Modelle zum Handlungslernen

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Transkript:

Modelle zum Handlungslernen Inhaltsübersicht 1. Ein kybernetische Modell der Handlung 2. Ein Modell der Handlungsregulation 3. Ein Modell der Wahrnehmung 4. Ein Modell des Lernens durch Handeln 5. Ein Modell des Lernens durch Informieren 6. Ein Modell der Motivation 7. Ein Modell des Konstruktivismus 8. Das Modell der vollständigen Handlung 9. Die Methode der vollständigen Handlung 1. Ein kybernetisches Modell der Handlung Modelle sind vereinfachte Vorstellungen über die Realität. Sie helfen, sich ein Bild von der Realität zu machen. Modelle sind weder falsch noch richtig, sondern nur mehr oder weniger brauchbar für den Zweck, für den sie genutzt werden. Kybernetik ist die Lehre von der Steuerung und Regelung von Prozessen. Entscheidendes Merkmal kybernetischer Modelle ist der ständige Soll-Ist-Vergleich. Durch die Rückmeldung über den erreichten Ist-Zustand wird die Veränderung "reguliert". Das kybernetische Regelmodell wird auf die Beziehung von Menschen zu ihrer Umwelt übertragen.

Perzeptoren sind die menschlichen Sinnesorgane, Effektoren alles, womit Menschen auf ihre Umwelt einwirken. Zielgerichtetes Handeln setzt den Entschluss voraus, die Umwelt in einer bestimmten, vorgedachten Weise zu verändern. Das Ziel steuert den Regulationsprozess.

2. Ein Modell der Handlungsregulation Steuerung und Regelung von Arbeitstätigkeiten Das Modell der Handlungsregulation soll erklären helfen, wie die Vorstellung vom Ergebnis einer Handlung die Ausführung der Handlung steuert. Grundlage ist das kybernetische Modell der Regulation. Dieses allgemeine Modell lässt sich auf eine Arbeitstätigkeit übertragen. Ein Mensch bearbeitet ein Werkstück und kontrolliert das Arbeitsergebnis. Die Frage ist, wie wird die Bearbeitung des Werkstückes gesteuert? Die Handlungsregulationstheorie geht davon aus, dass immer erst ein gedankliches Bild vom Werkstück im Kopf des Menschen vorhanden sein muss, damit zielgerichtete Handlungen ausgeführt werden können.

Um die Bearbeitung wirksam steuern zu können, ist es notwendig, das Ergebnis der einzelnen Bearbeitungsschritte zu kontrollieren. Es findet im Prozess der Bearbeitung dazu ein ständiger Abgleich zwischen dem erwarteten und dem erreichten Ergebnis statt. Die Bearbeitung wird solange fortgesetzt, bis das reale Bild mit dem gedachten Bild übereinstimmt. Die Kontrolle reguliert damit die Bearbeitung.

3. Ein Modell der Wahrnehmung Wie kommen die Bilder in den Kopf? Kognitive Theorien gehen davon aus, dass Wahrnehmung ein aktiver Prozess ist, der durch die Erwartung über das, was wahrgenommen werden soll gesteuert wird. Es besteht also schon eine Vorstellung darüber, was wahrgenommen werden soll, bevor die Wahrnehmung selbst begonnen hat. Das Bild von der Realität, das sich im Kopf bereits befindet, bestimmt, welche Wahrnehmung erwartet wird. Die erwartete Wahrnehmung steuert die Aufmerksamkeit für die reale Wahrnehmung. Der Wahrnehmungsprozess ist ein ständiger Vergleich zwischen erwarteter und tatsächlicher Wahrnehmung. Stimmen Wahrnehmung und erwartete Wahrnehmung nicht überein, kann das Bild von der erwarteten Wahrnehmung korrigiert werden.

Die neue Wahrnehmung kann zu einer Veränderung des Bildes der Realität verarbeitet werden. 4. Ein Modell des Lernens durch Handeln Wie entstehen im Kopf Handlungspläne? Im Modell der Handlungsregulation lassen sich verschiedene Lernmöglichkeiten beschreiben: 1. Das operative Abbild muss nicht für jede Handlung neu entwickelt werden, sondern wird als Handlungsplan gespeichert.

2. Bei der realen Bearbeitung wird das operative Abbild auf seine Durchführbarkeit überprüft und ggf. korrigiert. 3. Häufig wird das erreichte Ergebnis nicht dem Bild entsprechen, dass man sich vorher gemacht hat. Als Ergebnis kann dann auch das Bild für zukünftige Bearbeitungen verändert werden.

5. Ein Modell des Lernens durch Informieren Grundlage der Überlegungen ist das Modell des Handlungslernens. Durch gedankliches Probehandeln wird ein operatives Abbild für die Bearbeitung entwickelt. Die Handlungspläne für das operative Abbild können in aller Regel nicht allein aus dem Bild des fertigen Werkstücks hergeleitet werden. Zusätzlich werden im Gehirn verschiedene Wissensspeicher aktiviert. Die Wissensspeicher liefern hilfreiche Informationen, wie die Bearbeitung durchgeführt werden kann. Handlungswissen wird überwiegend bereits in Form von "Ziel-Bedungungs-Mittel-Einheiten" im Gehirn gespeichert.

