Menschen mit Migrationshintergrund aus Berlin-Kreuzberg explorieren ihre Identität.
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- Elmar Lange
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1 PICTURES OF IDENTITY Menschen mit Migrationshintergrund aus Berlin-Kreuzberg explorieren ihre Identität. Eine Photovoice-Studie. FernUniversität in Hagen / Horst Pierdolla Forschungsreferat beim 49. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie Bochum, 25. September 2014
2 Exploration von Identität mit qualitativen Methoden Erweiterung der Forschung über die Wahrnehmung dualer ethnischer Identitäten. Kultur A Kultur B Kultur A Kultur B Qualitative Erhebung: Welche Erlebensinhalte der dualen Identitäten sind relevant? Welchen Einfluss hat die soziale und lokale Umgebung? Quantitative Erhebung: Zum Beispiel: Wie stark ist die wahrgenommene Überlappung (Kompatibilitätswahrnehmung) der dualen Identitäten? Folie 3
3 Partizipative Forschung Community-based participatory research (CBPR; zum Beispiel Jacquez, Vaughn, & Wagner, 2013) Partnerschaftlicher Forschungsansatz, Community-Mitglieder werden aktiv einbezogen. Ziel: Wissen und Verständnis über ein Phänomen und die Lebensqualität der Community-Mitglieder sollen erhöht werden. Zum Beispiel: Verständnis über strukturelle gesellschaftliche Bedingungen erlangen um politisches Engagement und gesellschaftliche Einflussnahme zu fördern. Vorteil: Erfassen von Kontext von Verhalten (Kloos et al., 2012). Folie 4
4 Photovoice (Wang & Burris, 1997) VOICE: voicing our individual and collective experience Teilnehmende photographieren nach einem Auftrag und präsentieren und diskutieren ausgewählte Photos in Fokusgruppen. Vielfach eingesetzt: z.b. Teilhabe an kommunikativen Prozessen, Tabakrauchen und Charaktistiken der Umgebung, Menschen mit Behinderungen und besonderen medizinischen Bedingungen, soziokultureller und akademischer Anpassung von international Studierenden Ziele: (1) Stärken und Anliegen einer Gemeinschaft erfassen und reflektieren, (2) kritischen Dialog und Wissen über wichtige Themen durch Gruppendiskussion fördern und (3) politischen Einfluss nehmen. Herausforderungen: o Soziale Probleme können fixiert statt geändert werden, o die resultierenden Daten können sehr komplex sein, o die beteiligten Community-Mitglieder können das Eindringen in ihr Leben als unerwünscht erleben (z.b. Foster-Fishman, Nowell, Deacon, Nievar, & McCann, 2005). Folie 5
5 Photovoice-Prozess (Wang & Burris, 1997) (1) Identifikation eines Problems, (2) Definition von damit zusammenhängenden Themen und Zielen, (3) Rekrutierung von politischen Entscheidungsträgern, denen die Photovoice-Erkenntnisse später präsentiert werden soll, (4) Training der Photovoice-Moderatoren, um in den Gruppendiskussionen kritischen Dialog zu fördern, (5) Durchführung eines Workshops mit den Teilnehmenden, (6) Ausarbeitung eines Startthemas für die Bildaufnahme, (7) Phase des Photographierens, (8) Initiierung einer Gruppendiskussion, (9) Auswahl von Photos, Kontextualisierung und Kodifizierung, (10) Dokumentation, (11) formative Evaluation, (12) Mobilisierung von politischen Entscheidungsträgern, Spendern, Medien, Forschern und Personen, die soziale Veränderung herbeiführen können und (13) partizipative Evaluation. Folie 6
6 Warum photographieren? nicht sprachgebunden, Kontext wird erfasst. Warum selbst photographieren? Informationen auf Photos sind von individuellen Vorannahmen und Vorstellungen geprägt, die oft nicht versprachlicht werden (Moser, 2005). Warum selbst photographieren und dann sprechen? Implizites Wissens kann auf der Ebene des Erzählens durch Effekte des Gestaltschließungs-, Kondensierungs- und Detaillierungszwangs zugänglich gemacht werden. Dadurch kann sich eine Erzählung verselbstständigen und latente Sinnstrukturen aufgedeckt werden (Flick, 2011). Tiefe Exploration und hohe Daten-Bandbreite ist möglich. Folie 7
7 Was wird von wem ausgewertet? Analyse der Photos: partizipativ, dreistufiger Prozess: (1) Auswahl der Photos, die das Anliegen und die Werte der Gemeinschaft am besten widerspiegeln, (2) Kontextualisierung der Photos durch Beschreibungen des photographischen Inhalts, Erzählungen und Gruppendiskussion und (3) Kodifizierung der identifizierten Bedeutungszuweisungen in Fragen, Themen und Theorien. Auswertung der Transkripte der Fokusgruppen: durch die Forschenden Thematische Inhaltsanalyse (nach Braun & Clark, 2006) Folie 8
8 Kontext Berlin Kreuzberg (SO 36) Bis ca wirtschaftliches Nischendasein durch Randlage an der Berliner Mauer und geplantem Autobahn Preiswerter Wohnraum: z.b. türkischstämmige Gastarbeiterfamilien, Alternativbewegung und Hausbesetzerszene 1975: Zuzugsverbot für Ausländer weil "ausländerüberlastet" 2010: 71,6% Migrationshintergrund 50% beziehen Transferleistungen Niedriger Bildungsstand, Drogenabhängige, Obdachlose Szeneviertel, Gentrifizierung Diversifizierte soziale und lokale Umgebung Folie 9
