3.5 Faktorzerlegung von Polynomen
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- Anna Auttenberg
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1 Algebra und Zahlentheorie c Rudolf Scharlau, Faktorzerlegung von Polynomen In diesem Abschnittes geht es um eine Verfeinerung der Methoden, mit denen man Polynome, z.b. mit Koeffizienten in Z oder Q, aufirreduziblität untersuchen kann. Dieses war bei der Einführung von Polynomen in Abschnitt 3.2 noch nicht möglich, da hierfür die eindeutige Primfaktorzerlegung aus Abschnitt 3.3 benötigt wird (und zwar sowohl für die Polynome selbst als auch für ihre Koeffizienten). Das wichtigste Resultat ist das sogenannte Lemma von Gauß, das unter anderem besagt, dass die irreduziblen Faktoren eines normierten Polynoms mit Koeffizienten ebenfalls nur Koeffizienten in Z haben. Als weiteres Standardresultat wird das Irreduziblitätskriterium von Eisenstein bewiesen. Vorher wird in diesem Abschnitt noch eine Ergänzung zur allgemeinen Ringund Körpertheorie vorgestellt, nämlich die Erweiterung eines Integritätsbereiches R zu einem Körper, dem sogenannten Quotientenkörper von R. Diesesgeschieht durch Einführung von formalen Brüchen, wie bei der vielleicht schon bekannten Konstruktion von Q aus Z. DieseKonstruktionhatmitPolynomeneigent- lich nichts zu tun, wir benötigen sie als Grundlage für eine präzise Theorie von gekürzten Brüchen. Gegeben sei ein kommutativer Ring R mit 1. Wir möchten R möglichst sparsam (siehe unten für eine genaue Formulierung) zu einem Körper erweitern. Wenn R schon Teilring eines Körpers K wäre, so müsste man mindestens noch alle Elemente b 1,b R{0} hinzunehmen, weiter dann alle ab 1,a R, b R{0}. Diese Elemente bilden dann aber tatsächlich schon einen Teilring von K, der selbst ein Körper ist: die Abgeschlossenheit unter Addition ergibt sich aus a 1 b a 2 b 1 2 =(a 1 b 2 + a 2 b 1 )b 1 1 b 1 2, (3.5.1) alle weiteren Eigenschaften ergeben sich sofort durch scharfes Hinsehen; z.b. ist ba 1 invers zu ab 1,sobalda = 0ist. Wenn nur R vorliegt, aber der gewünschte Körper noch fehlt, dann definiert man in geeigneter Weise Brüche a/b von Elementen aus R, dienachkonstruktion die gewünschte Eigenschaft haben, nämlich dass b/a invers zu a/b ist. Die Details sehen wir folgt aus: Satz und Definition (Quotientenkörper) Es sei R ein Integritätsbereich. Auf R R {0} wird durch (a, b) (a,b ) : ab = a b eine Äquivalenzrelation definiert. Die Äquivalenzklasse von (a, b) bzgl. dieserre- lation heißt Bruch und wird mit a bezeichnet. Die folgenden Veknüpfungen + b
2 Algebra und Zahlentheorie c Rudolf Scharlau, und auf der Menge Quot(R) allerbrüche a 1 b 1 + a 2 b 2 := a 1b 2 + a 2 b 1 b 1 b 2 a 1 b 1 a2 b 2 := a 1 a 2 b 1 b 2 sind wohldefiniert und machen Quot(R) zueinemkörper, dem sogenannten Quotientenkörper von R. Die Abbildung i R : R Q(R), r r 1 R ist eine Einbettung (injektiver Homomorphismus) von R in Quot(R). Beweisskizze: Die Wohldefiniertheit, die Assoziativgesetze und das Distributivgesetz rechnet man mit etwas Schreibarbeit anhand der Definitionen einfach nach. Das Nullelement ist 0,dasEinselementist 1, das Negative (additive Inverse) zu a a 1 1 ist. Somit haben wir einen Ring (wie gewünscht kommutativ mit b b Eins). Für a = 0= b ist b ein multipikatives Inverses zum Element a. Also ist a b Quot(R) einkörper. Wir schließen nun an die dem Satz vorangegangene Diskussion an und klären, dass in dem Fall, dass R bereits Teilring eines Körpers ist, der Quotientenkörper wirklich das ist, was wir uns unter ihm vorstellen. Bemerkung Ist j : R K eine Einbettung von R in einen Körper K, so ist der Durchschnitt aller Teilkörper K mit j(r) K K wiederum ein Körper und nach Defintion der kleinste Teilkörper von K, derdenringj(r) = R enthält. In dieser Situation gibt es einen eindeutig bestimmten Homomorphismus j : Quot K mit j = j i R,d.h.dasDiagramm R j K i R Quot R j ist kommutativ. Dieser Homomorphsimus induziert einen Isomorphismus Quot R = K. Zusammengefasst: Der Quotientenkörper eines Integritätsbereiches R ist der im wesentlichen eindeutig bestimmte kleinste Körper, der R als Teilring enthält.
