Ein Lehrerstudium beginnen 1

Ähnliche Dokumente
Selbsterkundung und Beratung zur Eignungsüberprüfung und Entwicklung in der Lehrerausbildung

Empfehlungen zur Eignungsabklärung in der ersten Phase der Lehrerausbildung. (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom

Traumberuf Lehrer/in?

Lehrer/in werden? Berufsinformation, Selbsterkundung und Studierendenauswahl. Johannes Mayr Salzburg, 7. Mai 2009

CCT-RLP CAREER COUNSELLING FOR TEACHERS RHEINLAND-PFALZ MIT SELBSTERKUNDUNGSVERFAHREN ZUM EIGENEN BERUFLICHEN PROFIL

Herzlich willkommen...

Workshop. Auf dem Weg zu einem Qualitätsmanagement an den Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg

Das Beratungsnetzwerk Lehramt zur Unterstützung der Kompetenzentwicklung von Lehramtsstudierenden an der Universität Passau

Wie bekommt man gute Lehrkräfte?

Webbasierte Self-Assessments zur Studienberatung

STUDIENINFORMATIONSTAG DER UNIVERSITÄT MANNHEIM AM 12. NOVEMBER 2016 Studieren mit dem Berufsziel Lehrer/Lehrerin Anforderungen, Inhalte, Perspektiven

Portfolio Praxiselemente Eignungs- und Orientierungspraktikum

Wege der Klassenführung. Johannes Mayr Klassen führen (k)eine Kunst, Bozen, 27. April 2017

Soll ich LehrerIn werden? Web-basierte Selbsterkundung persönlicher Voraussetzungen und Interessen

Die Eignungsreflexion zum Abschluss des Eignungs- und Orientierungspraktikums. Leitfaden für das Eignungsreflexionsgespräch

CCT-RLP CAREER COUNSELLING FOR TEACHERS RHEINLAND-PFALZ MIT SELBSTERKUNDUNGSVERFAHREN ZUM EIGENEN BERUFLICHEN PROFIL INFORMATIONEN FÜR

STUDIENINFORMATIONSTAG DER UNIVERSITÄT MANNHEIM AM 12. NOVEMBER 2016 Studieren mit dem Berufsziel Lehrer/Lehrerin Anforderungen, Inhalte, Perspektiven

LEHRERIN ODER LEHRER WERDEN

Universität Siegen Ringvorlesung

Welche Erkenntnisse zeigen sich aufgrund der Veränderungen in der Ausgestaltung der Lernstandserhebungen?

Individuelles Lehren lernen

Modulhandbuch für die Schulpraktika in den lehramtsbezogenen Bachelor- und Masterstudiengängen. Anlage 1

Studien- und Berufswahlmotive von Lehrpersonen Wie sie entstehen, wie sie sich verändern und was sie bewirken

Innere Differenzierung im Mathematikunterricht

Programmatischer Text

Das Eignungs- und Orientierungspraktikum an der TU Dortmund

Lehrerbildung als berufsbiographischer Prozess. November 2009

Web-basierte Self Assessments als ein Baustein der Studienorientierung

Das Eignungs- und Orientierungspraktikum an der TU Dortmund

Herausforderungen für die Bildungs- und Studienberatung. Angela Wroblewski

Seminarkonzept zur Reflexion von Eignung & Neigung

Lehrer/in werden in 10 Semestern was geht und wie es geht nach dem neuen LABG. Dr. Sylvia Ruschin

Lehrer werden in Osnabrück: Lehramt an Gymnasien. Prof. Dr. Ingrid Kunze Schulpädagogik Andrea Mochalski Zentrum für Lehrerbildung

Informationen. zum Studiengang Berufspädagogik für Gesundheitsfachberufe

SelfAssessment Erfahrungen mit der Online-Beratung Studieninteressierter Prof. Dr. Lutz F. Hornke

Wege der Klassenführung. Johannes Mayr ARGi Vernetzungstreffen Salzburg 2014

Forschungs- und Jahresbericht 2013

Lehrerfortbildung - internationale Anregungen. Dr. Britta Klopsch Prof. Dr. Anne Sliwka

