Straßenraum gerecht aufteilen Nutzungskonflikte des Fußverkehrs und Lösungsansätze 2. Deutscher Fußverkehrskongress Geht doch! Berlin 11. 12. Oktober 2018 Uta Bauer 1 Agenda 1. Nutzungskonflikte ein Überblick Konflikte mit dem fließenden und ruhenden Verkehr Gehweg als Geschäftsfläche weitere Konflikte 2. Nutzungskonflikte zwischen Rad- und Fußverkehr 3. Straßenraum gerecht aufteilen Beispiele aus der Praxis 4. Empfehlungen 2 1
1. Nutzungskonflikte ein Überblick 3 Ursache für viele Konflikte: räumliche Enge Foto: Helmut Thoma Fußverkehr als Restgröße PGV-Alrutz Foto: Topp 4 2
Dimensionierung des Seitenraumes Flächenansprüche des Fußverkehrs Schulterbreite: 0,60 m Schwankungszuschlag: 0,10 m Begegnung von Fußgängern: 0,20 m Minimaler Flächenanspruch: 1,80 m Sicherheitsabstände: 0,70 m Gehwegbreite (RASt 06): 2,50 m Begegnung zweier Rollstühle (H BVA) 2,70 m Bild: Frank Höfler 5...so sieht vielfach die Realität aus... 0,40 m Foto: Thoma 1,50 m PGV-Alrutz Foto: Topp 6 3
ausreichend dimensioniert, aber zugeparkt - legal und illegal Grafik: Arne Blase Foto: Robert Pressl 7 Gehweg als Geschäftsfläche Soviel kosten in München 10 m² Gehweg Außengastronomie 1,30 pro Tag Warenauslage 1,15 pro Tag und zum Vergleich: 10 m² Ladenlokal (30 /m²) 9,90 pro Tag Bewohnerparkplatz 0,08 pro Tag Foto: Arne Blase Foto: Thilo Rückeis 8 4
weitere Konflikte Foto: BUND-Berlin Foto: PGV-Alrutz Foto: PGV-Alrutz 9 2. Nutzungskonflikte zwischen Fuß- und Radverkehr 10 5
Radfahrer als der größte Gegner des Fußgängers - stimmt das wirklich? Wutreden Peter Ramsauer, Bundesverkehrsminister (2012): Kampfradler Kay Nehm, Präsident des Verkehrsgerichtstags (2013): die Duldung lebensgefährlicher Verhaltensweisen der Radler sei ein Skandal Gefährdung oder Konflikt? Nur 4% der verunglückten Radfahrer oder Fußgänger innerorts sind durch Kollisionen der beiden Verkehrsteilnehmer verursacht => hohe Dunkelziffer wahrscheinlich Aber 90% aller Fußgängerunfälle mit Personenschaden und 95% aller getöteten Fußgänger passieren durch Zusammenstoß zwischen Fahrzeug und Fußgänger (Statistisches Bundesamt 2016) 11 Verkehrsverhalten bleiben stehen, quatschen, gehen, beobachten, können durch Smartphone und Kopfhörer abgelenkt sein ändern ihre Richtung spontan treten unvermittelt zwischen parkenden Autos hervor möchten schnell von A nach B kommen ( spurtreuer Längsverkehr) fahren mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten vermeiden den unnötigen Energieaufwand (Anfahren, Beläge, ) sind umwegeempfindlich, wählen direkte Strecken fehlt ausreichend Platz wählen grüne, abwechslungsreiche, verkehrsberuhigte Straßenräume bevorzugen glatte, rollbare Oberflächen 12 6
Ursachen hausgemacht: Mängel in der Infrastruktur VwV-StVO zu 2 Abs. 4: benutzungspflichtige Radwege dürfen nur angeordnet werden, wenn ausreichende Flächen für den Fußgängerverkehr zur Verfügung stehen.. jeder Radfahrer muss ab und zu kampfradeln 13 Foto: ADFC Fahrradparken auf dem Gehweg Foto: PGV Alrutz Foto: PGV Alrutz 14 7
3. Straßenraum gerecht aufteilen Beispiele aus der Praxis 15 Lösungen: Fahrradparken statt Autoparken und Poller Foto: Martina Hertel Foto: BA Friedrichshain-Kreuzberg Fahrrad statt Poller Fahrradbügel statt Poller Foto: Stadt Köln vorher Foto: Stadt Köln nachher 16 8
