Management des Stoffwechselnotfalls. W. Siekmeyer

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Transkript:

Management des Stoffwechselnotfalls W. Siekmeyer

...je jünger ein Kind ist, desto limitierter ist sein Repertoire an Reaktionen auf schwere Erkrankungen und die führenden Symptome sind unspezifisch: Trinkschwäche, Lethargie, Gedeihstörung uns so weiter. Wenn Säuglinge mit undiagnostizierten Stoffwechselstörungen sterben, wird ihr Tod meistens einer Sepsis oder anderen üblichen Ursachen zugeordnet... JM Saudubray, Paris dran denken systematische Aufarbeitung

Diagnostik Typische Symptome Beispiel: Harnstoffzykluserkrankungen Symptome im Säuglingsalter: Trinkschwäche, Erbrechen Tachypnoe Lethargie, Krampfanfälle Enzephalopathie, Koma

Diagnostik Typische Symptome Beispiel: Harnstoffzykluserkrankungen Symptome im Kleinkindalter : meist weniger dramatisch Gedeihstörung, Nahrungsverweigerung, Ataxie, Irritabilität, Verhaltensauffälligkeiten, Krampfanfälle, Koma

Diagnostik Typische Symptome Beispiel: Harnstoffzykluserkrankungen Symptome bei Jugendlichen und Erwachsenen: in metabolischer Stress-Situationen rez. Inappetenz, Lethargie, Reizbarkeit, Agitiertheit, Verwirrtheit, Erbrechen, Kopfschmerzen Ataxie, metabolische Enzephalopathien Koma

Diagnostik Einteilung von Stoffwechselerkrankungen genetisch biochemisch defekte Proteinfunktion Erbgang zelluläre Ebene (Zytoplasma, Mitochondrien, Lysosomen ) Transportfunktion, Enzym Metabolite symptomorientiert akut, akut rezidivierend chronisch progredient/persistierend

Diagnostik Einteilung von Stoffwechselerkrankungen Intoxikationstyp endogen Harnstoffzykluserkrankungen Organo- / Aminoacidopathien Fettsäureoxidationsstörungen (long chain) exogen gestörte Fastentoleranz gestörter Energiestoffwechsel Störungen der Neurotransmitter Galaktosämie, hered. Fructoseintoleranz Fettsäureoxidationsstörungen (medium chain) Störungen der Gluconeo- /Ketogenese Gykogenspeichererkrankungen Atmungskettendefekt Pyruvat-Dehydrogenase-Mangel folsäure-, pyridoxin-, pyridoxalphosphatabhängige Krampfanfälle

Diagnostik

Diagnostik Oft führen nur BE in der Dekompensation zur Diagnose Serum (2 ml), Plasma (2 ml) und Trockenblut asservieren

Hyperammonämie rasches Handeln ist entscheidend Dauer und Höhe der Hyperammonämie entscheiden über weitere mentale Entwicklungsmöglichkeiten

Diagnostik basale Laborparameter Ammoniak Laktat Blutgase Anionenlücke Ketonkörper Blutglukose BB, CrP, Gerinnung, ALAT, ASAT, CK, Harnst, Krea, Hsre

Diagnostik basale Laborparameter Laktat, freie Fettsäuren, Ketonkörper, org. Säuren Ammoniak Laktat Blutgase Anionenlücke ( [ Na + + K + ] [ Cl - + HCO3 - ] ) > 16 mmol/l = pathologisch Ketonkörper Blutglukose BB, CrP, Gerinnung, ALAT, ASAT, CK, Harnst, Krea, Hsre

Diagnostik basale Laborparameter Harnstoffzyklusdefekt Ammoniak - Laktat Blutgase norm. - Alkalose Anionenlücke Ketonkörper Blutglukose BB, CrP, Gerinnung, ALAT, ASAT, CK, Harnst, Krea, Hsre

Diagnostik basale Laborparameter Organoazidopahtie Ammoniak norm. - Laktat Blutgase norm. - Azidose Anionenlücke Ketonkörper + - +++ Blutglukose BB, CrP, Gerinnung, ALAT, ASAT, CK, Harnst, Krea, Hsre

Diagnostik basale Laborparameter Störung der Fettsäureoxidation Ammoniak Laktat Blutgase Anionenlücke Ketonkörper Blutglukose negativ BB, CrP, Gerinnung, ALAT, ASAT, CK, Harnst, Krea, Hsre

Diagnostik basale Laborparameter mitochondriale Erkrankungen Ammoniak Laktat Blutgase - Azidose Anionenlücke Ketonkörper Blutglukose BB, CrP, Gerinnung, ALAT, ASAT, CK, Harnst, Krea, Hsre

