Die Erbschaftssteuerreform zum 01.01.2009. Ein Überblick - Die Auswirkungen der Reform:

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Die Erbschaftssteuerreform zum 01.01.2009 unter Berücksichtigung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes mit Wirkung zum 01.01.2010 Ein Überblick - Die Auswirkungen der Reform: Die Erbschaftssteuerreform betrifft jeden Menschen, der sich einen gewissen Lebensstandard erarbeitet hat. Insbesondere sollten sich aber diejenigen mit dem Thema befassen, die größere Bar- oder Wertpapiervermögen, Immobilien oder einen Betrieb, eine Praxis oder Kanzlei ihr Eigen nennen. Diese Personen sind von der Erbschaftssteuerreform massiv betroffen. Zum Teil haben sie nach den zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Regelungen erheblich geringere, zum Teil aber auch wesentlich höhere Lasten zu tragen als unter dem bislang geltenden Erbschaftssteuerrecht. Es änderten sich dabei nicht nur die Steuerklassen, Freibeträge und Steuersätze, auch Änderungen bei der Bewertung von Immobilien- und Betriebsvermögen haben stattgefunden. Die neuen Regelungen beziehen sich sowohl auf den Erwerb von Todes wegen, also durch Erbfall, als auch den Erwerb unter Lebenden, also Schenkungen. Es sind daher auch diejenigen Personen betroffen, die ihr Immobilienvermögen oder ihren Betrieb noch zu Lebzeiten, zum Beispiel per Schenkung, an einen Nachfolger übertragen möchten. Daher besteht Handlungsbedarf derart, dass sich jeder potentiell Betroffene kundig machen sollte, inwieweit er durch die aktuellen Regelungen betroffen, ggf. auch beeinträchtigt sein kann und wie er unter den neuen Regelungen mögliche Nachteile vermeiden kann. Wir weisen darauf hin, dass das DEI keine individuelle Rechtsberatung leistet. Ein persönliches Beratungsgespräch mit einem Rechtsanwalt und/oder Steuerberater kann durch unsere Materialien und Veranstaltungen nicht ersetzt werden. 1

Gliederung 1. Zeitlicher Aspekt, Wahlrecht 2. Freibeträge, Steuerklassen, Steuersätze 3. Bewertung der Vermögensgegenstände 3.1 Bar- und Wertpapiervermögen 3.2 Immobilienvermögen 3.2.1 Unbebaute Grundstücke 3.2.2 Bebaute Grundstücke 3.2.3 Neue Regelungen 3.3 Betriebsvermögen 3.3.1 Bewertung 3.3.2 Verschonungsregeln 3.3.2.1 "5-Jahres-Regel" 3.3.2.2 "7-Jahres-Regel" 3.3.2.3 Wahlrecht 3.3.2.4 Wegfall der Begünstigungen 3.3.2.5 Sonstiges 4. Lebensversicherungen, Renten, Nutzungen und Leistungen 5. Steuererstattungsansprüche 6. Maßnahmen, Hinweise 2

Die Erbschaftssteuerreform Grund für die anstehende Neuregelung des Erbschaftssteuerrechts war eine folgenreiche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem November 2006. In dieser hat das Gericht die bisherigen Erbschaftssteuerregelungen für verfassungswidrig erklärt, da diese eine unterschiedliche Bemessungsgrundlage für verschiedene Arten von Vermögen vorsahen. So wurde nach dem alten Recht z.b. Immobilienvermögen geringer besteuert als ein Wertpapiervermögen in gleicher Höhe. Dies verstieß nach dem BVerfG unter anderem gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Grundgesetz. Dem Gesetzgeber wurde in der Entscheidung aufgegeben, bis spätestens zum 31.12.2008 eine neue, verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Dies ist sprichwörtlich in letzter Minute geschehen: zum 30.12.2008 hat unser Bundespräsident das neue Gesetz unterzeichnet. 1. Zeitlicher Aspekt, Wahlrecht Das neue Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht gilt für alle Erb- und Schenkungsfälle, die nach dem 01.01.2009 aufgetreten sind. Es gab für die von einem Erbfall Betroffenen ein Wahlrecht derart, dass auf Antrag bei der Finanzverwaltung das neue Recht für Erbfälle zwischen dem 01.01.2007-31.12.2008 angewendet werden musste, solange noch keine bestandskräftigen Steuerbescheide bestehen. Es wurden hierbei jedoch die alten, geringeren Freibeträge angewandt. Bei Schenkungen gab es kein Wahlrecht, auch blieben die alten Freibeträge bestehen. In der Regel führt die Wahl des neuen Rechts also dazu, dass bei alten Freibeträgen meist schlechtere Bewertungsmethoden angewandt werden. Dieser Aspekt hat sich zwischenzeitlich erledigt, da die Periode zur Ausübung 3