Lösungen: gemeinsame Nutzung des Seitenraumes gemeinsame Führung von Rad- und Fußverkehr (im Seitenraum): nur bei ausreichenden Gehwegbreiten, bei klarer Trennung der Verkehrsarten geringe Fußverkehrsfrequenzen Ausnahmen: Fußgängerzonen in den Abendstunden, Kommunen mit ausgeprägter Fahrradkultur Foto: PGV-Alrutz Foto: Böhme 17 Lösungen: Radverkehr runter vom Gehweg Köln Deutzer Freiheit (links) neue Flächenaufteilung keine eigene Radverkehrsanlage Foto: Stadt Köln Berlin Moabit (unten) Reduzierung der Fahrspuren Parkstände als Schutzzone Foto: Stadt Köln nachher Foto: David Hartmann 18 9
Lösungen: Straßenraum neu verteilen Beispiel Umgestaltung Geschäftsstraße Osterstraße Hamburg Foto: PGV Alrutz Foto Jörg Thiemann-Linden Foto Jörg Thiemann-Linden Flächengewinn durch Reduzierung auf eine Fahrspur und weniger Parkstände Radverkehr auf die Straße Einrichtung von Lieferzonen Foto: Mehr Stadt Köln Aufhaltsqualität im Seitenraum Lineare Querungsanlage, die das Queren überall ermöglicht 20 Beispiel: Umgestaltung Hauptverkehrsstraße mit SPNV Trasse - Erfurt Johannesstraße Foto: Stadt Erfurt vorher Foto: Stadt Erfurt nachher 21 10
Beispiel Hauptverkehrsstraße mit SPNV Trasse - Erfurt Johannesstraße Besonderheiten Testphase im Vorfeld, um Wirkungen für Verkehrsteilnehmende, Anwohner und Entscheider erlebbar zu machen Verkehrsversuch ( 45 StVO) verbesserte Akzeptanz und Beschlussfassung maßgeblich Foto: Stadt Erfurt Foto: Stadt Erfurt Foto: Stadt Erfurt 22 4. Zusammenfassende Empfehlungen 23 11
Empfehlungen (I) Fußgänger und Radfahrer haben ähnliche Interessen und sollten nicht gegeneinander, sondern miteinander um eine gerechte Flächenverteilung kämpfen. Radwege im Seitenraum nur bei ausreichenden Gehwegbreiten und geringen Fußverkehrsfrequenzen. Schneller Radverkehr gehört nicht auf den Gehweg! Führung des Radverkehrs auf der Fahrbahn innerorts als Regellösung. Eine in sich konsistente Infrastruktur für den Radverkehr hilft den zu Fuß Gehenden. Bei der Dimensionierung von Gehwegen werden andere Nutzungen meist nicht mitgedacht. Wichtig ist eine Netto Betrachtung. Positive Erfahrungen werden mit der Zonierung des Gehweges gemacht. 24 Empfehlungen (II) Der Schutz des Fußgängerraums vor einschränkender Fremdnutzung (Parken, Fahrradabstellen, Geschäftsauslagen, ) durch Kontrollen => mobile Botschafter analog der mobilen Fahrradstaffeln in Berlin. Ziel: Akzeptanz statt Strafe Will man Nutzungskonflikte im Fußverkehr lösen, wird man zwangsläufig Konflikte mit dem fließenden und ruhenden Autoverkehr eingehen müssen: o o o Parkflächen umwidmen Fahrspuren reduzieren Geschwindigkeiten reduzieren (Tempo 30 innerorts) Den notwendige Perspektivwechsel, Straßenraum nicht mehr aus der Windschutzscheibenperspektive zu planen, haben die Regelwerke der Straßenraumgestaltung (RASt 06) bereits vollzogen. Was noch fehlt ist der Perspektivwechsel in den Köpfen der Straßengenehmigungsbehörden und nicht zuletzt eine Verabschiedung des Vorrangs des Autoverkehrs in der STVO ( Leistungsfähigkeit des Verkehrs ) 25 12
Zum Weiterlesen: DVR: Gute Straßengestaltung in Stadt und Dorf anhand von 7 Beispielen https://www.dvr.de/programme/kommunale-verkehrssicherheitsarbeit/gutestrassen/beispielsammlung.html Umweltbundesamt (UBA) (2017): Straßen und Plätze neu denken. Dessau- Roßlau. Forschungsprojekt NRVP 2020 Rad- und Fußverkehr auf gemeinsamen und getrennten selbständigen Wegen (Leitfaden), Laufzeit: 2016 April 2019 Auftragnehmer: Markus Enke (LISt mbh), Sebastian Hantschel (TU Dresden) 26 Danke für die Aufmerksamkeit! Kontakt Uta Bauer Deutsches Institut für Urbanistik ggmbh +49 (0)30 39001-151 bauer@difu.de 27 13