Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung
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- Sabine Peters
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1 Nachhaltige Ressourcenverwendung und umweltgerechte Lebensstile Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung Prof. Dr. Jörg Rössel Soziologisches Institut Universität Zürich
2 Gliederung Motivation und Fragestellung Das Lebensstilkonzept in der Soziologie: Theoretische Überlegungen Das Lebensstilkonzept in der Soziologie: Erklärungskraft und Begrenzungen Bietet das Lebensstilkonzept Ansatzmöglichkeiten für die Erforschung einer nachhaltigen Ressourcenverwendung? Fazit und Diskussion Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung Seite 2
3 Motivation und Fragestellung Das Begriffspaar Lebensstile und Nachhaltigkeit ist nicht nur in der öffentlichen Diskussion (Stichwort: LOHAS), sondern auch in der wissenschaftlichen Diskussion stark präsent (Recherche in Datenbanken) Die soziologische Lebensstilforschung hat in der Diskussion über Lebensstile vor allem auf ästhetische Orientierungen fokussiert (Englisch: Cultural Consumption), weniger auf Fragen der Ökologie und Nachhaltigkeit. Blick von aussen, aber mit vielen Anknüpfungspunkten an die Nachhaltigkeitsforschung Lebensstilforschung beschäftigt sich mit der Ressourcenverwendung im Gegensatz zur klassischen Sozialstrukturanalyse, die auf die Ressourcenausstattung fokussiert Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung Seite 3
4 Dabei wurden auch zentrale Verhaltensbereiche, die mit hohem Ressourcenaufwand verbunden sind, untersucht: Wohnen (Schneider/Spellerberg 1999; Rössel/Hölscher 2012) Mobilität und Reisen (Beckmann et al. 2006; Otte 2000) Ernährung (Barlösius 1999; Raithel 2004; Gerhards/Rössel 2002) Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung Seite 4
5 Zentrale Schwerpunkte des Vortrages 1. Grundzüge der soziologischen Lebensstilforschung 2. Grenzen und Möglichkeiten des Lebensstilkonzepts und der Lebensstilforschung 3. Lebensstilforschung und die empirische Untersuchung von nachhaltiger Ressourcenverwendung Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung Seite 5
6 Das Lebensstilkonzept in der Soziologie: Theoretische Überlegungen I. Ausgangspunkte der Lebensstildiskussion Ausgangspunkt: Unzufriedenheit mit klassischen Sozialstrukturanalysen, die Verhalten allein auf Grundlage sozialstruktureller Bedingungen (Klasse, Einkommen, Bildung, Geschlecht etc.) erklären. Kulturelle Pluralisierung gegenwärtiger Gesellschaften Lebensstilforschung als Alternative oder Ergänzung zur klassischen Sozialstrukturanalyse Lebensstile werden dabei als Verhaltensmuster betrachtet, die auf der Basis von drei Merkmalen abgegrenzt werden können: (1) formale Ähnlichkeit, (2) Expressivität und (3) Identifizierbarkeit Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung Seite 6
7 II. Definition von Lebensstilen Bei einem Lebensstil handelt es sich um ein Muster verschiedener Verhaltensweisen, die eine gewisse formale Ähnlichkeit und biographische Stabilität aufweisen (Charakter von Routinen), Ausdruck zugrunde liegender Orientierungen sind und von anderen Personen identifiziert werden können (Otte/Rössel 2011: 13). Drei Ergänzungen (1) Von den manifesten Lebensstilen können die zugrundeliegenden Orientierungen abgegrenzt werden. Gemeinsam spricht man hier von Lebensführung (Otte 2004) Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung Seite 7
