WANN IST FORSCHENDES LERNEN EFFEKTIV?
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- Carsten Heinrich
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1 Konferenz "Forschendes Lernen: Forum für gute Lehre", WANN IST FORSCHENDES LERNEN EFFEKTIV? Erste Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung des Q-Programms an der Humboldt-Universität zu Berlin Christopher Gess, Julia Rueß, Wolfgang Deicke
2 Projekthintergrund Ziel des bologna.lab: Freiräume für Forschendes Lernen schaffen und stetig weiterentwickeln Q-Programm Q-Team: Studierende forschen mit Nachwuchswissenschaftler/innen Q-Tutorium: Studierende forschen in einem studentischen Team Wissenschaftliche Begleitung des Q-Programms: Wirkungsanalysen zu den Effekten Forschenden Lernens 2
3 Desiderat und Forschungsfrage Es liegen kaum Erkenntnisse dazu vor, wie die Wirkungen zustande kommen (Ausnahme: Hänze & Moegling 2004) kaum Erkenntnisse zu Wirkmechanismen Übergeordnete Forschungsfrage: Wie muss Forschendes Lernen gestaltet sein, damit bestimmte Wirkungen erreicht werden können? Zu untersuchende Wirkungen: WS 2012/13 SS 2013 WS 2013/14 SS 2014 WS 2014/15 Forschungsinteresse Forschungsbezogene Selbstwirksamkeit Studienmotivation / Fachinteresse Epistemologische Überzeugungen - noch offen - 3
4 Standardhypothese vs. Wirkmechanismus Aufgrund der spezifischen Ausrichtung der wissenschaftlichen Begleitung darauf, wie Forschendes Lernen gestaltet werden soll, liegt der Fokus nicht auf der Wirksamkeit Forschenden Lernens (H1) sondern auf dessen Wirkungsweise: Hypothese (H1): Das Forschungsinteresse erhöht sich durch Forschendes Lernen. Hypothese (H ): Je mehr [ ], desto stärker erhöht sich das Forschungsinteresse der Studierenden. 4
5 Theorien und Befunde zu Einflüssen auf Interesse Person-Objekt-Theorie: Das Interesse an Tätigkeiten entwickelt sich durch die Auseinandersetzung mit den Tätigkeiten (Krapp 2010). Selbstbestimmungstheorie der Motivation: Die Interessenstruktur wird positiv beeinflusst, wenn sich Individuen als autonom erleben und wenn sie sich sozial eingebunden fühlen (Deci & Ryan 2000). Empirische Zusammenhänge Die Wirkung von Forschendem Lernen hängt von der Lernorientierung und der intrinsischen Motivation von Individuen ab (Hänze & Moegling 2004). Es besteht ein wechselseitiger Zusammenhang zwischen Wissen / Fähigkeiten und Interesse (Köller, Baumert & Schnabel 2000). 5
6 Hypothesen Globalbetrachtung ( Standardhypothese ): H1 Das Forschungsinteresse erhöht sich durch Forschendes Lernen. Interventionsbezogene Merkmale: H2 Je mehr Forschungstätigkeiten durchgeführt werden, desto H3 Je nachdem welche Forschungstätigkeit durchgeführt wird, desto H4 Je besser das Teamklima, desto H5 Je mehr Möglichkeiten zum Mitgestalten bestehen, desto Personenbezogene Merkmale: H6 Je lernorientierter die Studierenden sind, desto H7 Je höher die intrinsische Studienmotivation, desto H8 Je höher die Studierenden ihr Vorwissen einschätzen, desto 6
7 Forschungsdesign (Forschendes Lernen im Q-Programm) Nullmessung Okt Postmessung Feb./Mär Nutzung bereits validierter Erhebungsinstrumente und wo keine vorlagen Entwicklung eigener Instrumente Wichtigstes Instrument: Messung des Forschungsinteresses Bitte geben Sie für jede der folgenden Forschungstätigkeiten an, wie sehr diese Sie interessiert bzw. interessieren würde. Interessiert mich gar nicht; tue ich nicht gerne Interessiert mich wenig teils/ teils Interessiert mich ziemlich Interessiert mich sehr; tue ich sehr gerne eine eigene Forschungsfrage entwickeln Literatur zu einem Forschungsfeld recherchieren wissenschaftliche Artikel zu einem Forschungsfeld lesen ein Forschungsdesign/ einen Untersuchungsplan entwickeln [insg. 9 Items bilden die Skala] 7
8 Untersuchungsgegenstand 23 6 Q-Programm Q-Tutorien (WS 2012/13) Q-Teams ca. 260 Studierende ca. 40 Studierende 8
9 Befragungsteilnehmende Q-Teams Q-Tutorien 53 % 35 % 91 Befragungsteilnehmende 21 Teilnehmende 9
