1 Gleichungen der Hydromechanik

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Transkript:

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 1 1 Gleichungen der Hydromechanik 1.1 Allgemeine Transportgleichung Die Grundgleichungen der Hydromechanik sind Transportgleichungen von Masse, Impuls, Energie etc. Eine einheitliche Behandlung aller Transportvorgänge ist möglich. Dazu verwenden wir folgende abstrakte transportierte Grössen: Extensive Grösse m Intensive Grösse φ (Intensität der Grösse m) Fluss j der Grösse m Volumenquellen /-senken s der Grösse m Extensive Grössen (z.b. Volumen, Masse, Energie) sind additiv. Eine Masse m 1 addiert sich mit der Masse m 2 zu einer Gesamtmasse m 1 +m 2. Intensive Grössen (z.b. Dichte) sind spezifische Grössen (extensive Grössen auf Masse oder Volumen bezogen). Sie sind nicht additiv. Ein Körper mit Dichte ρ 1 zusammengefügt mit einem Körper der Dichte ρ 2 (ungleich ρ 1 ) führt nicht zu einem Körper mit der Dichte ρ 1 +ρ 2. Durch Integration einer intensiven Grösse über das System (hier: Volumen) erhält man die zugehörige extensive Grösse m = φ dω (1-1) Ω Wir betrachten ein Kontrollvolumen Ω mit Berandung Γ. Abb. 1-A zeigt die in den Gleichungen verwendeten Bezeichnungen: Abb. 1-A: Bezeichnungen Die Transportgleichung ist eine Bilanzierung über die extensive Grösse am Kontrollvolumen. Die Bilanz besagt, dass die Summe aller Flüsse über die Berandung und der Flüsse von Quellen und Senken s im Innern des Volumens gleich der Speicherung oder Entspeicherung der extensiven Grösse im Kontrollvolumen pro Zeiteinheit entspricht. Das Minuszeichen vor dem Berandungsterm erklärt sich dadurch, dass die Flächennormale (per Konvention) positiv ist, wenn sie aus der Umrandung hinauszeigt. j n dγ + sdω = φ dω Γ Ω (1-2) Ω Mit dem Integralsatz von Gauss ( j n dγ = j dω ) folgt die differentielle Form Γ Ω

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 2 φ + j = s (1-3) Die in der Hydromechanik wichtigen Gleichungen folgen alle aus Gl. (1-3) durch geeignete Wahl der Grössen m, φ, s und j. Die allgemeine Transportgleichung kann alternativ über eine Bilanz am Volumenelement (siehe Abb. 1-B) hergeleitet werden. Abb. 1-B: Bilanz am Volumenelement Unter Beachtung der Einheiten folgt die Kontinuitätsgleichung ( Fluss in Fluss out ) A t + s V t = Speicher (1-4) [ j(x) j(x + x) ] A t + s V t = m(t + t) m(t) (1-5) Division durch x, A und t liefert j(x + x) j(x) x + s = φ(t + t) φ(t) t (1-6) und für t, x 0 φ + j = s (1-7) Verallgemeinert auf drei Dimensionen resultiert φ + j x + j y y + j z z = s (1-8) was gemäss Definition der Divergenz ( j ) Gl. (1-3) entspricht.

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 3 1.2 Transport von Fluidmasse (Kontinuitätsgleichung) Wählt man m = M = Masse, φ = ρ = Dichte und j = uρ = Massenfluss [kg/(s m 2 )], so ergibt sich die Kontinuitätsgleichung für die Masse ρ + ( uρ) = 0 (1-9) Die alternative Herleitung am Volumenelement erfolgt analog zur allgemeinen Transportgleichung, wobei der Speicher als Änderung der intensiven Grösse angesehen werden kann und die Flüsse j = ρ(x) u in x(x) resp. j out = ρ(x + x) (x + x) gewählt werden: [ ρ(x) (x) ρ(x + x) (x + x) ] A t = M(t + t) M(t) (1-10) Nach Division durch x, A und t folgt ρ(x + x) (x + x) ρ(x) (x) x = ( M V ) = ρ t t (1-11) und für t, x 0 ρ + (ρ ) = 0 (1-12) Verallgemeinert auf drei Dimensionen resultiert Gl. (1-9). Für inkompressible Fluide (ρ = const.) vereinfacht sich die Kontinuitätsgleichung zu u = 0 (1-13) Wird der 2. Term von Gl. (1-9) mit der Produktregel abgeleitet, erhält man die folgende Form der Kontinuitätsgleichung ρ + u ( ρ) + ρ ( u) = ρ + ( u )ρ + ρ u = 0 (1-14) Gl. (1-14) kann damit umformuliert werden zu Dρ Dt + ρ u = 0 (1-15) mit der substantiellen Ableitung D Dt = + dx dt + dy dt y + dz dt z = + u (1-16)

