorithmus von Dijkstra liefert als kürzesten e -e 4 -Weg die Kante e e 4 mit Länge 6. Durchlauf Auswahl e e 2 e 3 e 4 e 5 M M 0 0 e,e 2,e 3,e 4,e 5 e 3 6 e 2,e 3,e 4,e 5 e 2 e e 3,e 4,e 5 e,e 2 3 e 4 (3) Mit dem Algorithmus von Dijkstra lässt sich das Problem des chinesischen Postbote für den Fall lösen, dass es genau zwei ungerade Ecken gibt. Er liefert einen kürzesten Weg zwischen diesen beiden Ecken und damit die Mindest-Gesamtlänge. Der folgende Floyd Warshall Algorithmus benutzt Matrix-Operationen zur Berechnung der Abstände aller Ecken untereinander. Er funktioniert auch mit negativen Kantenbewertungen und erkennt Kreise negativer Länge. Definition 3..8 Sei G = (E,K) ein gerichteter schlichter Graph mit den Ecken e,...,e p und der Bewertung w : K IR. Weiter sei r IN mit r p. (a) Die Matrix D = (d ij ) mit w( ei e j ), für ei e j K d ij := 0 für i = j für ei e j K heißt Abstandsmatrix von G. (b) Für eine reelle (p,p)-matrix A = (a ij ) definieren wir die durch die Dreiecksoperation auf A bezüglich r erzeugte Matrix A = (a ij) durch { a ij = min{a ij,a ir +a rj } für alle i,j {,...,p}\{r} a ij sonst.
5 3. Kürzeste und längste Wege 37 Bemerkungen und Beispiele 3..9 e 2 e 2 0 () Zu dem Graph -4 erhältmandieabstandsmatrix(d ij ) = e 4 3 e Die Dreiecksoperation für r = 4 ergibt (d ij ) = (2) Sei G ein Graph mit den Ecken E = {e,e 2,...,e p }, S E, d ij die Länge eines kürzesten e i -e j -Weges mit Zwischenecken nur aus S und e r S. Weiter sei (d ij ) die Matrix, die aus (d ij ) durch eine Dreiecksoperation bezüglich r entsteht. Dann ist d ij die Länge eines kürzesten e i -e j -Weges mit Zwischenecken nur aus S {e r }. (3) Sei G = (E,K) ein gerichteter bewerteter Graph mit Ecken e,...,e p und Abstandsmatrix D (0). Für r =,...p sei D (r) = (d (r) ij ) das Ergebnis der Dreiecksoperation für D(r ) bezüglich r. Dann gilt: (a) Es gibt einen Kreis negativer Länge genau dann, wenn d (r) ii < 0 für ein i und ein r. (b) Giltd (r) ii 0für alleiundr,so ist d (r) ij dielängeeines kürzesten e i -e j -Weges, wenn nur Wege zugelassen sind, die als Zwischenecken nur Elemente aus {e,...,e r } benutzen. (4) Zur Bestimmung der zugehörigen kürzesten Wege dienen Matrizen (e (r) ij ), r p, in der für den kürzesten e i -e j -Weg mit möglichen Zwischenecken aus {e,...,e r } (falls es einen solchen gibt) die Nummer der letzten Zwischenecke eingetragen { wird. e (r ) ij falls d (r) ij = d (r ) ij Man setzt dazu e (0) ij := i, i,j p und weiter e (r) ij := e (r ) rj (5) Fortsetzung des Beispiels aus (): 0 (d (0) ij ) = (e (0) ij ) = (d () ij ) = (e () ij ) = (d (2) ij ) = (e (2) ij ) = d (2) falls d (r) ij < d (r ) ij 44 = zeigt an, dass es einen e 4-e 4 -Weg mit negativer Länge gibt. Den Weg erhält man aus (e (2) ij ) durch Rückverfolgung der Ecken. Aus e(2) 44 = ergibt sich e, aus e (2) 4 = 2 e 2, aus e (2) 42 = 4 wieder e 4, d.h. insgesamt der Kreis e 4 e 2 e e 4..
