Übungen zur Vorlesung Algorithmische Bioinformatik
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- Bernhard Glöckner
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1 Übungen zur Vorlesung Algorithmische Bioinformatik Freie Universität Berlin, WS 2006/07 Utz J. Pape Johanna Ploog Hannes Luz Martin Vingron Blatt 6 Ausgabe am Abgabe am vor Beginn der Vorlesung Aufgabe 20 (Maximum Likelihood Parameter-Schätzung). Stellen Sie sich folgendes Zufallsexperiment vor. Sie werfen eine Münze n mal. Dabei beobachten Sie k mal Kopf und (n k) mal Zahl. Wir beschreiben diesen Ausgang des Experiments (d.h. die beobachteten Daten) durch D = (n, k). Die Wahrscheinlichkeit, D zu beobachten, wird durch die Binomialverteilung Pr(X = k) = B(k p,n) beschrieben, wobei der Parameter p (0 p 1) die Wahrscheinlichkeit für Kopf bei einem Münzwurf ist. Maximum Likelihood: Bei der Maximum-Likelihood (ML) Schätzung betrachten wir die Wahrscheinlichkeit eines einzigen Ausgangs des Zufallsexperiments 1. Ein Ausgang D wird also fixiert und die Modellparameter Θ werden variiert. Die Likelihood L(Θ) wird als Funktion der Modellparameter Θ aufgefasst. Die Likelihood L(Θ) ist die Wahrscheinlichkeit, die Daten D unter den Modellparametern Θ zu beobachten, L(Θ D) = Pr(D Θ). 1. Geben Sie die Likelihood Funktion L(p D) = Pr(D p) für den Ausgang D = (n, k) des oben beschriebenen Münzwurf-Experiments in Abhängigkeit des Modellparameters p an. 2. Für die Maximum-Likelihood-Schätzung ˆp gilt ˆp = argmax log L(p D) p Erstellen Sie jeweils einen Plot der Likelihood-Funktion log L(p D i ) für die drei Beobachtungen D 1 = (100,45), D 2 = (500,225) und D 3 = (1000,450). Sie könnten den Plot z.b. mit matlab erstellen. Skalieren Sie die x-achse mit p (0 p 1) und die y-achse mit ln L(p). Welche Werte haben ˆp 1, ˆp 2, ˆp 3? Stellen Sie die drei log-likelihood- Funktionen in einem Diagramm dar ( 800 ln L 0) und vergleichen Sie diese. Haben Sie eine Idee, wie die Varianz einer ML-Schätzung berechnet wird? Aufgabe 21 (Jukes-Cantor Modell, bedingte Likelihood eines Baumes). Das Jukes- Cantor Modell ist die einfachste Parametrisierung eines Markov-Prozesses, der die Evolution einer Nukleotidsequenz beschreibt. 1 das beschriebene Münzwurfexperiment hat 2 n Ausgänge. 1
2 A G C T Für ein gegebenes Zeitintervall t ist die Wahrscheinlichkeit P ij (t), dass ein bestimmtes Nukleotid i durch j, eines der drei anderen Nukleotide, substituiert wird, dieselbe für alle paarweisen Kombinationen (i, j) von Nukleotiden. Die Übergangswahrscheinlichkeitsmatrix (oder Transitionsmatrix) P(t) hat die Gestalt P(t) = P(t) ist eine stochastische Matrix und hat die folgenden Eigenschaften: P(0) = I, I - identity matrix, P ij (t) 0 and j P ij(t) = 1, P(s + t) = P(s)P(t) Sequenzpositionen werden unabhängig voneinander modelliert, und für jede Sequenzposition wird dieselbe Wahrscheinlichkeitsverteilung π = (π 1,π 2,π 3,π 4 ) der Nukleotide angenommen. π ist also independently identically distributed (i.i.d.). Im Jukes-Cantor Modell wird die Gleichverteilung der Nukleotide angenommen π = ( 1 4, 1 4, 1 4, 1 4 ) Ein Markov-Prozess befindet sich im Gleichgewicht, und die Verteilung π heisst die stationäre Verteilung, falls Für die Wahl von πp(t) = π = 1 exp( 4t/300) 4 in der Transitionsmatrix P(t) ist der Markovprozess so kalibriert, dass in der Zeit t = 1 auf 100 Sequenzpositionen im Erwartungswert eine Substitution stattfindet. Wir gehen im folgenden von dieser Kalibrierung aus. 2