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 4 Die substantielle Ableitung entspricht der Summe aus der lokalen Änderung der Grösse und ihren Änderungen entlang der durch das Geschwindigkeitsfeld u vorgegebenen Bahnkurve (x(t), y(t), z(t)). 1.3 Transport von Impuls (Bewegungsgleichung) Als Beispiel wird hier der Impuls in x-richtung beschrieben. Die nachfolgende Identifizierung von Grössen macht aus Gl. (1-3) die x-komponente der Bewegungsgleichung. m = M : x-impuls im Volumen V φ " = ρ: Impulsdichte (x-impuls) = ρux u : Impulsfluss (x-impuls) j x f p,x, f g,x, f f,x : Kraftdichten (Volumen- und Oberflächenkräfte) in x-richtung [N/m 3 ] (ρ ) p = pressure, g = gravity, f = friction + (ρ u ) = f + f p,x g,x + f f,x (1-17) Druck kraftdichte Schwer kraftdichte Reibungs kraftdichte Im rotierenden Bezugssystem müsste zusätzlich die Corioliskraft berücksichtigt werden. Gl. (1-17) kann in 3 Dimensionen folgendermassen geschrieben werden ( ρ u ) + ( ρ u u ) = f p + f g + f f (1-18) wobei u u das dyadische Produkt der beiden Vektoren ist (die Notation stattdessen das Skalarprodukt) a b bezeichnet u u u z u z u z u z u z u z = u u T (1-19) Durch Anwenden der Produktregel folgt ( ) = ρ u u ρ ρ ρ u z ρ ρ ρ u z ρu z ρu z ρu z u z = ( ρ u ) u + ρ u ( u ) + ρ ( u ) u = ( ρu x ) + ( y ρu x ) + ( z ρu u z x ) ( ρu y ) + ( y ρu y ) + ( z ρu u z y ) ( ρu z ) + ( y ρu z ) + ( z ρu u z z ) (1-20)

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 5 und damit ( ρ u ) + ( ρ u u ) = ρ u + u ρ + u ( ρ u ) + ρ u ( u ) ### #" ##### $ u ρ + ( ρ u) =0 + ρ ( u ) u (1-21) Die geschwungene Klammer markiert die Kontinuitätsgleichung (1-4), die gemäss Massenerhaltung den Wert 0 annimmt. Durch Herausheben von ρ folgt ( ρ u ) + ρ u ( u) = ρ u ( ) u + u = ρ D u Dt (1-22) Einsetzen der Ausdrücke für die Druckkraft- und Schwerkraftdichten in Gl. (1-17) führt zu ( ρ ) p + ( ρ u) = + ρg x + f f,x (1-23) Die Gleichungen für y- und z-impuls sind analog. Durch Einsetzen von Gl. (1-22) folgt die Bewegungsgleichung in 3 Dimensionen ρ D u Dt = p + ρ g + f f (1-24) Gl. (1-24) ist als Navier-Stokes Gleichung bekannt. Der Reibungsterm Verformungsrate ab und verschwindet für u = 0. f f hängt von der Ein Materialgesetz beschreibt den Zusammenhang zwischen Verformungsrate und Reibungskraft (siehe Abschnitt 1.3.2). 1.3.1 Reibungskraft auf Volumenelement Abb. 1-C zeigt die sechs Spannungen in x-richtung, welche auf einen Einheitswürfel ( x = y = z = 1) wirken. Abb. 1-C: Kräftebilanz am Einheitswürfel