6 3. Kürzeste und längste Wege Längste Wege in Netzen Beispiel 3.2. Eine Familie plant den Bau eines Hauses. Das Grundstück ist erworben und die Pläne des Architekten liegen vor. Die derzeitige gemietete Wohnung muss gekündigt werden, und zwar zu einem Termin, der nicht vor Fertigstellung des Hauses liegen darf, aber auch möglichst nicht zu lange danach, um nicht unnötig Miete zu zahlen. Um eine möglichst genaue Abschätzung des Fertigstellungstermins zu erhalten, wird einen Ablaufplan für das Bauprojekt erstellt. Dabei werden die zu erledigenden Arbeiten durch Punkte dargestellt, die jeweils den Abschluss der Arbeit symbolisieren. Bevor eine Arbeit begonnen wird, müssen meist andere Arbeiten abgeschlossen sein. Zum Beispiel kann das Dach erst dann erstellt werden, wenn die Wände im Rohbau stehen, davor müssen Fundamente und Bodenplatte gegossen sein, davor der Grundriss eingemessen werden und davor die Baugenehmigung vorliegen. Andere Arbeiten können dagegen parallel und unabhängig voneinander vonstatten gehen, z.b. können Elektriker und Installateur parallel arbeiten. Die Abhängigkeiten der Arbeiten untereinander werden also durch Pfeile dargestellt. Ein Pfeil vonecke azuecke bbedeutet, dassarbeitaerst abgeschlossen seinmuss, bevorarbeitbbeginnt. Die Pfeile werden mit Zahlen versehen, die die Zeitdauer der Arbeit darstellen. Eine Arbeit kann erst begonnen werden, wenn alle entsprechenden Vorarbeiten abgeschlossen sind, also auch die, die die längste Zeit beanspruchen. Die bis zur Fertigstellung des Gesamtprojekts notwendige Zeit ist also durch einen längsten Weg vom Startpunkt zum Zielpunkt gegeben. Ein solcher gerichteter Graph heißt Netzplan. Er muss zusammenhängend sein, darf aber auch keine Kreise (aus Kanten mit gleicher Richtung) haben, da für den Beginn einer Arbeit nicht der Abschluss derselben Arbeit Voraussetzung sein kann. Die Suche nach einem längsten Weg ist verwandt mit der Suche nach einem kürzesten Weg. Bei einem längsten Weg von s nach z mit vorletzter Ecke e muss der Teilweg von s nach e ebenfalls ein längster Weg sein. Man sucht daher analog zum Algorithmus von Dijkstra ein Verfahren, das, ausgehend vom Startpunkt s, schrittweise längste Wege mit immer größerer Reichweite konstruiert. Bei einem entsprechenden Algorithmus ist darauf zu achten, dass alle Arbeiten, deren Ecken mit einer neuen Ecke durch eine gerichtete Kante verbunden sind, abgeschlossen sind. Daher nimmt man bei jedem Durchlauf nur Ecken dazu, die nur mit den vorher ausgewählten Ecken durch gemeinsame Kanten und durch keinen weiteren Weg verbunden sind. Jeder ausgewählten Ecke wird durch den Algorithmus eine Zahl zugewiesen, die die Länge eines längsten Weges von s zu dieser Ecke innerhalb der schon betrachteten Eckenmenge angibt. Dieser Wert heißt Potential der Ecke. Längster-Weg-Algorithmus: [] Sei M := {s}, M := E \M und f(e) := 0 für alle e E. [2] Sei M die Menge aller Ecken aus M, zu denen nur von Ecken aus M gerichtete Kanten gehen. [3] Für jede Ecke e M setze f(e) := max{f(e),f(u)+w( ue);u M, ue K}. [4] Ist z M, dann ist der Algorithmus beendet. Ansonsten ersetze M durch M M und M durch M\M. [5] Das Verfahren mit Schritt 2 fortgesetzt.