8 (2) Das Ausmass von formaler Ähnlichkeit und von biographischer Stabilität von Lebensstilen ist eine empirische Frage. Es gibt deutliche Hinweise, dass Lebensstile weitaus bereichsspezifischer und fragmentierter sind als anhin angenommen (Lahire 2008) und sich auch biographisch im Lebensverlauf deutlich verändern (Isengard 2011). (3) Insbesondere in der soziologischen Lebensstilforschung gibt es eine ausgeprägte Verengung auf ästhetische Orientierungen, die den manifesten Lebensstilen zugrunde liegen, dies könnte aber unproblematisch auf ethische Orientierungen unterschiedlicher Art (religiös, ökologisch, etc.) erweitert werden Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung Seite 8
9 III. Funktionen von Lebensstilen Lebensstile sind aus soziologischer Sicht typischerweise mit vier Funktionen (Zielen) verbunden. (1) Sinnlicher und intellektueller Genuss (Zunahme hedonischer Orientierungen im Gegensatz zu instrumentellen Orientierungen beim Konsum) (Holbrook/Hirschman 1982; Schulze 1992) (2) Konstruktion einer persönlichen und sozialen Identität (Belk 1988; Tomlinson 1990; Berger/Heath 2007) (3) Signalisierung von Gruppenzugehörigkeit (Bourdieu 1982) (4) Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen (Bourdieu 1982) Dies weist darauf hin, dass Verhaltensweisen, die in lebensstilbasierte Routinen eingebunden sind, sich nur begrenzt durch Informationen oder eine rein instrumentelle Argumentation ändern lassen Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung Seite 9
10 IV. Ein theoretisches Modell des lebensstilbasierten Verhaltens Orientierungen Manifeste Sozialstruktur Lebensstile Opportunitätsstruktur Ressourcen Restriktionen Erläuterung des theoretischen Modells: (1) Grundlage ist ein einfaches handlungstheoretisches Modell, dass davon ausgeht, dass Akteure zwischen Handlungsalternativen auf der Grundlage von zwei Filtern auswählen (Elster 1986): erstens der Opportunitätsstruktur, die bestimmt welche Alternativen überhaupt in Frage kommen und zweitens den persönlichen Orientierungen (Zielvorstellungen), die Kriterien für die präferierten Alternativen enthalten Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung Seite 10
11 (2) Es wird davon ausgegangen, dass die manifesten Lebensstile indirekt durch die sozialstrukturelle Position von Personen geprägt werden, dies aber vermittelt über Orientierungen und Gelegenheitsstrukturen. (3) Orientierungen und Opportunitäten werden auf unterschiedliche Weise durch die sozialstrukturelle Position geprägt (Yaish/Katz-Gerro 2011). Orientierungen werden primär durch Lernprozesse geprägt (z. B. über soziale Herkunft und Bildung, aber auch kohortenspezifische Angebote). Opportunitäten werden vor allem durch die materielle Ressourcenausstattung (Berufs- und Klassenposition) und die Handlungsrestriktionen von Akteuren strukturiert. Insbesondere den Handlungsrestriktionen (Angebot und Preise) kommt eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Lebensstilen zu. In einer Rückkopplungsschleife werden allerdings die Angebotsstrukturen auch durch die Ausprägungen der Lebensstile strukturiert (Bsp. Verkehr). Dieses Modell hat sich in der empirischen Lebensstilforschung bewährt Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung Seite 11
12 Das Lebensstilkonzept in der Soziologie: Erklärungskraft und Begrenzungen (1) In der Erklärung von Verhaltensmustern haben sich die Konzepte des Lebensstils und der zugrundeliegenden Orientierungen als erklärungskräftige Ergänzungen der klassischen Sozialstrukturanalyse erwiesen allerdings nicht als Alternativen zur klassischen Sozialstrukturanalyse (Otte 2005). (2) Die Erklärungskraft von Lebensstilkonzepten ist allerdings in zwei Hinsichten begrenzt: erstens ist sie besonders stark ausgeprägt in den Verhaltensbereichen, die mit einem hedonischen/ästhetischen Konsum verbunden sind und zweitens in Niedrigkostensituationen. (3) Zumindest im Mainstream der soziologischen Lebensstilforschung wurden ethische Orientierungen als Grundlagen von Lebensstilen bisher zu wenig beachtet. Dies begrenzt nicht nur die Aussagekraft im Blick auf nachhaltige Verhaltensweisen, sondern auch im Feld z. B. religiös geprägter Verhaltensmuster Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung Seite 12