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 6 Bedeutung der Indizes: Für τ " beispielsweise bezeichnet z die Richtung der Oberflächennormalen (dicker Pfeil) und x die Richtung, in welche die Spannung wirkt. Die Spannungen bilden einen Tensor 2. Stufe (Spannungstensor) σ x τ xy τ xz τ = τ yx σ y τ yz τ zx τ zy σ z (1-25) τ ist symmetrisch, wie sich später im Materialgesetz (Abschnitt 1.3.2) zeigen wird. Die ursprünglich 9 unbekannten Einträge des Tensors reduzieren sich damit zu 6 unbekannten Komponenten, welche 6 Materialgleichungen zur Schliessung des Problems erfordern. Die x-komponente der Reibungskraft gemäss Abb. 1-C pro Volumeneinheit ist f f,x = σ x x + τ yx y y + τ zx z z = τ xx + τ yx y + τ zx z (1-26) In 3 Dimensionen folgt somit " f f = τ (1-27) 1.3.2 Materialgesetz Wasser ist in sehr guter Näherung ein Newton sches Fluid. Das bedeutet, dass der Spannungstensor proportional zum Verformungstensor ist. Der Verformungstensor wird in diesem Abschnitt hergeleitet. Abb. 1-D veranschaulicht die möglichen Verformungen, welche ein Fluid erfahren kann. bezeichnet dabei die Geschwindigkeit in x-richtung und die Geschwindigkeit in y-richtung. Es wird ein infinitesimal kleines Volumenelement betrachtet. Damit können kleine Veränderungen durch eine Taylor-Reihe erster Ordnung approximiert werden. y ΔyΔxΔz dt ΔxΔyΔz dt Abb. 1-D: Verformungen. Links Kompression, Rechts Scherung und Rotation.

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 7 Die Kompression in Abb. 1-D (links) bezeichnet eine Volumenänderung des Elements. Die relative Volumenänderung über die Zeit ergibt sich nach Division durch x, y, z und dt zu + y + u z z = u (1-28) Die Verformungen in Abb. 1-D (rechts) werden durch die Relativbewegungen von P und O bewirkt. Sie bestehen aus Scherung und Drehung (Rotation). Unter der Annahme sin dα dα (für kleine Winkel) folgt + x dt dt dα = x + y y dt dt dβ = y = dt = y dt (1-29) Die Scherrate beträgt dα + dβ = dt + y (1-30) und die Rotationsgeschwindigkeit ist dβ dα ux = dt y u y (1-31) Für dβ = dα tritt keine Scherung, sondern eine reine Rotation auf; für dβ = dα verschwindet wiederum die Rotation, die Scherrate bleibt bestehen. Die allgemeine Form des Verformungstensors in 3D ist u i j = 1 u i u j 2 j i ## "## $ r ij antisymmetrischer Anteil (Rotationsgeschwindigkeit) + 1 u i + u j 2 j i ## "## $ e ij symmetrischer Anteil (Schergeschwidigkeit/Reibung) mit x, y, z x i,i = 1, 2,3 bzw. x j, j = 1, 2,3 (1-32) Rotation verursacht keine Reibung, da keine Änderung der Körperkräfte erfolgt. Die Schubspannungen können daher als Funktion des symmetrischen Anteils des Verformungstensors geschrieben werden. Die Matrix mit den Komponenten e ij beschreibt eine Gestaltsänderung und eine Volumenänderung. Der Anteil der Gestaltsänderung muss eine spurfreie Matrix sein, d.h., die

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 8 Summe der Diagonalelemente der Matrix soll Null ergeben. Deshalb folgt die nachstehende Zerlegung E = e e I e e 11 3 12 13 e e e I e 21 22 3 23 e e e e I 31 32 33 3 ###### "###### $ ε ij Änderung Gestalt (Scherung / Rotation) + e I 3 1 0 0 0 1 0 0 0 1 ## "## $ (1-33) δ ij Änderung Volumen (Kompression) wobei e ij = 1 u i + u j 2 j i und e I = e 11 + e 22 + e 33 = u 1 + u 2 + u 3 = u. 1 2 3 Eine Volumenänderung tritt demnach nur dann auf, wenn e I und damit u ungleich Null ist. Gemäss Gl. (1-28) können somit nur kompressible Fluide eine Volumenänderung erfahren. Das Materialgesetz nach Newton lautet τ ij = λe I δ ij + 2ηe ij (1-34) wobei η die dynamische Viskosität und λ die so genannte zweite Viskosität bezeichnet. Letztere existiert aufgrund der Tatsache, dass bei gleichmässiger und ohne Scherung erfolgter Kompression oder Expansion eines kompressiblen Fluids dennoch eine Art von interner Reibung existieren kann, welche dem Fluss entgegenwirkt. Die dabei wirkenden Kräfte stehen in Relation zur Kompressionsbzw. Expansionsrate, multipliziert mit einem Faktor λ. Mit Gl. (1-33) erhält man für i j und λ sehr klein (vernachlässigbar) τ ij = 2ηe ij = η u i + u j j i (1-35) (vgl. Hydraulik I für eindimensionale Strömung) i = j σ i = 2η u i e I i 3 = 2η u i 2 i 3 ηe I (1-36) unter der Verwendung von λ 2 η für Wasser. 3

