Deutscher Bundestag Drucksache 17/11308 17. Wahlperiode 06. 11. 2012 Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Elisabeth Scharfenberg, Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink, Dr. Thomas Gambke, Katrin Göring-Eckardt, Sven-Christian Kindler, Oliver Krischer, Beate Müller-Gemmeke, Lisa Paus, Brigitte Pothmer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Organspende in Deutschland transparent organisieren Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: DasTransplantationsweseninDeutschlandwirdseiteinigenMonatendurch schweremissständeunterschiedlichsterarterschüttert.dazugehörendievorwürfederbevorzugungvonwartelistenpatientinnenund-patientenaufgrund manipulierteraktenandenuniversitätsklinikengöttingenundregensburg ebensowiediedebatteumdasfragwürdigefinanzverhaltenundversuche politischereinflussnahmedurchdiedeutschestiftungorgantransplantation (DSO).DieseMissständesindnichtnuraufdasVersageneinzelnerAkteure zurückzuführen.vielmehrzeigensichauchdeutlichestrukturelleundorganisatorischedefizite.dasfehleneinerstaatlichenaufsichtsowiediezögerlicheund intransparentewahrnehmungderkontrollfunktionendurchdievorhandenen InstitutionensowieeinzelneLandesbehördenführtendazu,dassRechtsverstöße letztlichgeduldetundnichtsanktioniertwurden.derberichtderbundesregierungzursituationdertransplantationsmedizinindeutschlandzehnjahrenach InkrafttretendesTransplantationsgesetzeszeigtzudemweitereBereicheauf,in denensichdieorganverteilung (Allokation)grundsätzlichalsmanipulationsanfälligerweist (Bundestagsdrucksache16/13740,S.66f.).Auchbenenntdieser BerichtdeutlichdieProbleme,diedurchdieAufspaltungvonVerantwortlichkeitenunddiemangelhafteAusgestaltungundstaatlicheAnbindungderKontrolleinrichtungen bestehen (ebd. S. 52 und 70 ff.). DerDeutscheBundestagistdaherderAnsicht,dasseinepartielleNeuorganisationderOrganspendeinDeutschlandnötigist,umFehlverhaltenfürdieZukunftauszuschließen,strukturelleDefizitezubehebenunddasVertrauender Bevölkerung wieder herzustellen. II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, 1.einen Gesetzentwurf vorzulegen, a)mitdemdiekoordinationvonorgantransplantationenunddieaufsicht überdieamtransplantationswesenbeteiligteneinrichtungenindeutschlandindiehändeeinerjuristischenpersonöffentlichenrechtsüberführt wird,diederrechtsaufsichtdesbundesministeriumsfürgesundheit untersteht;
Drucksache 17/11308 2 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode b)nachdemdieaufsichtsfunktiongegenüberdentransplantationszentren nichtvonamtransplantationsgeschehenaktivbeteiligtenakteurenwahrgenommenwirdunddenkontrolleureneigenständigeermittlungsbefugnisse zur Verfügung stehen; c)derdieamtransplantationsgeschehenbeteiligteneinrichtungender Selbstverwaltungverpflichtet,zukünftigauchschonbeiVorliegendes bloßen Verdachts eines Rechtsverstoßes die zuständigen Landesbehörden und Strafverfolgungsorgane davon in Kenntnis zu setzen; 2.eineunabhängigeBewertungderbestehendenAllokationsregelnzuinitiieren, diedietransparenzundqualitätderbestehendenregelungenevaluiert,ihre Umsetzung untersucht und etwaigen Reformbedarf aufzeigt; 3.dieamTransplantationsgeschehenbeteiligtenEinrichtungenderSelbstverwaltungzuverpflichten,sämtlichePrüfberichtederÜberwachungskommissionnach 11desTransplantationsgesetzes (TPG),derPrüfungskommissionnach 12TPGundderStändigenKommissionOrgantransplantation offenzulegen; 4.einbundesweitesöffentlichesRegisterzuschaffen,indeminanonymer FormsämtlicheOrganvermittlungen,dieaufAusnahmeregelungenbasieren (sog.beschleunigteverfahren,high-urgency-status)einschließlichversichertenstatusderorganempfängersowiesämtlichetransplantationenbei Non-Residentsanonymisierterfasstwerden;dasRegisteristinAbstimmung mitderzuständigendatenschutzbehördezuerrichten,umdieeinhaltungder datenschutzrechtlichenbestimmungenzumschutzderbetroffenenzugewährleisten; 5.ausGründenderQualitätssicherungdieZahlderTransplantationszentren anhanddestatsächlichenbedarfsinderbevölkerungwirkungsvollerzubemessen und ggf. zu reduzieren; 6.einumfassende,unabhängigeStudieinAuftragzugeben,diedieErgebnisqualitätvonOrgantransplantationeneinschließlichdesmedizinischenNutzenundderRisikenfürdieBetroffenendifferenziertnachunterschiedlichen TransplantationsformenundTransplantationszentrenuntersuchtsowieein dauerhaftes Monitoring dieser Aspekte einzuführen; 7.demDeutschenBundestagjährlicheinenBerichtüberUmfangundArtdes TransplantationsgescheheninDeutschlandeinschließlichmöglicherFehlentwicklungen vorzulegen. Berlin, den 6. November 2012 Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion Begründung OrganisationundAufsichtdesTransplantationssysteminDeutschlandliegen etwaimunterschiedzuspanien,frankreichundgroßbritannien imwesentlichenindenhändennichtstaatlicherinstitutionen.dergesetzgeberwarbeider SchaffungdesTPGdavorzurückgescheut,dasTransplantationssystemeigenständigneuzuregelnundhatdiegesetzlichenRahmenbedingungenumdiedamalsbestehendenStrukturenherumgestaltet (vgl.gesetzentwurfderfraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP, Bundestagsdrucksache 13/4355).
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 3 Drucksache 17/11308 DieKoordinationderpostmortalenOrganspendeerfolgtdurcheinefürdiesen ZweckgegründeteStiftungdesPrivatrechts,derDeutschenStiftungOrgantransplantation (DSO).AuftraggeberdieserStiftungsindderSpitzenverband dergesetzlichenkrankenkassen (GKV-Spitzenverband),dieBundesärztekammer (BÄK)unddieDeutscheKrankenhausgesellschafte.V. (DKG).Überwacht wirddiedsointerndurchdeneigenenstiftungsrat,indenvertreterderauftraggeberundderdeutschentransplantationsgesellschafte.v. (DTG)entsandt werden.eineweitereaufsichterfolgtdurchdiesog.überwachungskommissionnach 11TPG,dievondenAuftraggeberngebildetwirdundinderauch VertreterzweierLandesregierungeneinenGast-Statushaben.DieÜberwachungsbefugnissedieserbeiderBÄKangesiedeltenKommissionsindallerdingsstarkbegrenzt.ErstseitderReformdesTransplantationsgesetzesim Frühsommer2012istdieKommissionverpflichtet,beifestgestelltenRechtsverstößendiezuständigenstaatlichenBehördenzuinformieren.Einestaatliche AufsichterfährtdieDSOvonSeitenderzuständigenStiftungsaufsichtdesLandesHessen (RegierungspräsidiumDarmstadt,MagistratderStadtFrankfurtam Main),dieallerdingsäußerstbegrenztundauchnichtaufeineinhaltlicheKontrolle ausgerichtet ist. ÄhnlichverhältessichbeiderVerteilungderpostmortalenOrganspenden,die durch 12TPGeinersog.Vermittlungsstelleübertragenwurde.DieseAufgabe wirddurchdieniederländischestiftungeurotransplant (ET)wahrgenommen, dadeutschlandgemeinsammitbelgien,luxemburg,denniederlanden,österreich,kroatienundslowenienmitglieddiesesinternationalenverbundsystems ist.imvorstandundindervollversammlungderstiftungsindauchdeutsche TransplantationszentrenunddieDTGvertreten.HinsichtlichderfürDeutschlanderfolgtenVermittlungenwirdEurotransplantvondersog.Prüfungskommissionnach 12TPGüberwacht,dievondenAuftraggeberngebildetwird. MitgliederundArbeitsweisederKommissionstimmenweitgehendmitderder Überwachungskommission überein. BeiderBundesärztekammerangesiedeltistebenfallsdieStändigeKommission Organtransplantation (StäKO),dietrotzihrererheblichenBedeutungallerdings überhauptnichtimtransplantationsrechtverankertist.sieisteinausschussder BÄK,dersichselbstu.a.zurAufgabegesetzthat,dieRichtlinienzurOrganspende,-vermittlungund-verteilungvorzubereiten,KriterienfürdieZulassung vontransplantationszentrenzuentwickelnunddiepraxisderorgantransplantationinsgesamtindeutschlandzubeobachten.besetztwirddiestäkomit VertreternderLandesärztekammern,derDTG,derDSO,derStiftungET,der Bundesländer,desBundesministeriumsfürGesundheitundmitunabhängigen Experten.InsgesamtsindsämtlicheSelbstverwaltungsgremienimBereichder TransplantationsmedizinsehrstarkdurchpersonelleVerflechtungenundMehrfach-Mitgliedschaften von Akteuren geprägt. DiestaatlichenAufsichtsmöglichkeitenimTransplantationsbereichsindäußerst begrenzt.dieländerhabenlediglicheinebegrenztemöglichkeit,imrahmen ihrerkrankenhaus-undhochschulaufsichtaufdieentnahmeklinikenundtransplantationszentreneinflusszunehmen.auchdielandesärztekammernhabenim RahmenihrerberufsrechtlichenAufsichtsfunktioneine,allerdingsbeschränkte Kontrollmöglichkeit;derEntzugvonApprobationbeiÄrzten,deneneinFehlverhaltennachgewiesenwerdenkonnte,liegtinderRegelbeidenzuständigen Länderbehörden.DasBundesministeriumfürGesundheitspieltimderzeitigen KontrollsystemkeineRolle.ObwohlderBundesgesetzgebernachArtikel74 Absatz1Nummer26desGrundgesetzes (GG)dieGesetzgebungskompetenzfür RegelungenzurTransplantationvonOrganen,GewebenundZellen zusteht, haterbisherdavonabgesehen,dembundeineaktiverollebeiderorganisation undkontrollederorgantransplantationindeutschlandzuzugestehen.diebundesregierunggingbeiverabschiedungdestransplantationsgesetzesdavonaus, dassdieausgestaltungdessystemsauchsoaufeine tragfähigerechtliche Grundlage gestelltwordensei (AntwortderBundesregierungaufdieSchrift-
Drucksache 17/11308 4 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode lichefragederabgeordnetengudrunschaich-walch,bundestagsdrucksache 13/8162). SeitdemHerbst2011wurdeninDeutschlandmehrereVorgängeimBereichder Transplantationsmedizinöffentlich,diedasVertrauenderBevölkerungindie RedlichkeitdiesesMedizinbereichsnachhaltigerschütterthaben.DazugehörtenzumeinenBerichteüberdieDSO.DieVorwürfe,Krankenkassengelder fürvertragswidrigezweckeverwendetzuhaben,wurdendurchdasgutachten einerwirtschaftsprüfungsgesellschaftwederbestätigtnochvollständigausgeräumt.berichtetwurdeauchübereinefragwürdigeunternehmenskulturundeinenunangemessenumgangmitkritischenmitarbeiternsowiedeneinsatznicht vollapprobierterärzteinentnahmeteams (tazvom12.mai2012,süddeutsche Zeitungvom13.Dezember2011).Zudemwurdebekannt,dassdieDSOüber mehrerejahreeineberlinerconsultingfirmafürpolitischeslobbyingengagiert hatte,derenzielu.a.die