PROBLEME IN DER DIAGNOSTIK DER KHK: ERFAHRUNGEN AUS DER GUTACHTERKOMMISSION P. Hanrath 30.09.09 Düsseldorf
Arzthaftpflicht wird teurer Auf viele niedergelassenen Ärzte kommt eine deutliche Erhöhung der Prämien ihrer Berufshaftpflicht zu. Auch Hausärzte müssen mehr bezahlen: Bei Ihnen liege ein großes Risiko darin, Erkrankungen wie einen Herzinfarkt nicht rechtzeitig erkannt zu haben. Solche Befunderhebungsfehler haben stark zugenommen, waren bislang in den Prämien aber nicht einkalkuliert. (DÄV) Besonders die sog. Großschäden machen Sorge: Die Zahl der Schäden, die mehr als 200T kosten, wird immer höher. In der Allgemeinmedizin entfallen 55% der Schadenaufwendungen aus den vergangenen 10 Jahren auf insgesamt 62 Schäden. Das sind nur 0,9% der Fälle. In der Inneren Medizin machen 26 Fälle insgesamt 0,6% der Schäden und 41% der Schadenzahlungen aus.
Gründe für diese Entwicklung: Gerichte sprechen den Patienten höhere Schmerzensgelder als früher zu. Stärkerer Anstieg der Schadensansprüche (aufwendigere Therapien, umfangreichere Betreuungs-und Pflegeleistungen). Sozialversicherungsträger nehmen stärker als früher die Haftpflichtversicherer des Arztes in Regress. Krankenkassen nehmen zunehmend die Ärzte in Haft, prüfen ob ein Verschulden des Arztes vorliegt Ärztezeitung 14.7.09
Ärzte haften auch bei Non-Compliance Arzt muß auf mögliche Folgen einer Nichtbehandlung hinweisen. Nimmt ein Patient einen ärztlichen Rat nicht an, muß der Arzt auf mögliche schwer wiegende Folgen der Nicht-Behandlung hinweisen. (BGH-Urteil) Ärztezeitung 28.7.09
Der Begriff Thoraxschmerz beschreibt eine in der Praxis häufig vorkommende Symptomatk mit Schmerzen oder Beschwerden unterschiedlicher Stärke und unterschiedlichen Charackters, die auf den Brustkorb projiziert werden URSACHEN eines akuten Thoraxschmerzes - kardial - vaskulär - pulmonal - vertebragen - gastroenterologisch - neurogen SPEKTRUM der Schmerzen: - leicht/banal (aber nicht unbedingt ungefährlich) - massiv mit Todesangst (damit aber nicht unbedingt lebensbedrohlich)
Wichtigsten lebensbedrohlichen Differenzialdiagnosen beim akuten Thoraxschmerz Akuter Myokardinfarkt: NSTEMI / STEMI Akute Aortendissektion Lungenembolie Pneumothorax (Perikarditis/Pleuritis) Präsentation der Symptomatik gravierender als Grad der Gefährdung
Fallskizze 2006/1376 44j. Patient erstmalig am Vortag akute thorakale Schmerzen mit Ausstrahlung in den li. Arm mit Kribbeln u. Taubheitsgefühl (Cholesterin 311mg%) Ruhe EKG o.b.; Vd. auf HWS/BWS-Syndrom Rp.: Diclofenac; WV in 3 Tagen: Sono-Abdomen, Labor ohne Troponinbestimmung, Urin mit Blutbeimengungen, WV in 3Tg. Rez. Beschwerden in den Folgetagen: am 6.Tg. heftigste Beschwerden, sofortige Vorstellung in der Praxis, wo der Pat. reanimationspflichtig wird. Notarztverlegung im kardiog. Schock in Kardiologie, erfolgr. Rekanalisation der RCA Exitus noch am Abend im therapierefraktären Pumpversagen. Vorwurf: instabile AP Sympt. trotz mehrf. Konsultationen bei rezidivierenden Beschwerden nicht erkannt; keine Troponin Bestimmung, keine Ergometrie, keine prob. Nitrogabe; keine weiterführende Diagnostik.
