Fall 3.5 Die Eltern von Friederike wollen ihr zum vierzehnten Geburtstag einen Geldbetrag in Höhe von 200 zukommen lassen, weil sie befürchten, es ihr durch ein anderes Geschenk nicht recht zu machen. Von ihrer Tante bekommt Friederike 100 geschenkt. Von dem Geld ihrer Eltern kauft Friederike sich ein schickes Minikleid. An der Kasse bemerkt sie, dass ihr Portemonnaie, in dem sie die 200 ihrer Eltern verwahrt hatte, gestohlen worden ist. Sie vereinbart deshalb mit dem Verkäufer Volker, dass sie das Kleid in vier Monatsraten zu je 50 von ihrem Taschengeld bezahlen wird. Das Geld der Tante, das sie noch in der Hosentasche bei sich trägt, verwendet Friederike dazu, ein Paar hochhackige Pumps zu erstehen. Ihre Eltern sind entsetzt. Können sie gegen die Käufe ihrer Tochter etwas unternehmen? A. Erstes Geschäft (Minikleid) Frederike (F) könnte ein Anspruch gegen Volker (V) auf Rückgabe des Geldes aus 812 I 1 Fall 1 BGB haben, den ihre Eltern (E) im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht ( 1626 I 1, 1629 I 1 BGB) geltend machen können. E (F) V 812 I 1 BGB auf Herausgabe des Geldes I. 1) Etwas Erlangt: Besitz und Eigentum ( 948 I, 947 II BGB) am Geld (+) 2) Durch Leistung, d.h. bewusste und zweckgerichtete Mehrung des Vermögens von V durch F (+) 3) Ohne Rechtsgrund (+) a) Kaufvertrag, zwei übereinstimmende Willenserklärungen (+) b) Wirksamkeit des Kaufvertrages gem. 108 I BGB aa) Anwendbarkeit des 108 I BGB (+) F ist gem. 2, 106 BGB beschränkt geschäftsfähig bb) Vertragsschluss (+) Kaufvertrag ist ein Vertrag, 111 BGB nicht einschlägig cc) Handeln ohne die erforderliche Einwilligung (+) (1) Erforderlichkeit der Einwilligung (+) Erforderlichkeit ergibt sich aus 107 BGB; Abschluss des Kaufvertrages bringt Pflicht der F zur Zahlung des Kaufpreises mit sich, daher ist er nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. (2) Fehlen der erforderlichen Einwilligung (+) Ausdrückliche vorherige Zustimmung ( 182, 183 BGB) der Eltern als gesetzliche Vertreter ( 1626 I 1, 1629 I 1 BGB) liegt nicht vor. Allerdings könnte der Sonderfall des 110 BGB greifen und daher hinsichtlich der 200 eine Generaleinwilligung vorliegen. 1
Jedoch fallen Ratenzahlungsverträge nicht unter 110 BGB; bewirken meint vollständige Erfüllung durch den Minderjährigen, damit sich dieser nicht über seine Leistungsfähigkeit hinaus verpflichten kann; dass F hier ursprünglich über 200 verfügte, ist nicht relevant, denn sie kann damit ihre Pflicht aus dem Kaufvertrag nicht mehr begleichen. Ergebnis: F handelte ohne die erforderliche Einwilligung dd) Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter (-) 1629 I 1 BGB die gesetzlichen Vertreter sind, liegt nicht vor. Vielmehr sind sie entsetzt über den Einkauf der F, worin die Verweigerung der Genehmigung gegenüber der F ( 182 I BGB) zu sehen ist. c) Ergebnis: Der Vertrag ist mithin gem. 108 I unwirksam. 