Übungen Privatrecht II (Sachenrecht) Fall 7 FS 2018
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- Bettina Wolf
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1 Übungen Privatrecht II (Sachenrecht) Fall 7 FS 2018 Bettina Lienhard, RAin Dr. iur.
2 Teil 1
3 Wie werden die Rechte von Anna, Bert und Sophie bezüglich der drei Liegenschaften vollzogen? Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 3
4 Rechtsposition der Beteiligten (1) gesetzliche Erbfolge: ZGB 457 ff. Vermächtnis: ZGB 484 begründet obligatorischen Anspruch gegenüber den Beschwerten (ZGB 562) verschafft keine Erbenstellung (ZGB 484 I) Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 4
5 Rechtsposition der Beteiligten (2) Anna und Bert sind die gesetzlichen Erben von Matthias (ZGB 457). Sophie hat als Konkubinatspartnerin von Matthias kein gesetzliches Erbrecht. Sie ist Vermächtnisnehmerin (ZGB 484) Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 5
6 Rechtsgeschäftlicher Erwerb von Grundeigentum allg. Grundeigentum: ZGB 655 Grundbucheintragung: ZGB 656 Abs. 1 Abs. 2 relatives Eintragungsprinzip Verpflichtungsgeschäft: Form nach ZGB 657, OR 216 I Verfügungsgeschäft: Grundbuchanmeldung, ZGB 963 absolutes Eintragungsprinzip Antragsprinzip Kausalitätsprinzip Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 6
7 Erbschaftserwerb (1) ZGB 560 ZGB 560 I: Erwerb durch Universalsukzession (Gesamtrechtsnachfolge) ZGB 560 II: Rechtsnachfolge ipso iure (kraft Gesetzes) Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 7
8 Erbschaftserwerb (2) Erbengemeinschaft: ZGB 602 Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten (ZGB 602 I) Gesamteigentümer (ZGB 602 II) Zweck: Erbteilung Ende: mit Erbteilung (ZGB 604 I [Teilungsklage], ZGB 634 [Realteilung oder Teilungsvertrag]) Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 8
9 Zwischenergebnis: Erbschaftserwerb Anna und Bert = (gesetzliche) Erben, ZGB 457 Erbschaftserwerb: Universalsukzession (ipso iure, ZGB 560) Mit dem Tod von Matthias werden Anna und Bert Gesamteigentümer der drei Grundstücke; sie bilden eine Erbengemeinschaft (ZGB 602). Der Eigentumsübergang erfolgt ohne Eintragung im Grundbuch (sog. ausserbuchlicher Erwerb; ZGB 656 II). Die Erbengemeinschaft besteht bis zur Erbteilung (ZGB 602 I). Welche Schritte sind notwendig, damit Anna Alleineigentümerin von G2 und Bert Alleineigentümer von G3 werden? Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 9
10 Erbteilung (1) ZGB 656 II Verfügung über die Nachlassgegenstände Die weitere Verfügung über die Grundstücke setzt die Grundbucheintragung voraus (ZGB 656 II). relatives Eintragungsprinzip Der Rechtsgrundausweis für die Eintragung des Eigentumsübergangs kraft Erbganges (ZGB 560, 656 II) im Grundbuch besteht im Erbschein (ZGB 559; s. auch GBV 65 I lit. a) Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 10
11 Erbteilung (2) Überführung der Grundstücke G2 und G3 ins Alleineigentum durch Realteilung (ZGB 634 I) oder schriftlichenteilungsvertrag (ZGB 607 II, 634) und Grundbucheintragung (ZGB 656 I) durch Urteil aufgrund einer Teilungsklage (ZGB 604 I, 656 II) zu den Grundsätzen des Erbteilungsrechts und den Befugnissen des Teilungsgerichts: BGE 143 III Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 11
12 Zwischenergebnis: Erbteilung 1. ausserbuchlicheneigentumserwerb (Erbgang) zur Eintragunganmelden (ZGB 656 II, GBV 65 I lit. a) 2. Realteilung (= Bildung und Entgegennahme der Lose, ZGB 634 I bei Grundstücken Eintragung des betreffenden Erben im Grundbuch; schriftliche Zustimmungserklärung aller Miterben, GBV 64 I lit. b) oderschriftlichen Erbteilungsvertrag schliessen (= Verpflichtungsgeschäft, ZGB 634 I, II) und Anmeldung zur Eintragung im Grundbuch (= Verfügungsgeschäft, ZGB 963; GBV 64 I lit. b) oder bei Uneinigkeit: Teilungsklage (ZGB 604 I) Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 12
