Trainings- und Bewegungslehre. Leseprobe

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Transkript:

Trainings- und Bewegungslehre

Kapitel 2 - Grundsätze des Trainings 2.1 Prinzipien der Trainingsgestaltung 2.1.1 Prinzip der trainingswirksamen Reize 2.1.2 Prinzip der ansteigenden Belastung 2.1.3 Prinzip der Variation 2.1.4 Prinzip der optimalen Relation von Belastung und Erholung 2.1.5 Prinzip der Regelmäßigkeit und Dauerhaftigkeit 2.2 Grundsätze der Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit durch Training (Superkompensation) Seite 10 von 61

Lernorientierung Nach Bearbeitung dieses Kapitels werden Sie: Die verschiedenen Grundsätze der Trainingsgestaltung verstehen und wiedergeben Die Funktionsweise der Superkompensation und damit die Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit verstehen. Seite 11 von 61

Da nun im vorangegangenen Kapitel geklärt wurde, was die Trainingswissenschaft als Teildisziplin der Sportwissenschaft ausmacht und worin die charakteristischen Eigenschaften des Trainings bestehen, kann man nun darauf eingehen, wie Training zu einer planmäßigen, systematischen und nachhaltigen Realisation von Maßnahmen wird, um sportliche Ziele zu erreichen. 2.1 Prinzipien der Trainingsgestaltung Die Aussagen der allgemeinen Trainingslehre sind sportartübergreifend, niveauunabhängig, geschlechtsneutral und nicht altersspezifisch. Nur mit einer durchdachten Gestaltung des Trainings werden sich Erfolge einstellen. Als Prinzipien des Trainings können übergeordnete Anweisungen zum Handeln im sportlichen Training bezeichnet werden. Trainingsprinzipien stellen eher eine allgemeine Orientierungsgrundlage als eine konkrete Handlungsrichtlinie dar. Basis für die Aufstellung von Trainingsprinzipien sind neben wissenschaftlichen Erkenntnissen sicher immer auch trainingspraktische Erfahrungen. 2.1.1 Prinzip der trainingswirksamen Reize Dieses Prinzip geht davon aus, dass der Trainingsreiz eine bestimmte lntensitätsschwelle überschreiten muss, um überhaupt eine Anpassungsreaktion auszulösen, d. h., um trainingswirksam zu sein. Biologischer Hintergrund ist die so genannte Reizstufenregel, nach der im Hinblick auf funktionelle und morphologische Anpassungen, überschwellig schwache, überschwellig starke und zu starke Reize unterschieden werden. Unterschwellige Reize bleiben wirkungslos. Überschwellig schwache Reize erhalten das Funktionsniveau. Überschwellig starke Reize (=optimale) lösen physiologische und anatomische Adaptionen aus. Zu starke Reize schädigen die Funktion. Der Schwellenwert des Belastungsreizes hängt vom Leistungszustand des Sportlers ab. Seite 12 von 61

2.1.2 Prinzip der ansteigenden Belastung Bei Trainingsbelastungen, die über einen längeren Zeitraum identisch sind, hat sich der Organismus so angepasst, dass dieselben Belastungsreize nicht mehr überschwellig stark wirken oder sogar unterschwellig werden. Aus diesem Grund ist es erforderlich, den trainingswirksamen Reiz herzustellen. Methodische Reihenfolge, nach der die Belastungsnormative gesteigert wird: 1. Erhöhung der Trainingshäufigkeit 2. Erhöhung des Belastungsumfangs 3. Erhöhung der Belastungsdichte 4. Erhöhung der Belastungsintensität 2.1.3 Prinzip der Variation Durch wechselnde Belastungsformen und abwechselnde Belastung einzelner Teilsysteme können gleichzeitig mehrere Teilsysteme verbessert werden. Variierende Belastung: Veränderung der Geschwindigkeit der Bewegungsausführung Hinzunahme spezieller Zusatzlasten Änderung der Intensitäts- und Pausengestaltung Wechsel der Trainingsmethoden Wechselnde Belastung: Berücksichtigung mehrerer Leistungsfaktoren z. B. Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit (wichtig bei komplexen Sportarten) 2.1.4 Prinzip der optimalen Relation von Belastung und Erholung Ein optimaler Leistungszuwachs wird nur dann erreicht, wenn der neue Belastungsreiz zum Zeitpunkt der höchsten Superkompensation erfolgt. Nach einer wirkungsvollen Trainingsbelastung (Trainingseinheit) ist eine bestimmte Zeit der Wiederherstellung notwendig, um eine erneute gleichgeartete Belastung durchführen zu können. Belastung und Erholung sind gewissermaßen als Einheit zu betrachten. Biologische Grundlage ist das Phänomen der Überkompensation (Superkompensation) demzufolge es nach einem entsprechend Seite 13 von 61