7 3. Kürzeste und längste Wege 39 Beispiel a 7 6 s 4 4 b c 7 4 d z Wie beim Dijkstra-Algorithmus stellen wir die Ergebnisse jedes Durchlaufs in der Zeile einer Tabelle zusammen. Jeder Ecke wird wieder eine Spalte zugeordnet, in der die Werte des Potentials eingetragen werden. Unter dem Namen der Ecke sind alle Ecken aufgeführt, von denen eine gerichtete Kante zu dieser Ecke läuft, die also Arbeiten symbolisieren, die abgeschlossen sein müssen. Durchlauf Ecken s a b c d z Weg von in M s,b s s,b,d s a,c,d s s 2 s,b,d b 3 s,b,d,a,c 4 a Der Algorithmus endet nach endlich vielen Schritten (bei p Ecken nach höchstens p Durchläufen), und das Potential der Zielecke z nach Ende ist gleich dem Wert eines längsten Weges. Den entsprechenden längsten Weg erhält man wieder durch Rückverfolgung des Verfahrens. In unserem Beispiel ist dies der Weg sbaz. Das Potential von z gibt an, wie lange das Projekt mindestens dauert. Verlängert sich eine der Arbeiten, die zu Ecken auf diesem Weg gehören, dann verlängert sich auch das ganze Projekt. Daher heißt ein solcher Weg kritischer Weg. Arbeiten, die nicht auf einem kritischen Weg liegen, können sich in einem gewissen Rahmen verlängern, ohne den Fertigstellungstermin zu verzögern. Man ist natürlich daran interessiert, um welche Zeit sich eine Arbeit ohne Folgen für die Projektdauer verlängern kann. Die maximale Zeit, um die sich die Aktivität einer Kante e e 2 verlängern kann, ergibt sich aus der Differenz des spätest- und des frühest-möglichen Anfangstermins der Aktivität e e 2, und das ist ( ) (Gesamtdauer des Projekts) (Länge des längsten Weges von e über e e 2 nach z) (Länge des längsten Weges von s nach e ). In der nächsten Tabelle werden die möglichen Überziehungszeiten für alle Aktivitäten unseres obigen Beispiels aufgelistet.
8 3. Kürzeste und längste Wege 40 Aktivität sa sb sc sd ba bc dc az cz dz frühest-m spätest-m Schlupf In der PERT-Methode (Program Evaluation and Review Technique) wird ein solches Netzwerk durch statistische Überlegungen erweitert. Zum Beispiel ergibt sich jeweils die eingesetzte Dauer einer Aktivität aus einer Mischkalkulation, die eine optimistische, eine pessimistische und die wahrscheinlichste Schätzung auswertet. Oft müssen die Kosten für eine Aktivität berücksichtigt werden, und Termin- und Kostenüberlegungen laufen entgegengesetzt. PERT gibt an, wie man beide Überlegungen gegeneinander abwägen kann.
9 4 4 Planare Graphen 4. Definition Elektrische Schaltungen werden industriell auf Karten aufgedruckt. Die Leitungen können wir uns als Kanten und die verbundenen Objekte als Ecken eines Graphen vorstellen. Kreuzungen von Leitungen produzieren i.a. einen Kurzschluss, so dass die Frage sich als wichtig erweist, ob es isomorphe Graphen mit einer kreuzungsfreien Darstellung in der euklidischen Ebene gibt. Definition 4.. (a) Eine stetige injektive Abbildung k : [0,] IR n heißt Jordanbogen. Ist k : [0,] IR n stetig auf [0,], injektiv auf (0,) und gilt k(0) = k(), dann heißt k Jordankurve. (b) Ein Graph G = (E, K) heißt euklidischer Graph, wenn folgendes gilt: Die Ecken von G sind Punkte des IR n (mit einem n IN). Die Kanten sind Jordanbögen oder Jordankurven k i, i q, mit k i (0),k i () E und k i (t) E für 0 < t <, i q. Die Kanten von G haben keine Schnittpunkte (im Innern), d.h. es gilt k i (s) k j (t) für alle 0 < s,t <, i j. (c) Ist G ein Graph, G ein zu G isomorpher euklidischer Graph, dann heißt G Einbettung von G in den (zugehörigen) IR n. (d) Ein euklidischergraph im IR 2 heißtebener Graph, ein zueinem ebenengraph isomorpher Graph heißt planar oder plättbar. Beispiele 4..2 () Der vollständige Graph K 4 und der vollständige bipartite Graph K 2,3 sind planar. (2) Ein bekanntes Puzzle ist die Frage, ob man 3 Dörfer a, b und c kreuzungsfrei mit einem Elektrizitätswerk e, einem Gaswerk g und einem Wasserwerk w verbinden kann, d.h. ob der vollständige bipartite Graph K 3,3 planar ist. Natürlich kann man alle für dieses spezielle Problem in Frage kommenden Möglichkeiten durchprobieren und erkennt, dass der Graph nicht planar ist. Wir werden im folgenden Kriterien für planare Graphen herleiten. Satz 4..3 Jeder Graph G lässt sich in IR 3 einbetten.