AuslotungvonChancenundGefahren,dievonanderenpolitischenGegnernausgehen, [ ]sowiebündnismöglichkeiten seinsollten.aucherklärtedermedizinischevorstandderdso,prof.dr.günterkirste, dassgesprächemitangehörigenvonseitenderdsonichtergebnisoffen geführtwürden,obwohlderdeutschebundestagdieszuvorausdrücklichgesetzlichvorgeschriebenhatte (FrankfurterAllgemeineSonntagszeitungvom 12.August2012;vgl.auchBundestagsdrucksache16/13740,Anhang28, S.568). AusdenoffensichtlichgewordenenMissständenundstrukturellenDefiziten wurdenallerdingskaumschlussfolgerungengezogen.aufgrundderanhaltendenkritiktratderkaufmännischevorstandderdso,dr.thomasbeck,im April2012zurück;dermedizinischeVorstand,Prof.Dr.GünterKirste,hingegenwirdaufBeschlussdesStiftungsratesvom9.Mai2012biszumEndeseiner AmtszeitimJanuar2013weiterhintätigsein.StrukturelleÄnderungenwurden vonseitenderdsoundseinerauftraggeberabgelehnt,einerudimentäreauflistunggeplanterverbesserungenwurdeals Masterplan desdso-stiftungsratesvorgestellt.zeitpunkt,inhaltundverfahrendieserreformenbleibenallerdingsweiterhinimdunkeln.auchdiebundesregierungzogausdenvorgängen nurunzureichendekonsequenzen:mitdenstimmenderkoalitionsfraktionen dercdu/csuundfdpundderfraktionderspdwurdeam25.mai2012eine marginaleänderungindastransplantationsgesetzeingefügt,nachdereinige KontrollrechtederDSO-Auftraggeber,diezumgroßenTeilbislangvertraglich geregelt werden, ins Gesetz übernommen wurden. ImJuli2012decktedie SüddeutscheZeitung auf,dasseinamuniklinikum GöttingenbeschäftigterOberarztunterdemVerdachtstand,imZusammenwirkenmiteinemanderenChefarztinüber20FällenDatenvonPatienten manipuliertzuhaben.dadurchrücktendieseaufdenwartelistennachobenund wurdensobeiderverteilungvonspenderleberndurcheurotransplantbevorzugt.unterdenbevorzugtenpatientensollsichaucheinsog.non-residentbefundenhaben,dernichtindeutschlandlebteunddahereigentlichkeinenanspruchaufzuteilungeinesspenderorgansdurcheurotransplanthatte.auchbei einerfrüherentätigkeitamuniklinikumregensburghattedero.g.oberarztgegenallokationsrichtlinienverstoßen,u.a.indemerimjahr2006einespenderleberwiderrechtlichnachjordanienausgeführtundmehrerejordanische PatientenaufdieWartelistedesUniklinikumsgesetzt,obwohldiesesichnicht iminlandaufhielten.zwarwusstendiezuständigenlandesbehördenvonden Vorwürfen,lehntenaberseinerzeiteinenEntzugderApprobationab.DiezuständigenKontrollgremienderSelbstverwaltungzogennachdemVorlegen ihresprüfberichtsebenfallskeinekonsequenzen.auchindenbekanntgewordenenfälleningöttingenwerdendiedefizitedesderzeitigenkontrollsystems deutlich.beispielsweiseerwiesensichdieermittlungsergebnissedervonder BundesärztekammereingesetztenTask-ForceinGöttingenalsunvollständig; diebeteiligungeinesgastroenterologenandenmanipulationenwurdevon
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 5 Drucksache 17/11308 einerermittlergruppedesuniklinikumsgöttingennachträglichselbstaufgedeckt (SüddeutscheZeitungvom27.Juli2012).ZudemwurdenderPrüfkommissionvorliegendeVerdachtsfälleteilweisenichtandieermittelndenStaatsanwaltschaftenweitergegeben (DIEWELTvom21.Juli2012).AuchdieungewöhnlicheTatsache,dassderbeschuldigteChirurgimJanuar2011dieTransplantationsgebührenfüreinePatientinvonseinemPrivatkontoandieDSO überwiesenhatte,machtediedsoerstanfangaugust2012öffentlich.die