Berufsbild: Lehrer/in

Evaluation der berufspraktischen Ausbildung an der AHS durch die Ausbildungsbegleiter

Berufspraktische Ausbildung Praxislehrerin, Praxislehrer werden

Schulpraktische Studien. Vorbereitung SoSe 14

Eckpunkte zur inhaltlichen und strukturellen Organisation der Lehrerbildung in Bayern

Herausforderungen und Chancen in der Lehramtsausbildung

Michaela Köller, Uta Klusmann, Jan Retelsdorf, Jens Möller

Mit dem Zwei-Fächer-Bachelor und Master of Education in das Lehramt an Gymnasien

Von der Probe-Identifikation zur Realerfahrung: Das Innsbrucker Modell zur LehrInnenausbildung

Silke Riegg. Eignungsfeststellungsverfahren für angehende Lehramtsstudenten

Auswahlgespräche: Prognosekraft und Strategien zu ihrer Steigerung

Ein Lehramtsstudium beginnen? Ein Lehramtsstudium beginnen lassen?

Informationsveranstaltung zum Orientierungspraktikum, Orientierungsworkshop im Bachelor of Education (LA Gymnasium)

Grundschullehrer/in werden! - Informationsveranstaltung zum Grundschullehramtsstudium an der Universität Paderborn -

Lehramt studieren wollen Lehramtsstudent/in sein und bleiben

Vorbereitungsworkshop zum Eignungs- und Orientierungspraktikum

Informationsveranstaltung zum Orientierungspraktikum, Orientierungsworkshop Bachelor of Education (Lehramt Gymnasium)

abi Berufswahl nach Plan

Lehramtsstudien. Primarstufe Sekundarstufe Allgemeinbildung Sekundarstufe Berufsbildung. LEHRERiNNENBILDUNG WEST

Natur und Technik. Fachwegleitung. AUSBILDUNG Sekundarstufe I

Lehrer/innen rekrutieren und qualifizieren

Eintritt in die Hochschule Zulassungsverfahren: Einblick in das Aufnahmeverfahren der Pädagogischen Hochschule Zürich

AUSBILDUNG Sekundarstufe I. Fachwegleitung Natur und Technik

Kooperationsvereinbarung

Die Lehramtsausbildung an der Universität Bremen

Lehrer*in werden?! Eignung und Neigung für den Beruf Lehramtsstudium an der Universität Trier

INTERESSENLAGEN VON LEHRERN. Hannes Branding, Johanna Enkelmann, Daniel Herdlitschke, Marc Homeyer, Anne Neumann, Martin Reinhold, Chris Stötzer

MINT plus Die Eingangsphase und Eignungsberatung

PRESSEMITTEILUNG 15. November 2018

Lehrer*in werden?! Eignung und Neigung für den Beruf Lehramtsstudium an der Universität Trier

Verordnung des Erziehungsrates über die Studiengänge der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen

Lehrer werden in Osnabrück: Lehramt an Gymnasien. Prof. Dr. Ingrid Kunze Schulpädagogik Andrea Mochalski Zentrum für Lehrerbildung

Leitlinien Für die Lehrerbildung

Mit dem Zwei Fächer Bachelor und Master of Education in das Lehramt an Gymnasien

DER ENTWICKLUNGSBERICHT IM VORBEREITUNGSDIENST - 1 -


Status Quo in der deutschen OSA-Landschaft

Lehrer/in werden? Diagnosegeleitete Laufbahnberatung und Selbsterkundung beim Einstieg in den Lehrerberuf. Birgit Nieskens, Bad Urach 25.

Evaluation der Ausbildung im Hinblick auf die vermittelten Kompetenzen und Standards des Kerncurriculums

Leitperspektive Berufliche Orientierung. Berufs- und Studienorientierung im Bildungsplan 2016

Natur und Technik. Fachwegleitung. AUSBILDUNG Sekundarstufe I

CURRICULUM VITAE DR. DORIS HOLZBERGER

PORTFOLIO - Schulpraxis -

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Was soll ich werden? - Die Berufswahl. Das komplette Material finden Sie hier:

Carreer Counceling for Teachers

Refugee Teachers Program. Universität Potsdam Stefanie Schust

CURRICULUM VITAE DORIS HOLZBERGER

Portfolio Praxiselemente

Praktikumsbüro. Einführungsveranstaltung zu den Schulpraxisstudien (SPS) Wintersemester 2018/ Oktober h

Gesundheit im Lehrberuf: Von Belastungen und Ressourcen zu gesundheitsfördernden Massnahmen

Ursachen des Studienabbruchs aktuelle Forschungsergebnisse am DZWH. Forum ProLehre 2018

Reform der Lehramtsausbildung Eine Zwischenbilanz

Rahmenvereinbarung über die Ausbildung und Prüfung für ein Lehramt der Grundschule bzw. Primarstufe (Lehramtstyp 1)

ANGEBOTE DER PHBERN EINE AUSSENSICHT

Das mehrstufige Online-Self-Assessment für Lehramtsstudien an der Universität Wien

Studienportfolio für das Betriebspraktikum

PRAXISELEMENTE IN DEN STUDIENGÄNGEN MASTER OF EDUCATION Bergische Universität Wuppertal

Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern in Rheinland-Pfalz. Landesprüfungsamt für die Lehrämter an Schulen Rheinland-Pfalz

Lehramtsstudium an der Uni Münster. WWU Münster Louis Meyer Bachelor KJ (G) Deutsch/ Gesellschaftswissenschaften

Refugee Teachers Program Universität Potsdam Prof. Dr. Miriam Vock

Transkript:

Ein Lehrerstudium beginnen 1 Konzepte und Befunde zur Gestaltung von Berufsinformation, Laufbahnberatung und Bewerberauswahl Johannes Mayr In vielen europäischen Ländern droht ein gravierender Lehrermangel. Dieser Mangel betrifft vor allem bestimmte Schularten insbesondere solche mit geringerem Prestige bzw. schwierigen Schüler/inne/n und er betrifft vor allem bestimmte Fächer wie etwa Mathematik und die Naturwissenschaften. Die Schulbehörden der betroffenen Länder starten deshalb verschiedene Aktivitäten, um die benötigte Anzahl von Lehrkräften zu rekrutieren. Dabei sehen sie sich gezwungen, auch auf Personen zurückzugreifen, die kein Lehramtsstudium absolviert haben bzw. Lehrkräfte auch in Fächern einzusetzen, für die sie nicht ausgebildet sind. Diesem Bemühen der Schulbehörden steht ein anderes Ziel gegenüber: Man möchte nicht nur ausreichend viele Lehrkräfte zur Verfügung haben, sondern möglichst gute. Das ist verständlich, ist doch die Qualität der Lehrkräfte neben den Merkmalen der Schüler/innen der wesentlichste Einflussfaktor auf die Schülerleistungen (McKinsey, 2007). Bereits 2005 wurden in der OECD-Studie Teachers matter Maßnahmen vorgeschlagen, wie man gute Lehrkräfte gewinnen, ausbilden und im Beruf halten kann. In ähnlicher Weise werden im österreichischen Nationalen Bildungsbericht (Mayr & Neuweg, 2009) Empfehlungen gegeben, die sich ebenfalls auf die gesamte Lehrerlaufbahn beziehen. Im Folgenden erfolgt dem gegenüber eine Fokussierung auf die Phase der Laufbahnwahl und den Einstieg ins Lehrerstudium. Die Darstellung folgt dabei teilweise einem Positionspapier, das von der Arbeitsgruppe Eignungsabklärung (2009) im Auftrag des österreichischen Ministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur erstellt wurde. 1. Information und Selbsterkundung Um ausreichend viele potenziell geeignete Personen für ein Lehrerstudium bzw. den Lehrerberuf zu interessieren, muss dieser Beruf zunächst so weiterentwickelt werden, dass er für ambitionierte junge Menschen anziehend ist zumindest sind glaubwürdige Schritte in diese Richtung zu setzen. Das hieße z. B. höhere Anfangsgehälter zu bezahlen, mehr Gestaltungsspielraum an den Schulen zu ermöglichen und differenziertere Karrieremöglichkeiten vorzusehen (Strittmatter, 2007; Nieskens, 2009). Dieses dann geschärfte, attraktiver gewordene Bild von Lehrerberuf wäre in der öffentlichen Wahrnehmung zu positionieren und gezielt an Studieninteressierte heranzutragen ohne die weiter bestehenden Probleme des Berufs und seines Umfeldes auszuklammern. Es geht also darum, realitätsbezogen und zugleich zukunftsorientiert über den Lehrerberuf zu informieren. An einer Lehrerlaufbahn interessierte Personen sollten darüber hinaus veranlasst werden, ihre persönliche Neigung und Eignung zum Lehrerberuf zu klären, also die Passung zwischen den eigenen Voraussetzungen und dem beruflichen Anforderungsprofil zu überprüfen. Dabei können wissenschaftlich fundierte Test- und Selbsterkundungs-Verfahren einen wichtigen Beitrag leisten und zu einer wünschenswerten Selbst-Selektion beitragen. Diese Wirkung können sie allerdings nur entfalten, wenn 1 Kurzfassung eines Referats bei der Konferenz New pathways in the professional development of teachers, Masaryk University Brno, 15 June 2010. Erschienen in: Janìk, T. & Knecht, P. (2010). New pathways in the professional development of teachers (pp. 11 18). Lit: Münster.