10 4. Planare Graphen Eulersche Polyederformel Durch einen ebenen Graph wird die Ebene in endlich viele zusammenhängende Gebiete zerlegt, von denen genau eines nicht beschränkt ist (das Außengebiet ). Das beruht auf dem Satz 4.2. (Jordanscher Kurvensatz) Eine Jordankurve C zerlegt die (Rest-)Ebene IR 2 \C in zwei nichtleere Gebiete, von denen eins (das Innere von C) beschränkt und das andere (das Äußere von C) nicht beschränkt ist. Zwei Punkte der Ebene können genau dann durch einen Jordanbogen verbunden werden, der C nicht trifft, wenn sie beide im Innern oder beide im Äußeren von C liegen. Definition Sei G ein ebener Graph. (a) Die durch die aus den Kanten zusammengesetzten Jordankurven entstehenden Gebiete heißen Länder, der Graph zusammen mit seinen Ländern Landkarte. (b) Zwei verschiedene Länder heißen benachbart oder adjazent, wenn es eine Kante gibt, die zum Rand beider Länder gehört. Bemerkungen () Randpunkte und Rand eines Landes sind wie üblich in der Analysis definiert. Jeder Randpunkt liegt auf genau einer Kante oder ist eine Ecke. (2) Zwei Länder, deren Abschlüsse nur eine Ecke gemeinsam haben, sind nicht benachbart. (3) Mit Hilfe stereographischer Projektion kann man zeigen, dass ein Graph genau dann planar ist, wenn er auf der Sphäre einbettbar ist. Durch zweimalige stereographische Projektion eines ebenen Graphen kann man erreichen, dass ein beliebig vorgegebenes Land äußeres Land wird. Satz (Eulerscher Polyedersatz) Sei G = (E,K) ein ebener Graph mit p Ecken, q Kanten, m Komponenten und die zugehörige Landkarte habe s Länder. Dann gilt: (a) s q +p = +m. (b) Ist G zusammenhängend, dann gilt s q +p = 2. Bemerkungen () Da isomorphe Graphen dieselbe Ecken-, Kanten- und Komponentenzahl haben, ist nach der Eulerschen Polyederformel die Anzahl der Länder für jede Einbettung eines planaren Graphen gleich. Daher kann man auch bei planaren Graphen von der Anzahl seiner Länder sprechen. Landkarten, die zu verschiedenen Einbettungen eines Graphen gehören, müssen nicht isomorph sein. Bei folgendem Beispiel der beiden isomorphen ebenen Graphen entsteht bei G ein Fünfeck, bei G 2 treten nur Drei- und Vierecke auf.