3 Algebra und Zahlentheorie c Rudolf Scharlau, Falls R ein Hauptidealring ist, hat man im Quotientenkörper Quot(R) gekürzte Brüche. Jedes a Quot(R) läßt sich schreiben als a = a 0 b b b 0 mit ggt(a 0,b 0 )=1. In einer solchen Darstellung sind a 0,b 0 bis auf Assoziiertheit eindeutig bestimmt. Genauer gilt a b = a 0 b 0, ggt(a, b) =1=ggT(a 0,b 0 ) = u R : a = ua 0,b= ub 0. (3.5.2) Als unmittelbare Folgerung erhalten wir, dass auch in in Quot(R) eine eindeutige Primfaktorzerlegung existiert, nämlich mit positiven oder negativen Exponenten. Hierzu wählt man wie am Schluss von Abschnitt 3.3 auf Seite 236 ein Vertretersystem P R aller Primelemente in R bezüglich Assoziiertheit. Dann läßt sich jedes x Quot(R) eindeutigals x = u p P R p νp mit u R,ν p =: ν p (a) Z, ν p =0für fast alle p, (3.5.3) schreiben. Im folgenden Satz benutzen wir die offensichtliche Verallgemeinerung des größten gemeinsamen Teilers in Hauptidealringen auf mehr als zwei Elemente: g = ggt(a 1,...,a r )isteinerzeugerdesidealsra Ra r und hat die Eigenschaft, dass es alle a i teilt und jeder Teiler von allen a i ein Teiler von g ist (für R = Z siehe ). Satz und Definition (Gekürzte Brüche und Hauptnenner) Es sei R ein Hauptidealring und K =Quot(R) seinquotientenkörper. a) Es gibt für je r Elemente x 1,...,x r K, dienichtallegleich0sind,elemente a 1,...,a r,b R, b = 0mitggT(a 1,...,a r,b)=1undx i = a i /b für i =1,...,r. b) Eine Darstellung wie in a) ist bis auf Assoziiertheit eindeutig bestimmt; genauer gibt es zu jeder weiteren solchen Darstellung a 1,...,a r,b R eine Einheit u R mit a i = ua i für i 1,...,r und b = ub. Das Element b heißt auch der Hauptnenner von x 1,...,x r.für r =1,x 1 = x heißt das Paar (a, b) einegekürzte Bruchdarstellung, kurzgekürzter Bruch für x. Den Beweis überlassen wir als Übungsaufgabe. Es sollte dabei weder Schwierigkeiten noch Überraschungen geben. Wir weisen darauf hin, dass die Sprechweise gekürzter Bruch zwar üblich und praktisch ist, aber eigentlich nicht korrekt: ein Bruch ist bereits eine Äquivalenzklasse, bzw. das zugehörige Körperelement. Kürzen kann man nur das Paar (a, b), in dem Zähler und Nenner einzeln vorhanden sind. Weiter beachte man, dass in einer Darstellung von zwei oder mehr Elementen mit einem gemeinsamen (Haupt-)Nenner b keine der einzelnen Darstellungen
4 Algebra und Zahlentheorie c Rudolf Scharlau, (a i,b)derx i gekürzt sein muss. Beispiel x 1 = 5/2, x 2 = 5/3 inq. Hier ist (a 1,a 2,b)=(15, 10, 6). Wir kehren nun zu Polynomen zurück und interessieren uns für die Zerlegung von Polynomen über einem Hauptidealring. Für den Beweis des nächsten Satzes benötigen wir folgende Aussage über Polynomringe, die wir der Deutlichkeit halber als eigenständige Bemerkung formulieren. Bemerkung Es sei ϕ : R S ein Ringhomomorphismus. Dann ist die induzierte Abbildung ϕ X : R[X] S[X], ϕ X ri X i = ϕ(r i )X i der zugehörigen Polyonomringe ebenfalls ein Ringhomomorphismus. Man kann die Bemerkung als einen Speziallfall des Einsetzungs-Homomorphismus erhalten; diesen wendet man auf den zusammengesetzten Homomorphismus R S S[X] und das Element β = X S[X] an; bei dieser Betrachtungsweise könnte man der Deutlichkeit halber der Unbestimmten X und damit dem