FOM Hochschule Essen Pumpspeicherkraftwerke Genehmigungsrechtliche Aspekte Dr. Stefan Wiesendahl Rechtsanwalt 18. Januar 2014
1. Hintergrund und Technische Grundlagen Erhebliche Veränderung der Energieversorgungsstruktur im Rahmen der sog. Energiewende Ausbau des Anteils Erneuerbarer Energien an der Energieversorgung Beispiel: Ausbauziele des 1 Abs. 2 EEG 35% spätestens bis 2020, 50% spätestens bis 2030, 65% spätestens bis 2040 und 85% spätestens bis 2050. Ziel der Integration dieser Strommengen in das Elektrizitätsversorgungssystem gem. 1 Abs. 2 EEG Steigender Anteil stark variierender, volatiler Stromerzeugung (insbes. Windund Sonnenenergie) KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare 1
1. Hintergrund und Technische Grundlagen Energiespeicher als ein potentieller Integrationshebel für Erneuerbare Energien Batteriefunktion von Energiespeichern zum Ausgleich der Unterschiede zwischen Spitzenlast- und Schwachlastzeiten (Bereitstellung positiver und negativer Regelenergie) Art. 16 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen verpflichtet Mitgliedstaaten u.a. auf geeignete Schritte zum Ausbau von Speicheranlagen Pumpspeicherkraftwerke als Teilmenge möglicher Speicheranlagen (Druckluftspeicher, Wasserstoffspeicher oder Akkumulatoren) Standortsuche, Platzbedarf und Akzeptanz als praktisch begrenzende Faktoren Netzausbau (NABEG) als ergänzender Integrationshebel für Erneuerbare Energien in räumlicher Hinsicht KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare 2
1. Hintergrund und Technische Grundlagen Grundsätzliche Funktionsweise eines Pumpspeicherkraftwerks Pumpspeicherbecken Rohrleitungen Maschinen Energieableitung Quelle: SWT PSKW Rio KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare 3
2. Genehmigungsverfahren im (Umwelt-)Recht Grundstrukturen Kein umfassendes bzw. übergreifendes Umweltgesetz (Stichwort: UGB) Überwiegend medien- bzw. stoffbezogene Gesetze Bsp.: BImSchG, WHG, BBodSchG, BNatSchG, BBergG, ChemG, EnWG Bundes- und landesrechtliche Vorschriften WHG und Landeswassergesetze Überwiegend Vollzug durch Landesbehörden (Landesverwaltungsverfahrensrecht anwendbar) Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Anforderungen Genehmigungsbedürfnis, Verfahrensvorgaben sowie UVP-Regelungen als formale Vorgaben ( 4, 10, 19 BImSchG, 2 Abs. 1 UVPG) 5, 6 BImSchG i.v.m. konkretisierenden Vorschriften (bspw. Verordnung über Großfeuerungs-, Gasturbinen- und Verbrennungsmotoranlagen 13. BImSchV oder TA Luft) als Beispiel für materielle Anforderungen KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare 4
2. Genehmigungsverfahren im (Umwelt-)Recht Grundstrukturen Problem: Verschiedene Genehmigungsbedürfnisse für ein Vorhaben Bsp.: Baugenehmigungsbedürfnis für bauliche Anlagen eines Kraftwerks oder naturschutzrechtliche Befreiungen von Verboten eines Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebietes für ein Kraftwerk Konzentrationswirkung (bspw. 13 BImSchG) Für die Errichtung und den Betrieb erforderliche andere Genehmigungen sind in der BImSchG-Genehmigung eingeschlossen Gesonderte Beantragung weiterer anlagenbezogener Genehmigungen ist nicht erforderlich Zuständigkeit und Verfahren richten sich nach Vorschriften des konzentrierenden Verfahrens Keine Veränderung der materiellen Anforderungen Europarechtliche Vorgaben, insbesondere UVP UVP-Pflicht gemäß 3a ff. UVPG i.v.m. Anlage 1 zum UVPG Öffentlichkeitsbeteiligung bei UVP-pflichtigen Vorhaben Anfechtbarkeit von Genehmigungen bei bestimmten UVP-Fehlern gemäß UmwRG KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare 5