11 4. Planare Graphen 43 G (2) Ist G ein ebener Graph, dann ist eine Kante von G genau dann eine Brücke, wenn sie zum Rand eines einzigen Landes gehört. (3) Ist G ein zusammenhängender ebener Graph ohne Brücken, dann gehört jede Kante zu genau 2 Ländern. (4) Die Eulersche Polyederformel gilt auch für konvexe 3-dimensionale Polytope, d.h. beschränkte Durchschnitte endlich vieler (durch Ebenen berandeten) Halbräume im IR 3. Beispiele dazu gibt die folgende Tabelle, in der für bestimmte Polytop-Beispiele die sogenannten kombinatorischen Eigenschaften, d.h. die Anzahlen p der Ecken, q der Kanten, s der Seiten sowie die Eckenzahl n pro Seite sowie die Kantenanzahl m pro Ecke aufgelistet ist: G 2 Polytop p q s n m Tetraeder Oktaeder Ikosaeder Würfel Dodekaeder Pyramide über n-eck n+ 2n n+ n/3 n bzw. 3 Doppel-Pyramide über n-eck n + 2 3n 2n 3 n bzw. 4 Prisma über n-eck 2n 3n n+2 n bzw. 4 3 Antiprisma über n-eck 2n 4n 2n + 2 n bzw. 3 4 Projeziert man ein konvexes Polytop von einem Punkt sehr dicht an einer festen Seite auf die Ebene, die diese Seite enthält, dann erhält ein Bild in der Ebene, das zwar nicht die Größenverhältnisse widerspiegelt, aber die kombinatorischen Eigenschaften: Die Bilder zweier Kanten schneiden sich höchstens in einer Ecke, jede Ecke ist sichtbar mit allen Kanten, die dort zusammenstoßen, und die Ebene wird durch die Kantenzüge in s Bereiche zerlegt, die Projektionen der Polytopseiten sind. Dabei fasst man das unbeschränkte Außengebiet als Bild der Seite auf, auf die projeziert wird. Für das Bild eines Tetraeders bzw. eines Würfels ergibt sich zum Beispiel:
12 4. Planare Graphen 44 (5) In der Topologie klassifiziert man geschlossene 2-dimensionale Flächen im Raum. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass mit jedem Punkt der Fläche auch eine kleine Kreisscheibe um diesen Punkt Teil der Fläche ist, sie also keinen Rand hat. Beispiele sind Zylindermantelfläche, Kugeloberfläche ( Sphäre ) oder Möbius-Band. Zwei Flächen betrachtet man in der Topologie als gleich, wenn sie durch Verbiegungen oder Streckungen ineinander überführt werden können, aber ohne Gebrauch von Schere und Klebstoff. Zuerst unterscheidet man zwischen orientierbaren (zweiseitigen) und nichtorientierbaren (einseitigen) Flächen. (Eine Ameise kann bei einer orientierbaren Fläche niemals durch Durchlaufen einer geschlossenen Kurve die Richtungen oben und unten verändern.) Die Sphäre ist orientierbar, das Möbiusband ist nichtorientierbar (aber natürlich keine geschlossene Fläche). Man kann zeigen, dass es Standardformen gibt, die man durch ihr Geschlecht beschreibt: Der Kugeloberfläche ordnet man das Geschlecht 0 zu. Setzt man an eine Kugeloberfläche h Henkel an, dann erhält man eine orientierbare Fläche O h vom Geschlecht h. Der Torus ist damit eine orientierbare Fläche vom Geschlecht. Schneidet man andererseits in eine Kugeloberfläche k kreisförmige Löcher und identifiziert bei jedem Loch jeweils die sich gegenüberliegenden Randpunkte (verklebt sie), dann erhält man eine nichtorientierbare Fläche N k vom Geschlecht k. Auf jeder dieser Standardformen F zeichnet man eine Landkarte mit p Ecken, q kreuzungsfreien Kanten und s Ländern, und berechnet E(F) := e k +s. Mankannnunzeigen,dassderWertvonE(F)charakteristischfürdieArtderFlächeistund nicht von der speziell gewählten Landkarte abhängt. E(F) heißt Euler-Charakteristik der Fläche und es gilt E(O h ) = 2 2h und E(N k ) = 2 k. (6) Mit Hilfe der Euler-Formel kann man zeigen, dass es im IR 3 genau 5 (im kombinatorischen Sinn) reguläre konvexe Polytope gibt (bei denen die Anzahl der Ecken pro Seite und die Anzahl der Kanten pro Ecke jeweils gleich ist), nämlich die 5 platonischen Körper. Definition Ein schlichter ebener Graph G = (E, K) heißt maximal eben, wenn es keinen ebenen Graphen G = (E,K ) gibt mit K K, K K. Satz Sei G = (E,K) ein schlichter Graph mit p 3 Ecken und q Kanten. (a) Ist G maximal eben, dann ist G zusammenhängend und hat keine trennende Ecke. (b) Ist G maximal eben mit mindestens 3 Ecken, dann wird jedes Land der zugehörigen Landkarte durch genau 3 Kanten berandet.