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 9 Der Spannungstensor ist symmetrisch. Der Gradient des Spannungstensors wird zu τ = η y + + y + u z + 2 z 2 y + u z + 2 z 2 z + y + u z z + 2 u z 2 + 2 y 2 + 2 y 2 + 2 u z y 2 + 2 z 2 + 2 z 2 + 2 u z z 2 2 3 η ( u ) (1-37) Mit = 2 + 2 2 y + 2 (= Laplace-Operator) folgt für den Reibungsterm 2 2 z τ = f f = η( ( u ) + Δ u ) 2 3 η u ( ) = 1 3 η ( u ) + η Δ u " $ # $ % Kompressionskraft (1-38) Reibungskraft auf Volumenelement Für inkompressible Fluide vereinfacht sich der Reibungsterm entscheidend. Mit der Kontinuitätsgleichung u = 0 (Gl. (1-13)) lässt sich Gl. (1-38) wie folgt schreiben τ = f f = η Δ u (1-39) 1.4 Navier-Stokes Gleichungen 1.4.1 Navier-Stokes Gleichung für kompressible Fluide Die x-komponente der Navier-Stokes Gleichung lautet ρ D ( ) = p Dt mit + ρg x +η Δ + 1 3 η u ( ( )) (1-40) x 2 2 2 ux ux ux Δ ux = + + (1-41) 2 2 2 y z und der substantiellen Ableitung aus Gl. (1-16) D Dt = + u

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 10 Die allgemeine Formulierung in 3D ist somit ρ D u Dt = ρ u ( ) + ( ρ u u ) = p + ρ g + 1 3 η ( u ) +η Δ u (1-42) 1.4.2 Navier-Stokes Gleichung für inkompressible Fluide Diese ergibt sich unter Verwendung von η ( u ) = 0 zu ( ) ρ D u Dt = p + ρ g +η Δ u oder ρ u + ( ρ u u ) = p + ρ g +η Δ u (1-43) Unter isothermen Bedingungen (T = const.) sind im 3D-Fall 4 Gleichungen (3 Navier-Stokes- Gleichungen + Kontinuitätsgleichung) für 4 unbekannte Funktionen (,, u z, p) zu lösen. Zusätzlich müssen Anfangs- und Randbedingungen spezifiziert werden. Variiert die Temperatur, muss zusätzlich zur Bewegungsgleichung eine Energiegleichung aufgestellt werden (Abschnitt 1.5). Gl. (1-43) kann nach Umformulierung auch als Transportgleichung für die Wirbelstärke ω aufgefasst werden ω = u = y z u z = u z y z z u z y (1-44) Multipliziert man die Navier-Stokes-Gleichung (einfachheitshalber für inkompressible, homogene Fluide, Gl. (1-43)) mit, so erhält man nach Division durch ρ (für ν = η / ρ ) u + ( u u) + 1 ρ p g ν Δ u = 0 (1-45) Zur Umformulierung werden folgende Vektoridentitäten verwendet: a) Der Gradient eines Rotationsfeldes ist identisch 0 ω = ( u ) = 0 (1-46) b) Die Rotation eines Gradientenfeldes ist identisch 0 a = 0 (1-47)