Fallskizze 2008/0771 60j. Patient stand seit 2002 in Behandlung der behandelden Ärztin für Allgemeinmedizin wegen COPD. 27.10. - 22.11.07 wegen belastungsabhängiger Luftnot u. Husten ohne Auswurf, auskultatorisch teils Spastik, keine peripheren Oedeme, keine Laboranalyse Rp Infusionsbehandl. mit Euphyllin, Soludecortin 50mg, Sekretolyticum; insg. 8 Infusionsbehandlungen und zeitweise orale Antibiotikagabe 23.11.07 stat. Einweisung durch den KV Notarzt. schwere kardiale Dekomp; Echo: EF< 30%, Rö: Herzvergrösserung, Stauungszeichen, bds. Pleuraerguüsse Nach Rekomp: HK, 3-Gefäßerk. ischämische Kardiomyopathie => dringl.op- Anmeldung erfolgt In der Wartezeit: akuter Herzinfarkt mit kardiog. Schock. Notfallmäßige Op mit Reanimation im Rahmen der Intubation => Exitus Vorwurf: Zu lange an der pulmonalen Genese der gekl. Symptomatik festgehalten, keine andere Ursache differentialdiagn. in Erwägung gezogen
Fallskizze 2007/1095 50j. Patient begab sich zu seinem langjährigen internistischen HA wegen seit Tagen anhaltender Beschwerden im Epigastrium u. Rücken mit Ausstrahlung in den Kiefer. Lt. Aufzeichnung in der Kartei seien ähnl. Beschwerden schon seit 10 J. bekannt gewesen. Klin. Untersuchung o.b.; EKG leichtgr. ST-Senkung V 4 -V 6 ; T-Neg. V 2 -V 5. Angebl. sei Troponintest neg. gewesen, in der Akte nicht vermerkt. Beschwerdebild wurde als gastral bedingt angesehen => Verordnung von Pantozol. Da keine Besserung der Symptomatik: Aufsuchen eines anderen Arztes, EKG idem => notfallmäßige Krks.-Einweisung: subtotale RIVA Stenose, PCI+Stent Beurteilung: 1. angebl. neg. Troponin Test schließt eine KHK nicht aus. 2. aktuellen Beschwerden gingen erstmals im Gegensatz zu früher mit einem pathol. EKG-Befund einher Behandlungsfehler: Unterlassung weiterer kardiol.-diagn. Maßnahmen
Fallskizze 2007/1378 61j. Patientin wird vom Notarzt mit Verdacht auf ACS ins beklagte Krhs. eingewiesen. Übelkeit u. Rückenschmerzen; Risikofaktor: medik. eingestellter Hypertonus Notfallambulanz: RR, EKG u. Troponin negativ, Arbeitsdiagnose: ACS, Aortendisektion, LE => Verlegung auf Normalstation mit der Maßnahme: RöThorax, CT-Thorax, EKG u. Troponinkontrolle um 16:00 Uhr Schmerzmedik., Thromboseprophylaxe, CT-Thorax - negativ => Verlegung Intensivstation Bei Eintreffen reanimationspfl. Kreislaufstillstand, EKG: ST-Hebungsinf. in VW => Verlegung Akut-Intervention in benachbarte Kardiologie Vorwurf: primäre Verlegung von der Notaufnahme auf eine Intensivstat. war aufgrund der Symptome u. differentialdiagn. lebensbedrohl. Krankheitsbilder angezeigt. Patientin ist aus dieser Fehlentscheidung kein Schaden entstanden. Solange VD akute Aortendissektion im Raum stand, war eine intensive antithromb. Medikation (Aspirin, Clopidogrel u. system. Heparin) kontraindiziert. Der beim Eintreffen auf der Intensivstation eingetretene Kreislaufstillstand infolge eines akuten Infarktes hätte auch bei primärem Aufenthalt auf der Intensivst. nicht verhindert werden können.