Diagnostik erweiterte Stoffwechseldiagnostik Acylcarnitine (Trockenblutkarte) Aminosäuren (Plasma) freie Fettsäuren, Ketonkörper (Serum) Urin: organische Säuren, Orotsäure, DNPH-Test bei Hypoglycämie: endokrinologische Diagnostik: Insulin, Cortisol, STH, ACTH

Therapiegrundsätze Intoxikationstyp endogen anabole Stoffwechsellage herstellen Entfernung toxischer Substanzen exogen Zufuhr toxischer Substanzen stoppen gestörte Fastentoleranz Zufuhr von Glucose gestörter Energiestoffwechsel Korrektur der Azidose, ggf. Coenzym-Gabe cave: Glucose kann Azidose verstärken Störungen der Neurotransmitter Zufuhr der fehlenden Substrate, Unterbrechung der Krampfanfälle

Ch. Werner, München 2007

Therapiegrundsätze hochkalorische Infusion kataboler Stoffwechsel kann zur endogenen Intoxikation führen exogene Zufuhr kann zur Intoxikation führen orale Nahrung absetzen nur Tee mit Glukose erlaubt anabole Stoffwechsellage herstellen initial Glukose ohne Aminosäuren und Fette kurzfristige Kontrolle des Effekts

Therapiegrundsätze Glukosezufuhr 15 mg/kg KG/d + Elektrolyte wenn keine Fettstoffwechselstörung vorliegt Fettsubstitution wenn mitochondriale Erkrankung vorliegt evtl. Reduktion der Glukose

Therapiegrundsätze Entgiftung von Ammoniak Hyperammonämie bei Neugeborenen ältere Kinder Akuttherapie erforderlich extrakorporale Verfahren ab 150 µmol/l ab 100 µmol/l ab 200 µmol/l ab 500 µmol/l

Therapiegrundsätze Entgiftung von Ammoniak Na-Benzoat Benzoat + CoA Benzoyl-CoA + Glycin Hippursäure 1 mol Stickstoffäquivalente pro mol Na-Benzoat

Therapiegrundsätze Entgiftung von Ammoniak Na-Phenylbutyrat/Na-Phenylacetat Phenylbutyrat + CoA Phenylbutyrat-CoA Phenylacetat-CoA + Glutamin Phenylacetylglutamin 2 mol Stickstoffäquivalente pro mol Na-Phenylbutyrat/-acetat

Therapiegrundsätze Entgiftung von Ammoniak Argininhydrochlorid/ Citrullin Carbamylglutamat Ch. Werner, München 2007

Therapiegrundsätze Carnitin sekundärer Carnitinmangel durch den ATP-Bedarf der Konjugation von Benzoat und Glycin durch hohe Fettinfusion

Therapiegrundsätze Indikation zur Transfusion/FFP-Gabe sehr streng stellen Proteinbelastung

Stoffwechselnotfall möglich Basislabor, Rest-Blut/-Urin asservieren Pat. nüchtern lassen Infusion Glukose 15g/kg/d + E-lyte V.a. Harnstoffzyklusdefekt Organo-/Aminoazidopahtie Störung langkettiger Fettsäuren* erweiterte Labordiagnostik V.a. Glykogenose Störungen der Glukoneogenese Galaktosämie/Fruktoseintoleranz Mitochondiopathie Hyperinsulinismus erweiterte Labordiagnostik Anabole Stoffwechsellage erzielen Glukose 20-30 g/kg/d + E-lyte evtl. Insulininfusion Beginn 0,05-0,1 IE /kg/h * wenn nicht: Fettinfusion 1-2 g/kg/d Glukose 12 g/kg/d bei Hyperglykämie/Azidose je nach Wert Reduktion der Zufuhr Hyperammonämie medikamentöse/extrakorporale Entgiftung

Hyperammonämie Na-Benzoat 250mg/kg in 1-2 h, dann 250-400 mg/kg/d Na-Phenylbutyrat o. -acetat 250 mg/kg in 1-2 Std, dann 250-500 mg/kg/d Arginihydrochorid 2 mmol/kg in 1-2 h, dann 2 mmol/kg/d wenn keine Fettsdäureoxidationsstörung: Carnitin 50 mg/kg in 1-2 h, dann 100-200 mg/kg/d altersentsprechende Flüssigkeits- / Elektrolytsubstitution Furosemid 1-4 mg/kg/d Carbamylglutamat 100 mg/kg/d in 3 Dosen Ammoniak > 500 µmol/l: Hämofiltration

Frühzeitig Kontaktaufnahme zu einem Stoffwechselzentrum!