Einführung in das Zivilrecht II Vorlesung am 22. April 2008

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Lioba Peters
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1 Einführung in das Zivilrecht II Vorlesung am 22. April 2008 Wiss. Mitarbeiter Sérgio Fernandes Fortunato Verbraucherschützende Widerrufsrechte Materialien unter:

2 Verbraucherschutz und Privatautonomie 2 Die privatautonome Gestaltung von Rechtsbeziehungen Privatautonomie: Selbstausgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen (W. Flume) Insbesondere Vertragsfreiheit! Form-, Abschluss- und Gestaltungsfreiheit. Die Möglichkeit Verträge wann, wo, wie und mit wem ich will abzuschließen. Grundsatz: pacta sunt servanda

3 Verbraucherschutz und Privatautonomie 3 Grenzen der Privatautonomie: Störung der Vertragsparität Grds. nur bei massiven Störungen besteht eine Schutzbedürftigkeit für eine Partei, insb. durch 138 BGB. Sonderprivatrechte zum Schutze einzelner Mietrecht, 535 ff. BGB (Bsp.: Kauf bricht nicht Miete, 566 BGB). Arbeitsrecht, 611 ff. BGB u.a. arbeitsrechtliche Gesetze (Bsp.: Kündigungsschutz, KSchG). Verbraucherschutzrecht Insb. Beschränkung der Vertragsfreiheit durch zwingendes Recht, bspw. 475 BGB (Verbrauchsgüterkauf). Formvorschriften, 492 BGB (Schriftform bei VerbrDarlehen).

4 Typisierte Ungleichgewichtslagen Persönlicher Anwendungsbereich Verbraucher- und Unternehmerbegriff Verbraucher 13 BGB Verbraucher. Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Bsp.: EugH, NJW 1998, S. 1295; BGH, NJW 1998, S Unternehmer 14 BGB Unternehmer. (1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person [ ], die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. 4

5 Typisierte Ungleichgewichtslagen Sachlicher Anwendungsbereich 5 Sachliche Gründe für eine Begrenzung der privatautonomen Vertragsgestaltung AGB-Recht, BGB. Schutz bei bestimmten Vertriebsformen: Haustürgeschäfte, 312 BGB; Fernabsatzgeschäfte, 312d BGB. Schutz bei bestimmten Vertragsgegenständen: Teilzeitwohnrechte, 485 BGB; Kredit-, Finanzierungs- sowie Ratenlieferungsverträge, 495, , 505 BGB; Verträge über Fernunterricht, 4 FernUSG; Bestimmte Versicherungsverträge, 8 Abs. 4 VVG; Kapitalanlagerecht, 23 KAGG, 11 AuslInvestmG. Ohne Bezug zu 355 BGB

6 Kompensation gestörter Vertragsparität im Verbraucherschutz 6 Kompensationsmechanismen Informationspflichten (insb. 312c, 482, 492 BGB; s.a. Art. 240 ff. EGBGB und BGB-InfoV) Trotz Verstoß gegen die Informationspflichten bleibt die Willenserklärung zunächst schwebend wirksam. Schadensersatz gem. 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB (pvv). Widerruf- und Rückgaberecht, 355, 356 BGB Loslösungsrecht des Verbrauchers (Sonderform des gesetzl. Rücktrittrechts, vgl. 357 Abs. 1 S. 1 BGB) (Modifizierte) Rückabwicklung nach 357 i.v.m. 346 ff. BGB Umgehungsverbot, 312f BGB

7 Haustürgeschäft, 355, 312 BGB 7 Fall 1 Der leicht zerstreute Professor R ist mal wieder sehr spät dran. Auf dem Weg in den Hörsaal für seine Zweitsemestervorlesung hält ihn dann auch noch der Verlagsvertreter V vom Bach-Verlag (B-Verlag) an und will ihm die Literaturneuerscheinungen im Winter 2007/2008 verkaufen. Da R sehr in Eile ist unterschreibt er noch zwischen Tür und Angel und ohne sich groß Gedanken zu machen eine Bestellung für das neueste Werk des international bekannten Kriminalautors Bernhard Schlink zum Vorzugspreis von 24,50. Noch auf der Treppe zum Podium kommen ihm Zweifel, ob er das richtige gemacht hat. Bei genauerer Betrachtung erinnert er sich, dass er Krimiromane eigentlich gar nicht mag. An seine Studenten gewandt, fragt er, welche Möglichkeiten er habe, sich von dem Vertrag zu lösen.

8 Haustürgeschäft, 355, 312 BGB 8 I. Anspruch auf Zahlung von 24,50, B-Verlag gegen R Anspruchsgrundlage 433 Abs. 2 BGB 1. Vertragsschluss, Angebot und Annahme (+), Stellvertretung des B-Verlags durch V, 164 BGB 2. Untergang des Anspruchs a) Anfechtungsgrund, 119 Abs. 1 Var. 2 BGB (-), da sich R bei Vertragsschluss gar keine Gedanken gemacht hat. b) Widerrufsrecht nach 355, 312 BGB aa) Persönlicher Anwendungsbereich (+), G ist Verbraucher und F Unternehmer i.s.d. 13, 14 BGB

9 Haustürgeschäft, 355, 312 BGB 9 bb) Sachlicher Anwendungsbereich (1) Entgeltliche Leistung (+), Kaufvertrag ist Rechtsgeschäft mit gegenseitigen Rechten und Pflichten (2) Besondere Situation (Haustürgeschäft) 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-3 BGB ( Gefahr der Überrumpelung ) (+), mündliche Verhandlungen an seinem Arbeitsplatz (Nr. 1) (3) Ausschlusstatbestand, 312 Abs. 3 BGB Abschließende Aufzählung von Fällen, in denen keine Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers besteht. Kein Ausschluss, da Kaufpreis zwar < 40, aber noch keine Kaufpreiszahlung.