sie nicht erst zu Studienbeginn, sondern bereits in der Phase der Studienwahlentscheidung eingesetzt werden (Mayr, 2002). Aus diesem Grund ist der österreichische Pilotversuch Studienchecker zu würdigen, bei dem bereits Schüler/inne/n der vorletzten Klasse der höheren Schule Verfahren zur Selbsterkundung und gezielte, auch individuelle Beratung angeboten wird. Manche dieser Verfahren lassen sich kostengünstig auch über das Internet bereitstellen (Hell, in Druck), was erhebliche Kostenvorteile mit sich bringt und kein Nachteil zu sein braucht, wenn zusätzlich eine persönliche Laufbahnberatung bereit steht. 2. CCT - Career Counselling for Teachers Ein solches webbasiertes, speziell für den Lehrerberuf gedachtes Beratungsangebot entstand unter dem Titel CCT Career Counselling for Teachers im Zuge einer Zusammenarbeit von Lehrerbildungseinrichtungen aus sechs europäischen Staaten. Die CCT-Website vereint die oben angesprochenen Funktionen der Information über den Lehrerberuf und der Selbsterkundung und rückt bereits in der Phase der Studienund Berufswahl die gesamte Lehrerlaufbahn in den Blick einschließlich der späteren Um- und Aufstiegsoptionen. CCT bietet u.a. folgende Inhalte: Informationen über das Bildungswesen, den Lehrerberuf, die Arbeitsmarktsituation, die Ausbildungsangebote, Karrieremöglichkeiten im Bildungswesen und Beratungseinrichtungen sowie Links zu weiterführenden Informationen. Selbsterkundungs-Verfahren: Fragebögen, Checklisten und Tests, mit denen die persönlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche und befriedigende Berufstätigkeit als Lehrer/in bzw. für spezielle Karrieren im Bildungswesen (zum Beispiel als Schulleiter/in) geklärt werden können. Die Verfahren sind online bearbeitbar und liefern individualisierte Ergebnisrückmeldungen. Geführte Touren: Für wichtige Entscheidungssituationen etwa die Entscheidung für oder gegen ein Lehrerstudium wird eine Abfolge ausgewählter Informationstexte und Selbsterkundungs-Verfahren angeboten, die mit einer zusammenfassenden Interpretation und Empfehlungen für weitere Abklärungen endet. Dieses Resümee sowie alle Detailergebnisse können von den Benützer/inne/n später jederzeit wieder abgerufen werden. Reportagen: Berichte von Schüler/inne/n, Lehrerstudent/inn/en und Lehrer/inne/n aus ihrem Leben als Reflexionsanstoß für alle, die sich in einer ähnlichen Laufbahnsituation befinden. CCT ist derzeit das am weitesten verbreitete Online-Beratungsprogramm für den Lehrerberuf. In Österreich wird es vom Ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur unterstützt und an allen Pädagogischen Hochschulen sowie den meisten Universitäten verwendet. In Deutschland ist es in mehreren Bundesländern sogar ein verpflichtender Teil des Zulassungsverfahrens zum Lehrerstudium, so dass es jährlich von vielen Tausenden Studienanfänger/inne/n durchlaufen wird. Die Evaluierungsergebnisse belegen, dass die Auseinandersetzung mit CCT von den Benützer/inne/n als informativ empfunden wird, dass sie dadurch auf Tätigkeitsfelder von Lehrer/inne/n und berufliche Belastungen aufmerksam werden, die ihnen zuvor noch nicht bewusst gewesen waren. Die Benützer/innen gewinnen also ein realistischeres Bild der Schulwirklichkeit. Zugleich wird ein positives Bild vom Lehrerberuf vermittelt, das ihn als vielfältigen und zugleich herausfordernden Beruf zeigt und Personen mit guter Passung eine attraktive Berufslaufbahn verspricht. Solche Studieninteressierten erleben die Rückmeldungen als Ermutigung, tatsächlich ein Lehrerstudium zu beginnen. Personen mit ungünstigen Voraussetzungen berichten gegenteilige Impulse. Damit übt CCT eine wünschenswerte Steuerungsfunktion aus (Nieskens & Müller, 2009). 2

