Führung und Schulentwicklung an neuen Schule gestalten Die Aufgaben der Schulleitung an Sekundarschulen und Gesamtschulen in der Entstehung und im Aufbau Adolf Bartz 1987-2000 Leiter der Gesamtschule Langerwehe 2000-2007 Referent für die Schulleitungsfortbildung NRW 2007-2010 Leiter des Couven Gymnasiums Aachen Schulentwicklung an neuen Schulen Jedes Schuljahr stellt neue Gestaltungsaufgaben (Lern- und Förderkonzept, WP I und II, Klassenund Teambildung ). Jedes Schuljahr erhöht die Verbindlichkeit der schulinternen Vorgaben und verringert die Gestaltungsmöglichkeiten der nachfolgenden Lehrer/innen. Je besser in der Entstehung das Konzept für die Errichtung der neuen Schule, umso geringer die Gestaltungsspielräume der Lehrer/innen. Gestalten und Nachvollziehen Gestalten: Motivation und Energie Eigensinn: subjektive Bedeutsamkeit Dissens Nachvollziehen: Demotivation Verweigerung - Widerstand Eigensinn: subjektive Bedeutsamkeit Gemeinschaftliche Konstruktion von Sinn und Gestalt im Team und im Kollegium Umgang mit Dissens Dissens ist Ausdruck der Lebendigkeit Deshalb: Konsens nicht erzwingen, sondern Dissens klären: Wo genau Dissens? Auf welcher Ebene: Mittel oder Ziele? Dissens entbindet nicht von Loyalität Voraussetzung: Recht auf Dissens und seine Vertretung Anspruch, dass Dissens angehört und ernst genommen wird Hinreichend aussichtsreiche Perspektive auf eine Revision von Vorgaben und Absprachen Absprachen als Kompromiss auf Zeit Modelle von Schulentwicklung Strategien des sozialen Wandels Werte, mentale Bilder, subjektive Theorien Ziele Handlungen Ergebnisse Soll-Ist- Abgleich Macht Vorschrift - Weisung Rationalität Empirische Belege, Gründe Korrekturen Revision Transformation Personen- und Interaktionsorientierung Kommunikation und Verhandlung der individuellen Sichtweisen und Modellierungen Selbstuntersuchung, Selbstklärung, Selbstentwicklung 1
Erfolgsbedingungen für Innovation Spannungsbogen Bewusstsein der Dringlichkeit: Vergemeinschaftete Einsicht in die aktuelle oder künftig erwartbare Problemlage / Herausforderung Attraktivität des Zielzustands: Gemeinschaftliche Akzeptanz und kreative Entwicklung Schaffung einer tragfähigen Führungskoalition für den Aufbau beider Pole Vision: Der attraktive Zielzustand Wir wissen wohl, dass man Ideale nicht verwirklichen kann, aber wir wissen auch, dass nichts auf der Welt ohne die Flamme des Ideals geschehen ist, geändert ist, gewirkt wurde. (Kurt Tucholsky) Visionen wecken Motivation und Energie Visionen stärken Überzeugung und Begeisterung Voraussetzung: Das rechte Maß an utopischem Überschuss über das realistisch Erreichbare Anstrengungen und Aufwand erscheinen lohnend Vision und Realismus (1) Vision Vision und Realismus (2) Was hindert Was fördert die Schulentwicklung von außen und von innen? Zielorientierung Prioritätensetzung Kohärenz Auswahl von Vorhaben Eltern Schüler/innen Ideale sind wie Sterne: Man kann sie nicht erreichen, man kann sich aber an ihnen orientieren. (Carl Schurz) Bedingungen Umfeld Kollegium Vision Erreichbarer Zielzustand Bedingungen Schüler- Erwartun- Haltungen Wollen voraus- gen Kompetenzen setzungen Schulträger Schulaufsicht Die Vision klären Schulleitung Eltern Kollegium Schüler/innen Werte und Bedeutsamkeit: Was wollen wir? Was ist uns wichtig? Herausforderungen in der Zukunft: Welchen Problemen und Aufgaben müssen wir uns stellen? Vision und strategische Herausforderungen Gestaltungsaufgaben bis zum vollen Ausbau der Schule Inklusion als Menschenrecht: Barrieren für Menschen mit Normabweichungen (sozialer und kultureller Hintergrund, sexuelle Orientierung, Behinderungen ) erkunden und abbauen Demografische Entwicklung: Schülerzahlen, Konkurrenz mit anderen Schulen, Attraktivität und Alleinstellungsmerkmale Veränderung der Erwartungen an die Schule Veränderung der Schülervoraussetzungen Konsequenzen für Schulentwicklung und Personalplanung klären und umsetzen 2