des Wahlrechts zum 30.06.2009 bereits abgelaufen ist. 2. Freibeträge, Steuerklassen, Steuersätze Die Freibeträge haben sich in sachlicher und persönlicher Sicht erheblich geändert. Dies sei anhand der nachstehenden Tabelle für die persönlichen Freibeträge verdeutlicht: Steuerklasse/ Personen Altes Recht bis 31.12.2008, Freibetrag bis Neues Recht ab 01.01.2009, Freibetrag bis Ehegatte 307.000,- 500.000,- Kinder, Stiefkinder 205.000,- 400.000,- Enkel 51.200,- 200.000,- Eltern, Großeltern 51.200,- 100.000,- bei Schenkung 20.000,- Personen der Steuerklasse II 10.300,- 20.000,- Personen der Steuerklasse III 5.200,- 20.000,- Die Steuerklassen stellen sich nach wie vor wie folgt dar: Steuerklasse I Steuerklasse II Steuerklasse III 1. Ehegatte 2. Kinder und Stiefkinder 3. Abkömmlinge der in Nr. 2 genannten Kinder und Stiefkinder 4. Eltern und Voreltern bei Erwerben von Todes wegen 1. Eltern und Voreltern, soweit nicht zu Steuerklasse I gehörig 2. die Geschwister 3. die Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern 4. die Stiefeltern 5. die Schwiegerkinder 6. die Schwiegereltern 7. der geschiedene Ehegatte Alle anderen Personen Hieraus wird deutlich: Personen in der Steuerklasse I profitieren von der Neuregelung durch erheblich erhöhte Freibeträge. Dies sind insbesondere Ehegatten, Kinder und Enkel. Auf Grund der angestrebten Gleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft sind die eingetragenen Lebenspartner den Ehegatten hinsichtlich des Freibetrags gleichgestellt. 4

Insgesamt wird also eine Begünstigung von nahen Verwandten angestrebt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Personen von nun an immer weniger Steuern zahlen müssten als vorher. Denn die Bewertungsmethoden, die zur Ermittlung des zu versteuernden Vermögens herangezogen werden, änderten sich zum Teil zu Lasten der Betroffenen. Diese Methoden werden weiter unten dargestellt. Die Steuersätze sind ebenfalls gravierenden Änderungen unterworfen, wie die nachstehenden Tabellen verdeutlichen: Prozentsätze der Steuer nach altem Recht Wert des steuerpflichtigen Erwerbs: bis Prozentsatz in der Steuerklasse I Prozentsatz in der Steuerklasse II Prozentsatz in der Steuerklasse III 52.000,- 7 12 17 256.000,- 11 17 23 512.000,- 15 22 29 5.113.000,- 19 27 35 12.783.000,- 23 32 41 22.565.000,- 27 37 47 > 22.565.000,- 30 40 50 Prozentsätze der Steuer nach neuem Recht Wert des steuerpflichtigen Erwerbs: bis Prozentsatz in der Steuerklasse I Prozentsatz in der Steuerklasse II 2009 2010 Prozentsatz in der Steuerklasse III 75.000,- 7 30 15 30 300.000,- 11 30 20 30 600.000,- 15 30 25 30 6.000.000,- 19 30 30 30 13.000.000,- 23 50 35 50 26.000.000,- 27 50 40 50 > 26.000.000,- 30 50 43 50 Es werden vor allem für die Steuerklassen II und II negative Auswirkungen deutlich, die entsprechenden Steuersätze sind im Vergleich zur vorherigen Regelung deutlich erhöht. So beträgt beispielsweise der Eingangssteuersatz für die Steuerklasse II bereits satte 30% (vorher: 17%). 5