3. Zulassungsverfahren zum Lehrerstudium Durch die skizzierten Maßnahmen der Information und Selbsterkundung lassen sich zwar gut geeignete Personen auf den Lehrerberuf aufmerksam machen und für diesen gewinnen, problematische Personen jedoch nur bedingt vom Lehrerberuf fernhalten (Mayr, Gutzwiller-Helfenfinger & Nieskens, 2009). Es sind deshalb zusätzlich Maßnahmen der Fremd-Selektion vor Aufnahme ins Lehramtsstudium zu überlegen. Da dieses Studium im Gegensatz zu den meisten anderen Studienrichtungen auf einen bestimmten Beruf vorbereitet, sollten sich die Auswahlkriterien nicht nur auf den Studienerfolg beziehen, sondern auch aussagekräftig im Hinblick auf die spätere Berufsbewährung sein. Dazu gehören berufsrelevante Dispositionen, die nur beschränkt im Studium verändert werden können, etwa Berufsmotivation, Kontaktbereitschaft und psychische Stabilität (Hanfstingl & Mayr, 2007). Um das Vorliegen solcher Merkmale mit vertretbarer Zuverlässigkeit feststellen zu können, sind wissenschaftlich abgesicherte Assessments erforderlich. Solche werden in manchen Ländern seit Jahren angewandt, darunter auch im PISA-Musterland Finnland (Kohonen, 2007). Im deutschen Sprachraum gibt es dagegen erst wenige diesbezügliche Erfahrungen und noch weniger Evaluierungsstudien (Mayr, Eder & Fartacek, 1985; Trapmann, Hell & Schuler 2008). Eindeutig lässt sich jedoch sagen, dass diese Prozeduren überaus personalintensiv sind und deshalb eine Kosten- Nutzen-Abwägung erforderlich ist. Diese fällt vor allem dann ungünstig aus, wenn anders als in Finnland letztlich ein Großteil der Bewerber/innen aufgenommen wird bzw. wegen des Lehrermangels aufgenommen werden muss. Die Entscheidung über den Einsatz solcher Verfahren sollte allerdings nicht ausschließlich an den dadurch erzielten Verbesserungen in der Trefferquote, also dem Rekrutieren gut geeigneter bzw. dem Abhalten problematischer Lehramtsaspirant/inn/en gemessen werden: Das Durchlaufen eines anspruchsvollen Bewerbungsverfahrens verbessert nämlich die Bindung an die Ausbildungsinstitution und die Studienmotivation (Spiel, Litzenberger & Haiden, 2007). 4. Reflexions-, Qualifizierungs- und Selektionsprozesse in der ersten Phase des Lehrerstudiums Die Aussicht, bereits in frühen Abschnitten des Studiums mit Kindern und Jugendlichen arbeiten zu können, scheint sich günstig auf die Rekrutierung intrinsisch für den Lehrerberuf motivierter Personen auszuwirken (Mayr, 2009). Das Ziel solcher Praktika sollte jedoch nicht sein, rasch berufspraktische Kompetenz zu erwerben, sondern zunächst einen distanzierten Blick auf die Schule werfen zu können, die bisher nur aus der Schülerperspektive vertraut war. Erste Handlungserfahrungen in der Rolle als Lehrende/r sollten jedoch ermöglicht werden, da sie zur weiteren Selbst- Überprüfung der Berufswahl anregen, individuellen Entwicklungsbedarf aufzeigen und Ansatzpunkte für Beratung bieten (Mayr & Neuweg, 2009). Das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen setzt diesen Schritt der Praxiskonfrontation bereits vor dem Studium: Am Lehrerberuf interessierte Personen werden für die Dauer von 20 Tagen als Praktikant/inn/en an einer Schule aufgenommen und von Mentor/inn/en begleitet. Diese führen mit ihnen Beratungsgespräche, in die auch Erkenntnisse aus dem Online-Programm CCT einfließen. Bereits im Zuge dieses Praktikums wird mit dem Führen eines Portfolios begonnen, das auch schon Entwicklungsschritte für das spätere Studium vorbereitet und damit die Brücke von der Berufsklärungsphase hinein ins Studium schlägt (MSW, o.j.; Oelkers, 2009). Solche Formen der Praxisbegegnung dienen der Selbstklärung der Laufbahnwahl und intendieren im Allgemeinen keine Fremd-Selektion. In späteren Praktika kann die Beobachtung des Handelns der Studierenden im Praxisfeld und ihres Kompetenzzu- 3