10 Globalbetrachtung ( Standardhypothese ) In globaler Betrachtung des Q-Programms zeigt sich keine signifikante Erhöhung des Forschungsinteresses (p =.13, r=-.004). Forschungsinteresse Nullmessung: 31,5 (MW) / 31,5 (Median) Forschungsinteresse Postmessung: 31,9 (MW) / 33,0 (Median) H1 Forschendes Lernen trägt nicht per se zur Erhöhung des Forschungsinteresses bei. 10
11 Interventionsbezogene Merkmale (bivariat) Unabhängige Variablen Test p Effektstärke H2 Anzahl der Forschungstätigkeiten U-Test <.01 *** r = -.26 Abhängige Variable: Veränderung des Forschungsinteresses (Δ = Postmessung Nullmessung) Je mehr Forschungstätigkeiten durchgeführt werden, desto stärker erhöht sich das Forschungsinteresse. Forschungsinteresse bei niedriger Anzahl an Forschungstätigkeiten: 30 (Median) Forschungsinteresse bei hoher Anzahl an Forschungstätigkeiten: 34,5 (Median) Da es sich hier um bivariate Voruntersuchungen der multivariaten Regression handelt, werden liberale Entscheidungskriterien angewandt: * p <.10 ** p <.05 *** p <.01 11
12 Interventionsbezogene Merkmale (bivariat) Unabhängige Variablen Test p Effektstärke H2 Anzahl der Forschungstätigkeiten U-Test <.01 *** r = -.26 H3 Forschungsfrage entwickeln U-Test.14 r = -.14 mit Literatur arbeiten U-Test.01 ** r = -.24 ein Forschungsdesign entwickeln U-Test <.01 *** r = -.31 empirisch arbeiten U-Test.05 ** r = -.19 wissenschaftliche Texte schreiben U-Test.26 r = -.11 Abhängige Variable: Veränderung des Forschungsinteresses (Δ = Postmessung Nullmessung) Je nachdem welche Forschungstätigkeit durchgeführt wird, erhöht sich das Forschungsinteresse mehr oder weniger. 12
13 Interventionsbezogene Merkmale (bivariat) Unabhängige Variablen Test p Effektstärke H2 Anzahl der Forschungstätigkeiten U-Test <.01 *** r = -.26 H3 Forschungsfrage entwickeln U-Test.14 r = -.14 mit Literatur arbeiten U-Test.01 ** r = -.24 ein Forschungsdesign entwickeln U-Test <.01 *** r = -.31 empirisch arbeiten U-Test.05 ** r = -.19 wissenschaftliche Texte schreiben U-Test.26 r = -.11 H4 Teamklima U-Test.64 r = -.06 H5 Mitgestaltungsmöglichkeiten U-Test.28 r = -.10 Abhängige Variable: Veränderung des Forschungsinteresses (Δ = Postmessung Nullmessung) Entgegen der Hypothese scheinen das Teamklima und die Mitgestaltungsmöglichkeiten keinen Einfluss auf die Entwicklung des Forschungsinteresses zu nehmen. 13
14 Personenbezogene Merkmale (bivariat) Unabhängige Variablen Test p Effektstärke H6 Lernorientierung Regr..07 * r² =.03 H7 intrinsische Studienmotivation Regr..05 * r² =.06 H8 selbsteingesch. Fachwissen.11 Regr. selbsteingesch. Methodenwissen.78 r² =.01 Abhängige Variable: Veränderung des Forschungsinteresses (Δ = Postmessung Nullmessung) Je höher die Lernorientierung der Studierenden und/oder je höher die intrinsische Studienmotivation, desto stärker erhöht sich das Forschungsinteresse. Da es sich hier um bivariate Voruntersuchungen der multivariaten Regression handelt, werden liberale Entscheidungskriterien angewandt: * p <.10 ** p <.05 *** p <.01 14
15 Gesamtbetrachtung (multivariat) Die in der bivariaten Betrachtung relevanten unabhängigen Variablen werden einer multivariaten Betrachtung unterzogen. Die intrinsische Studienmotivation kann aufgrund geringerer Fallzahlen nicht einbezogen werden (optionaler Frageblock). Hier gelten die üblichen, konservativeren Entscheidungsregeln: * p <.05 ** p <.01 *** p <.001 Unabhängige Variablen B β t mit Literatur arbeiten Forschungsdesign entwickeln Empirisch arbeiten Lernorientierung Forschungsinteresse Nullmessung Abhängige Variable: Forschungsinteresse Postmessung 15
16 Gesamtbetrachtung (multivariat) Auch in multivariater Betrachtung haben die (1) Lernorientierung der Studierenden, (2) die Arbeit mit Literatur und (3) die Entwicklung von Forschungsdesigns einen signifikanten Einfluss auf die Entwicklung des Forschungsinteresses. Der Einfluss der empirischen Arbeit ist nicht mehr signifikant, er wird durch die Entwicklung eines Forschungsdesigns moderiert. Unabhängige Variablen B β t mit Literatur arbeiten 2,00 0,14 2,20 * Forschungsdesign entwickeln 2,26 0,17 2,29 * Empirisch arbeiten 0,53 0,04 0,54 Lernorientierung 0,66 0,13 2,05 * Forschungsinteresse Nullmessung 0,81 0,66 10,27 *** Abhängige Variable: Forschungsinteresse Postmessung Modellfit: R² korr =.63***; ohne Nullmessung: R² korr =.25*** 16