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 11 c) ( ) = u u u u + u u = u =0 = ω u + 1 2 ( u u ) ( ) u + 1 2 ( u u ) (1-48) d) ( u u ) = ( ω u ) + 1 2 ( u u ) = ω % u "#$ + u ω u ω "# ω u =0 =0 #" # $ =0 (1-49) Damit lässt sich Gl. (1-45) schreiben als ω + u ω = ω u +ν Δ ω oder D ω Dt = ω u +ν Δ ω (1-50) Die Bewegungsgleichung ist damit eine Advektions-Diffusionsgleichung für Wirbelstärke. Wirbelstärke diffundiert (wie Impuls) infolge von Reibung. Druck und Schwerkraft beeinflussen die Wirbelstromstärke nicht, da diese Kräfte durch die Schwerpunkte der Massenteilchen gehen. Im rotierenden System kommt ein weiterer Term durch die Korioliskraft hinzu. Schliesslich kommt im nicht-homogenen Fluid (variable Dichte) ein Quellterm für Wirbelstärke hinzu, der die Rotation beschreibt, die entsteht, wenn der Gravitationsvektor nicht senkrecht auf die Flächen gleichen Drucks steht. 1.5 Energiegleichung Wenn die Temperatur variiert, muss zusätzlich zur Bewegungsgleichung die Energiegleichung aufgestellt werden, die neben der kinetischen Energie auch die innere Energie e berücksichtigt. Die Reibungsverluste aus der Impulsgleichung werden Quellen für die innere Energie. Der Transport von Energie wird mit den folgenden Grössen beschrieben: u 2 ϕ ρ(e + ) : innere Energie + kinetische Energie pro Volumeneinheit 2 j ϕ u u 2 = ρ(e + 2 ) u s Arbeit am Kontrollvolumen durch Volumen- und Oberflächenkräfte. Dissipation durch Wärmeleitung. u 2 u 2 ρ e + 2 + ρ e + 2 u = (k T " $ # %$ ) ( "#% up) + ( "# uτ ) + ρ g u Wärmeleitung Druck Wärmeproduktion durch Reibung Arbeit Schwerefeld (1-51) Die neue Variable e erfordert eine neue Materialgleichung. Diese zusätzliche Materialgleichung folgt aus der Zustandsgleichung

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 12 e = e(t, p) (1-52) In der Energiegleichung können zusätzliche Quellterme durch Adsorption von Strahlung auftreten. Der Spannungstensor τ bleibt derselbe wie in Gl. (1-25). 1.6 Probleme beim Lösen der Navier Stokes Gleichungen Die Navier-Stokes Gleichungen sind schwer zu lösen. Analytische Lösungen existieren nur für einfache Grenzfälle mit geometrisch einfachen Randbedingungen. Der Hauptgrund für die problematische Natur der Gleichungen ist die Nichtlinearität des Terms der advektiven Beschleunigung. Er ist die Ursache für Turbulenz. Eine direkte numerische Lösung ist derzeit nur für laminare und schwach turbulente Strömungen möglich (Direkte numerische Simulation, DNS). Für echt turbulente Strömungen wären zur adäquaten räumlichen Auflösung mindestens 10 9 Knoten erforderlich (kleinster Wirbel ungefähr 10-3 mal der Grösse des Strömungsgebiets). Diese Knotenanzahl ist derzeit nicht beherrschbar. Es ist auch fraglich, wie sinnvoll eine solche Lösung wäre, da sie das stochastisch-chaotische Verhalten der Turbulenz nachvollziehen würde und nur im statistischen Sinne Information enthalten würde. Auswege aus diesen Problemen ergeben sich durch folgende Ansätze: Mittelung der Gleichungen: Reynoldsgleichungen plus Schliessungshypothese (Turbulenzmodell) Large Eddy Simulation (LES) Näherungen der gemittelten Gleichungen (wie in Hydraulik I bei stationären Strömungen), beispielsweise Grenzschichtgleichungen, Querschnittsintegrierte Gleichungen 1.7 Reynoldsgleichungen Für die ingenieurmässige Anwendung ist im Allgemeinen die Hauptströmung von Bedeutung, während die turbulenten Schwankungsbewegungen nur von sekundärem Interesse sind. Dies wird in der Modellierung der turbulenten Strömung mit Hilfe statistischer Annahmen berücksichtigt. Die physikalischen Grössen φ werden dabei in einen Mittelwert φ und einen Schwankungsterm φ über ein Zeitintervall zerlegt u = u + u' p = p + p' (1-53) Jeder Term der Navier-Stokes Gleichung wird über das Zeitintervall gemittelt ( u + u' ) = u + u' " + u' " = u = u (1-54) ( p + p' ) = p + p' = p + p' = p (1-55)

