2 Bauplanungsrecht. Welche Möglichkeiten hat A, sein Begehren gerichtlich durchzusetzen? Wie sind die Erfolgsaussichten.



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Transkript:

2 Bauplanungsrecht Beispielsfall A möchte die Lebensqualität der ländlich geprägten nordrhein-westfälischen Gemeinde G erhöhen und plant daher, am Rande eines nahegelegenen Waldgebietes eine Großraumdiskothek zu errichten. A möchte Besuchern hier ein spektakuläres Partyerlebnis mit Lasershow am nächtlichen Himmel, verschiedenen Außenanlagen und regelmäßigen Konzerten (im Sommer auch open air ) bieten. Er stellt daher formgerecht Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung bei der zuständigen Baugenehmigungsbehörde. Ein Mitarbeiter der Baugenehmigungsbehörde, der das Vorhaben des A sehr unterstützt, leitet den Antrag umgehend mit der Bitte, dem Vorhaben zuzustimmen, an die Gemeinde weiter. Die Gemeinde ist jedoch nur wenig erfreut und verweigert den Vorhaben die Zustimmung. Ihrer Ansicht nach produziere eine Großraumdiskothek ausschließlich grässlichen Lärm, viel Schmutz und Straßenverkehr, welcher insbesondere die im angrenzenden Waldgebiet lebenden nachtaktiven Fledermäuse empfindlich stören würde. Der ganze Krach und die vielen Menschen würden die empfindlichen Tiere doch nur verwirren. Der naturbelassene Außenbereich solle primär der Erholung und nicht dem nächtlichen Amüsement dienen. Im Übrigen würden die vorgelegten Baupläne schon nicht den neusten Standards hinsichtlich der erforderlichen Brandschutzvorkehrungen entsprechen. A kann die Einwände der Gemeinde nicht nachvollziehen. Er bestreitet insbesondere, dass seine Pläne irgendwelche negativen Auswirkungen auf die im Wald lebenden Fledermäuse haben könnten, und selbst wenn dem so sein sollte, könne dies ja wohl kein Grund sein, den Wunsch der Jugend nach mehr Abwechslung im ländlichen Alltag zu ignorieren. Welche Möglichkeiten hat A, sein Begehren gerichtlich durchzusetzen? Wie sind die Erfolgsaussichten zu beurteilen? Lösungsskizze A könnte möglicherweise Klage auf Erteilung des Gemeindlichen Einvernehmens erheben. Die Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht hat Aussicht auf Erfolg, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen und sie begründet ist. A. Verwaltungsrechtsweg und zuständiges Gericht I. Eröffnung Verwaltungsrechtsweg 1. Aufdrängende Spezialzuweisung 2. Generalklausel 40 Abs. 1 S. 1 VwGO: (+) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit (+)

Nichtverfassungsrechtlicher Art (+) 3. Keine abdrängende Sonderzuweisung Zuständigkeit 1. Örtliche Zuständigkeit: 52 Nr. 3 S. 1 VwGO. 2. Sachliche Zuständigkeit: 45 VwGO. B. Zulässigkeit I. Statthafte Klageart Das Begehren des A wäre in diesem Fall auf die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens im Baugenehmigungsverfahren nach 36 BauGB gerichtet. Die Verpflichtungsklage gem. 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO könnte dem Begehren nach die statthafte Klageart sein. Fraglich ist hier allerdings, ob es sich um einen Verwaltungsakts i.s.d. 35 S. 1 VwVfG NRW handelt. Verwaltungsakt = hoheitliche Regelung eines Einzelfalls durch eine Verwaltungsbehörde mit Außenwirkung. (P) Unmittelbare Außenwirkung Maßnahme der Gemeinde muss Rechtsbeziehung zu einem Betroffenen oder hinsichtlich einer Sache regeln. Erfordernis Unmittelbarkeit kann nicht aufgegeben werden, da für Abgrenzung gegenüber anderen Verwaltungsmaßnahmen unentbehrlich. 1 Entscheidung über Erteilung oder Verweigerung einer Baugenehmigung trifft nach 36 Abs. 1 S. 1 BauGB die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde. Damit wirkt Einvernehmen der Gemeinde lediglich verwaltungsintern. Unmittelbare Außenwirkung kommt ausschließlich der Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde zu. 2 Möglicherweise andere Beurteilung aufgrund des Art. 19 Abs. 4 GG? Verwaltungsakt als Zweckschöpfung zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutz gegenüber der öffentlichen Verwaltung? 3 Dies überzeugt nicht, denn zum einen hängt Rechtsschutz heute nicht mehr von der Handlungsform ab. Ggf. ist eine allgemeine Leistungsklage statthaft. Zum anderen und dies ist hier entscheidend ist auch effektiver Rechtsschutz nicht gefährdet, da zuständiger Hoheitsträger auf Erteilung der Baugenehmigung verklagt werden kann. Verpflichtungsklage nach 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO auf Erteilung des Gemeindlichen Einvernehmens daher nicht statthaft. 1 BVerwG, Urteil vom 25.10.1967 IV C 129/65. 2 BVerwG, Urteil vom 25.10.1967 IV C 129/65; Schlarmann/Krappel, NVwZ 2011, 215 (217). 3 Vgl. Fickert, DVBl. 64, 173(174 f.); Stich, DVBl. 63, 193 (197 f.).