Murmelgruppen Welche Vision leitet mich und meine Führung beim Aufbau der Schule? Wie mache ich mir ein Bild von den Visionen, die meine Kolleginnen und Kollegen beim Aufbau der Schule bewegen? Wie überprüfe ich, ob mein Bild von den Visionen im Kollegium zutrifft? Wie nutze ich die Energie und Motivation, die in den kollegialen Visionen steckt? Wirken meine Visionen und die im Kollegium zusammen oder gegeneinander? Wie gehe ich mit dem Dissens bei den Visionen um? Von der Vision zur Strategie: Innovationen an Schule gestalten Initiierung Ideen generieren und sammeln dem Eigensinn Raum geben Energien wecken und nutzen Gestalt Prozessarchitektur gestalten Projekt- und Arbeitsgruppen einrichten Ergebnisse durch die Integration in die Ablauf- und Aufbauorganisation auf Dauer stellen und sichern Phasen von Innovationsprozessen Initiierung: Sammlung von Ideen und Bedenken in Austauschforen Reflexion: Bewertung und Auswahl der Ideen und Initiativen - Prioritätensetzung - Planung Implementierung: Umsetzung - Erprobung Institutionalisierung: Auf Dauer stellen Gefahr der Erosion beachten Immer wieder Initiierungsphasen einschieben, um Energiefluss aufrecht zu erhalten! Innovationen initiieren Beobachten: Wo gibt es das Bewusstsein der Dringlichkeit? Wo fließen Energien für Veränderung und Weiterentwicklung? Intervenieren: Den Rahmen für den Raum und die Felder, in denen sich die Lehrpersonen gestaltend bewegen, schaffen und ändern, z.b. durch einige wenige entwicklungsförderliche Strukturentscheidungen (Klassenraumgestaltung, Stundenraster ) Kommunikation: Austausch ermöglichen Austauschforen schaffen Innovationen reflektieren Für Gestalt sorgen Ideen bewerten, über Prioritäten entscheiden Grundsatz: Weniger ist mehr! Für Kohärenz sorgen: Ausrichtung der Vorhaben an einer gemeinsamen Vision und Zielrichtung Wechselwirkungen und Synergien zwischen Vorhaben klären Machbarkeit prüfen Ressourcen sichern sich auf das konzentrieren, was die Schule selbst beeinflussen kann Planung erste Schritte Erprobungserfahrungen Erprobungserfahrungen Implementierung als Prozess nächste Schritte Vision Ideensammlung: Wie geht es weiter? Veränderung der Schule - Selbstveränderung Planrevision Ideensammlung Planrevision usw. Planung gehört zur Reflexion, nicht zur Initiierung! Institutionalisierung Evaluation 3
Innovationen institutionalisieren Die Ergebnisse des Projekts auf Dauer stellen und in Handlungs- und Ablaufroutinen umsetzen Die Institutionalisierung nicht durch neue Innovationen gefährden Die Aufmerksamkeit immer wieder bewusst der Umsetzung institutionalisierter Innovationen zuwenden und auf die Gefahr der Erosion achten Für ein Frühwarnsystem im Hinblick auf Umfeldveränderungen und interne Problemlagen sorgen, die eine Veränderung der institutionalisierten Innovation erforderlich machen können Murmelgruppen Wenn ich die Schulentwicklung an meiner Schule reflektiere: In welcher Phase befinden sich die unterschiedlichen Entwicklungsaufgaben und vorhaben? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für meine Führungsaufgaben? Wirksamkeit von Schulleitung Rollen der Schulleitung als Führungskraft Dimension Wirksame SL Weniger wirksame SL Innovationsbereitschaft (1) 4,29 (2) 3,51 Zielgerichtete Führung (2) 4,19 (5) 3,37 Organisationskompetenz (3) 4,09 (4) 3,39 Beziehungsorientierung (4) 4,03 (3) 3,44 Partizipation bei Entscheidungen (5) 3,95 (1) 3,60 Management sozialer Beziehungen (6) 3,88 (7) 3,26 Individuelle Lehrerbegleitung (7) 3,87 (8) 3,21 Visibilität (8) 3,73 (6) 3,36 Lehrereinschätzungen: Negativ 1 5 Positiv Orientierung Beauftragt mit Aufgaben Gibt den Lehrkräften Ziele bzw. einen Zielkorridor vor Überprüft die Zielerreichung Äußert Änderungsverlangen Bezieht Position Trifft Entscheidungen Unterstützung Vertraut auf die Eigenverantwortung der Lehrkräfte Unterstützt die Lehrkräfte, selbst Lösungen zu entwickeln Gibt Feedback als Anregung Gibt Anregungen als Experte Gibt den Lehrkräften Freiraum, im Rahmen von Vorgaben selbst zu entscheiden Fordert ein auf der Grundlage von Hierarchiemacht Wirkungsabsicht: Klarheit Bietet an oder vermittelt Wirkungsabsicht: Verstehen, Zustimmung, Einverständnis Positive und negative Varianten der Führungsrollen Orientierung (Orientierer abwertende Kritik Verfolger) Die Führungskraft hat situativ Klarheit darüber, ob sie in der Rolle der Orientierung oder der Unterstützung handelt. Menschenbild: Lehrkraft als autonome, für sich, ihr Handeln und die Ergebnisse ihres Handelns verantwortliche Person Unterstützung/ Fürsorge (Helfer Überfürsorglichkeit Retter) 4