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 13 Δ ( u + u' ) = Δ u + Δ u' = Δ u (1-56) Einsetzen dieser Terme in die Navier-Stokes Gleichungen (hier für inkompressible Fluide) führt zu den Reynoldsgleichungen ρ u ( ) + ( ρ u' u' ) + ρ u u #" # $ = p + ρ g +η Δ u Neuer Term: Re ynoldsspannungen (1-57) mit u u gleich dem dyadischen Produkt aus Gl. (1-19). Die Lösung der Reynoldsgleichungen erfordert wegen des zusätzlichen Terms (Reynoldsspannungen) ein Turbulenzmodell. Aufgabe der Turbulenzmodellierung ist die Schliessung des Systems unter Verwendung geeigneter Ansätze. 1.7.1 Wirbelviskositätsprinzip Der Term ρ u' u' ( ) beschreibt die Reibung, die durch Aneinanderstossen der Wirbel entsteht. Diese Reibung kann als Analogon zur molekularen Reibung auf grösserer Skala angesehen werden (der Grösse eines turbulenten Wirbels). Turbulenzmodelle entwickeln Terme für Geschwindigkeitsschwankungen, für die sich das System lösen lässt. Die meisten Turbulenzmodelle basieren auf dem Wirbelviskositätsprinzip nach Boussinesq, das die Reynoldsspannungen proportional zu den Geschwindigkeitsgradienten ansetzt ( ρ u' u' ) = η eddy Δ u (1-58) η eddy ist die Wirbelviskosität. Im Gegensatz zur kinematischen Viskosität ist die Wirbelviskosität keine Stoffkonstante, sondern einzig vom Strömungszustand abhängig. Die Reynoldsspannungen können allgemeiner geschrieben werden als ρu i ' u j ' u = η i eddy + u j 2 u k δ ij j i 3 k + 2 #" # k $ 3 ρkδ ij "$ Kompressibilität Druck aus Wirbelkollision (1-59) wobei der Term in Klammern analog zu Gl. (1-36) ist. Der letzte Term ist ein Druckterm, der durch Wirbelkollisionen entsteht, und die turbulente kinetische Energie entspricht k = u i ' u i ' 2 (1-60) Für den Fall eines inkompressiblen Systemys und vernachlässigbaren Druck aus Wirbelkollisionen führt die Bildung des Gradienten von Gl. (1-59) zu Gl. (1-58). Die Verwendung einer konstanten Wirbelviskosität ist nur sehr eingeschränkt möglich. Deshalb machen kompliziertere

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 14 Turbulenzmodelle auf der Basis des Wirbelviskositätsprinzips die Wirbelviskosität η eddy zu einer Funktion des Strömungsfeldes. Die bekanntesten dieser Modelle sind nachfolgend aufgeführt. Prandtl sches Mischwegmodell η eddy wird mittels charakteristischer Skalen (für Grösse und Geschwindigkeit) der turbulenten Wirbel wie folgt berechnet υ turb = L turb U turb (1-61) η eddy = ρ υ turb (1-62) Weiters drücken empirische Relationen die Abhängigkeit dieser Skalen von inhomogenen Koordinaten aus (z.b. eine lineare Abhängigkeit zwischen Lturb und der Wand-Normalenkoordinate der Wandturbulenz). k-ε Modell Die Berechnung der Wirbelviskosität erfolgt mittels zusätzlicher Transportgleichungen (hier nicht aufgeführt; der interessierte Leser sei auf Darstellungen wie beispielsweise in Turbulent Flows von S.P. Pope verwiesen) für turbulente kinetische Energie k = u i ' u i ' 2 und deren Dissipation ε = υ i,k ' ' u i u i k k (1-63) welche in den Reynoldsgleichungen verknüpft sind. In diesem Modell ist die Wirbelviskosität gegeben durch υ turb = C µ k 2 ε (1-64) mit der empirischen Konstante C µ = 0.09. 1.7.2 Räumlich integrierte Reynoldsgleichungen Rohrströmung Zur Beschreibung von Rohrströmungen soll die Navier-Stokes Gleichung als Funktion der gemittelten Grössen von Geschwindigkeit und Druck, v m und p m, geschrieben werden. Zur Umformulierung wird eine Kontinuitätsgleichung für elastische Rohre und ein Ausdruck für die Wandschubspannung τ 0 aus der Turbulenztheorie benötigt.