13 Verkauf von G2 durch Anna an Clemens ZGB 656 I ZGB 656 I: Verpflichtungsgeschäft: öffentlich beurkundeter Kaufvertrag (ZGB 657 I, OR 216 I) Verfügungsgeschäft: Grundbuchanmeldung (ZGB 963 I, GBV 64 I lit. a) absolutes Eintragungsprinzip Antragsprinzip Kausalitätsprinzip Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 13
14 Wohnrecht, ZGB 776 ff. Errichtung: ZGB 776 III: Mangels Regelung in ZGB 776 ff. sind die Bestimmungen über die Nutzniessung anzuwenden. ZGB 746 I: Grundbucheintragung (absolutes Eintragungsprinzip) ZGB 746 II: Anwendbarkeit von ZGB 656 ff.; daher Rechtsgrundausweis gemäss ZGB 657 ausschliessliches Wohnrecht: ZGB 778 I Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 14
15 Wohnrecht: Verbindung mit einer Resolutivbedingung BGE 106 II 329, Regeste: «Ein durch die Wiederverheiratung der Berechtigten auflösend bedingtes Wohnrecht kann zusammen mit dieser Bedingung ins Grundbuch eingetragen werden (Änderung der Rechtsprechung).» BGE 115 II 213, Regeste: «Ein Wohnrecht kann mit Resolutivbedingungen verknüpft werden, handle es sich um die Trennung oder die Scheidung der Ehe der Vertragsparteien, um das Vorabsterben der das Recht einräumenden oder um die Wiederverheiratung der berechtigten Partei [ ].» Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 15
16 Zwischenergebnis: Vermächtnis Vermächtnis z.g. von Sophie unmittelbarer Inhalt: Forderung auf Errichtung eines Wohnrechts mittelbarer Inhalt: ausschliessliches Wohnrecht vermächtnisbeschwert: Erben Anna und Bert (ZGB 562 I) Errichtung des Wohnrechts z.g. von Sophie gültiger Rechtsgrund (hier die letztwillige Verfügung: ZGB 657 II) Anmeldung und Eintragung ins Grundbuch (ZGB 963, 776 III i.v.m. 746 I; GBV 64 I lit. c) Sophie hat aufgrund des Vermächtnisses einen persönlichen Anspruch gegenüber Anna und Bert auf die Eintragung. Diese erfüllen ihre Verpflichtung durch die Anmeldung der Eintragung beim Grundbuchamt Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 16
17 Teil 2
18 Sachverhalt G2 Clemens G3 Bert Kann Bert sein Bauvorhaben realisieren? Welche Voraussetzungen müssen allenfalls geschaffen werden? Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 18
19 Grenzen von Grundeigentum ZGB 667 I Liegenschaft = dreidimensionaler Gegenstand Grenze = wo das Ausübungsinteresse endet Interesse unbestimmter Rechtsbegriff unterschiedliche Auslegung Voraussetzung: schutzwürdiges Interesse Folge der Verletzung: Eigentums- bzw. Besitzesstörung Interesse Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 19
20 Abwehrmöglichkeiten des beeinträchtigten Eigentümers bei direkter Einwirkung Eigentumsfreiheitsklage (= actionegatoria; ZGB 641 II) Klage aus Besitzesstörung (ZGB 928) Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 20
21 BGer 5A_639/2010 vom (1) Erwägung 4.2.1: «Nach Art. 667 Abs. 1 ZGB erstreckt sich das Eigentum an Grund und Boden nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. Wie gross diese räumliche Ausdehnung ist, lässt sich nicht in allgemeingültiger Weise festlegen, sondern bestimmt sich von Fall zu Fall nach den konkreten Umständen und dem schutzwürdigen Interesse des Eigentümers, diesen Raum selbst zu nutzen oder zu beherrschen und das Eindringen anderer abzuwehren [ ].» (Hervorhebung hinzugefügt) Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 21
22 BGer 5A_639/2010 vom (2) Erwägung 4.2.2: «Nach dem angefochtenen Entscheid beabsichtigen die Beschwerdegegner, ihre Parzelle mit Appartementwohnungen zu überbauen und auch unter dem gewachsenen Terrain bis auf das Niveau der Parzelle der Beschwerdeführerin diverse unterirdische Räume wie Keller, Bar, Pool Ruheraum usw. sowie einen Tunnelzugang zu erstellen. Gemäss den der Expertise zugrundeliegenden Plänen beansprucht das Projekt den Untergrund bis in eine Tiefe von Metern unter dem gewachsenen Terrain; die Beschwerdeführerin geht ihrerseits von einer Tiefe von Metern aus.» Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 22
