Beitrag: Nordkorea rüstet weiter auf Wie Diktator Kim Sanktionen umgeht

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Lorenz Maier
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1 Manuskript Beitrag: Nordkorea rüstet weiter auf Wie Diktator Kim Sanktionen umgeht Sendung vom 30. Januar 2018 von Thomas Reichart Anmoderation: In zehn Tagen beginnen die Olympischen Winterspiele. Die Athleten aus Südkorea und Nordkorea laufen mit einer gesamtkoreanischen Flagge ein. Die verfeindeten Länder stellen zudem ein gemeinsames Damen-Team im Eishockey. Ach, wie herrlich, sagen die einen: das Ende der Eiszeit auf dem Eis! Thomas Reichart, unser Ostasien-Korrespondent, sagt etwas anderes. Kim Jong-un tut friedlich, solange die Welt auf die Spiele schaut. Doch da, wo die Welt nicht hinschaut, fließen derweil dunkle Geldströme für seine Bombe. Text: Nirgendwo sonst kommt man Nordkorea ohne Visum, ohne Bewachung so nahe wie hier. Wir sind auf einen Seitenarm des Grenzflusses Yalu gefahren und plötzlich sagt Fu, unser chinesischer Kapitän: Jetzt sind wir in Nordkorea. Solange wir nicht anlegen, ist alles okay. Grenzsoldaten gehen Streife am Ufer. Das abgeschottete Reich der Kims ist an der Grenze zu China zum Greifen nah. Wie läuft das Geschäft, Kapitän? O-Ton Fu Changyi, Kapitän: Mit den Händlern aus Nordkorea wird das immer weniger. Kein Vergleich zu vor den Sanktionen. Das ist das schlimmste Jahr, das wir je hatten. Keine Seegurken, kein Fisch, keine Ölgemälde nichts zu handeln mehr für Kapitän Fu. Auf dem Grenzfluss Yalu scheint es, als würden die Sanktionen der Weltgemeinschaft gegen Nordkorea wirken. Warum aber kann Nordkorea dann weiterbauen an Raketen und Atomsprengköpfen? Sechs Atomversuche, allein drei in den

2 letzten zwei Jahren. Die Explosionen sind selbst in Deutschland messbar. Was am meisten beunruhigt: die Reichweiten von Kims Raketen. O-Ton David Albright, ehemaliger UN-Waffeninspekteur: Seit einigen Jahren setzt Nordkorea alles daran, den Durchbruch zu schaffen. Die vielen Raketen- und Atomtests sollen es in die Lage versetzen, die USA mit Atombomben anzugreifen. Experten sind sich sicher: Kims Raketen können Chicago erreichen - und damit auch Europa. Die Angst vor dem Atomkrieg - sie ist plötzlich wieder da und sehr real. Doch das Atomprogramm kostet Kim Jong-un Milliarden. Woher bekommt der Diktator das Geld? Unsere Spurensuchen beginnt in Tokio, bei Japans Pachinko- Hallen. Pachinko, das ist eine Art Flipperspiel mit vielen kleinen Kugeln, nach dem die Japaner ganz verrückt sind. Ein großer Teil der Hallen gehört der nordkoreanischen Minderheit in Japan. Jahresumsatz: rund 140 Milliarden Euro. Wir treffen einen Aussteiger, der uns enthüllt, wie die Pachinkos Nordkoreas Rüstungsprogramm finanzieren. O-Ton Park Too-Jin, Pachinko-Aussteiger: Als der Vater von Kim Jong-un an die Macht kam, begann er mit dem Bau von Atombomben. Die Nordkoreaner in Japan mussten dafür Geld auftreiben. Seit Mitte der 80er Jahre flossen enorme Summen nach Nordkorea, der größte Teil davon aus der Pachinko-Industrie. Park schätzt, dass über die Jahre rund 7,5 Milliarden Euro aus Japan in Nordkoreas Atomwaffenprogramm geflossen sind - mit Buchhaltungstricks wie bei der Mafia. O-Ton Park Too-Jin, Pachinko-Aussteiger Die Pachinko-Hallen müssen harte Quoten abliefern. Sie zweigen Geld ab, indem sie zwei verschiedene Bücher führen. Sie manipulieren den Computer so, dass der tatsächliche Umsatz zehn bis 20 Prozent höher liegt als der, den sie gegenüber den Steuerbehörden angeben. Ein anderer Trick ist, dass die Pachinkos Kredite mit sehr hohen Zinsen aufnehmen bei Banken der Vereinigung der Nordkoreaner. Das Geld fließt dann nach Nordkorea. Die Vereinigung der Nordkoreaner hat ihr Hauptquartier in Tokio. Sie steht unter Polizeischutz und fungiert als inoffizielle Botschaft Nordkoreas. Nach mehreren Anläufen ist man bereit zu einem Interview. Die Lobby ein kleines Pjöngjang mitten in Tokio. Hat die