ReaktionenvielerAkteurezeigeninderMehrheitzwarBetroffenheitundden WillenzuAufklärungundKontrollverschärfungen.Verwiesenwurdeallerdings auchimmerwiederdarauf,dassessichangeblichumeinenkriminelleneinzelfall handele. ZeitgleichzudiesenVorgängenmusstedieBundesregierungimRahmeneiner SchriftlichenFragedesAbgeordnetenDr.HaraldTerpe (Bundestagsdrucksache 17/9887)zugeben,dassindenletztenJahrenzunehmendmehrOrganenicht überdiewartelistevoneurotransplant,sondernimsog.beschleunigtenverfahrenvergebenwerden.diesesverfahrenberuhtaufeinerausnahmeregelung indenallokationsrichtlinienderbundesärztekammer,mitderbeidrohendem VerfalleinesOrgansTransplantationszenteninregionalerNäheeigenständig einengeeignetenempfängersuchenkönnen.diezahlderdurchdiesesverfahrenvermitteltenorganehatindenletztenjahrenerheblichzugenommen.so stiegderanteilvonsovermitteltenspender-herzenvon8,4prozentimjahr 2002auf25,8ProzentimJahr2012,beiSpender-LungenimgleichenZeitraum von10,6prozentauf30,3prozent,beispender-lebernvon9,1prozentauf 37,1ProzentundbeiSpender-Pankreatavon6,3Prozentauf43,7Prozent.Der PräsidentderBÄK,Prof.Dr.FrankUlrichMontgomery,erklärte,erseidurch diedynamikderentwicklung erheblichirritiert (DERTAGESSPIEGELvom 8.August2012).IneinervonderBundesregierunginAuftraggegebenenStudiezurEntwicklungdesTransplantationswesenshattendieAutorenbereits 2009aufdieIntransparenzdieserundandererAusnahmenvomüblichenVermittlungsverfahrenshingewiesen (BerichtzurSituationderTransplantationsmedizininDeutschlandzehnJahrenachInkrafttretendesTransplantationsgesetzes, Bundestagsdrucksache 16/13740, S. 66 f.). DiejüngstenVorgängebestätigendenEindruck,dassdasSystemderOrganspendeinDeutschland imgegensatzzuandereneuropäischenländernwie beispielsweisespanien einezugeringeunabhängige,staatlichekontrolleerfährt.diekontrollgremienderselbstverwaltungverfügenübersogutwiekeine effektivenermittlungs-odersanktionsbefugnisse.imrahmendesberichtsder Bundesregierungzum10-jährigenBestehendesTPGbeurteilteneinigeBundesländer (Hessen,Sachsen,Schleswig-Holstein)sowiedieBÄK,dieDKGunddie KrankenkassendieTätigkeitderKommissionenausdiesemGrundgrundsätzlichalsineffektiv (Bundestagsdrucksache16/13740,S.52ff.und70ff.;vgl. auchverrelin:middel/pühler/lilie/vilmar,novellierungsbedarfdestransplantationsrechts,s.200ff.).diedsosowieeinigedso-regionenbemängelten zudemdieintransparenzderarbeitderüberwachungskommission.derbäk- PräsidentProf.Dr.FrankUlrichMontgomeryfordertangesichtsderjüngsten Skandale,denÜberwachungs-undKontrollgremiengrundsätzlichmehrKontrollkompetenzenzuzugestehen.DieseGremienmithoheitlichenErmittlungsbefugnissenauszustatten,stößtallerdingsauferheblicherechtsstaatlicheBedenken (vgl.auchaugsbergin:höfling,dieregulierungdertransplantationsmedizin in Deutschland, S. 45). DieBundesländerBayern,Hessen,Schleswig-Holstein,Mecklenburg-VorpommernundRheinland-PfalzhabenbereitsimRahmendesBerichtesdes Bundesregierungzum10-jährigenBestehendesTPGdenWunschnacheiner stärkerenstaatlichenaufsichtüberdiekoordinierungs-unddievermittlungsstellegeäußert,weilsiedieüberwachungdurchdievertragspartnerwegen potentiellerabhängigkeiten und personellergemengelagen alsnichtaus-