Die Besteuerung kleiner und mittlerer Vermögen bis 600.000 in diesen beiden Steuerklassen führt zu einer erheblichen Verschlechterung im Vergleich zur vorherigen Regelung. Damit sind z.b. insbesondere Geschwister und Nichten/Neffen im Vergleich zur alten Rechtslage dadurch benachteiligt, dass sie sich erheblich höheren Eingangssteuersätzen ausgesetzt sehen (dazu unten). Partner in eingetragenen Lebenspartnerschaften haben zwar den Freibetrag von 500.000 (s.o.), werden jedoch in der Steuerklasse III mit 30-50% veranschlagt. Sie können jedoch den Versorgungsfreibetrag in Höhe von 256.000 in Anspruch nehmen sowie die sachlichen Freibeträge der Steuerklasse I. 3. Bewertung der Vermögensgegenstände In diesem Rahmen sind mit dem neuen Recht erhebliche Veränderungen vorgenommen worden. Es ist dabei zu unterscheiden zwischen Immobilien/Grundstücksvermögen, Betriebsvermögen/Vermögen in Form von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, land-/ forstwirtschaftlichem Vermögen sowie Bar- und Wertpapiervermögen. 3.1 Bar- und Wertpapiervermögen Bei Bar- und Wertpapiervermögen gibt es keine relevanten Auswirkungen, sie werden wie bisher mit dem Nennwert angesetzt. 3.2 Immobilienvermögen Immobilienvermögen ist vorrangig mit dem Vergleichswertverfahren zu bewerten. Es sind hierbei die Verkaufspreise vergleichbarer Grundstücke heranzuziehen. Bei Mietgrundstücken wird das Ertragswertverfahren angewandt. In diesem komplexen Verfahren spielen die übliche Jahresmiete, die Bodenwertverzinsung 6

sowie ein Alterabschlag von 0,5% der Jahresmiete für jedes volle Altersjahr des Gebäudes eine Rolle. Schließlich wird das sog. Sachwertverfahren angewandt, wenn mit keinem der vorgenannten Verfahren ein Wert ermittelt werden kann (insb. bei Ein- und Zweifamilienhäusern kein Vergleichswert ermittelt werden kann oder bei anderen Gebäuden keine übliche Vergleichsmiete existiert). Hierbei spielen Faktoren wie Grundstücksgröße, Alter und (ggf. fiktive) Herstellungskosten eine Rolle. Es wird weiter nach bebauten und unbebauten Grundstücken differenziert, wie bisher auch. Bebaute Grundstücke werden wiederum unterteilt in - Ein- und Zweifamilienhäuser, Wohn- und Teileigentum - Wohn- und Geschäftsmietgrundstücke - Grundstücke mit gemischter Nutzung - Sonstige Grundstücke 3.2.1 Unbebaute Grundstücke Der zugrunde zu legende Wert (Bewertung) ergibt sich aus: Grundstücksfläche in m 2 x Bodenrichtwert Der Bodenrichtwert wird von den zuständigen Gutachterausschüssen nach dem BauGB ermittelt. 3.2.2 Bebaute Grundstücke Deren Wert wird mit den vorstehenden drei Verfahren ermittelt. Für Wohnzwecken vermietete Grundstücke gibt es mehrere Vergünstigungen: zu - 10% Wertabschlag, wenn das Grundstück in Deutschland oder der EU liegt - Stundungsmöglichkeit für bis zu 10 Jahre, um den Verkauf zur Steuerbegleichung zu verhindern 7