Klage unzulässig A könnte Klage auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung erheben. Die Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht hat Aussicht auf Erfolg, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen und sie begründet ist. A. Verwaltungsrechtsweg und zuständiges Gericht I. Eröffnung Verwaltungsrechtsweg 1. Aufdrängende Spezialzuweisung 2. Generalklausel 40 Abs. 1 S. 1 VwGO: (+) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit (+) Nichtverfassungsrechtlicher Art (+) 3. Keine abdrängende Sonderzuweisung Zuständigkeit 1. Örtliche Zuständigkeit: 52 Nr. 3 S. 1 VwGO. 2. Sachliche Zuständigkeit: 45 VwGO. B. Zulässigkeit I. Statthafte Klageart Das Begehren des A ist auf die Erteilung einer Baugenehmigung nach 75 Abs. 1 BauO NRW gerichtet. Statthafte Klageart könnte eine Verpflichtungsklage gem. 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO. Begehrt wird VA i.s.d. 35 VwVfG. Klagebefugnis 42 II VwGO Es muss zumindest die Möglichkeit bestehen, dass A einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung hat. (Möglichkeitstheorie). 75 Abs. 1 BauO NRW I IV. Vorverfahren Gemäß 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.v.m. 110 JustG NRW nicht erforderlich. Beteiligten- und Prozessfähigkeit 61, 62 VwGO V. Klagefrist 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO

C. Begründetheit Die Verpflichtungsklage ist nach 113 Abs. 5 S. 1 VwGO begründet, wenn die Verweigerung der Baugenehmigung rechtswidrig ist und A dadurch in seinen Rechten verletzt und die Sache spruchreif ist. Dies ist der Fall, wenn A einen Anspruch auf Erlass der Baugenehmigung hat. I. Anspruchsgrundlage 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW Genehmigungspflicht nach 63 BauO NRW? 1. Bauliche Anlage 2 Abs. 1 BauO NRW 2. Vorhaben i.s.d. 63 Abs. 1 BauO NRW 3. Keine Ausnahme nach 64 67, 79, 80 BauO NRW Formelle Rechtmäßigkeit 1. Ordnungsgemäßer Bauantrag 69 BauO NRW 2. Zuständige Behörde 60, 62 BauO NRW 3. Verfahren (P) 36 BauGB Gemeindliches Einvernehmen dient sowohl der zusätzlichen Kontrolle von Bauvorhaben als auch der Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit (Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 GG). Beteiligungsrecht daher nur hinsichtlich Vorhaben, die Planungshoheit berühren. 4 Einvernehmen ist zwingendes Verfahrenserfordernis für Erteilung einer Baugenehmigung. Einvernehmen = Zustimmung der Gemeinde (-) Verweigerung rechtmäßig? Hierauf kommt es jedoch vorliegend nicht an: Denn das VG prüft den materiellen Anspruch und ist anders als die Bauaufsichtsbehörde nicht an das verweigerte Einvernehmen gebunden. Ist das Vorhaben rechtmäßig, hat die Klage also auch dann Erfolg, wenn das an sich konstitutive Einvernehmen verweigert wird. Exkurs: Gemeindliches Einvernehmen Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den 31, 33 bis 35 BauGB wird im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde nach 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Hierdurch soll die Planungshoheit der Gemeinde gesichert werden. Wird ein Vorhaben nach 30 BauGB, also auf Grund eines Bebauungsplanes zugelassen, bedarf es eines Einvernehmens nicht. Grund hierfür ist, dass die Gemeinde ihre Planungshoheit bereits durch Erlass des Bebauungsplanes ausgeübt hat und nur Vorhaben zugelassen werden dürfen, die mit dem Plan vereinbar sind. Genehmigt die Bauaufsichtsbe- 4 Jeromin, BauR 2011, 456 ff.