17 Interpretation der quantitativen Auswertung Die Hypothesen der Person-Objekt-Theorie wurden bestätigt: Wenn wir das Forschungsinteresse der Studierenden erhöhen möchten, dann müssen wir sie im Studium forschen lassen! Argument für Forschendes Lernen aber auch für andere didaktische Formen, die Forschungstätigkeiten beinhalten (bspw. Methodenseminar) Für wen ist Forschendes Lernen (unter der Perspektive der Erhöhung des Forschungsinteresses) besonders geeignet? für lernorientierte Studierende für Studierende mit hoher intrinsischer Studienmotivation Argument für gestufte Curricula: Erst Interesse am Fach vermitteln, dann daraus Interesse für Forschung generieren. Offene Frage: Wie lässt sich das Forschungsinteresse von weniger fachinteressierten Studierenden erhöhen? 17
18 Gründe für Zufriedenheit (Angaben in freien Textfeldern) Bedeutsamkeit erleben in einem realen Forschungsprojekt dass man wirkliche Arbeit geleistet hat Autonomie erleben Freiraum Selbstständiges Arbeiten Gemeinsam etwas schaffen Probleme und Ideen wurden gemeinsam diskutiert Mitgezogen werden Leidenschaft der Tutorin für die Thematik sich sozial eingebunden fühlen sehr herzlich, verständnisvoll, motivierend Ernst genommen werden Auf Augenhöhe Flache Hierarchien Unterstützung finden Kompetenz der Tutoren 18
19 Interpretation der qualitativen Auswertung Das Erleben von sozialer Eingebundenheit und Autonomie sind entscheidend für die Zufriedenheit der Studierenden. Die Arbeit an einem gemeinsamen Projekt stärkt die Eingebundenheit in der Gruppe und die subjektive Bedeutsamkeit, v.a. bei realen Forschungsprojekten am Institut. Die Teamleiter/innen müssen einen Spagat zwischen Interaktion auf Augenhöhe, Strukturierung der Veranstaltung und fachlicher Unterstützung leisten. 19
20 Implikationen für die Praxis Folgerungen zur optimalen Gestaltung von Forschendem Lernen: Strukturierte Eingangsphase mit angeleiteter Literaturanalyse Gemeinsame Entwicklung eines Forschungsdesigns Freiraum für eigene Forschungsprojekte und -fragen Erstellung eines Forschungsberichts bzw. Abschlussproduktes Folgerungen zur Studienstruktur: Mehr Forschungstätigkeiten integrieren Insb. die Entwicklung und Diskussion von Forschungsdesigns intensivieren Forschen im (studentischen) Team ermöglichen Möglichkeiten für Mitarbeit an laufenden Forschungsprojekten schaffen 20
21 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Hinweis zur Zitation des Vortrags: Gess, C., Rueß, J. & Deicke, W. (2013). Wann ist Forschendes Lernen effektiv? Erste Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung des Q-Programms an der Humboldt- Universität zu Berlin. Vortrag gehalten auf der Konferenz Forschendes Lernen: Forum für gute Lehre, 2. September, Potsdam. 21
22 In diesem Vortrag verwendete Literatur Deci, E. L., & Ryan, R. M. (2000). The" what" and" why" of goal pursuits: Human needs and the self-determination of behavior. Psychological inquiry, 11(4), (S ). Hänze, M., & Moegling, K. (2004). Forschendes Lernen als selbständigkeitsorientierte Unterrichtsform: Persönliche Voraussetzungen und motivationale Wirkmechanismen. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 51, (S ). Köller, O., Baumert, J. & Schnabel, K. (2000). Zum Zusammenspiel von schulischem Interesse und Lernen im Fach Mathematik: Längsschnittanalysen in den Sekundarstufen I und II. In U. Schiefele & K. Wild (Hrsg.), Interesse und Lernmotivation Untersuchungen zu Entwicklung, Förderung und Wirkung (S ). Münster: Waxmann. Krapp, A. (2010). Interesse. In D. H. Rost (Hrsg.), Handwörterbuch Pädagogische Psychologie (S ). Weinheim: Beltz. 22
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