Fallskizze 2006/1641 08.07.06: Aufnahme (01:00 Uhr) in der Notaufnahme des beklagten Krks wegen seit 4h bestehendem retrost. Brennen u. vorausgeg. Übelkeit mit Erbrechnen. EKG u. Troponin. negativ Arbeitsdiagnose: Gastritis; atyp. Angina pect. Medikation: Novalgin, Riopan, Pantoprazol 03:00 Uhr - Verlegung periphere Bettenstation, Anordnung eines EKG u. Troponinkontrolle für den nä. Morgen sowie eine Gastroskopie Ausweisl. der Pflegedokument. hat der Pat. nachts noch immer Schmerzen gehabt 10:00 Uhr OA Visite: Beschwerdebild wurde auf Grund des Schmerzcharakters u. der Besserung nach der Medikation als Sodbrennen gewertet. 13:00 Uhr ST-Hebungsinfarkt im VW-Bereich, hoch pathol. CK-MB Vorwurf: zu späte Diagnostik eines Infarktes, zu späte Intervention
Fallskizze 2006/1183 04.12.03-11:15 Uhr, Notfallmäßige Aufnahme im bekl. Krhs. wegen seit Wochen bestehender z.t. krampfartiger Schmerzen im Oberbauch, belastungsabhängig, Ausstrahl. in Rücken u. bd. Arme. Unmittelbar vorausgegangen 2 Aufenthalte in der chirurg. Abtl. (20.-26.11./27-02.12.03) wegen Rezidivs einer bekannten Zwerchfellhernie, multiple kardiovask. Risikofaktoren. Aufnahme EKG: VW-Inf. im Initialstadiumstadium, hohe spitze T-Wellen V 1 -V 5 R-Verlust, Troponin negativ. Arbeitsdiagnose: akutes Aldomen: Abdomenübersicht und CT Med.: Schmerzmittel, H2-Blocker, Eradikationstherapie 05.12.03-08:30 Uhr EKG: VW ST-Hebungsinfarkt, CK-MB 467 U/l: CK 3233 U/l Vorwurf: zu spät erkannter akuter Herzinfarkt, zu späte HK-Intervention mit der Folge eines bleibenden Gesundsheitsschaden.
DIAGNOSTIK ANAMNESE: Art, Dauer u. Ausprägung der Symptome, Belastungsabhängigkeit, punktueller flächenhafter Schmerz. Wichtig ist schriftliche Dokumentation! KÖRPERL: UNTERSUCHUNG: Zeichen einer kardialen Dekompensation (Lebervergrößerung, periphere Ödeme), Zeichen einer peripheren Thrombose, Perkussions-und Auskultationsbefund, Pulsqualitäten etc. 12-KANAL-EKG: binnen 10 Min. nach klinischer Präsentation LABOR nach der Wahrscheinlichkeit der Diagnose: Troponin, D-Dimere, CRP, Bildgebung: Echo (TTE/TEE), Rö-Thorax (CT) Weiterführende differenzialdiagnostische Untersuchungen durch einen FA oder bis hin zur stationären Einweisung - sollten veranlasst werden: wenn die eingeleitete Therapie auf die zunächst nachvollziehbare Diagnose nicht anspricht. wenn die zunächst durchgeführten diagnostischen Maßnahmen zu keinem Ergebnis führen.
Häufige Fehler aus der Sicht des Gutachters: 1. fehlende oder unzureichende Dokumentation (Beschwerden, klin. Untersuchungsbefund, Labor) 2. ärztliche Fehleinschätzung, die zu unzureichender Behandlung (Diagnostik / Therapie) führen: - monokausales Denken - Bandbreite der Differenzialdiagnostik nicht abgearbeitet - verspätete oder fehlende Überweisung an FA oder Klinik 3. Fehlen von Befunden durchgeführter Tests 4. Pathologischer Laborbefund wird nicht sofort weitergeleitet
Die ärztlichen Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen prüfen Schadensansprüche aufgrund vermuteter ärztlicher Behandlungsfehler außergerichtlich. Die Verfahrensbearbeitung erfolgt entsprechend der deutschen zivilrechtlichen und zivilprozessualen Gesetzgebung und der dazu vorliegenden Rechtssprechung. Die Schlichtungsstelle trifft über die geltend gemachten Schadenersatzsansprüche eine Entscheidung, die für keinen der Verfahrensbeteiligten (Patient, Arzt und dessen Haftpflichtversicherer) verbindlich ist. Das Ziel des Verfahrens, die Vermeidung von Gerichtsprozessen, wird in über 90% der Fälle erreicht.
Leitsymptome Dyspnoe mit exspir. Stridor Giemen u. Brummen Pulmonal: Asthma bronchiale Kardial: Linksherzinsuff. isch./nicht isch. KHK akuter epigastrischer Schmerz ohne Abwehrspannung Abdominel: Refluxösophagitis akute Gastritis Ulcus ventriculi / duodeni Kardial: KHK / Myokardinfarkt Rückenschmerz (BWS) o. neurolog Ausfälle Skelettär: M. Scheuermann Spondylose Osteoporose HWS-/BWS-Syndrom Viszeral: KHK, Ao.-dissektion
KHK Akutes Koronarsyndrom chron. stabile KHK instabile AP Nicht ST-Hebungsinf. ST-Hebungsinf.
Arbeitsdiagnose Akutes Koronarsyndrom EKG ohne ST - Elevation Labor Troponin Troponin neg. Diagnose NSTEMI instabile AP