13 4. Planare Graphen 45 (c) Ist G maximal eben, dann hat G q = 3p 6 Kanten. Ist G planar, dann gilt q 3p 6. (d) Ist G eben und enthält die zugehörige Landkarte keine Dreiecke, dann gilt q 2p 4. Das gilt insbesondere für bipartite Graphen. (e) Der vollständige Fünfecksgraph K 5 und der vollständige bipartite Graph G 3,3 sind nicht planar. (f) Ist G planar und gilt δ(g) 3, dann hat G mindestens 4 Ecken vom Grad kleiner oder gleich 5. Definition Sei G = (E,K) ein schlichter ebener Hamilton-Graph, C ein orientierter Hamiltonkreis. Länder, die bei Durchlauf von C links von C liegen, heißen innere Länder, die anderen äußere Länder. Weiter sei α i die Anzahl der inneren Länder, deren Rand aus i Kanten gebildet wird, und β i die Anzahl der entsprechenden äußeren Länder. Beispiel In dem Graphen ist Es gilt 5 G α 4 = 4, β 4 =, α 5 = 2, β 5 = 3, α 6 =, β 9 =. Satz Ist G ein ebener Hamilton-Graph ohne Schlingen, C ein Hamilton-Kreis und α, β i die Zahl der Innen- bzw. Außenländer bezüglich C mit i Kanten, dann gilt (i 2)(α i β i ) = 0. i=2 9
14 4. Planare Graphen 46 Beispiel 4.2. Der folgende ebene Graph G erzeugt eine Landkarte mit 9 Ländern, die jeweils genau 4 Randkanten haben. G Gäbe es einen Hamilton-Kreis in G, dann folgte für die Zahl der Innen- bzw. Außenländer bezüglich des Kreises α 4 = β 4, d.h. die Zahl der Länder müsste gerade sein. 4.3 Der Satz von Kuratowski Die Graphen K 5 und K 3,3 und damit auch beliebige Obergraphen dieser beiden Graphen sind nicht planar. In diesem Abschnitt wollen wir zeigen, dass auch die Umkehrung gilt, dass nämlich jeder nicht planare Graph einen der beiden Graphen(möglicherweise in etwas abgeänderter Form) als Teilgraph enthält. Dazu führen wir zunächst 2 Operationen auf Graphen ein: Definition 4.3. Sei G = (E, K) ein schlichter Graph. (a) Fügt man in einige Kanten zusätzliche Ecken vom Grad 2 ein, dann heißt der neue Graph G Unterteilung von G. (b) Sei k = uv K eine Kante von G. Ersetzt man u und v durch eine neue Ecke w, die zu einer Ecke x E \ {u,v} genau dann benachbart ist, wenn ux K oder vx K, und streicht man von möglicherweise entstandenen Parallelkanten alle bis auf eine, dann heißt der neue Graph G k der durch Kontraktion der Kante k entstandener Graph. Beispiele und Bemerkungen () G 2 ist eine Unterteilung von G. e 4 e 5 e 4 e e 2 e 3 G e 5 e a a 2 e 2 e 3 G 2
15 4. Planare Graphen 47 (2) G k ist der resultierende Graph nach Kontraktion der Kante k = e e 4 in G. e 5 e 5 e 6 e 4 e 6 k e e 3 e 2 e 7 e 3 e 2 G G k (3) Ist T ein spannender Baum von G, der die Kante k beinhaltet, dann ist T k einspannender Baum von G k. Treten bei Kontraktion der Kante k in G keine Parallelkanten auf, dann gibt es umgekehrt zu jedem spannenden Baum T von G k genau einen spannenden Baum T von G mit Kante k und T = T k. (4) Wie der Graph aus (2) zeigt, müssen die Eckenzusammenhangszahlen von G und G k nicht gleich sein. Es gilt aber σ(g k) σ(g). Satz (Kuratowski) Ein Graph G ist genau dann planar, wenn er keinen Teilgraph besitzt, der isomorph zu einer Unterteilung von K 5 oder K 3,3 ist. Bemerkungen und Beispiele () Der Petersen-Graph e 4 e 5 e 6 e 0 e 9 e 3 e 7 e 8 e e 2 hat als Teilgraph den folgenden Graph, der eine Unterteilung von K 3,3 ist. e 8 e 2 e 5 e 0 e 7 e 9 e 3 e e 4 e 6