4) Ergebnis: V hat daher Eigentum und Besitz an den Geldscheinen ohne Rechtsgrund erlangt, so dass die Eltern in Vertretung der F gem. 812 I 1 BGB 200 herausverlangen können, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei Geldschulden um Wertsummenschulden handelt. Dann muss gem. 812 I 1 BGB nur ein Geldbetrag in derselben Höhe, nicht jedoch dieselben Scheine herausgegeben werden. Geht man hingegen davon aus, dass sich der Anspruch aus 812 I 1 BGB nur auf die hingegebenen Scheine bezieht, die sich nicht mehr unterscheiden lassen, ergibt sich der Anspruch auf Herausgabe eines Betrages in Höhe von 200 aus 812 I 1, 818 II BGB. II. Ergebnis Anspruch: E (F) V 812 I 1 (, 818 II) BGB auf 200 (+) B. Zweites Geschäft (Pumps) Prüfung wie oben; hier kommt ebenfalls 110 BGB in Betracht. Jedoch greift 110 BGB auch in dieser Fallkonstellation nicht, denn die Mittel wurden weder von dem gesetzlichen Vertreter ( 1626 I 1, 1629 I 1 BGB, die Eltern) noch mit dessen Zustimmung überlassen. Ergebnis: Anspruch E (F) V 812 I 1 (, 818 II) BGB auf 100 (+) Fall 3.6. Die 17jährige Isabell soll ihre Großmutter in Lausanne besuchen. Um das ihr von ihren Eltern überlassene Fahrgeld zu sparen, fährt sie per Anhalter. Der Finanzbeamte Karl Ernst, der sie mitnimmt, lässt sich von Isabell einen Revers unterschreiben, nach dem er jede Haftung für Verschulden ausschließt. Ernst verursacht durch leichte Fahrlässigkeit einen Unfall, bei dem Isabell verletzt worden ist. Sie verlangt Ersatz der Behandlungskosten und Schmerzensgeld. Mit Recht? (Dazu BGH, NJW 1958, 905; BGHZ 34, 355; BGH, NJW 1966, 41; Schack, BGB, Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 1995, Rdnr. 196 ff.) 2
Isabell (I) Ernst (E) Behandlungskosten und Scherzensgeld aus 823 I i.v.m. 253 II BGB I. 1) Rechtsgutsverletzung (+) Körper und Gesundheit 2) Rechtswidrigkeit (+) 3) Kausalität (+) 4) Verschulden: eigentlich 276 I (+) leichte Fahrlässigkeit (P) wirksamer Haftungsausschluss? a) zwei übereinstimmende Willenserklärungen (+) b) Wirksamkeit des Haftungsausschlusses gem. 108 I BGB (-) aa) Anwendbarkeit des 108 I BGB (+) I ist gem. 2, 106 BGB beschränkt geschäftsfähig bb) Vertragsschluss (+) Haftungsauschluss ist ein Vertrag, 111 BGB nicht einschlägig. cc) Handeln ohne die erforderliche Einwilligung (+) (3) Erforderlichkeit der Einwilligung (+) Erforderlichkeit ergibt sich aus 107 BGB; Haftungsausschluss nimmt I das Recht, Schadensersatz zu verlangen und ist daher nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. (4) Fehlen der erforderlichen Einwilligung (+) der Eltern als gesetzliche Vertreter ( 1626 I 1, 1629 I 1 BGB) liegt nicht vor. dd) Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter (-) 1629 I 1 BGB gesetzliche Vertreter sind, ist ebenfalls nicht ersichtlich. c) Ergebnis: Haftungsausschluss ist gem. 108 I BGB unwirksam. Zudem wäre ein solcher Haftungsausschluss gem. 276 III BGB unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion, d.h. die Aufrechterhaltung des Ausschlusses hinsichtlich grober und leichter Fahrlässigkeit, kommt nicht in Betracht, denn sonst könnte der Haftende risikolos gegen 276 III BGB verstoßende Haftungsausschlüsse abschließen. 5) Rechtsfolge: Schadensersatz 249 I, II BGB; Schmerzensgeld 253 II BGB II. Ergebnis: Anspruch I E Behandlungskosten und Scherzensgeld aus 823 I i.v.m. 253 II BGB (+) 3