hörde ein Vorhaben, das nicht mit dem B-Plan in Einklang steht, kann die Gemeinde die Baugenehmigung im Hinblick auf eine Verletzung ihrer Planungshoheit anfechten. 36 Abs. 1 BauGB gilt im bauaufsichtlichen Verfahren, was neben der Baugenehmigung ( 75 BauO) auch Bauvorbescheide ( 71 BauO) und Teilgenehmigungen erfasst. Die Regelung gilt nach Satz 2 auch, soweit in einem anderen Verfahren (mit Ausnahme der Bergaufsicht) über die Zulässigkeit nach den bezeichneten Vorschriften entschieden wird, z. B. im immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigungsverfahren (siehe 13 BImSchG). Umstritten ist, ob 36 Abs. 1 BauGB auch gilt, sofern die Gemeinde eine Bauaufsichtsbehörde hat ( 60 Abs. 1 Nr. 3 lit. a BauO NW: Große und Mittlere kreisangehörige Städte): - Rechtsprechung: Keine Anwendbarkeit, weil die Beteiligung der Gemeinde nach 36 BauGB überflüssig ist, wenn die Gemeinde selbst entscheide. - Gegenansicht: Bauaufsicht ist als Gefahrenabwehr eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung ( 60 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BauO, 9 OBG). Die gemeindliche Zuständigkeiten sind hier also nicht kongruent. Im Bereich der Bauaufsicht lassen sich namentlich Ingerenzen der Selbstverwaltungsorgane (namentlich Rat) über Weisungen aushebeln, zu deren Schutz gerade 36 BauGB installiert wurde. Ein anderes Problem hat sich mit Fortfall des Widerspruchsverfahrens in NRW ( 110 JustG NW) erledigt, bleibt aber bundesrechtsdogmatisch immer noch richtig: Die staatliche Widerspruchsbehörde ( 73 Abs. 1 Satz 1 VwGO) könnte ohne Einvernehmen einem Widerspruch abhelfen. Versagung des Einvernehmens nur dann möglich, wenn es um die planungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach 31, 33 35 BauGB geht. Ein Verstoß gegen Bauordnungsrecht ist nur dann relevant, wenn diesem zugleich unmittelbare Bedeutung für 31, 33 35 BauGB zukommt. Hier ist daher eine Verweigerung auf Grundlage des 17 BauO NRW (Vorhaben verstößt gegen bauordnungsrechtliche Brandschutzvorschrift) unrechtmäßig. Richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach 30 Abs. 1 BauGB (also im Geltungsbereich des B-Planes), stellen die Länder sicher, dass die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung des Vorhabens über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung nach den 14 und 15 BauGB entscheiden kann. Das Einvernehmen der Gemeinde darf nur aus den sich aus den 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen versagt werden. Dies bedeutet, dass es sich um eine gebundene Entscheidung handelt. Die Gemeinde darf nur nach rechtlichen Kriterien prüfen, ob es Gründe gegen eine Genehmigung gibt, hat aber kein Ermessen, es sei denn, die bezeichneten Bestimmungen räumen ein Ermessen ein (namentlich 31 BauGB). Umgekehrt ist auch die Bauaufsichtsbehörde an das fehlende Einvernehmen gebunden, auch wenn es rechtswidrig verweigert wurde, d. h. sie darf rechtlich die Genehmigung nicht erteilen, obwohl der Betroffene einen Anspruch auf Genehmigungserteilung hat. Wird die Genehmigung dennoch erteilt, ist sie allein auf Grund dieses formellen Mangels wegen einer Verletzung der durch 36 BauGB konkretisierten Planungshoheit anfechtbar. Die Kommunalaufsichtsbehörde ist nicht gehindert, gegen eine Gemeinde nach den 119 ff. GO NW einzuschreiten, sofern das Einvernehmen rechtswidrig verweigert wurde. Ein erteiltes Einvernehmen hindert die Bauaufsichtsbehörde nicht, den Bauantrag aus rechtlichen Gründen ( 75 Abs. 1 BauO) abzulehnen. Und die Behörde kann auf die Einholung des Einvernehmens von vornherein verzichten, wenn sie einen Bauantrag ablehnen; 36 BauGB schützt die Planungshoheit nur gegen eine aufgedrängte Bebauung, vermittelt aber keine zusätzlichen positiven Einwirkungspfade auf die städtebauliche Entwicklung.