10 Haustürgeschäft, 355, 312 BGB 10 cc) Fristgerechter Widerruf (1) Form, 355 Abs. 1 S. 2 BGB Empfangsbedürftige Willenserklärung, die keiner Begründung bedarf und grds. in Textform ( 126b BGB) erfolgen muss. (2) Frist, 355 Abs.1 S. 2 BGB - Grds. 2 Wochen nach Erhalt der Widerrufsbelehrung, 355 Abs. 2 S. 1 BGB. - Bei nachträglicher Belehrung 1 Monat. - Längstens aber 6 Monate nach Vertragsschluss oder Warenablieferung, 355 Abs. 3 BGB. - Bei besonderen Fällen kein Erlöschen des Widerrufsrechts, 355 Abs. 3 S. 3 BGB

11 Fernabsatzvertrag, 355, 312b-d BGB 11 Fall 2 K ist seit zwei Wochen mit seiner neuen Freundin F zusammen und möchte ihr eine Freude machen. Er bestellt beim Onlineversandhandel amazon.de die neue CD von dem Gangstarapper 50cent. B, Fs beste Freundin, hatte ihm erzählt, F tanze am liebsten zu dieser Musik und die CD werde ihr deswegen sicher gefallen. Was beide nicht wussten, ist, dass F das Musikgenre gewechselt hat. Dieses Gangstagehabe wurde ihr zu prollig und sie hört jetzt lieber die Musik von Knorkator. Total enttäuscht davon, wie schlecht A sie kenne, macht F mit ihm Schluss. A fragt sich nun was er falsch gemacht habe, aber insbesondere auch, ob er den Kaufpreis von 19,99 bezahlen muss oder ob er die CD einfach an amazon.de zurückschicken kann. HipHop mag er ja eigentlich auch nicht. Wie ist die Rechtslage? Anmerkung: Es ist davon auszugehen, dass die AGBs von amazon.de eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung beinhalten.

12 Fernabsatzvertrag, 355, 312b-d BGB I. Anspruch auf Zahlung von 19,99, amazon.de gegen K Anspruchsgrundlage 433 Abs. 2 BGB 1. Kaufvertragsschluss Angebot und Annahme (+) 2. Anfechtung, 119 Abs. 1 Var. 1 BGB (-), da unbeachtlicher Motivirrtum 3. Rückgaberecht, 312d, 356 BGB a) Zulässigkeit eines Rückgaberechts, 356 Abs. 1 BGB 312d Abs. 1 S. 2 BGB b) Persönlicher Anwendungsbereich (+) 12

13 Fernabsatzvertrag, 355, 312b-d BGB 13 c) Sachlicher Anwendungsbereich (Fernabsatzvertrag, 312b BGB) aa) Warenlieferung (+) bb) Vertragsschluss mit Fernkommunikationsmittel ( 312b Abs. 2 BGB) cc) Ausschlusstatbestand ( 312b Abs. 3 BGB) (-) dd) Erlöschen des Widerrufrechts ( 312d Abs. 3 BGB) (-), da die CD-Verpackung noch versiegelt ist (Nr. 2) 4. Rückgabeerklärung, 356 Abs. 2 BGB Durch Rücksendung innerhalb der Widerrufsfrist nach Erhalt der Vertragsache. Rückgabepflicht bei Paketversand, 357 Abs. 2 BGB; Kosten und Gefahr trägt grds. der Unternehmern, 357 Abs. 2 S. 2 BGB; aber Kosten können beim Fernabsatz bei einer Sache < 40 dem Verbraucher auferlegt werden.

14 Verbundene Verträge, 358 BGB 14 Fall 3 K möchte einen Jahreswagen zum Preis von ,- beim Autohändler V 1 erwerben. Da er aber lediglich 5.000,- aus eigener Tasche finanzieren kann, entscheidet er sich ein durch V vermitteltes Darlehen i.h.v ,- mit einer Laufzeit von 36 Monaten bei der V 2 -Bank aufzunehmen. In dem Darlehensvertrag wurde er ordnungsgemäß über seine Rechte und Pflichten informiert. Noch in der ersten Woche, nachdem er seinen neuen Wagen bekommen hat, gewinnt K bei einem Preisausschreiben einen Neuwagen im Wert von ,-. Den bei V 1 gekauften Wagen braucht er jetz nicht mehr und möchte diesen nun wieder zurückgeben und sich entsprechend auch von dem Darlehen lossagen. V 1 weist ihn aber darauf hin, dass dem K zwar ein Widerrufsrecht für das Darlehen zustehe. Den Jahreswagen müsse er indes trotzdem bezahlen. Wie ist die Rechtlage?

15 Verbundene Verträge, 358 BGB AGL V 1 K, 433 Abs. 2 BGB 2. Widerrufsrecht des K, 355, 495 BGB a) 495 BGB gilt grds. nur für Verbraucherdarlehen b) Aber 358 Abs. 2 BGB (1) Darlehen dient der Finanzierung eines Liefervertrages und (2) beide bilden eine wirtschaftliche Einheit, 358 Abs. 3 BGB beides (+) c) Ergebnis K kann sowohl den Darlehens-, als auch vom Kaufvertrag wirksam widerrufen K X 433 BGB X 491, 488 BGB V 1 V 2 Vgl. auch Einwendungsdurchgriff, 359 BGB

16 Schlussbemerkungen Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 15

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