σ = (12.1, 12.2) N : F

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Transkript:

12. Das mechanische Verhaten von Werkstoffen Materiaphysik II Prof. Dr. Guido Schmitz Die mechanische Festigkeit von Materiaien wird in normierten Modeexperimenten untersucht. Am bekanntesten ist die kontroierte Längendehnung von zyindrischen oder quaderförmigen Proben, die in geeigneten Werkstoffprüfmaschinen mit hydrauischer Krafterzeugung oder mit Spindetrieb durchgeführt werden. Die Längenänderung und die dazu erforderiche Kraft werden gemessen. In anderen Experimenten wird die Härte von Materiaien über die Eindringtiefe von kugeförmigen (Brine-Härte) oder pyramidenförmigen (Vickers-Härte) Probekörpern bei konstanter Kraft in die Werkstoffoberfäche bestimmt. Die Zähigkeit des Materias (Energieaufnahme vor dem Bruch) wird in sogenannten Kerbschagpenden ermittet. Im Fogenden konzentrieren wir uns auf die Zugverformung, die die für physikaische Interpretationen die karsten Rahmenbedingungen iefert. 12.1 Das Zugexperiment In einem technischen Zugexperiment werden die Nenndehnung und die Nennspannung gegeneinander aufgetragen. Diese werden durch die fogenden Geichungen definiert ε N : = o N : F σ = (12.1, 12.2) q o Mit der Ausgangsänge 0, der Längenänderung, der Kraft F und dem Ausgangsprobenquerschnitt q 0 senkrecht zur Zugrichtung. Für das physikaische Verständnis sind jedoch die wahren Dehnungen bezogen auf die jeweis momentan bereits erreichte Länge, bzw. die wahre Spannung bezogen auf den bereits erreichten Probenquerschnitt sinnvoere Größen. Diese werden wie fogt definiert: d dε w : = ( t) εw : = n o = n ( 1+ ε N ) wahre Dehnung (12.3) σ w F : = q( t) wahre Spannung (12.4) Abb. 12.1: Nennspannung (schwarz) und wahre Spannung (rot) während eines typischen Zugexperiments im Vergeich. 1

Materiaphysik II Prof. Dr. Guido Schmitz In Abb. 12.1 sind die Veräufe der Nennspannung und der wahren Spannung im Vergeich (beides Ma gegen die Nenndehnung) aufgetragen. Da die Probe bei Verängerung in der Querrichtung schrumpft, ist die wahre Spannung immer größer as die Nennspannung. Zu Beginn der Verformung beobachtet man einen inearen Bereich. Hier verformt sich die Probe zunächst eastisch. Erst bei Überschreiten der Streckgrenze ( yied strength ) beibt bei Entastung der Probe eine beibende (=pastische)verformung zurück. Da der Übergang zwischen eastischem und pastischem Bereich in der Kurve nicht scharf zu trennen ist, wird die Streckgrenze gewöhnich as die Spannung (σ 0.2 ) definiert, bei der 0,2% Dehnung nach Entastung erhaten beibt. Die Zusammenhänge zwischen Nenn- und wahrer Dehnung assen sich etwas genauer quantitativ fassen. Im Gegensatz zur agemeinen Voumenzunahme bei der eastischen Dehnung beibt bei pastischer Verformung das Voumen praktisch erhaten. Aso git der Zusammenhang q = ( t) q( ) (12.5) 0 0 t zwischen Nennspannung und wahrer Spannung, woraus fogt q 0 q = 0 = 1+ ε N σ = σ 1+ ε ) (12.6) W N ( N Für einen stabien Verformungsvorgang müssen Dehnung und die zur Verformung erforderiche Spannung während der Verformung ständig zunehmen, sonst käme es zu einer bescheunigten weiteren Verformung einer bereits verjüngten Stee, d.h. eine dünne Stee würde gerade noch schneer geängt und dadurch noch weiter verdünnt. Eine Zugverformung geschieht gerade dann geichmäßig, wenn eine zufäige Verjüngung zur Kompensation stärker verfestigt as benachbarte dickere Steen. Abb. 12.2: An einer okaen Verjüngung ist auf Grund des geringeren Querschnitts die Zugspannung höher. Für eine soche stabie pastische Zug-Verformung können wir eine quantitative Bedingung abeiten. Die Kraft ist über jedem Querschnitt entang der Zugrichtung übera geich und ergibt sich aus Spannung ma Querschnitt const = F = σ W ( x) q( x) Für die Kraftzunahme während zunehmender Dehnung git fogich 2

df d dq dε dε dε = q w + σ w w w w Materiaphysik II Prof. Dr. Guido Schmitz Katverfestigung geometrische Entfestigung ( dq < 0) dε w Für stabie Verformung muss die Kraft bei weiterer Verformung zunehmen, aso df = q dσ w + σ w dq > 0 d dq = q d q dσ w σ w q > 0 d o 1 d σ w > σ w = w d o σ ε 1+ ε dσ w dε σ w (12.7) 1 + ε G. (12.7) stet ein grundegendes Kriterium für stabie pastische Verformung ohne Einschnürung und Bruch dar, weches entscheidende Anforderungen an das Materia stet. Bei pastischer Verformung muss die Festigkeit, aso die zur weiteren Verformung erforderiche Spannung, zunehmen. Eine soche Eigenschaft ist nicht sebstverständich und wird praktisch nur von Metaen erfüt. Dies ist das wesentiche Geheimnis, weches die bevorzugte Anwendung von Metaen in technischen Bauwerken und Maschinen erkärt. Das Stabiitätskriterium G. (12.7) wird auch as Considère-Kriterium bezeichnet. Es kann graphisch wie in Abb. 12.3 veranschauicht werden: (Tangente und Kurve am Berührpunkt haben die geiche Steigung) σ w Abb. 12.3: Graphische Darsteung des Considere-Kriteriums -1 ε ε n 3