Des weiteren steht I der Anspruch auf Ersatz der Behandlungskosten und Schmerzensgeld gem. 823 II BGB ivm. 229 StGB, 253 II BGB zu. Fall 3.7 Die Eheleute Albrecht haben namens ihrer 17jährigen Tochter Sabine mit dem Inhaber eines Textilgeschäfts Bertram einen Arbeitsvertrag geschlossen, wonach ihre Tochter als Verkäuferin zu dem üblichen Tariflohn beschäftigt werden sollte. Ohne Wissen ihrer Eltern kündigt Sabine das Arbeitsverhältnis fristgemäß und nimmt gegen ein um 200 höheres Gehalt eine Stelle in der Modeboutique Mohr an. Sind die Rechtsgeschäfte wirksam? A. Wirksamkeit der Kündigung I. Kündigungserklärung, Tatbestand der Willenserklärung (+) II. Wirksamkeit der Kündigungserklärung, 111 S. 1 BGB (-) 1) Beschränkte Geschäftsfähigkeit der S (+) a) 2, 106 BGB (+) b) 113 BGB: partielle Geschäftsfähigkeit hinsichtlich der Kündigung (-) Grundsätzlich würde die Kündigung unter 113 I 1 BGB (Aufhebung eines Dienst/Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art) fallen; aber die Voraussetzung des 113 I 1 BGB, die Ermächtigung (könnte auch durch schlüssiges Verhalten gegeben werden) ist hier nicht gegeben, da die Eltern den Arbeitsvertrag selbst abgeschlossen haben. 2) Einseitiges Rechtsgeschäft (+) Kündigung ist einseitiges Rechtsgeschäft 3) Handeln ohne die erforderliche Einwilligung (+) a) Erforderlichkeit der Einwilligung Erforderlichkeit ergibt sich aus 107 BGB. Aufgrund der Kündigung geht S ihres Anspruchs auf Lohnzahlung verlustig, so dass die Kündigung nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist. b) Fehlen der erforderlichen Einwilligung der Eltern als gesetzliche Vertreter ( 1626 I 1, 1629 I 1 BGB) liegt nicht vor. 4) Ergebnis: Kündigung gem. 111 S. 1 BGB unwirksam III. Ergebnis: Die Kündigung ist unwirksam. B. Wirksamkeit des neuen, ähnlichen Arbeitsverhältnisses I. Arbeitsvertrag, zwei übereinstimmende Willenserklärungen (+) II. Wirksamkeit gem. 108 I BGB (-) 4
1) Beschränkte Geschäftsfähigkeit der S a) 2, 106 BGB (+) b) 113 BGB: partielle Geschäftsfähigkeit hinsichtlich der Kündigung (-) Grundsätzlich würde der Abschluss des neuen Arbeitsvertrages unter 113 I 1 BGB (Eingehung eines Dienst/Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art) fallen; aber die Voraussetzung des 113 I 1 BGB, die Ermächtigung (könnte auch durch schlüssiges Verhalten gegeben werden) ist hier nicht gegeben, da die Eltern den Arbeitsvertrag selbst abgeschlossen haben. 2) Vertragsschluss (+) Arbeitsvertrag ist ein Vertrag, 111 BGB nicht einschlägig. 3) Handeln ohne erforderliche Einwilligung (+) a) Erforderlichkeit der Einwilligung (+) Erforderlichkeit ergibt sich aus 107 BGB; Abschluss des Arbeitsvertrages bringt die Pflicht der S zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung mit sich und ist daher nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. b) Handeln ohne die erforderliche Einwilligung (+) der Eltern als gesetzliche Vertreter ( 1626 I 1, 1629 I 1 BGB) liegt nicht vor. 4) Genehmigung der gesetzlichen Vertreter (-) 1629 I 1 BGB gesetzliche Vertreter sind, ist ebenfalls nicht ersichtlich. 5) Ergebnis: Neues Arbeitsverhältnis ist noch schwebend unwirksam gem. 108 I BGB. III. Ergebnis: Wirksamkeit des neuen Arbeitsverhältnisses hängt gem. 108 I BGB von der Genehmigung der Eltern ab. Fall 3.8 Der 16jährige Karl verfügt eigenhändig für den Fall seines Todes, dass sein Bruder Emil ihn als Alleinerbe beerben soll. Ist dieses Testament wirksam? Sonderfall der Testierfähigkeit: Schon ab 16 Jahren, 2229 I BGB, aber nicht privatschriftlich, 2247 IV BGB, sondern nur öffentlich, 2231 BGB Ergebnis: Testament nicht wirksam. 5