wachses jedoch eine taugliche Grundlage auch für institutionelle Entscheidungen sein, ob das Lehrerstudium fortgesetzt werden darf. An den Schweizer Pädagogischen Hochschulen wird eine solche Entscheidung meist bereits Ende des ersten Studienjahres explizit angestrebt (Criblez & Lehmann, 2007). Dafür wurden elaborierte Beobachtungsschemata und Vorgangsweisen entwickelt, die eine möglichst zuverlässige Entscheidungsfindung ermöglichen sollen. Hinsichtlich ihrer Aufwändigkeit ähneln diese Prozeduren den Assessments vor Studienbeginn, sie versprechen jedoch eine weitaus höhere allerdings erst empirisch nachzuweisende Validität. Zweifellos haben sie aber den Vorzug, dass in den meisten Fällen die Qualifizierungsabsicht und die Entwicklungsberatung im Vordergrund stehen, nicht die Selektion (Fuchs, Lauener & Luthiger, 2008). 5. Eignungsabklärung und Qualifizierung als Kontinuum Die skizzierten Informations- und Reflexionsangebote sowie die Maßnahmen zur Eignungsüberprüfung sollten günstigerweise aufeinander bezogen konzipiert und so gestaltet sein, dass sie von den angehenden Lehrpersonen als hilfreiche Anstöße zu ihrer Professionalitätsentwicklung erlebt werden. Die Arbeit mit Portfolios (Schratz & Tschegg 2001) kann eine solche Perspektive fördern, speziell wenn sie von Beginn an phasenübergreifend konzipiert ist oder sogar die Zeit vor dem Studium mit einbezieht. Literatur Arbeitsgruppe Eignungsabklärung (2009). Ein Lehrerstudium beginnen. Positionspapier zu Berufsinformation, Selbsterkundung und Studierendenauswahl. Stand: 29. März 2009. CCT Career Counselling for Teachers: www.cct-austria.at; www.cct-germany.de; www.cct-switzerland.ch Criblez, L. & Lehmann, L. (2007). Verfahren zur Auswahl von Lehrerinnen und Lehrern in der Schweiz. Journal für Lehrerinnen- und Lehrerbildung, 7 (2), 33 40. Fuchs, M., Lauener, H. & Luthiger, H. (2008). Potenziale entdecken Grenzen wahrnehmen. Seminar, 14 (2), 23 40. Hanfstingl, B. & Mayr, J. (2007). Prognose der Bewährung im Lehrerstudium und im Lehrerberuf. Journal für Lehrerinnen- und Lehrerbildung, 7 (2), 48 56. Hell, B. (in Druck), Selbsttests zur Studienorientierung: nützliche Vielfalt oder unnützer Wildwuchs? In G. Rudinger (Hrsg.), Self-Assessment an Hochschulen: Von der Studienfachwahl zur Profilbildung. Bonn: Vandenhoeck & Ruprecht. Kohonen, V. (2007). Auswahlverfahren für Lehramtsstudierende in Finnland. Journal für Lehrerinnen- und Lehrerbildung, 7 (2), 26 32. Mayr, J. (2002). Qualitätssicherung durch Laufbahnberatung: Zur Rolle von Selbsterkundungs-Verfahren. In H. Brunner, E. Mayr, M. Schratz & I. Wieser (Hrsg.), Lehrerinnen- und Lehrerbildung braucht Qualität. Und wie!? (S. 413-434). Innsbruck: Studienverlag. Mayr, J. (2009). LehrerIn werden in Österreich: empirische Befunde zum Lehramtsstudium. Erziehung und Unterricht, 159 (1 2), 14 33. Mayr, J., Eder, F. & Riedl, J. (1985). Evaluierung eines Verfahrens zur Auswahl von Lehramtsstudenten. In F. Buchberger & H. Seel (Hrsg.), Materialien zur Lehrerbildung für die Schulreform (S. 136 144). Linz/Brüssel: Association for Teacher Education in Europe. 4

