Lebensarbeitszeitkonten - verprasst zur Überbrückung von Auftragsflauten?



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Transkript:

Lebensarbeitszeitkonten - verprasst zur Überbrückung von Auftragsflauten? Arbeitsmarktpolitische Tagung am 28. und 29. April in Berlin, Leiterin des Bereichs Sozialpolitik, ver.di Bundesverwaltung Stand: Oktober 2009 / Folie 1

Drei Fragen gilt es zu beantworten: Warum wurden Lebensarbeitszeitkonten/Langzeitkonten eingeführt? Was wurde geregelt? Wem nützen sie? Wer kann sie in Anspruch nehmen? Stand: Oktober 2009 / Folie 2

Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen Flexi II-Gesetz vom 21.12.2008 zum 1.1.2009 (BGBl. I 2008, S. 2940) Regelungsbegründung war: Die vom Gesetzgeber angeordnete Insolvenzschutzverpflichtung wurde nur unzureichend befolgt. Weitere Schwäche: zwingende Auflösung der Wertguthaben (WG) vor allem bei Arbeitgeberwechsel (Portabilität) (BT-Drucksache 16/10901 vom 12.11.2008) Stand: Oktober 2009 / Folie 3

Was ist ein Wertguthaben? ( 7d Abs. 1 SGB IV) Wertguthaben umfassen Arbeitsentgelte aus einer Beschäftigung (darunter fallen auch: Teile des laufenden Entgelts, Mehrarbeitsvergütungen, Einmalzahlungen, freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, Überstunden- und Urlaubsabgeltungen) und Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag Werterhaltungsgarantie - jedoch nicht im Störfall!!!!! Stand: Oktober 2009 / Folie 4

Beschäftigungsfiktion in der Freistellungsphase ( 7 Abs. 1a SGB IV) Beschäftigungsfiktion für Zeiten der Freistellung, wenn Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als 1 Monat und angemessenes Arbeitsentgelt in der Freistellungsphase (vom Entgelt in der Arbeitsphase; Angemessenheit ist dann gegeben, wenn mtl. mind. 70% bis max. 130% des durchschnittl. Entgelts der letzten 12 Monate in der Arbeitsphase; i.d. Arb.phase gewährte Sachbezüge zählen nicht; regelmäßige Einmalzahlungen dann zu berücks., wenn auch in den letzten 12 Monaten vor der Freistell.phase; Grund: kein Sozialversicherungsschutz mit Minimalbeiträgen) (GE S. 21, 22) Im Sozialversicherungsrecht gilt grds: Entstehungsprinzip mit sofortiger Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge Stand: Oktober 2009 / Folie 5

Das Lebensarbeitszeitkonto viele Fliegen mit einer Klappe? Flexibel einsetzbar und verwendbar für : Kindererziehungs- und -betreuungszeiten Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen Teilzeit und Befristung Zeiten unmittelbar vor Eintritt in eine Altersrente Berufliche Qualifizierung Realität in Zeiten der Krise: Überbrückung von Auftragsflauten Stand: Oktober 2009 / Folie 6

Problem 1: Führung und Verwaltung von Wertguthaben ( 7d SGB IV) WG sind als Arbeitsentgeltguthaben zu führen Maßgeblich ist das Bruttoentgelt im Zeitpunkt der Einbringung Beispiel: Bei Einbringung ist 1 Std. 15 wert, 10 Jahre später 20 Freistellung dann nur noch 45 min. Kosten für ArbG: Ertrag für ArbN: Verwaltung, Kapitalanlage und Insolvenz Zinsen und Lohnsteigerungen Stand: Oktober 2009 / Folie 7

Problem 2: Insolvenzschutz ( 7e SGB IV) Umfasst WG und Gesamtsozialversicherungsbeitrag für Zeiten, für die kein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und das WG die monatl. Bezugsgröße übersteigt (Werte 2010: abl: 2.555 ; nbl: 2.170 ) Keine geeignete Absicherung: bilanzielle Rückstellungen sowie Einstandspflichten zwischen Konzernunternehmen, insbes. Bürgschaften, Patronatserklärungen oder Schuldbeitritte Der ArbG muss darüber informieren ( 7 e Abs. 4 SGB IV) Stand: Oktober 2009 / Folie 8

Problem 3: Portabilität Mitnahme bei Arbeitgeberwechsel ( 7 f SGB IV) Übertragung auf den neuen ArbG (wenn dieser zustimmt) Unwiderrufliche Übertragung auf die Deutsche Rentenversicherung Bund, wenn WG einschl. Gesamtsozialversicherungsbeitrag die sechsfache Bezugsgröße übersteigt (Werte 2009: abl: 15.330 ; nbl: 13.020 ) Vereinfachte Berechnung: Stundenentgelt 12 + 5 GSozversichBeitrag = 17 In den abl werden rd. 900 Std.; in den nbl 765 Std. benötigt, bevor Übertragung auf die DRV-Bund möglich ist Andernfalls kommt es zu einem Störfall!! (d.h. Steuer + Sozialversicherungsbeiträge werden fällig) Stand: Oktober 2009 / Folie 9

Wie kommen Beschäftigte zu einem WG? Verwendung von Arbeitsentgelt, Bestandteile und/oder Arbeitszeit und Arbeitskraft Vereinfachte Musterberechnung (ohne Zinsen und ohne Vwkosten): 1 Jahr Freistellung entspricht 2000 Std. (wöchentl. 38,5 Std.) bei 3 Std. wöchentlicher Ansparleistung 45 Wochen/Jahr, werden rd. 15 Jahre benötigt (4 Std. -11 Jahre ) Stand: Oktober 2009 / Folie 10

Wer kann Lebensarbeitszeitkonten nutzen? Zu den Gewinner/innen zählen die Besserverdienenden Unsichere und schwer planbare Gestaltungsmöglichkeit Bringt Flexibilität für die Arbeitgeber Beschäftigte können schnell in die Störfall-Falle tappen Widerspricht dem Anspruch auf gesunde und gute Arbeit, wenn Konto durch Mehrarbeit aufgebaut wird Stand: Oktober 2009 / Folie 11

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und nun interessante und spannende Diskussionen! Stand: Oktober 2009 / Folie 12

Problem: Abschläge! Kombination von ATZ, Teilrente, Teilzeit und WG (Beisp. Jahrg. 1964) 1. ATZ verblockt ATZ (Arbeitsph. 6 Jahre) ATZ (Freist.ph. 6 Jahre) 2. ATZ/WG ATZ (Arbph. 4 J.) ATZ (Freist.ph. 4 Jahre) WG (4 Jahre) 3. ATZ/TR/WG ATZ (Arbph. 4 J.) ATZ (Freist.ph. 4 Jahre) ½ TR (4 Jahre) WG (4 Jahre) 4. TR /TZ 5. TR/TZ/WG Teilrente (TR) (4 Jahre) Teilzeit (TZ) (4 Jahre) Teilrente (TR) (4 Jahre) TZ (2 J.) WG (2 J.) 55. Lj. 59. Lj. 60. Lj. 61. Lj. 63. Lj. 67. Lj. Stand: Oktober 2009 / Folie 13