Drucksache 17/11308 6 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode reichendempfinden (Bundestagsdrucksache16/13740,S.52f.und70).Der Bundesrat (Bundesratsdrucksache543/06)unddieGesundheitsministerkonferenzderLänder (GMK-Beschlussvom3.Juli2008)fordernseitlangemebenfallseineeffizientestaatlicheAufsicht.AuchExpertenbeklagenvielfachdas FehleneinerstaatlichenAufsichtimBereichderTransplantationsmedizin,die aufeinminimumzusammengeschrumpft wordensei (König,in:Schroth/ König/Gutmann,TPG, 11Rn.16;vgl.auchHöfling,JZ2007,S.481 [482f.]; ders.,kommentarzumtpg, 12Rn.46;ders.,FAZvom1.August2012;Lilie, in:medizinundhaftung FestschriftfürErwinDeutschzum80.Geburtstag, S.331 [333];Gutmann,in:Middel/Pühler/Lilie/Vilmar,Novellierungsbedarf destransplantationsrechts,s.26;ders.,tazvom10.januar2012;neft,nzs 2010,16 [20]).AuchseidasKontrollregimewegenInteressensverknüpfungen zwischenkontrollierendenundkontrolliertennichteffektiv (Höfling,KommentarzumTPG, 12Rn.47).DieseStimmenhaltenausrechtsstaatlichen GründeneineÜberführungderOrganspende-KoordinationinstaatlicheHände oderzumindesteinwirksamesstaatlicheskontrollsystemebenfallsfürzwingenderforderlich (Höfling,FAZvom1.Augst2012;Gutmann,in:Middel/ Pühler/Lilie/Vilmar,NovellierungsbedarfdesTransplantationsrechts,S.26; Neft,NZS2010,16 [20]).DasderzeitigeSystemverstößtnachihrerAnsichtin erheblicherweisegegendasrechtsstaatsprinzip,weildietätigkeitderbeteiligteninstitutionenaufgrundihrergrundrechtsrelevanzderausübungstaatlicher Gewaltentspricht,gleichzeitigaberwedereineexekutiveodergerichtliche ÜberprüfungdergetroffenenEntscheidungenzulassenochanderweitiginein staatlicheskontrollregimeeingebundensei (Höfling,KommentarzumTPG, 12Rn.13,46;Gutmann,in:Middel/Pühler/Lilie/Vilmar,Novellierungsbedarf des Transplantationsrechts, S.26 m.w.n.). DerGesetzgeberhatbeiderErrichtungdesTPGdaraufverzichtet,detaillierte Allokationskriterienfestzulegen. 12Absatz3Satz1TPGerklärt,dassdie VermittlungnachRegeln,diedemErkenntnisstanddermedizinischenWissenschaftentsprechen,insbesonderenachErfolgsaussichtundDringlichkeiterfolgen soll. InderPraxisgestaltendieAllokationsrichtlinienderBÄKdenRahmender Organverteilungaus.SieenthaltenauchRegelungen,dienichtinersterLinie medizinisch-fachlichevorgabenbeinhalten,sondernalsnormativekriterien ethischeodersogarrechtlichebedeutunghaben.sowerdenbeispielsweisedie WartezeitderPatienten,regionaleAspekte (AustauschbilanzimET-Verbunden) oderdasalterderempfängeralszusätzlichekriterienhinzugezogen,diein ersterlinieaufdemgerechtigkeitsaspektberuhen.dieallokationskriterien wurdenvonderbäkimlaufederzeitmodifiziert,insbesonderewurdedem KriteriumderDringlichkeit beispielsweisedurchdieeinführungdesmeld- Scores einehöherebedeutungzugemessen (vgl.auchdarstellungbei Gutmann,in:Middel/Pühler/Lilie/Vilmar,NovellierungsbedarfdesTransplantationsrechts,S.22f.;Höfling,FAZvom15.Dezember2011).Auchwurden AusnahmenvomgrundsätzlichenWartelisten-Procedere (High-Urgency-Status, sog. beschleunigtes Verfahren) statuiert. ÜberdieAufnahmevonPatientinnenundPatientenaufdieWarteliste,ggf.mit besonderemdringlichkeitsstatusentscheidendiebehandelndenärztinnenund ÄrzteamjeweiligenTransplantationszentrum.DieDatenderWartelistenpatientenwerdenvondenZentrenandieZentralevonEurotransplantweitergegeben. WennEurotransplanteinpostmortalerOrganspendergemeldetwird,teiltesdie Organeanhanddero.g.KriterieneinemEmpfängerzu.DiezuständigenÄrztinnenundÄrzteamjeweiligenTransplantationszentrumentscheidendannvor Ortendgültig,obsiedemausgesuchtenOrganempfängerdasOrganübertragen. InAusnahmefällenwiedemsog.beschleunigtenVerfahren (s.o.)erfolgtdie ZuteilunganeinenEmpfängerdirektdurchdieTransplantationszentrenvorOrt. DerProzessderOrganvermittlungistfürstaatlicheInstitutionenundPatientin-