3 Vereinigung der Nordkoreaner mit den Pachinko-Milliarden das Atomprogramm mitfinanziert? O-Ton Gyu San, Vereinigung der Nordkoreaner Chosen Soren : Das ist doch allein die Entscheidung des Inhabers der Pachinko-Halle. Wir können ihm doch nicht sagen, dass er Geld nach Nordkorea schicken muss. Das macht ein Geschäftsmann schon selbst. Wir können das ja nicht im Namen Nordkoreas befehlen. Es ist das erste Mal, dass sie die geheimen Finanzströme halbwegs einräumen. Das Geld wurde oft bar von Reisenden oder versteckt in Schiffen nach Nordkorea gebracht und half dort beim Bau der Bombe, die für Nordkoreas Diktator wie eine Überlebensversicherung gegenüber dem Erzfeind Amerika ist. O-Ton Gyu San, Vereinigung der Nordkoreaner Chosen Soren : Natürlich ist es besser eine Welt ohne Atombomben und Raketen zu haben. Ganz sicher ist das so. Aber ohne diese Waffen sind keine Verhandlungen mit den USA möglich. So sieht das die Führung in Nordkorea, und wir unterstützen sie dabei. Aber aus Japan fließt nur ein Teil des Geldes. Noch viel wichtiger ist das, was aus China kommt. Spätabends stehen die Lkw in langen Schlangen in Dandong, der drei-millionen-stadt an der Grenze zu Nordkorea. 90 Prozent des Nordkorea-Handels geht über China - und der größte Teil davon über die Zollstation von Dandong. Trotz der Sanktionen, es gibt ihn nach wie vor - den legalen wie auch den illegalen Handel über die Grenze am Yalu. Wer früh aufsteht, sieht dann zum Beispiel einen Kohlefrachter aus Nordkorea in der Nähe des chinesischen Ufers. Dabei verbieten die UN-Sanktionen den Ankauf von Kohle aus Nordkorea. Auf beiden Seiten gibt es genügend Leute, die sehr erfinderisch sind - zum Beispiel Ma Xiaohong, Mitte 40, ehrgeizige Geschäftsfrau und Politikerin aus Dandong mit besten Beziehungen. Mas Firma hat ihren Sitz gleich bei der Brücke von Dandong. Das Geschäftsprinzip ist einfach: Ma kaufte, was Nordkorea nicht kaufen darf. Das Geld dafür kam von einer nordkoreanischen Bank. Ma sorgte auch für den Transport. Für die komplizierten Fälle hatte sie Briefkastenfirmen. O-Ton Go Myong-Hyun, Asan Institute for Policy Studies, Seoul: Es ist sehr schwer für nordkoreanische Unternehmer und

4 Regierungsvertreter, selbst an strategisch wichtige Waren zu kommen. Deshalb müssen sie sich auf andere verlassen und Mas Firma war dafür genau die richtige. Wir wollen das Unternehmen besuchen. Es hat auch Rohstoffe verkauft, die Nordkorea für sein Atomprogramm braucht - ein klarer Bruch der UN-Sanktionen. Auf Druck des amerikanischen Justizministeriums wurde die clevere Geschäftsfrau von den Chinesen vor einem Jahr verhaftet. Und ihre Firma? Arbeitet offenbar einfach weiter - und will uns lieber kein Interview geben. O-Ton Go Myong-Hyun, Asan Institute for Policy Studies, Seoul: Wenn die weiterarbeiten, zeigt das, dass sich Chinas Politik gegenüber Nordkorea im Grunde nicht verändert hat. Chinas Regierung will Nordkorea nicht vor den Kopf stoßen und das Regime nicht zum Feind haben. China treibt ein doppeltes Spiel: Es stimmt für Sanktionen, verspricht deren Umsetzung und hilft gleichzeitig Nordkorea bei der Aufrüstung. 250 Kilometer nördlich von Dandong liegt die neun-millionen- Stadt Shenyang und die Shenyang Machine Tool Company: rund Mitarbeiter, Anteile gehören dem chinesischen Staat kauft das Unternehmen Software und Kontrollinstrumente für eine Fräsmaschine in Westeuropa. Die Anfrage ist heikel, weil die Maschinenteile auch fürs Atomprogramm genutzt werden können. O-Ton David Albright, ehemaliger UN-Waffeninspekteur Es gab eine Exportlizenz für 100 Steuereinheiten für die Shenyang Firma. Inzwischen kam heraus, dass zwei davon Nordkorea bekam, obwohl ein Weiterverkauf in ein anderes Land verboten war. So kann Nordkorea zum Beispiel Gaszentrifugen zur Anreicherung von Uran bauen - oder Raketenteile. O-Ton David Albright, ehem. UN-Waffeninspekteur Nordkorea nutzt es so weit als möglich aus, dass China sich weigert, ein wirksames System der Exportkontrolle zu schaffen. Denn noch mehr als Nordkoreas Atomwaffen fürchtet Peking einen Zusammenbruch des Kim-Regimes - und damit einen Machtzuwachs der USA in einer Region, die China ganz für sich beansprucht.

5 China könnte Nordkorea sehr schnell zum Einlenken zwingen, wenn es nur wollte. Ganz in der Nähe der Grenze - ein streng bewachtes Gelände. Wir dürfen nicht anhalten. In diesen Tanks lagert China Rohöl, das über eine Pipeline nach Nordkorea fließt. Peking hat diesen Ölhahn bislang nicht abgedreht - und hält Kims Regime und sein Atomprogramm damit am Leben. Abmoderation: Nochmal, aus gegebenem Anlass, zur Gleichzeitigkeit von Olympischen Spielen und Krieg. Das antike Griechenland kürte sportliche Sieger mit einem Kranz aus Ölzweigen. Zugleich war der Olivenzweig ein Symbol des Friedens und ist es noch. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.

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