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 15 Wir nehmen an, dass die Rohrachse in x-richtung verläuft (siehe Abb. 1-E). Damit entfallen die Komponenten der Navier-Stokes Gleichungen in y- und y-richtung. Sie entarten zu Druckgleichungen. Durch Mittelung der x-komponentengleichung über die y-z Ebene erhält man u m = 1 Q uxda = A A A (1-65) α x Abb. 1-E: Rohrströmung Die x-komponente der Navier-Stokes-Gleichung (siehe Gl. (1-23)) gemittelt über den Querschnitt (y-z Ebene) ergibt 1 A ρ u + ρ p x ρ gsinα + f f,x da = 0 (1-66) A τ 0 A U x Abb. 1-F: Wandreibung in Rohrströmung Querkomponenten und innere Reibung heben sich bei Integration weg. Es bleibt die Wandschubspannung τ 0 (siehe Abb. 1-F) Kraft Volumeneinheit = τ 0 Δx U Δx A = τ 0 (1-67) R hy mit R hy gleich dem hydraulischen Radius. Aus der Beziehung h = λ x 2 u m 2r 2g Weisbach, siehe Hydraulik I, λ = f(re, k/d) ) und p = ρg h folgt (nach Darcy- p A = ρ λ Δx u 2 mπr 2 4r = τ 0 2rπ Δx (1-68)

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 16 und damit τ 0 = λ 8 ρ u 2 m (1-69) Gl. (1-66) lässt sich somit schreiben als ρ u m + ρα 'u m u m ρ gsinα + p m + τ 0 R hy = 0 (1-70) mit dem Geschwindigkeitshöhenbeiwert α ' = 1 u m 2 1 A u 2 da x (1-71) A Die Einführung dieses Korrekturbeiwerts ist notwendig, da v 2 ( ) ( v ) 2. Der Geschwindigkeitshöhenbeiwert beschreibt die Ungleichförmigkeit des Geschwindigkeitsprofils (Hydraulik I). Für gleichförmige Strömungen ist α =1. In der Folge wird auch für turbulente Rohrströmungen näherungsweise α =1 gesetzt. Das Reibungsgefälle ist definiert als I R = τ 0 ρgr hy (1-72) Die Bewegungsgleichung mit der Annahme α =1 wird so zu u m u + u m m gsinα + 1 p m ρ + g I R = 0 (1-73) Die Kontinuitätsgleichung ist neben der Bewegungsgleichung die zweite Gleichung für die Unbekannten v m und p m. Bei Integration der Kontinuitätsgleichung über die Koordinatenrichtungen y und z muss berücksichtigt werden, dass das Rohr eine elastische Berandung darstellt, die sich mit der Zeit aufgrund von Druckänderungen verändern kann. Es wird deshalb eine Kontinuitätsgleichung für elastische Rohre erforderlich, in der die Querschnittsfläche A nicht konstant ist. Massenbilanz pro Längeneinheit des Rohrs [kg/m] ergibt sich gemäss Gl. (1-12) und gemittelter Geschwindigkeit u m = 1 A da aus Gl. (1-65) zu ( ρa) A + ( ρau ) m = 0 (1-74)

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 17 Nach Anwenden der Produktregel und Division durch A folgt ρ + ρ A A + u ρ m + ρu m A A + ρ u m = 0 (1-75) Mithilfe von da A A A A = + = + u m (1-76) dt lässt sich die Kontinuitätsgleichung für elastische Rohre schreiben als ρ + u ρ m + ρ u m + ρ A da dt Expansion des Rohres = 0 (1-77) mit ρ = ρ(p) und A = A(p). Gerinneströmung Die Herleitung der Gleichungen erfolgt analog zur Rohrströmung. Zusätzlich nehmen wir für die Gerinneströmung an: hydrostatische Druckverteilung h p = z + p ρg z = h p p ρg cosα 1 sinα dz dx ρ = konstant Die Bewegungsgleichung (1-70) kann mit den obigen Annahmen umgeschrieben werden zu 1 u m + 1 g g α 'u u m m + h p + τ 0 = 0 (1-78) gρr hy Bei der Kontinuitätsgleichung muss wieder beachtet werden, dass die Querschnittsfläche A nicht konstant ist. Während beim Rohr die Flächenänderung aufgrund der Elastizität sehr klein war, kann sie im Gerinne infolge von Schwankungen des freien Wasserspiegels sehr gross werden. Wie bei der Rohrströmung ist also auch bei der instationären Gerinneströmung die Ableitung A / ungleich 0. Die Kontinuitätsgleichung über den Querschnitt integriert ergibt sich analog zu Gl. (1-74) nach Divion durch ρ zu Q A + = 0 (1-79)