Einvernehmensfiktion: Das Einvernehmen der Gemeinde gilt als erteilt, wenn es nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert wird ( 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Da es sich um eine gesetzliche Rechtsfolge und nicht um eine Frist handelt, greifen Wiedereinsetzungsgründe nicht. Für den Rechtsschutz des Bürgers ergibt sich hieraus Folgendes: - Wird das Einvernehmen rechtswidrig verweigert, kann allerdings der betroffene Bürger gegen die Versagung der Baugenehmigung Verpflichtungsklage erheben. Für das Verwaltungsgericht gilt 36 BauGB nicht. Es hat allein zu prüfen, ob ein Anspruch nach 75 BauO besteht. Das fehlende Einvernehmen ist also ggf. durch das Gericht zu ersetzen. Damit die insoweit notwendig auch gegenüber der Gemeinde nur einheitlich mögliche Entscheidung nach 121 VwGO bindet, ist die Gemeinde nach 65 Abs. 2 VwGO notwendig beizuladen. - Eine Klage des Bürgers gegen die Gemeinde auf Erteilung des Einvernehmens wäre unzulässig, da es sich bei dem Einvernehmen um einen rein verwaltungsinternen Mitwirkungsakt ohne unmittelbare Außenwirkung handelt. I Materielle Rechtmäßigkeit 35 BauGB, Bauvorhaben im unbeplanten Außenbereich. Vorhaben im Außenbereich unzulässig. Zulässigkeit des Bauvorhabens im Außenbereich richtet sich nach 35 BauGB. Gemeinde muss Einvernehmen erteilen, wenn kein Versagungsgrund vorliegt. Zunächst Differenzierung zwischen 35 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB! 35 Abs. 1 BauGB Privilegiertes Vorhaben i.s.d. 35 Abs. I Nr. 1 8 BauGB. Zulässig ist ein privilegiertes Vorhaben, soweit öffentliche Belange dem Vorhaben nicht konkret entgegenstehen. Privilegierung hinsichtlich sonstiger Vorhaben, welche öffentliche Belange nicht beeinträchtigen dürfen. Abwägung, stärkere Gewichtung des Vorhabens gegenüber den öffentlichen Belangen. Rechtsfolge: gebundene Entscheidung. Hier: Sonstige privilegierte Vorhaben, 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB? a) Nachteilige Wirkung auf die Umgebung? Hier: Lärm, Verkehrsbelästigung, Verschmutzung. b) Keine Unterbringung im Innenbereich möglich? Hintergrund: Außenbereich soll so weit wie möglich von Bebauung freigehalten werden. Daher Zweckmäßigkeit allein nicht ausreichend für Privilegierung, konkretes Vorhaben muss notwendigerweise im Außenbereich ausgeführt werden. Hier: Bei entsprechenden Vorkehrungen auch im Innenbereich grundsätzlich möglich.

Kein privilegiertes Vorhaben nach 35 Abs. 1 BauGB Prof. Dr. Klaus Ferdinand Gärditz 35 Abs. 2 BauGB Zulässigkeit nichtprivilegierter, sonstiger Vorhaben beurteilt sich nach 35 Abs. 2 BauGB. Öffentliche Belange dürfen nicht beeinträchtigt werden. Rechtsfolge: gebundene Entscheidung. (BVerwG Urt. v. 29. 4. 1964 I C 30/62) Beeinträchtigung öffentlicher Belange? Öffentliche Belange = unbestimmter Rechtsbegriff. Abs. 3 enthält nicht abschließenden Katalog. Umfasst alle Gesichtspunkte, die für Bauvorhaben im Außenbereich rechtserheblich sein können. 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB? Schädliche Umwelteinwirkungen definiert in 3 Abs. 1 BImSchG. Dient insbesondere Schutz der Bevölkerung. Nach BVerwG allgemein baurechtliches Gebot der Rücksichtnahme für eine besondere Konfliktsituation. 5 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB? Insbesondere für Gebiete unter Natur- oder Landschaftsschutzbestimmungen, aber auch wenn Gebiet nicht förmlich geschützt. 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB = eigenständige Regelung des Natur- und Landschaftsschutzes. 6 Beachtung insbesondere der artenschutzrechtlichen Verbote für europäisch geschützte FFH-Anhang IV- Arten und europäische Vogelarten, 7.3 Außenbereichserlass NRW. Hier: Verstoß gegen 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG i.v.m. Anhang IV FFH-Richtlinie 92/43/EWG (+) Störung der örtlichen Fledermauspopulation (Microchiroptera) aufgrund massiver nächtlicher Lärm- und Lichtbelästigung zu erwarten. Damit Beeinträchtigung öffentlicher Belange (+) Zulässigkeit nach 35 Abs. 2 BauGB (-) A hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung. D. Gesamtergebnis: Klage zulässig aber unbegründet. 5 BVerwG, Urt. v. 6. 12. 1967 IV C 94/66. 6 BVerwG, Urt. v. 21. 4. 2009 4 C 3/08.