3 1. Beschreiben Sie kurz mit Worten, was es bedeutet, dass der Markov-Prozess im Gleichgewicht ist 2. Zeigen Sie: Ist τ eine Verteilung mit τ i P ij (t) = τ j P ji (t), so ist τ stationäre Verteilung (τ P = τ). Folgern Sie: Ist P symmetrisch, so ist die Gleichverteilung stationär. 3. Gegeben ist ein Baum mit der Wurzel r und daran hängenden inneren Knoten u (links) und v (rechts). Die Kante r u hat die Länge 10, und die Kante r v hat die Länge 20. Es bezeichne L X (w) die Wahrscheinlichkeit der Daten im Unterbaum, der in w wurzelt, unter der Bedingung, dass im Knoten w {r,u,v} ein X {A,C,G,T} steht. Die Wahrscheinlichkeiten L X (w) werden zu einem Vektor L(w) = (L A (w),l C (w),l G (w),l T (w)) zusammengefasst. Gegeben sind L(u) = (0.1, 0.01, 0.2, 0.05) und L(v) = (0.002, 0.003, 0.004, 0.005). (a) Warum addieren sich die Werte in L(u) bzw. L(v) nicht zu 1? (b) Berechnen Sie im Jukes-Cantor-Modell L(r) und die Gesamtwahrscheinlichkeit des Baumes L = X {A,C,G,T} π X L X (r). Aufgabe 22 (Jukes-Cantor Korrektur, evolution in a sandbox). In der Vorlesung wurde die Jukes-Cantor Korrektur besprochen. Unter dem Jukes-Cantor Modell bei Gleichverteilung der Nukleotide und mit der in Aufgabe 21 gegebenen Kalibrierung des Markov- Prozess, ist die Korrekturformel durch ˆt(d) = 300 4d ln(1 4 3n ) gegeben. Dabei ist d die Anzahl der mismatches in einem paarweisen gap-losen Nukleotid- Alignment der Länge n. 1. Erstellen Sie einen Plot der Jukes-Cantor Korrekturformel. Erklären Sie daran die Bedeutung und die Charakteristika der Korrekturformel. Schätzen Sie ab: wie gross sollten paarweise Hammingdistanzen d/n der Sequenzen in einem multiplen Alignment höchstens sein, um mit Maximum Parsimony einen phylogenetischen Baum zu folgern? Für den zweiten Teil der Aufgabe, sollen Sie Sequenz-Evolution nach dem Jukes-Cantor Modell simulieren und danach auf den simulierten Alignments die evolutionäre Distanz zurückschätzen. Nehmen Sie dazu an, zwei Nukleotid-Sequenzen der Länge l divergieren von einer gemeinsamen Vorgängersequenz, indem sich Substitutionen nach dem Jukes-Cantor Modell und dem Baum (human:25, chimpanzee:35) anhäufen. Die Zahlen hinter den Taxa stehen für evolutionäre Abstände des entsprechenden Taxons zum gemeinsamen Vorfahren. Da der Markov-Prozess unter dem Jukes-Cantor Modell zeit-reversibel ist, und wegen P(s + t) = P(s)P(t), können wir uns auch denken, dass wir eine Ursprungssequenz aus der Gleichverteilung generieren, und dann auf jeder der l Sequenzpositionen den Markovprozess über die Zeit t = 60 laufen lassen. Es gibt mehrere Programme, mit denen Sie die Simulation durchführen können. Zwei davon: 3
4 das Program evolver aus dem Programmpaket PAML von Ziheng Yang. Von http: //abacus.gene.ucl.ac.uk/software/paml.html können Sie die C-Quellen von PAML herunterladen und mit einem make Kommando kompilieren. Ein Beispiel für eine Konfigurationsdatei MCbase.dat zur Simulation von 1000 paarweisen Alignments der Länge 100, die von evolver beim Start gelesen wird, finden Sie auf der Vorlesungsseite unter dat. In dieser Konfigurationsdatei ist der Baum mit (human :0.25,chimpanzee :0.35) angebeben. Die Kantenlängen sind um den Faktor 100 kleiner, da evolver von einer Kalibrierung des Prozesses ausgeht, bei der in der Zeit t = 1 im Erwartungswert eine Substitution pro Sequenzposition stattfindet. REFORM (Random Evolutionary Forests Model) von Sven Rahmann, siehe http: //gi.cebitec.uni-bielefeld.de/people/rahmann/reform/. Reform.pl ist ein Perl- Skript, das das CPAN Parse::RecDescent Modul von Damian Conway verwendet. Ein Beispiel für eine Konfigurationsdatei zur Simulation eines paarweisen Alignments der Länge 1000 nach obigem Baum, die Sie Reform.pl beim Start übergeben können, finden Sie auf der Vorlesungsseite unter Bioinformatik_WS0607/for-jc-correction.reform. 