3.2.3 Neue Regelungen Eine gesonderte Bewertung von Betriebsgrundstücken wird nicht mehr erfolgen. Im Falle eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks werden das Erbbaurecht und das Grundstück separat bewertet. Es gibt nun besondere Regelungen für von Ehegatten oder Kindern/Enkeln bewohntes Immobilienvermögen: So können Witwen/r, Ehegatten und eingetragene Lebenspartner ein Wohnhaus steuerfrei erben, wenn der Erblasser es vor seinem Tod selbst bewohnt hat und sie es mindestens 10 Jahre nach dem Erbfall oder der Schenkung selbst als Erstwohnsitz bewohnen und es in dieser Zeit nicht vermieten, verpachten oder verkaufen. Eine Wertgrenze gibt es nicht. Fällt eine der Voraussetzungen innerhalb von 10 Jahren weg, so entfällt rückwirkend die Steuerbefreiung. Ein Umzug in ein Pflegeheim hat hierauf keine Auswirkungen. Im Rahmen von Schenkungen gilt dies nur, soweit das Gebäude eine angemessene Größe und Ausstattung hat. Die Rechtsprechung wird zu klären haben, was hierunter zu verstehen ist. Es können aber nun auch Grundstücke im EU-Ausland nach vorstehenden Voraussetzungen steuerfrei geschenkt werden. Soweit Kinder oder Enkel ein Wohnhaus erben, gilt Vorstehendes nur, wenn sie in dieses selbst für mindestens 10 Jahre als Erstwohnsitz einziehen, und die Wohnfläche des Hauses nicht mehr als 200 m 2 beträgt. Wohnflächen über 200 m 2 müssen anteilig versteuert werden. Sollten die Witwen(r), Ehegatten, Lebenspartner oder die Kinder als Erben selbst innerhalb der 10-Jahres-Frist versterben, ist dies unschädlich. Der Freibetrag wird vom steuerfrei vererbten oder geschenkten Immobilienvermögen nicht berührt. Es kann daher dem Ehegatten z.b. ein 8

Wohnhaus sowie z.b. 500.000,00 Barvermögen steuerfrei vererbt werden. 3.3 Betriebsvermögen Hier liegt eine der umfassendsten Neuregelungen der Reform vor. Zunächst ist nun klargestellt, dass auch freiberufliche Praxen und Kanzleien unter den Begriff des Betriebes fallen. Weiter gibt es massive Änderungen in den Bewertungsgrundsätzen und den Verschonungsregeln. 3.3.1 Bewertung Es wird zunächst nicht mehr nach den verschiedenen Rechtsformen unterschieden. Nach dem alten Recht wurden Kapitalgesellschaften bei Börsennotierung mit dem Börsenwert zum Stichtag, ohne Börsennotierung nach dem Stuttgarter Verfahren bewertet. Andere Gesellschaften wurden grundsätzlich mit dem Steuerbilanzwert bewertet, die Aktiva-Ansätze wurden um Verbindlichkeiten gekürzt. Nach dem neuen Recht wird nun falls keine Börsenwerte vorliegen der Wert des Unternehmens aus den Verkäufen innerhalb eines Jahres vor dem Bewertungsstichtag abgeleitet. Kann dieser Wert nicht ermittelt werden, so ist das Ertragswertverfahren heranzuziehen, ggf. in einer vereinfachten Form (insbesondere für KMU). Mit Letzterem wird der Wert des Unternehmens wie folgt ermittelt: Jahresertrag x Kapitalisierungsfaktor = Unternehmenswert Der Jahresertrag kann gerade im Schenkungsfalle gezielt verringert werden, um so im Rahmen eines kleineren Jahresertrages einen geringeren Unternehmenswert und damit eine geringere Steuerlast zu generieren. Der Kapitalisierungsfaktor ist die der Kehrwert der Summe des Basiszinssatzes 9