starken Belastungsreiz nicht nur zur Wiederherstellung (=Kompensation) des Ausgangsniveaus, sondern zu einer Überkompensation (=erhöhte Wiederherstellung) kommt. Das erhöhte Niveau bleibt aber nach einer einmaligen Belastung nicht erhalten, sondern bildet sich wieder zurück. Die Niveaukurve pendelt gewissermaßen um die Linie des Ausgangsniveaus aus. Damit kann sich neben der ersten Superkompensation noch ein zweiter - allerdings bereits niedrigerer- Superkompensationsgipfel zeigen. Die optimale neue Belastung muss notwendigerweise auf den Höhepunkt der Superkompensationsphase Rücksicht nehmen. In der Trainingspraxis ist es nicht einfach, den jeweiligen optimalen Zeitpunkt der Wiederbelastung zu finden, da außer der vorausgegangenen Belastung auch die individuelle Anpassungsfähigkeit, die Ernährung und sonstige trainingsbegleitende Maßnahmen eine Rolle spielen. Letztlich führen neben dem theoretischen Wissen nur Erfahrung und Beobachtung zu konkreten Ergebnissen. Bei Trainingsanfängern vollzieht sich die Umsetzung der Superkompensation in ein höheres Leistungsniveau wesentlich schneller als bei schon jahrelang trainierenden Sportlern. 2.1.5 Prinzip der Regelmäßigkeit und Dauerhaftigkeit Ein einmaliges Training löst noch keine erkennbaren Anpassungen aus. Zum Erreichen der Adaption ist es notwendig, Belastungen mehrfach über einen längeren Zeitraum zu wiederholen. "Die endgültige Adaptation ist erst erreicht, wenn über die Anreicherung von Substraten (= energiereiche Stoffe) hinaus auch in anderen Funktionssystemen (z. B. Enzymsystem, Hormonsystem) Umstellungen erfolgten, und vor allem auch das Zentralnervensystem als die Führungsinstanz von Bewegungsleistungen sich angepasst hat. Grosser/Starischka 1988 Seite 14 von 61

2.2 Grundsätze der Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit durch Training (Superkompensation) Unterschwellige Reize lösen keine Adaptionsprozesse aus. Überschwellige Reize führen zu biopositiven Anpassungsvorgängen. Zu starke Reize schädigen das belastete System und wirken im Sinne bionegativer Adaptionsprozesse. Anmerkung An dieser Stelle soll die Begrifflichkeit Prinzip für das Verstehen der Superkompensation näher erläutert werden. Prinzipien sind theoretische Modelle und keine allgemeingültige Aussage, ansonsten würden diese als Gesetze bezeichnet werden. Die Anwendung des Prinzips der Superkompensation stellt als Hauptproblem die unterschiedliche Regenerationszeit der verschiedenen Funktionssysteme (Muskulatur, Gelenk etc.) dar. Der Herzmuskel kann sich zum Beispiel ohne das Prinzip der Superkompensation zu nutzen, (ohne Arbeitspause) hypertrophieren. Definition Superkompensation ist nach JAKOWLEW die überschießende Adaptationsreaktion, wobei die physiologischen Anpassungsreaktionen nur für eine bestimmte Zeit erhalten bleiben und bei Ausbleiben weiterer Belastungsreize wieder auf das Ausgangsniveau sinken. Abbildung 1 - Adaptionsverlauf allgemein Seite 15 von 61

Das Prinzip der Superkompensation bewirkt, dass der Körper nach einer Trainingsbelastung nicht nur die Bereitschaft zur Erbringung des gleichen Leistungsniveaus hat, sondern im Verlaufe der Erholung die Leistungsfähigkeit über das ursprüngliche Niveau hinaus steigert und über einen bestimmten Zeitraum auf diesem Niveau hält. Abbildung 2 gibt einen Einblick in die Wirksamkeit einer optimal gesetzten Belastung nach einer gut platzierten und genutzten Regenerationsphase. Die Adaptation des Körpers an die Trainingsreize kann so optimal ausgereizt werden. Wird dieses höhere Leistungsniveau jeweils für die neue Trainingseinheit genutzt, kommt es zu einer fortwährenden Leistungssteigerung. Abbildung 2 - Adaptionsverlauf bei zu häufiger Belastung Wird hingegen zu viel oder/und zu intensiv trainiert, wie es in Abbildung 2 verdeutlicht wird, hat der Körper nicht genügend Zeit zur Regeneration und das Leistungsniveau sinkt ab (Übertraining). Abbildung 3 Adaptionsverlauf bei zu seltener Belastung Seite 16 von 61

Ist die Regenerationsphase zwischen Trainingsbelastungen zu groß, geht der Trainingseffekt wieder verloren. Dies wird in der Abbildung 3 deutlich. Die Adaptation an einen Trainingsreiz erfolgt nur kurzfristig und senkt sich wieder, sobald keine oder eine zu spät einsetzende Belastung erfolgt. Nur durch die richtige Abstimmung der genannten Parameter (inkl. Ausgangszustand), vor allem aber der richtigen Bestimmung der Regenerationsphasen, ist es möglich, die Leistungsfähigkeit zu steigern, die Leistungssteigerung zu optimieren und ein Übertraining zu vermeiden. Seite 17 von 61