Im gedanklichen Probehandeln wird zunächst versucht, einen als brauchbar erscheinenden Handlungsplan mit dem in den verschiedenen Wissensspeichern des Gehirns vorhandenen Informationen zu erstellen, gelingt dies nicht, wird nach neuen Informationen gesucht. Erweisen sich die von außen aufgenommenen Informationen in der gedanklichen Planung als brauchbar, werden sie in die internen Wissensspeicher übernommen, sie werden gelernt. Das Lernen wird verstärkt, wenn die Pläne in praktisches Handeln umgesetzt werden. Die Suche nach Informationen wird durch innere Fragen angeleitet. Sie kann durch äußere Fragen (Leitfragen) gesteuert werden.

6. Ein Modell der Motivation Wie durch das Gefühl von Wirksamkeit Motivation entsteht. Erfahrungen aus der Ausbildungspraxis haben gezeigt, dass Handlungslernen motivierend wirkt. Warum das so ist, können neuere Ergebnisse der Neurobiologie erklären. Ausgegangen wird wieder vom kybernetischen Regulationsmodell. Der Gleichgewichtszustand in diesem Modell bedeutet, dass der Mensch in der Lage ist, seine Bedürfnisse aus der Umwelt zu befriedigen. Eine Motivation entsteht, wenn ein Bedürfnis nicht befriedigt wird. Die Steuerung erfolgt biochemisch über Lust- und Unlustgefühle. Wird das Bedürfnis nicht befriedigt, entstehen Unlustgefühle, werden sie befriedigt, Lustgefühle. Die Lustgefühle steigen, wenn die Befriedigung der Bedürfnisse mit Mühe verbunden ist. Die Wege, auf denen die Bedürfnisbefriedigung zu erreichen ist, werden gelernt. Wird ein solcher Weg begonnen, dann entsteht damit eine Vorerwartung, auf die damit zu erreichenden Lustgefühle. Diese Vorerwartung wird als Motivation bezeichnet. Das Grundmodell der Motivation gilt nicht nur für die Befriedigung der Bedürfnisse durch die Umwelt, sondern Lustgefühle entstehen auch durch die nur mentale Befriedigung der Bedürfnisse.

U.a. haben Neurobiologen ein Kompetenzbedürfnis identifiziert. Als kompetent erlebt sich jemand, der in der Lage ist, unterschiedliche Lebenssituationen erfolgreich zu bewältigen. In der Gleichgewichtssituation stehen zur Bewältigung unterschiedlicher Umweltbedingungen jeweils die passenden Handlungsprogramme zur Verfügung. Die Erwartung, mit bestimmten Aktionen eine vorgedachte Wirkung zu erzielen, wird auch als Gefühl der Selbstwirksamkeit bezeichnet. Das Gleichgewicht wird gestört, wenn für die Bewältigung einer neuen Situation kein passender Handlungsplan verfügbar ist. Sind keine erfolgversprechenden Handlungspläne verfügbar, dann löst dies Unlustgefühle aus. Ausbildung konfrontiert junge Menschen ständig mit neuen Aufgaben, für die noch keine erfolgversprechenden Handlungspläne vorhanden sind. Sie löst also zunächst Unlustgefühle aus. Handlungslernen vermittelt die Erwartung, durch aktives Informationsverhalten zu erfolgreichen Handlungsplänen zu kommen. Wird diese Erwartung durch Erfolge bestätigt und verstärkt, fördert das die Motivation.

7. Ein Modell des Konstruktivismus Wie der Konstruktivismus das Handlungslernen erklärt Der Konstruktivismus als Erkenntnistheorie beeinflusst zunehmend pädagogisches Denken und insbesondere Theorien des Handlungslernens. Grundsätzlich gehen auch konstruktivistische Lerntheorien davon aus, dass sich Menschen ein Bild ihrer Umwelt machen. Zwischen Umwelt und dem Abbild der Umwelt herrscht ein Gleichgewichtszustand, wenn es das Abbild erlaubt, in der Umwelt zu überleben. Wichtigste Überlegung des Konstruktivismus ist es, dass das Abbild der Realität nicht eine reale Widerspiegelung der Realität ist. Es ist nur eine Fiktion der Realität. Das Bild von der Realität wird durch subjektive Wahrnehmung konstruiert. Pädagogen richten ihre Aufmerksamkeit vor allem auf den Prozess der Konstruktion. Denn es ist dieser Prozess der Konstruktion, der entscheidend dafür ist, wie das Bild der Realität aussieht.

Nach der Theorie des Konstruktivismus ist es nicht möglich, einem anderen Menschen sein eigenes Bild von der Realität zu vermitteln. Lehren bedeutet deshalb, den Konstruktionsprozess als Erschließung der Realität des Lernenden anzuleiten.

8. Das Modell der vollständigen Handlung 9. Die Methode der vollständigen Handlung