gesamten Polynomring S[X] einen anderen Namen geben. Es wird nicht zu Missverständnissen führen, wenn man den induzierten Homomorphismus ϕ X kurz wieder mit ϕ bezeichnet. Man benutzt die Bemerkung oft für den Speziallfall des kanonischen Homomorphismus π : R R/I, r r auf einen Faktorring, wobei I R ein Ideal ist. Der induzierte Ringhomomorphismus π : R[X] (R/I)[X], r 0 + r 1 X + r 2 X r 0 + r 1 X + r 2 X reduziert die Koeffizienten eines Polynoms modulo dem Ideal I (wobei reduzieren wie üblich bedeutet, einem Ringelement aus R seine Äquivalenzklasse in R/I zuzuordnen, bzw. für R = Z, I=(m) seinenrestmodulom). Der folgende Satz ist ein grundlegendes Hilfsmittel für die Überprüfung der Irreduzibiltät von Polynomen. Satz (Lemma von Gauß) Es sei R ein Hauptidealring, K =Quot(R) sein Quotientenkörper, f R[X] ein normiertes Polynom und f = g h eine Zerlegung in K[X], wobei g, h K[X] normierte Polynome seien. Dann gilt sogar g, h R[X]. Beweis: siehe Vorlesung. Korollar Es sei R ein Hauptidealring, f R[X] normiert mit grad(f) > 0 und c Quot(R) eine Nullstelle von f.danngiltc R,undc teilt den konstanten Term von f. Beweis: Wir wenden Satz auf den Teiler X c von f im Polynomring Quot(R)[X] an;siehehierzusatz3.2.9.
5 Algebra und Zahlentheorie c Rudolf Scharlau, Korollar Es sei R ein Hauptidealring, f R[X] normiertmitgrad(f) > 0; es gebe ein Primelement p R derart, dass das modulo p reduzierte Polynom π(f) R/(p)[X] irreduzibelist.dannistf in K[X] irreduzibel. Beweis: Angenommen, f = gh,wobeig und h aus K[X]sindundnichtkonstant. Nach Multiplikation mit geeigneten Elementen aus K sind g und h normiert, also nach Satz dann in R[X]. Wir können also mit dem Primelement p der Voraussetzung die Polynome ḡ = π(g) und h = π(h) bilden,diebeideebenfalls normiert und von gleichem Grad wie g bzw. h sind, insbesondere nicht konstant. Wegen f =ḡ h ist dieses ein Widerspruch zur Voraussetzung, dass f irreduzibel ist. Beispiel zu Das Polynom f = X 3 +3X +2 Z[X] hatkeinerationale Nullstelle. Dies überprüft man durch Einsetzen der Teiler von 2 in f, diese sind {±1, ±2}. Beispiel zu Das Polynom f = X 4 5X 3 +4X 2 2X +15 Z[X] ist irreduzibel in Q[X], denn das modulo 2 reduzierte Polynom f = X 4 + X 3 +1 F 2 [X] istirreduzibel.diesesfolgtdaraus,dass f offenbar keine Nullstelle in F 2 hat, also keinen Faktor vom Grad 1 abspaltet, und auch kein Produkt von zwei irreduziblen Polynomen vom Grad 2 in F 2 [X] ist (es gibt nur ein solches Polynom, nämlich X 2 + X +1 F 2 [X]). Beispiel zu Das Polynom X 4 10X 2 +1 Z[X] istüber Q irreduzibel. Beweis: Wie im vorigen Beispiel zeigt man zunächst, dass g keine Nullstelle hat, also keinen Linearfaktor abspaltet. Wir müssen nun noch die Möglichkeit ausschließen, dass g in zwei Faktoren vom Grad 2 zerfällt. Hierzu können wir nach einen Ansatz g =(X 2 + ax + b)(x 2 + cx + d) mita, b, c, d Z machen. Es muss b = d = ±1 sein. Ausmultiplizieren und Koeffizientenvergleich liefert einen Widerspruch für a und c. Wichtig für Beispiele irreduzibler Polynome ist neben Satz und den beiden Korollaren 3.5.6, noch folgendes Kriterium: Satz (Eisenstein sches Irreduzibilitätskriterium) Es sei R ein Hauptidealring und f = X n + r n 1 X n r 1 X + r 0 R[X] normiert. Ferner