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 7 Drucksache 17/11308 nenundpatientennichttransparent;siemüssenaufeineordnungsgemäßeverteilung vertrauen. Diesog.AllokationsrichtlinienhabensichspätestensseitdenjüngstenEnthüllungenalsüberprüfenswerterwiesen.AllerdingshatteschonderBericht zum10-jährigenbestehendestpgimjahr2009schwachstellenbeider Organvermittlungbenannt:SowurdederhoheAnteilthorakalerOrgane (Herz, Lunge),dieaufgrundeinesbesonderenDringlichkeitsstatusvergebenwerden, alsproblematischbezeichnet,weildervermittlungsprozessintransparentund manipulationsanfälligsei (Bundestagsdrucksache16/13740,S.65,67).Auch dassog.beschleunigtevermittlungsverfahrenwurdeimrahmendiesesberichtesvonkrankenkassen,bäk,dkgundeurotransplantkritisiert (ebd.,s.66). MehrereBundesländersowieVertreterderDTGundeinzelnerTransplantationszentrenbezeichnetendenVermittlungsprozessalsintransparentfürdiebetroffenen Patientinnen und Patienten (ebd., S. 69). Zu den Vorschlägen im Einzelnen: Zu Nummer1 Zu Buchstabea DieKoordinierungderOrgantransplantationunddieAufsichtüberdieam TransplantationswesenbeteiligtenEinrichtungeninDeutschlandwerdenindie HändeeinerjuristischenPersonöffentlichenRechtsüberführt,diederRechtsaufsichtdesBundesministeriumsfürGesundheituntersteht.MöglichwärebeispielsweisedieSchaffungeinerAnstaltdesöffentlichenRechts,dievomBundesgesetzgeberfürjedeAufgabeerrichtetwerdenkann,fürdiedemBunddie Gesetzgebungskompetenzzusteht.DiesistimFallderOrgantransplantation nachartikel74absatz1nummer26ggderfall.dieanstaltwärealsselbstständigerrechtsträgerinderlage,ihreaufgabemiteinemfachlichspezialisiertenverwaltungsapparateigenverantwortlichwahrzunehmen,beibedarfauch durcheineföderaleuntergliederungwiebisher.diepartizipationundfinanziellebeteiligungvoninteressenvertreternwiedenderzeitigendso-auftraggebern wäre ebenfalls weiterhin möglich. Zu Buchstabeb BeiderAusgestaltungderneuzuschaffendenEinrichtungistallerdingsdarauf zuachten,dassdieaufsichtsfunktionkünftignichtvonunmittelbaramtransplantationsgeschehenaktivbeteiligtenakteurenwahrgenommenwird.zudem müssendenkontrolleureneigenständige,hoheitlicheermittlungsbefugnisse gegenüberdenamtransplantationsgeschehenbeteiligteneinrichtungenzur Verfügunggestelltwerden,mittelsderersieihreAufsichtsfunktionwirksam wahrnehmen können. Zu Buchstabec Nach 11Absatz3Satz6und 12Absatz5Satz5TPGsindÜberwachungsundPrüfungskommissionverpflichtet,ErkenntnisseüberVerstößegegendas TransplantationsgesetzundaufGrunddiesesGesetzeserlasseneRechtsverordnungenandiezuständigenBehördenderLänderweiterzuleiten.Obeinsolcher Verstoßvorliegt,unterliegtbislangderEinschätzungderKommission.Daes sichbeiderbeurteilung,obeinstraftatbestanderfülltist,aberumeineoriginäreaufgabederstrafverfolgungsorganehandelt,diedurchdieo.g.gremien nichtersetztwerdenkann,sollendiekommissionenzukünftigverpflichtetwerden,auchschonbeivorliegeneinesentsprechendenverdachtsdiezuständigen Behörden zu informieren.