13 Bietet das Lebensstilkonzept Ansatzmöglichkeiten für die Erforschung einer nachhaltigen Ressourcenverwendung? Verschiedene Lebensstile sind in unterschiedlichem Ausmass mit der Aufwendung und dem Verbrauch von Ressourcen verbunden. Daher kann die Lebensstilforschung durchaus Anregungen für die Erforschung von nachhaltiger Ressourcenverwendung bieten: (1) Eine zentrale Voraussetzung für die Untersuchung des Zusammenhangs von Lebensstilen und Nachhaltigkeit ist eine systematische Bestimmung der Nachhaltigkeitsbilanz von Lebensstilgruppen. Diese kann nur in interdisziplinärer Weise stattfinden, so dass einerseits geeignete Lebensstilsegmentierungen gefunden werden und andererseits angemessene und effiziente Messinstrumente Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung Seite 13
14 (2) Anschliessend an die empirisch vorfindbaren Lebensstilmuster können wissenschaftlich basierte Strategien des zielgruppenspezifischen Marketings und der Entwicklung von funktionalen Äquivalenten einzelner lebensstilbasierter Verhaltensweisen entwickelt werden. Diese können die Akzeptanz von nachhaltigen Gütern und Dienstleistungen über die reine Informationspolitik deutlich erhöhen, erfordern aber einen sehr differenzierten Forschungsaufwand (Götz et al. 2011). (3) Eine sehr viel grundsätzlichere Perspektive nehmen Studien ein, die sich mit den Bedingungen der Veränderung von Lebensstilen in eine nachhaltigere Richtung beschäftigen (Ökopioniere). Fragen von Zielkonflikten. Dies erfordert eine Verknüpfung der Forschung über Wertewandel und öffentliche Diskurse einerseits, über die die Mobilisierung sozialer Bewegungen andererseits. Insbesondere muss das Lebensstilkonzept für eine solche Forschungsperspektive stärker auf ethische Orientierungen hin geöffnet werden Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung Seite 14
15 (4) Im theoretischen Modell wurde deutlich, dass manifeste Lebensstilmuster auch von Preis- und Angebotsrestriktionen gesteuert werden können, die über die Lebensstilmuster zum Teil auch wieder reproduziert werden. Diese verweisen letztlich auf Phänomene der politischen Regulierung Hier eröffnet sich ein breites Forschungsfeld für die politische Soziologie und die Politikwissenschaften. Es ist davon auszugehen, dass die Akzeptanz und die Umverteilungswirkungen von derartigen politischen Regulierungen lebensstilbasiert sind. Dazu gibt es aber bisher kaum Forschungen Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung Seite 15
16 Fazit und Diskussion Das Lebensstilkonzept hat sich in der Soziologie als fester Bestandteil der Sozialstrukturanalyse etabliert. Wie alle neuen Begriffe eröffnet es neue Möglichkeiten für die Forschung, es sind aber auch spezifische Grenzen deutlich geworden. Für die Erforschung der nachhaltigen Ressourcenverwendung bietet das Lebensstilkonzept eine Reihe von möglichen Ansatzpunkten für eine differenzierte und interdisziplinäre Forschung. Dabei geht es im Kern um drei Strategien zur Förderung nachhaltiger Lebensstile: (1) Existierende Lebensstile individuell nachhaltiger gestalten zielgruppenspezifisches Marketing (2) Nachhaltigere Lebensstile entwickeln Wertewandel, soziale Bewegungen, Lebensverlaufs- und Lebensstilforschung (3) Politische Regulierung zur Förderung nachhaltiger Lebensstile Analyse sozialer und politische Konflikte auf Lebensstilbasis Lebensstile und nachhaltige Ressourcenverwendung Seite 16
17 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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