existiere ein Primelement p R derart, dass alle r j mit j = 0,...,n 1 durch p teilbar sind, aber r 0 nicht durch p 2 teilbar ist. Dann ist f irreduzibel in Quot(R)[X]. Beweis: Angenommen, f ist reduzibel. Dann existieren nach normierte Polynome g, h R[X] mitf = g h und grad(f) 1 grad(g). Wir benutzen 9 siehe Karpfinger, Meyberg: Algebra, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2009 (2. Auflage), Beispiel Dort wird auch gezeigt, dass dieses Polynom modulo jeder Primzahl reduzibel ist; die Irreduziblität kann also nicht aus Korollar gefolgert werden
6 Algebra und Zahlentheorie c Rudolf Scharlau, nun den Reduktionshomomorphismus ϕ : R[X] (R/I)[X] nachdemideal I := pr aus Bemerkung und erhalten X n = ϕ(f) =ϕ(g) ϕ(h). Weil R/I ein Körper ist, ist R/I[X] ein Hauptidealring und X n besitzt in R/I[X] eine eindeutige Primfaktorzerlegung. Nun ist X aber prim in R/I[X] undsomitgilt ϕ(g) =X grad(g) =: X k sowie ϕ(h) =X grad(h) = X l. Zurückschauend auf die Polynome g, h R[X] ergibtdiesinsbesondere,dassdiekonstantentermeg(0) und h(0) durch p teilbar sind. Damit ist aber f(0) = g(0) h(0) durch p 2 teilbar. Dies ist ein Widerspruch zur Voraussetzung. Korollar Für eine Primzahl p N ist Φ p (X) :=X p 1 + X p X +1= Xp 1 X 1 irreduzibel über Q. MannenntΦ p (X) dasp-te Kreisteilungspolynom. Beweis: Die Zuordnung (Ersetzung) X X+1 induziert mittels des Einsetzungs- Homomorphismus einen (Ring-)Automorphismus von Q[X]. Damit ist f(x) := Φ p (X +1) genau dann irreduzibel, wenn Φ p (X) irreduzibel ist. Wir rechnen nach f(x) = Φ p (X +1)= (X+1)p 1 = p p X+1 1 i=1 i X i 1 = X p 1 + px p 2 + p p 2 X p p 2 X + p. Nun läßt sich Satz anwenden, weil p alle Koeffizienten p i = p(p 1)... (p i+1) i mit i =1,...p 1teiltundp 2 nicht den konstanten Term f(0) = p teilt. Damit ist f, alsoauchφirreduzibelüber Q. Bemerkung. Man kann auch für jedes konkrete Zahlenbeispiel eines Polynoms h Z[X] versuchen,durcheinevariablensubstitutionx X + t mit einem geschickt gewählten t Z eine äquivalentes Polynom zu finden, das den Voraussetzungen des Eisenstein-Kriteriums genügt. Zum Beispiel erhält man mit h = h(x) = X 5 5X 4 +7X 3 +2X 2 X 7 als äquivalentes Polynome h(x +1)=X 5 3X 3 +3X 2 +9X 3, was nach Eisenstein mit p =3irreduzibel ist. Mit einem Computer und etwas Geduld erhält man die Irreduzibilität auch mit Korollar 3.5.7, nämlich modulo 29. Eisenstein-Polynome sind recht speziell, weil sich ihre Nullstellen modulo der Test-Primzahl wie eine n-te Wurzel verhalten. Dieser Aspekt wird in der algebraischen Zahlentheorie weiter untersucht und liefert dann auch eine Erkärung, warum die Methode beim p-ten Kreisteilungspolynom zum Ziel führt. Generell werden viele Polynome irreduzibel sein, ohne dass sich dieses mit Eisenstein zeigen lässt. Das Kriterium ist viel häufiger anwendbar. Für den Computer stellt die Zerlegung von Polynomen in Z[X] im Prinzip kein Problem dar. Es gibt ein relativ einfaches endliches Verfahren von Kronecker (siehe z.b. Karpfinger und Meyberg, Aufgabe 18.6); konkrete Implementierungen benutzen weitere Ideen und diverse Verfeinerungen, um bei hohen Polynomgraden noch genügend Effizienz zu erreichen.
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