2. Erzeugen Sie sich durch oben beschriebenes Evolutionsmodell zwei Datensätze, einen mit 1000 Alignments der Länge l 1 = 100 und einen mit 1000 Alignments der Länge l 2 = Bestimmen Sie für jedes Alignment die kalibrierte Hamming-Distanz d = 100d/l i (d-anzahl mismatches), sowie die evolutionäre Distanz ˆt(d) nach der oben gegebenen Jukes-Cantor Korrekturformel. Vergleichen Sie für die beiden Datensätze mit l 1 = 100 und l 2 = 1000 jeweils die zwei Verteilungen der Werte von d und von ˆt(d). Stellen Sie dazu alle vier Verteilungen als Histogramme dar. Wieviele Substitutionen finden im Erwartungswert in einer Sequenz der Länge 1000 statt? Wie ist ˆt verteilt? Was ist die Varianz der Schätzung? Aufgabe 23 (Rekonstruktion der Phylogenie von Hominiden mit PHYLIP). Unter finden Sie eine ziemlich umfassende Liste von Software zur Phylogenierekonstruktion. In dieser Aufgabe sollen Sie mit Programmen aus PHYLIP (the PHYLogeny Inference Package, Joseph Felsenstein) den Neighbor-Joining Baum für eine Menge mitochondrialer ATPasen berechnen und mit Bootstrap-Werten annotieren. Das Eingabe-Alignment mit ATPasen in fünf Spezies finden Sie auf der Vorlesungseite unter phy. Die C-Quellen von PHYLIP können Sie von der PHYLIP-homepage herunterladen (http: //evolution.genetics.washington.edu/phylip.html). Es gibt auch ein Webinterface für die PHYLIP Programme, das Sie unter phylip-uk.html finden. 1. Berechnen Sie einen Neighbor Joining Baum für das gegebene Alignment. Benutzen Sie dazu die PHYLIP-Programme dnadist (um eine Distanzmatrix auf dem Alignment zu berechnen) und neighbor (um auf der Distanzmatrix den Neighbor-Joining tree zu berechnen) 4
5 2. Führen Sie eine Bootstrap-Analyse durch (100 Replikate) und annotieren Sie den Neighbor Joining Baum mit Bootstrap-Werten. Falls Sie das Webinterface zu PHYLIP verwenden, geben Sie gleich bei der Benutzung von dnadist (advanced form) an, dass Sie eine bootstrap-analyse machen wollen. Falls Sie die Programme aus PHYLIP selbst kompiliert haben, erzeugen Sie sich die Replikate mit seqboot, verwenden Sie dann die Ausgabe von seqboot als Eingabe für dnadist (toggle multiple data sets option), und berechnen Sie mit neighbor (toggle multiple data sets option) den NJ-Baum für jedes Bootstrap-Replikat. Das Programm consense liest als Eingabe ein treefile, in dem z.b. untereinander die 100 NJ-Bäume für die Bootstrap-Replikate stehen. Die Information, wieviele der Bipartitionen in wievielen der 100 Bäume auftauchen, finden Sie nach dem Erstellen eines Konsensus-Baumes in der Ausgabe des Programms consense in folgender Form: Species in order: 1. a 2. b 3. c 4. d 5. e Sets included in the consensus tree Set (species in order) How many times out of *.** ** würde z.b. bedeuten, dass die Bipartition (a,c,d b,e) in 88 und die Bipartition (c,d a,b,e) in 80 von 100 Bäumen aus Bootstrap-Replikaten vorkommen. 3. (freiwillige Zusatzaufgabe:) Wenden Sie die PHYLIP Programme dnapars und dnaml an, um den Parsimony-Score und die Maximum Likelihood obigen Alignments für die besten Baumtopologien zu berechnen. Dazu sind die beiden Dateien hominid.parstrees hominid.mltrees die auf der Vorlesungsseite verlinkt sind, und die neben des multiplen Algignments alle möglichen Baumtopologien zur Eingabe in dnapars bzw. in dnaml enthalten, nützlich sein. Vergleichen Sie Parsimony Score (Baumlänge) versus maximale Likelihood in einem Scatterplot. Diskutieren Sie das Resultat im Vergleich mit obiger Bootstrap-Analyse. 5
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