( 247 BGB) und des pauschalen Risikozuschlags von 4,5%. Beispiel: Basiszinssatz 6 + 4,5 = 10,5 %, Kehrwert = 9,52. Der Kehrwert errechnet sich dabei wie folgt: 100 / Prozentwert = Kehrwert. Je höher der Marktzins, umso geringer der Multiplikator. 3.3.2 Verschonungsregeln Zentraler neuer Aspekt der Reform ist die Neugestaltung der Verschonungsregeln. Hier gibt es eine völlige Neuordnung und Neukonzeption. Die nachfolgend dargestellten Aspekte gelten ab dem 01.01.2010, da die aktuelle Bundesregierung hier bereits Änderungen ab diesem Zeitpunkt durchgesetzt hat (Stichwort: Wachstumsbeschleunigungsgesetz ). Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften (mehr als 25%) und land- sowie forstwirtschaftliches Vermögen können begünstigt sein bzw. werden. Dies geschieht durch einen Verschonungsabschlag von 85% bzw. 100% sowie durch einen Abzugsbetrag von 150.000. Zunächst wird der Verschonungsabschlag vom Betriebsvermögen subtrahiert. Soweit lediglich 85 % vom begünstigten Betriebsvermögen steuerbefreit sind, kann vom nicht steuerbefreiten Anteil nochmals maximal der Abzugsbetrag abgerechnet werden. Dies hat zur Folge, dass üblicherweise begünstigte Betriebsvermögen in der Regel bis zu einem Wert von 1.000.000 steuerfrei übertragen werden können. 3.3.2.1 "5-Jahres-Regel" Besteht nun das verbleibende Betriebsvermögen zu mehr als 50% aus begünstigtem Betriebsvermögen (neuer Begriff, in etwa: in der Produktion gebundenes Vermögen ), so kann ein Erbe oder Beschenkter eines Betriebs die 5-Jahres-Regelung in Anspruch nehmen. Begünstigtes Betriebsvermögen ist dabei alles, was nicht Verwaltungsvermögen (ebenfalls neuer Begriff!) ist. Verwaltungsvermögen wiederum sind z.b. grundsätzlich: Grundstücke, die an Dritte 10

vermietet/verpachtet werden, Anteile von weniger als 25% an Kapitalgesellschaften, Wertpapiere und vergleichbare Forderungen, Kunstgegenstände, wissenschaftliche Sammlungen, Münzen, Edelmetalle und Edelsteine, wenn nicht der Handel oder Verarbeitung dieser Gegenstände der Hauptzweck des Betriebes ist und schließlich Anteile an Personengesellschaften, deren Verwaltungsvermögen mehr als 50% von deren Betriebswert beträgt. 15 % des Betriebsvermögens werden besteuert. Diese Möglichkeit stellt den Regelfall dar. Voraussetzungen: - Behaltensfrist 5 Jahre - Verschonungsabschlag 85 % (besteuert wird 15 % der Bemessungsgrundlage) - 400 % Lohnsumme bezogen auf 5 Jahre, keine Indexierung der Lohnsumme, wenn mindestens 11 Mitarbeiter - anteiliger Verschonungswegfall (= jährlich 20%) - Verwaltungsvermögensgrenze 50 % Dies bedeutet: Es kann eine fünfjährige Haltefrist gewählt werden, wenn das begünstigte Betriebsvermögen mehr als 50% beträgt. Die jährliche Lohnsumme bei Betrieben mit 11 oder mehr Mitarbeitern darf innerhalb von 5 Jahren nicht unter 400% der Ausgangslohnsumme (Jahreslohnsumme zum Erbfall-, bzw. Schenkungszeitpunkt) liegen. Sind alle diese Voraussetzungen eingehalten, so fällt nur eine Steuerlast von 15% auf das begünstigte Betriebsvermögen an. Für jedes Jahr, in dem die Lohnsumme die Ausgangslohnsumme unterschreitet, entfällt der Verschonungsabschlag in Höhe von 20% für die Vergangenheit. Es sind hier unter Berücksichtigung des Abzugsbetrages von maximal 150.000, daher 15% des Unternehmenswertes. 11