Mayr, J., Gutzwiller-Helfenfinger, E. & Nieskens, B. (2009). Online counselling for teacher training applicants: Voluntary versus bound. Poster presented at the European Conference on Educational Research (ECER), Vienna, 29 September 2009. Mayr, J. & Neuweg, G. H. (2009). Lehrer/innen als zentrale Ressource im Bildungssystem: Rekrutierung und Qualifizierung. In W. Specht (Hrsg.), Nationaler Bildungsbericht Österreich 2009. Band 2: Fokussierte Analysen bildungspolitischer Schwerpunktthemen (S. 99 119). Graz: Leykam. McKinsey (2007). How the world s best-performing school systems come out on top. www.mckinsey.com/clientservice/socialsector/resources/pdf/worlds_school_sy stems_final.pdf MSW (2010). Das Eignungspraktikum. Ein neues Praxiselement in der Ausbildung zukünftiger Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen. Standardvortrag des Ministeriums für Schule und Weiterbildung (MSW) des Landes Nordrhein- Westfalen (Power Point Präsentation). Nieskens, B. (2009). Wer interessiert sich für den Lehrerberuf und wer nicht? Berufswahl im Spannungsfeld von subjektiver und objektiver Passung. Göttingen: Cuvillier. Nieskens, B. & Müller, F. (2009). Web-basierte Selbsterkundung persönlicher Voraussetzungen und Interessen. Erziehung und Unterricht, 159, 41 49. OECD (2005). Teachers matter: Attracting, developing and retaining effective teachers. Paris: OECD. Oelkers, J. (2009). I wanted to be a good teacher.... Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland. Studie. Berlin: Friedrich Ebert Stiftung. Schratz, M. & Tschegg, K. (2001). Das Portfolio im Kontinuum unterschiedlicher Phasen der Lehrerbildung. Journal für Lehrerinnen- und Lehrerbildung, 1 (4), 17 25. Spiel, C., Litzenberger, M. & Haiden, D. (2007). Bildungswissenschaftliche und psychologische Aspekte von Auswahlverfahren. In C. Badelt, W. Wegscheider & H. Wulz (Hrsg.), Hochschulzugang in Österreich (S. 479 552). Graz: Leykam. Strittmatter, A. (2007). Gute Lehrkräfte gewinnen ist merh als eine Selektionsaufgabe. Journal für Lehrerinnen- und Lehrerbildung 7 (2), 9 19. Studienchecker. Pilotprojekt des BMUKK und des BMWF. www.studienchecker.at Trapmann, S., Hell, B. & Schuler, H. (2008). Konstruktion und Evaluation eines mehrstufigen Auswahlverfahrens für Lehramtsstudierende im Fach Biologie an der Universität Hohenheim. In H. Schuler & B. Hell (Hrsg.), Studierendenauswahl und Studienentscheidung (S. 168 177). Göttingen: Hogrefe. 5