9 Die Studie PICTURES OF IDENTITY Schwerpunkt dieser Studie: Datenerhebung (9 von 13 Phasen entsprachen der ursprünglichen Konzeption). Teilnehmer- Rekrutierung Verschiedene Akteure im Kiez: , telefonisch, persönlich Flyer im Kiez Website picturesofidentity.com Informationssession und Photo-Workshop Einführung: Projekt, partizipatives Forschen, Identität, Ethnie, ethische Richtlinien des Photographieren, Gruppenregeln, Einverständniserklärungen Photographierphase 3 Besprechungstreffen der Photos (pos/neg Erfahrungen beim Photographieren etc.) Gruppenbildung, Gruppenregeln (Vertrauen, Respekt) ca. 20 Photos / TN Fokusgruppen: Auswertung 1 Phase 1: Pro TN werden 2 Photos der Gruppe präsentiert (Welches Photo hängt am meisten mit der eigenen Identität zusammen?) Phase 2: TN sprechen über Photos bzw. besonders relevante Themen Transkripte: Auswertung 2 Thematische Inhaltsanalyse (nach Braun & Clark, 2006) Ausstellung Photos Partizipative Evaluation Photos ausgeben ca. 1 Monat ca. 6 Std. ca. 1 Monat ca. 2 Std. n = 6; 4 Frauen, 2 Männer; Jahre Folie 10
10 Präsentierte Photos Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften Folie 11
11 Themen der Photos Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften Privater Raum Vielfältige Geschichte in Berlin Integration der dualen Identitäten über Musik Politische Diskriminierung von Fremden: Zuzugsverbot Demonstrationen, Partizipation in Deutschland und Kreuzberg Kreuzberg: Respekt gegenüber Türken ("Kreuzberg-Merkezi") Sehnsucht nach dem Herkunftsland Migrationsgenerationen Positive und negative alltägliche Diversität in Kreuzberg Offenes und vielfältiges Miteinander im öffentlichen Raum in Kreuzberg Harmonische interkulturelle Beziehungen in der direkten Nachbarschaft Berufliche Selbstentfaltung in Deutschland Folie 12
12 Themen der Fokusgruppengespräche Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften Kreuzberg: Wenig Diskriminierung Unfähige Politiker Institutionelle Diskriminierung von Türken und türkischen Frauen, Kompensierung durch soziale Unterstützung Überforderung durch Vielfalt in Berlin, nicht in Kreuzberg Modelllernen durch direkten Kontakt, zahlreiche und Identifizierungsmöglichkeiten Deutschland: Recht auf freie Meinungsäußerung (Demonstrationen) Demokratische Werte Emanzipation von rigiden und einengenden Praktiken und Werten der Herkunftskultur Diskriminierung durch Medien(-macht) (in beiden Ländern) Erwerben von Resilienz und interkultueller Kompetenz Folie 13
13 Welche Erkenntnisse brachte Photovoice? Zum Beispiel: Wo findet bikulturelle Identität statt? Am häufigsten berichtet: öffentlicher Raum (Community, Vereine, Arbeit, Institutionen) direkte Kontaktsituationen Einflüsse der Makroebene: politische Bedingungen, Werte (siehe z.b. Witze, Vorurteile), Medien. Folie 14
14 Welche Erkenntnisse brachte Photovoice? Kontextgebundenheit komplexe Zusammenhänge (Mikro-, Meso- und Makrosystem, lokale / soziale Umgebung und direkter Kontakt) Identifizierungsprozesse >> Weiterentwicklung von Theorien, Modellen und Messinstrumenten Folie 15
15 Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Wenn ich an Kreuzberg denke, werde sentimental. (Teilnehmer, 2014) "Aus Kreuzberg wollen wir nicht weg, wir lieben es. Aber schon: Kreuzberg und die Ausländer (Teilnehmerin, 2014) Folie 16
16 Literatur Braun, V., & Clarke, V. (2006). Using thematic analysis in psychology. Qualitative Research in Psychology, 3(2), doi: / qp063oa Flick, U. (2011). Designing Qualitative Research. London: SAGE Publications. Foster-Fishman, P., Nowell, B., Deacon, Z., Nievar, M. A., & McCann, P. (2005). Using methods that matter: The impact of reflection, dialogue, and voice. American Journal of Community Psychology, 36, doi: /s y Jacquez, F., Vaughn, L. M., & Wagner, E. (2013). Youth as partners, participants or passive recipients: A review of children and adolescents in community-based participatory research (CBPR). American Journal of Community Psychology, 51, Kloos, B., Hill, J., Thomas, E., Wandersman, A., Elias, M., & Dalton, J. (2012). Community Psychology. Linking Individuals and Communities (3rd ed.). Belmont, CA: Wadsworth Inc Fulfillment. Moser, H. (2000). Einführung in die Medienpädagogik. Opladen: Leske + Budrich. Wang, C. C., & Burris, M. A. (1997). Photovoice: Concept, methodology, and use for participatory needs assessment. Health Education & Behavior, 24, doi: / Folie 17
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