3.3.2.2 "7-Jahres-Regel" Keine Steuerlast für das Betriebsvermögen. Voraussetzungen: - Behaltensfrist 7 Jahre - Verschonungsabschlag 100 % - 700 % Lohnsumme bezogen auf 70 Jahre, keine Indexierung - anteiliger Verschonungswegfall (= jährlich 14,29 %) - Verwaltungsvermögensgrenze 10 % Dies bedeutet: Nur wenn mindestens 90 % des Betriebsvermögens begünstigtes Betriebsvermögen sind, kann der Erbe wählen, den Betrieb 7 Jahre lang unverändert fortzuführen. Es sollen grundsätzlich keine Entlassungen vorgenommen werden dürfen: Die Lohnsumme darf in dieser Zeit nicht unter 700 % Prozent der Jahreslohnsumme liegen. Anderes gilt, wenn der Betrieb 10 oder weniger Arbeitnehmer hat: In diesem Falle muss die Lohnsummenregelung nicht beachtet werden. Sind alle diese Voraussetzungen eingehalten, so fällt grundsätzlich keine Steuerlast für das Betriebsvermögen an. 3.3.2.3 Wahlrecht Liegen also die Voraussetzungen der 7-Jahres-Regelung vor, so kann der Erbe/Beschenkte wählen, ob er diese oder die 5-Jahres-Regelung in Anspruch nehmen will. 3.3.2.4 Wegfall der Begünstigungen Bei Betriebsaufgabe/Verkauf, Änderung der wesentlichen Betriebsgrundlagen oder bei die Gewinne übersteigenden Privatentnahmen innerhalb von 5 (5-Jahres-Regelung) oder 7 Jahren (7-Jahres-Regelung) entfallen die Vergünstigungen. Bei einem Verkauf gilt dies nicht, wenn innerhalb von 6 Monaten der Erlös 12

innerhalb derselben Vermögensart investiert wird (Anschaffung neuer Betriebe, Tilgung betrieblicher Schulden, Erhöhung der Liquiditätsreserven). 3.3.2.5 Sonstiges Bitte beachten Sie: - Die Wahl der 5- bzw. 7-Jahres-Regelung ist dem Finanzamt in einem förmlichen Antrag mitzuteilen, sie ist unwiderruflich. - Wird innerhalb der 5-, bzw. 7-Jahresfrist der Betrieb veräußert oder aufgegeben oder fällt die Begünstigung aus anderen Gründen weg, ist für jedes vollendete Jahr der Betriebsfortführung bis zu diesem Zeitpunkt ein Abschlag auf die Steuerlast von 20%, bzw. 14,28 % zu gewähren (Verschonungswegfall, s.o.). - Es ist möglich, Arbeitnehmer zu entlassen, wenn diese später vermehrt eingestellt werden: Es müssen nur nach 5, bzw. 7 Jahren die 400 %, bzw. 700 % der Jahreslohnsumme vorliegen. - Für Erwerber von Betriebsvermögen, die zu den Steuerklassen II und III zählen, gelten wie schon im alten Recht die Steuersätze der Steuerklasse I. 4. Lebensversicherungen, Renten, Nutzungen und Leistungen Auch der Wert von Lebensversicherungen ist am gemeinen Wert ausgerichtet: Dieser ist gleichlautend mit dem Rückkaufswert. Renten, Nutzungen und Leistungen sollen anhand einer aktuellen Sterbetafel mit aktuellen Vervielfältigungswerten errechnet werden. 13

5. Steuererstattungsansprüche Diese zählen zum Vermögensanfall. Eine Ausnahme gilt, wenn die Geltendmachung der Ansprüche an bestehenden Steuerbescheiden scheitert. 6. Maßnahmen, Hinweise Bebauter Grundbesitz wird in Zukunft höher bewertet werden. Unter dem neuen Recht ist es jedoch möglich, den Wert des jeweiligen Grundstücks zu verringern, z.b. durch Eintragung eines lebenslangen, unentgeltlichen Nießbrauchsrechts am Grundstück. Unter dem neuen Recht ist es nicht mehr möglich, eine gewerbliche Personengesellschaft mit Vermögen auszustatten, damit diese verschiedene Begünstigungen erhält: Solch zusätzliches Vermögen wird in der Regel nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen darstellen. Ihr Deutsches Erbrechtsinstitut e.v. 14