Orientierung (1) + - Äußerung von Qualitätsanforderungen und Vertrauen, dass die Lehrkräfte zu dieser Qualität in der Lage sind Anforderungen und Grenzsetzungen transparent, konsistent und nachvollziehbar begründen Äußerung von Qualitätsanforderungen, die die Lehrkräfte überfordern, und Erwartung, dass viele die erwartete Qualität nicht leisten können Anforderungen und Grenzsetzungen nicht begründen sowie wechselhaft und willkürlich gestalten Aufgaben, Erwartungen, Grenzsetzungen durch die normativen Vorgaben (Vorschriften, Schulprogramm) und den Bildungs-, Erziehungs- und Förderauftrag der Schule legitimieren Hierarchiemacht für legitimierte Zwecke nutzen Kontrolle als Ausdruck von Interesse am Gelingen der Aufgabenwahrnehmung gestalten Orientierung (2) Aufgaben, Erwartungen und Grenzsetzungen aus den eigenen subjektiven Vorlieben und Prioritäten ableiten und zur Durchsetzung der eigenen Sichtweise nutzen Hierarchiemacht für die Durchsetzung subjektiver Zwecke und Interessen missbrauchen Kontrolle als Ausdruck des Misstrauens mit dem Ziel, Fehler und Mängel nachzuweisen + Fürsorge Hilfe am Maß der Hilfsbedürftigkeit orientieren und das Maß aufgabenbezogen festlegen: Was braucht die Lehrperson, um ihre Aufgaben gut wahrnehmen zu können? Hilfe dabei, dass die betroffenen Personen für sich die passenden und geeigneten Wege finden, ihre Probleme selbst zu lösen Unterstützung - Überfürsorglichkeit Hilfe ohne Maß und über das Maß der Hilfsbedürftigkeit hinaus Probleme für andere lösen und ihnen die Lösung ihrer Probleme abnehmen Merkmale der positiven und negativen Varianten Wertschätzung: Zumuten und Zutrauen Ich bin (in meiner Rolle) o.k., du bist (in deiner Rolle) o.k. + - Die Autonomie, Würde und Selbstverantwortung der anderen Person achten Abwertung: Nichts zumuten, weil man nichts zutraut, oder nachweisen, dass der andere nichts taugt Ich bin o.k., du bist nicht o.k. Gefühl der eigenen Macht und Grandiosität Übergriffigkeit: Besser als der Betroffene wissen, was er braucht Würde durch Herabsetzung verletzen Merkmale der positiven und negativen Varianten Teufelskreise vermeiden Professionelle Beziehungsgestaltung als Arbeits- und Rollenbeziehung Rollenklärung und Beziehung durch Kontrakt Rollen können gehalten werden Verantwortung Privatpersönliche Beziehungsgestaltung: Sympathie und Antipathie, Ausleben von Emotionen Rollen beliebig wechseln (z.b. Opfer Verfolger und Retter Opfer) Verantwortungslosigkeit Schulleitung Die Lehrkräfte übernehmen keine Verantwortung. (Ursache) Also belästige ich sie nicht durch die Beteiligung an Entscheidungen. (Folge) Lehrer/innen Die Schulleitung beteiligt uns nicht an Entscheidungen. (Ursache) Also übernehmen wir keine Verantwortung. (Folge) 5
Übung: Bedenkenposition Der Aufbau und die Entwicklung der Schule bieten besondere Chancen, haben aber auch Risiken (z.b. Gestaltungsspielräume werden enger, für folgende Jahrgänge bleibt nur noch Nachvollziehen ). Stellen Sie Ihre Sorgen im Hinblick auf die Risiken zur Verfügung: Ein Teilnehmer /eine Teilnehmerin äußert Sorgen und Bedenken auf der Bedenkenposition. Die anderen Teilnehmer/innen stellen Ideen und Vorschläge für eine Problemlösung auf der Ideenposition als Feedback zur Verfügung. Regel: TN auf der Bedenkenposition hört zu, nimmt nicht Stellung und entscheidet selbst, ob und wie er / sie die Ideen nutzen kann und wird. Grundsätze für das Schulleitungshandeln Vision, Konzept, Klarheit, Standing, Struktur, Kultur Aufpassen: Nicht überstülpen! Deshalb: Beobachten geht vor Intervention. Zuhören geht vor Äußern. Ermöglichen geht vor Weisung. Selbstentwicklung geht vor Planen. Selbstentwicklung und Motivation vor Überforderung und Enttäuschung schützen Rückendeckung geben und Lehrpersonen ermutigen 6