Materiaphysik II Prof. Dr. Guido Schmitz 12.2 Mechanismen der pastischen Verformung kristainer Materiaien Die experimentee Beobachtung zeigt: während der pastischen Verformung ändert sich das Voumen nicht und auch die Kristastruktur beibt unverändert (z.b. durch Röntgendiffraktometrie). Dass sich dennoch der Krista verformt, ässt sich in einer Art Wurstscheibenmode verstehen: Kristaebenen geiten aufeinander um speziee Transationsvektoren ab, die die Gittersymmetrie erhaten. Wie die nebenstehende Skizze zeigt, ändern sich dadurch Probenänge und querschnitt. Außerdem dreht sich die Kristaorientierung reativ zur Zugrichtung. Abb. 12.4: Ein zyindrischer Stab wird in einzene (eiptische) Scheiben zerschnitten. Fas die Schnittfächen schräg zur Stabachse iegen, wird der Stab durch Abgeitung dieser Scheiben verängert. Reativ zur Stabachse dreht sich auch die Orientierung der Scheiben. 12.3 Abschätzung der kritischen Schubspannung Ist auf diese Weise eine Hypothese zum Verformungs-Mechanismus aufgestet, können wir zu seiner Überprüfung versuchen, die Einsatzspannung für das Abgeiten abzuschätzen und dann mit Messungen zu vergeichen. Steen wir uns die Atome as Kugen vor, die periodisch in Kristaebenen angeordnet sind (z.b. eine Honigwabenanordnung für dicht gepackte Gitter). Bei der Abgeitung rutschen die Atome von einer Geichgewichtage zur nächsten. Die starre Verschiebung einer Gitterebene auf einer anderen spürt aso ein periodisches Potentia wie in Abbidung 12.4 schematisch dargestet. Abb. 12.5: Das periodische Abgeitungs-Potentia wird durch eine harmonische Funktion genähert. Die Spannung τ ist dann die Abeitung der Energie (pro Fäche) nach der Verschiebung ds (bzw. x): 4

Materiaphysik II Prof. Dr. Guido Schmitz Der genaue Verauf des Potentias ist nicht bekannt. Deshab verwenden wir zur Abschätzung einfach eine Sinusfunktion mit Energieminima in den Geichgewichtsagen. Der Periodizitätsabstand sei b. Durch Abeitung dieser Energie finden wir die Kraft, die für eine Verschiebung der Ebene um x erforderich ist, bzw. besser die Kraft pro Einheitsfäche aso die Schubspannung. Auch für diese Schubspannung finden wir fogich eine harmonische Funktion, mit Nusteen an der Geichgewichtsposition. So können wir ansetzen: 2π x 2π x max sin max (12.8) b b τ τ τ Für keine x ässt sich wie rechts angedeutet überdies der Sinus durch sein Argument nähern. Die Spannung τ max entspricht in diesem Ansatz offensichtich der kritischen Schubspannung, bei der pastische Verformung einsetzt. Denn für eine pastische Verformung müssen die Atome in eine benachbarte Geichgewichtsage verschoben werden, aso den Punkt maximaer Kraft überwinden. Für keine Ausenkungen x aus der Ruheage ist die Verformung jedoch zunächst eastisch. Das eraubt uns, die für keine Ausenkungen erforderiche Kraft mit der Rückstekraft bei eastischer Deformation zu vergeichen. Mittes des bekannten Eastitzitätsmodus, für die Geometrie hier das Schubmodu G, können wir für diese eastische Rückstespannung ansetzen: τ x s = G α = G. (12.9) d Das Schubmodu G ist für viee Materiaien tabeiert. d in G. (12.9) ist der Abstand zwischen zwei aufeinander fogenden Ebenen. Die fogende Idee ist dann für einen Physiker naheiegend: Wir identifizieren die beiden Spannungen nach G. 12.8 und G. 12.9. Damit fogt τ s = τ : x max 2 π x G = τ d b τ b max = G (12.10) 2π d In erster Näherung sind die Abstände zwischen zwei Geichgewichtspositionen (b) und der Ebenenabstand (d) von geicher Größenordnung. Aso sote die kritische Schubfestigkeit gerade etwa dem eastischen Schubmodu G geteit durch 2π entsprechen. Vergeichen wir mit reaen Verformungsexperimenten. Erstaunicherweise sind experimente beobachtete kritische Schubspannungen für den Einsatz pastischer Verformung (entsprechen bis auf keine Geometriefaktoren der Streckgrenze) um 2-3 Größenordnungen keiner as diese erwartete theoretische Schubfestigkeit τ max (siehe Tabee). 5

Materiaphysik II Prof. Dr. Guido Schmitz Materia τ th (10 9 N/m 2 ) τ exp (10 6 N/m 2 ) τ exp / τ th σ b (10 6 N/m 2 ) Ag 1.0 0.37 0.00037 20 A 0.9 0.78 0.00087 30 Cu 1.4 0.49 0.00035 51 Ni 2.6 3.2 0.0070 121 α-fe 2.6 27.5 0.011 150 (Quee: Gottstein) Unsere Modevorsteung der Abgeitung von Gitterebenen hat aso offensichtich noch einen fundamentaen Feher. Der wesentiche Lösungsansatz besteht darin, dass sich die Ebenen nicht as starre Schicht gegeneinander verschieben, sondern schrittweise entang einer Defektinie, weche Versetzung genannt wird. Mit diesen spezieen Kristadefekten müssen wir uns jetzt ausführich beschäftigen. 6