Drucksache 17/11308 8 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Zu Nummer 2 ImHinblickaufdiejüngstaufgetretenenUnsicherheitenbeiderOrganvergabe wirddiebundesregierungverpflichtet,eineunabhängigebewertungderbestehendenallokationsregelnzuinitiieren,diedietransparenzundqualitätder bestehendenregelungenevaluiert,ihreumsetzunguntersuchtundetwaigen Reformbedarfaufzeigt.DabeisollenauchAusnahmeregelungenzumgrundsätzlichenOrganvergabeverfahren,dieausmedizinischenGründennotwendig sein können (z. B. sog. beschleunigte Verfahren) bewertet werden. Zu Nummer3 DieUntersuchungsergebnissederbeiderBÄKangesiedeltenKontrollkommissionensindfürAußenstehendebislangnichtzugänglichunddahervollkommen intransparent.erstangesichtsderbekanntgewordenengeschehnisseinden UniversitätsklinikenGöttingenundRegensburgunddesdamitverbundenenöffentlichenInteressesundDrucksentschiedendieKommissionenfreiwillig,ZusammenfassungenderBerichtefürdieJahre2001bis2011zuveröffentlichen. EinegesetzlicheVeröffentlichungspflichtgibtesbislangallerdingsnicht.Auch diesverhinderteineadäquatereaktionaufbestehendemissstände.diezuständigengremienwerdendaherverpflichtet,sämtlicheprüfberichteauchfür dievergangenheitoffenzulegen,umeinenüberblicküberaufgetretenesfehlverhaltenundeinedarausfolgendeadäquatereaktiondesgesetzgeberszuermöglichen. Zu Nummer4 UmregionaleHäufungenbeiderNutzungvonAusnahmebestimmungenzur Organverteilung (High-Urgency-Status,beschleunigtesVerfahren)zuerkennen undeinemmöglichenmissbrauchfrühzeitigentgegentretenzukönnen,sollein bundesweitesöffentlichesregistergeschaffenwerden,indeminanonymisierterformsämtlicheorganvermittlungen,dieaufdiesenausnahmeregelungen basieren,einschließlichversichertenstatusderorganempfängererfasstwerden. EinentsprechendesRegistersollausdengleichenGründenauchfürTransplantationenbeisog.Non-Residentserstelltwerden.DasRegisteristinAbstimmungmitderzuständigenDatenschutzbehördezuerreichten,umdieEinhaltungderdatenschutzrechtlichenBestimmungenzumSchutzderBetroffenen zu gewährleisten. Zu Nummer5 DiehoheZahlvonTransplantationszentreninDeutschlandinRelationzuden stattfindendentransplantationenhatzufehlanreizengeführt.dadurchhaben sichstarkeüberkapazitätenentwickeltundeinzelnezentrensinddemständigendruckausgesetzt,dienotwendigenmindestmengenantransplantationen auchzuerreichen (RüdigerStrehl,FAZvom15.August2012).ZurQualitätssicherungundVorbeugungvonManipulationensolltedieZahlderTransplantationszentreninDeutschlanddaherentsprechendendemtatsächlichenBedarf begrenztwerden.dieentscheidungistimeinvernehmenmitdenländernzu treffen. Dabei ist auf eine sachgemäße regionale Verteilung zu achten. Zu Nummer6 InDeutschlandgibtesbislangkeineumfassendeAnalysezurErgebnisqualität undzummedizinischennutzenvonorgantransplantationen.umdiederzeitige Praxis,beispielsweisedieAuswirkungenderaktuellenAllokationsrichtlinien, wirksambeurteilenundggf.schlussfolgerungendarausziehenzukönnen,bedarfeseinerumfassenden,unabhängigenstudie,diedieergebnisqualitätvon OrgantransplantationeneinschließlichdesmedizinischenNutzensundderRisikenfürdieBetroffenendifferenziertnachunterschiedlichenTransplantations-
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 9 Drucksache 17/11308 formenundtransplantationszentrenuntersucht.einbezogenwerdensollteninsbesonderedieüberlebensratenderpatienten,derbedarfvonre-transplantationensowiedieerfassungvonlebensqualitätundgesundheitlichen (Spät-)FolgenderTransplantationfürOrganempfängerundLebendspender.Zudemsollte zu diesen Aspekten ein dauerhaftes Monitoring eingeführt werden. Zu Nummer7 DamitderGesetzgeberregelmäßigüberdieSituationderTransplantationsmedizininDeutschlandinformiertwirdundbeiBedarfdrohendenFehlentwicklungenauchdurchgesetzlicheÄnderungenvorbeugenkann,wirddie Bundesregierungverpflichtet,demDeutschenBundestagjährlicheinenBericht überumfangundartdestransplantationsgeschehensindeutschlandeinschließlich bestehender Missstände und Auffälligkeiten vorzulegen.
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