23 BGer 5A_639/2010 vom (3) Erwägung (Fortsetzung): «Nach den [ ] Erwägungen der Vorinstanz ist eine derartige Ausnutzung des Grundstücks, insbesondere dessen Erschliessung durch Tunnel und Stollen in den Hanglagen von U. durchaus ortsüblich. Gemäss Expertise gilt das Projekt als schwierig, aber technisch realisierbar. Unter den geschilderten tatsächlichen Umständen hat das Kantonsgericht ein schutzwürdiges Interesse an der Beherrschung des Untergrundes bis in die vorgenannte Tiefe zu Recht bejaht. Insbesondere ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Projekt lediglich vorgeschoben worden wäre, um dem Nachbarn zu schaden.» Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 23
24 Zwischenergebnis: Realisierung des Bauvorhabens Clemens hat ein schutzwürdiges Interesse an der Eigentumsausübung im Bereich der geplanten Vorspannanker. Bert darf nicht ohne Zustimmung von Clemens die in dessen Grundstück hineinragenden Vorspannanker setzen: Er würde damit eine Eigentums-bzw. Besitzesstörung begehen. Welche Möglichkeiten haben Bert und Clemens, bei einer Reduktion des Projektes von C, welche beide Bauten ermöglicht, das Überragen der Vorspannanker auf das Grundstück von Clemens rechtlich abzusichern? Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 24
25 Zwischenergebnis Vertrag zur Errichtung eines Überbaurechts (ZGB 674) Dienstbarkeitsvertrag in öffentlicher Urkunde (= Verpflichtungsgeschäft; ZGB 732) Grundbuchanmeldung (= Verfügungsgeschäft), ZGB 963 I (Antragsprinzip) Eintragung ins Grundbuch, ZGB 731 I, 968, 946 Obligatorisches Rechtsverhältnis Nachteile: nur der Vertragspartner wird verpflichtet keine erga omnes-wirkung Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 25
26 Ergebnis Teil 1: Anna und Bert erwerben die Erbschaft als Ganzes (Universalsukzession); sie werden ipso iure Gesamteigentümer zufolge Erbengemeinschaft der drei Grundstücke (ZGB 560, 656 II, 602). Bevor sie weiter über die Grundstücke verfügen können, müssen sie den ausserbuchlichen Eigentumserwerb (Erbgang) ins Grundbuch eintragen lassen (ZGB 656 II; Erbschein ZGB 559). Anna und Bert können eine Realteilung (ZGB 634 I) vornehmen oder die Aufteilung des Nachlasses in einem schriftlichen Teilungsvertrag vereinbaren (ZGB 607 II, 634) und den Übergang der Grundstücke G2 bzw. G3 ins Alleineigentum von Anna bzw. Bert durch Anmeldung im Grundbuch veranlassen (ZGB 656 I, 963). Bei Uneinigkeit könnte die Teilung mittels Teilungsklage verlangt werden (ZGB 604 I). Für die Übertragung des Eigentums an G2 von Anna an Clemens ist ein öffentlich beurkundeter Kaufvertrag (ZGB 657 I, OR 216 I) und die Grundbuchanmeldung und -eintragung erforderlich (ZGB 963, 656 I). Sophie hat aufgrund des Vermächtnisses einen persönlichen Anspruch gegenüber Anna und Bert (ZGB 484, 562) auf Errichtung eines Wohnrechts (ZGB 776). Diese erfüllen ihre Verpflichtung durch die Anmeldung des Wohnrechts beim Grundbuchamt auf der Grundlage von Matthias Testament; mit der Grundbucheintragung entsteht das Wohnrecht als beschränktes dingliches Recht (ZGB 776 III, 746, 657 II, 963) Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 26
27 Ergebnis Teil 2: Clemens hat ein schutzwürdiges Interesse an der Ausübung seines Eigentums im Bereich der geplanten Vorspannanker (ZGB 667 I). Clemens könnte im Falle des Setzens solcher Anker eine Eigentumsfreiheitsklage oder eine Klage aus Besitzesstörung erheben (ZGB 641, 928). Wenn Clemens sein Projekt in einer Weise verändert, welches die Erstellung beider Bauten ermöglicht, könnte er mit Bert einen Vertrag zur Errichtung eines Überbaurechts (ZGB 674; Grunddienstbarkeit) schliessen. Ein solcher Vertrag bedarf der öffentlichen Beurkundung (ZGB 732). Die Errichtung erfordert eine Eintragung ins Grundbuch (ZGB 731 I, 968, 946), die eine Anmeldung voraussetzt (ZGB 963). Clemens und Bert könnten zwar auch nur ein obligatorisches Rechtsverhältnis begründen. Dadurch würden allerdings ausschliesslich die Vertragspartner berechtigt bzw. verpflichtet. Die Grunddienstbarkeit hat dagegen erga omnes-wirkung und durchbricht das Akzessionsprinzip (ZGB 667 II, 674 I) Übungen Sachenrecht, Fall 7 Seite 27
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