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 18 1.8 Klassifizierung der Gleichungen der Hydromechanik Die Gleichungssysteme 1-73/1-74 oder 1-78/1-79 haben die generelle Form u a 1 + b u 1 + c h 1 + d h 1 = f 1 a 2 u + b 2 u + c 2 h + d 2 h = f 2 (1-80) Der Einfachheit halber werden die Koeffizienten als konstant angenommen. Es sollen nun die Funktionen in verschiedenen Regionen der Koordinatenebene x t klassifiziert werden. Gesucht werden charakteristische Linien entlang deren die Ableitungen von u und h unbestimmt sind, d.h. nicht existieren. Diese Linien teilen die Koordinatenebene in Gebiete ein, die kinematisch nicht zusammenhängen, d.h. es gibt keine Lösung, in der diese Linien überschritten werden. Mit den totalen Ableitungen Du = u u dx + dt Dh = h h dx + dt (1-81) folgt nach Einsetzen in Gl. (1-80) das Gleichungssystem a 1 b 1 c 1 d 1 a 2 b 2 c 2 d 2 dx dt 0 0 0 0 dx dt u / u / h / h / = f 1 f 2 Du Dh (1-82) Die Ableitungen sind unbestimmt, wenn die Determinante der Matrix 0 ist, d.h. a 1 b 1 c 1 d 1 a 2 b 2 c 2 d 2 dx dt 0 0 0 0 dx dt = 0 (1-83) dt ( a 1 c 2 a 2 c 1 ) #" # $ dx a 2 dt ( a 1 d 2 a 2 d 1 + b 1 c 2 b 2 c 1 ) #### "#### $ dx + ( b 1d 2 b 2 d #" # $ ) = 0 1 (1-84) Durch Zusammenfassen der Koeffizienten resultiert a dt dx 2 b + b dt dx + c = 0 (1-85) c

Vorlesungsskript Numerical Hydraulics 19 und daraus folgt dt dx = b ± b2 4ac 2a (1-86) Es existieren drei mögliche Fälle für die Determinante D b 2 4ac (vgl. Abb. 1-G): D > 0: 2 reelle Charakteristiken durch jeden Punkt, das Gleichungssystem ist hyperbolisch D = 0: 1 reelle Charakteristik, das Gleichungssystem ist parabolisch (Anmerkung: die Gerade durch P ist nicht unbedingt senkrecht; ihre Steigung beträgt b/2a) D < 0: imaginäre Charakteristiken, das Gleichungssystem ist elliptisch Abb. 1-G: Klassifizierung der Gleichungen in der x t Ebene Im Strömungsgeschehen bedeutet hyperbolisch, dass sich ein System von einem Zustand P aus nur zu Zuständen zwischen den Charakteristiken entwickeln kann, wie z. B. bei Stosswellen bestimmter Wellengeschwindigkeit. Parabolisch bedeutet, dass nur eine Entwicklung nach einer Seite möglich ist, allerdings nicht so eingeschränkt wie im hyperbolischen Fall, wo nur bestimmte Geschwindigkeiten möglich sind. Elliptisch schliesslich bedeutet, dass die Entwicklung vom Punkt P zu jedem anderen Punkt der Ebene möglich ist, wie z.b. bei Rückströmungen. Die Klassifizierung der Strömungsprobleme nach den 3 Typen ist von grossem Interesse, da die numerische Lösung je nach Typ mit anderen Mitteln erfolgen muss. Die Terminologie stammt aus der Geometrie der Kegelschnitte, die der Gleichung ax 2 + bxy + cy 2 + dx + ey f = 0 (1-87) genügen. Dabei ergibt sich für b 2 4ac > 0 eine Hyperbel b 2 4ac = 0 eine Parabel b 2 4ac < 0 eine Ellipse.

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