16 4. Planare Graphen 48 (2) Eine weitere Version des Satzes lautet: Ein Graph G ist genau dann planar, wenn er keinen auf K 5 oder K 3,3 kontrahierbaren Teilgraphen besitzt. DurchKontraktionderKantene e 7,e 2 e 8, e 3 e 9,e 4 e 0 unde 5 e 6 erhältmanausdempetersen- Graph den K 5. (3) Von Tutte stammt ein Algorithmus, der einen gegebenen Graphen in die Ebene einbettet bzw. abbricht, wenn die Voraussetzung von Satz nicht erfüllt sind. 4.4 Dualität Definition 4.4. Sei G = (E,K = {k,...,k q },L = {l,...,l r }) eine (ebene) Landkarte. Der Graph G = (E,K ) mit E := {e,...,e r }, K := {k i = e j e m ; k i ist Kante von l j und l m } heißt der zu G = (E,K) duale Graph. Bemerkungen und Beispiele () Im folgenden wird ein Graph und sein dualer Graph dargestellt: k 5 k k 2 l k 4 k 5 k 6 k 0 l 4 k l 2 l 3 l 5 k 8 k 3 k 7 k 9 k e e 3 k 2 k 3 k 4 e 2 k 6 k9 k0 k8 k7 e 4 e 5 k (2) Der Tetraedergraph ist zu sich dual, der Oktaedergraph zum Würfelgraph und umgekehrt, und der Ikosaedergraph zum Dodekaedergraph und umgekehrt. (3) G hat genau dann Parallelkanten, wenn es in der Landkarte von G zwei Länder gibt, die mindestens zwei Kanten gemeinsam haben. (4) G hat genau dann eine Brücke, wenn G eine Schlinge hat, und genau dann eine Schlinge, wenn G eine Brücke hat. (5) Zu einem planaren Graphen kann es - je nach konstruierter Einbettung in die Ebene - verschiedene nichtisomorphe duale Graphen geben.
17 4. Planare Graphen 49 Satz Sei G ein ebener Graph mit p Ecken, q Kanten und r Ländern, und G sein dualer Graph mit p Ecken und q Kanten. Dann gilt: (a) G ist planar. (b) G ist zusammenhängend. (c) Ist G zusammenhängend und r die Anzahl der Länder der von G erzeugten Landkarte, dann gilt p = r, q = q, r = p. (d) Für ein Land l sei gradl die Anzahl der Kanten auf dem Rand. Dann gilt r gradl i = 2q. (e) Ist G der zu G duale Graph, dann gilt: G und G sind genau dann isomorph, wenn G zusammenhängend ist. i= (f) Eine Menge S K bildet in G einen Kreis genau dann, wenn die entsprechende Kantenmenge S in G einen Schnitt bildet. (g) Eine Menge S K bildet in G einen Kreis genau dann, wenn die entsprechende Kantenmenge S in G einen Schnitt bildet. (h) Ist G 3-fach zusammenhängend, dann ist G einfach. (i) G ist genau dann bipartit, wenn G Eulersch ist. Bemerkung Satz (f) ermöglicht, Dualität auch für nichtplanare Graphen zu definieren: Zwei Graphen G und G heißen abstrakt-dual (im Gegensatz zu geometrisch-dual), wenn es eine Bijektion zwischen den Kantenmengen gibt und wenn jedes S K genau dann einen Kreis in G bildet, wenn die entsprechende Menge S K einen Schnitt in G bildet. Mit Hilfe des Satzes von Kuratowski kann man zeigen, dass genau dann zu einem Graph G ein abstrakt-dualer Graph G existiert, wenn G planar ist.
6. Übung zur Linearen Optimierung SS08
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