3. Genehmigungsrechtliche Weichenstellungen Vorhabenbezogene Zulassungsgrundlage und ggf. Regelung zur UVP-Pflicht als üblicher Teil des Anlagen- bzw. Infrastrukturzulassungsrechts, bspw. Immissionsschutzrechtliches Genehmigungsbedürfnis für Kraftwerke Planfeststellungsbedürfnis nach dem NABEG für länderübergreifende oder grenzüberschreitende Höchstspannungsleitungen Regelungen zur Konzentrationswirkung entsprechender Zulassungsentscheidungen, bspw. 13 BImSchG 75 Abs. 1 S. 1 VwVfG Keine umfassende Zulassungsgrundlage im deutschen Recht für Pumpspeicherkraftwerke Urteil des OVG Münster vom 15.03.2011 zum Ausbau des Hafens Köln- Godorf KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare 6
4. Wasserrechtliches Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungsbedürfnis gem. 68 WHG für den Gewässerausbau Planfeststellungsbedürfnis gem. 68 Abs. 1 WHG für den Gewässerausbau i.s.d. 67 Abs. 2 WHG (Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer) Möglichkeit zur Erteilung einer Plangenehmigung bei fehlender UVP-Pflicht des Gewässerausbaus gem. 68 Abs. 2 S. 1 WHG (Ermessensentscheidung) UVP-Pflicht gem. 3a ff. UVPG insbes. i.v.m. Ziffer 13.6 der Anlage 1 zum UVPG (Bau eines Stauwerks oder einer sonst. Anlage zur Zurückhaltung oder dauerhaften Speicherung von Wasser) Zurückhaltung oder Speicherung von 10 Mio. m³ Wasser oder mehr (zwingend UVP-pflichtig) Zurückhaltung oder Speicherung von weniger als 10 Mio. m³ Wasser (allgemein UVP-vorprüfpflichtig) Anwendbarkeit der Ziffer 13.14 der Anlage 1 zum UVPG (Errichtung und Betrieb einer Wasserkraftanlage) bzw. der Ziffer 19.9 der Anlage 1 zum UVPG (Errichtung und Betrieb eines künstlichen Wasserspeichers)? KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare 7
4. Wasserrechtliches Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungsbedürfnis gem. 68 WHG für den Gewässerausbau Schaffung eines neuen Dauerzustandes Planfeststellungsbedürfnis auch für die Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines unterirdischen Gewässers (str.) Bezug der Ziffer 13.6 der Anlage 1 zum UVPG auf oberirdische Gewässer (VG Kassel, Beschluss vom 02.08.2012, Az. 4 L 81/12.KS) Einbindung des Gewässers in den natürlichen Wasserkreislauf (bspw. Verdunstung, Versickerung, Auffangen von Regenwasser oder aufsteigendem Grundwasser) notwendig Gewässerausbaumaßnahmen sind keine Benutzungen, 9 Abs. 3 S. 1 WHG Prüfung der Betriebsabläufe auf Benutzungssachverhalte i.s.d. 9 WHG (insbes. Entnehmen und Ableiten bzw. Einleiten von Stoffen) und Prüfung deren Verbindung mit dem grds. planfeststellungsbedürftigen Gewässerausbau ( 19 Abs. 1 WHG) KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare 8
5. Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungsbedürfnis gem. 20 UVPG für künstliche Wasserspeicher Planfeststellungsbedürfnis gem. 20 Abs. 1 UVPG für die Errichtung und den Betrieb eines UVP-pflichtigen künstlichen Wasserspeichers i.s.d. Ziffer 19.9 der Anlage 1 zum UVPG Plangenehmigungsbedürfnis gem. 20 Abs. 2 S. 1 UVPG für die Errichtung und den Betrieb eines nicht UVP-pflichtigen künstlichen Wasserspeichers i.s.d. Ziffer 19.9 der Anlage 1 zum UVPG (Ausnahme unwesentliche Bedeutung gem. 20 Abs. 2 S. 2 und 3 UVPG) UVP-Pflicht gem. 3a ff. UVPG insbes. i.v.m. Ziffer 19.9 der Anlage 1 zum UVPG Künstlicher Wasserspeicher mit 10 Mio. m³ oder mehr Wasser (zwingend UVP-pflichtig) Künstlicher Wasserspeicher mit 2 Mio. m³ bis weniger als 10 Mio. m³ Wasser (allgemein UVP-vorprüfpflichtig) Künstlicher Wasserspeicher mit 5.000 m³ bis weniger als 2 Mio. m³ Wasser (standortbezogen UVP-vorprüfpflichtig) KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare 9
5. Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungsbedürfnis gem. 20 UVPG für künstliche Wasserspeicher Abgrenzung zu Maßnahmen des Gewässerausbaus gem. 67, 68 WHG Begriff des künstlichen Wasserspeichers i.s.d. Ziffer 19.9 der Anlage 1 zum UVPG zur Abgrenzung untauglich Systematik der Anlage 1 zum UVPG: Vorhaben der Ziffer 13 betreffen wasserwirtschaftliche Vorhaben Trägerverfahren für Vorhaben i.s.d. Ziffer 19.9 der Anlage 1 zum UVPG ist in 20 UVPG geregelt Ziffer 19.9 behandelt Wasserspeicher ohne relevante Verbindung zu natürlichen Gewässern, also ohne Einbindung in den natürlichen Wasserkreislauf Genehmigungsrechtliche Einordnung von Pumpspeicherbecken damit Frage des Einzelfalls Grds. keine Benutzungssachverhalte i.s.d. 9 WHG, da keine Einbindung in den natürlichen Wasserkreislauf (Ausnahme denkbar etwa in Bezug auf das Befüllen des Wasserspeichers) KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare 10
6. Genehmigungsrechtliche Behandlung von Rohrleitungen und Maschinen Prüfung der Reichweite bzw. Grenze einer potentiellen Zulassungsentscheidung für eine Gewässerausbaumaßnahme bzw. einen künstlichen Wasserspeicher im Einzelfall Rohrleitungsanlage zum Befördern von Wasser, die das Gebiet einer Gemeinde überschreitet, als Vorhaben i.s.d. Ziffer 19.8 der Anlage 1 zum UVPG und damit nach den Vorgaben des 20 UVPG planfeststellungs- bzw. plangenehmigungsbedürftig (vgl. künstlicher Wasserspeicher) UVP-Pflicht gem. 3a ff. UVPG insbes. i.v.m. Ziffer 19.8 der Anlage 1 zum UVPG Wasserfernleitung mit einer Länge von 10 km oder mehr (allgemein UVP-vorprüfpflichtig) Wasserfernleitung mit einer Länge von 2 km bis weniger als 10 km (standortbezogen UVP-vorprüfpflichtig) Prüfung der baurechtlichen Relevanz etwaiger auch unterirdischer baulicher Anlagen nach den landesrechtlichen Vorschriften (vgl. etwa die Ausschlussregelung des 1 Abs. 2 Nr. 4 LBauO NRW für bestimmte Rohrleitungen einschließlich ihrer unterirdischen Anlagen und Einrichtungen) KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare 11
7. Genehmigungsrechtliche Behandlung der Energieableitung Energiewirtschaftliches Planfeststellungsverfahren für die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Hochspannungsfreileitungen mit einer Nennspannung von 110 kv oder mehr gem. 43 S. 1 Nr. 1 EnWG Plangenehmigung gem. 43b Nr. 2 EnWG, insbes. bei fehlender UVP-Pflicht UVP-Pflicht gem. 3a ff. UVPG insbes. i.v.m. Ziffer 19.1 der Anlage 1 zum UVPG Länge von mehr als 15 km und Nennspannung von 220 kv oder mehr (zwingend UVP-pflichtig) Länge von mehr als 15 km und Nennspannung von 110 kv bis zu 220 kv (allgemein UVP-vorprüfpflichtig) Länge von 5 km bis 15 km und Nennspannung von 110 kv oder mehr (allgemein UVP-vorprüfpflichtig) Länge von weniger als 5 km und Nennspannung von 110 kv oder mehr (standortbezogen UVP-vorprüfpflichtig) Projektabgrenzung etwa zu Umspannanlagen erforderlich (Wer ist Vorhabenträger für was?) KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare 12
8. Bergrechtliche Aspekte Sachlicher Geltungsbereich des BBergG umfasst grds. gem. 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 3 BBergG das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen, das Wiedernutzbarmachen der Oberfläche sowie diesen Tätigkeiten überwiegend dienende Einrichtungen Wasser ist kein Bodenschatz, 3 Abs. 1 BBergG Prüfung der sachlichen Geltung des BBergG, insbes. in Bezug auf Gewinnungstätigkeiten, im Einzelfall notwendig Ggf. Prüfung der UVP-Pflicht gem. der UVP-V Bergbau i.v.m. der Anlage 1 zum UVPG, 1 Nr. 9 UVP-V Bergbau Bergrechtliches Planfeststellungsverfahren für UVP-pflichtige Vorhaben Regelungen des BBergG in 126 BBergG für Untergrundspeicher als sonstige Tätigkeit bzw. Einrichtung gem. 2 Abs. 2 Nr. 3 BBergG gelten nach der Legaldefinition des 4 Abs. 9 BBergG nicht für eine Anlage zur unterirdischen behälterlosen Speicherung von Wasser KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare 13
8. Bergrechtliche Aspekte Regelungen des BBergG in 130 BBergG a.f. für die Herstellung von unterirdischen Hohlräumen (sog. Hohlraumbauten) als sonstige Tätigkeit bzw. Einrichtung gem. 2 Abs. 2 Nr. 3 BBergG sind gestrichen Außerhalb des Bergrechts existieren teilweise landesrechtliche Gefahrenabwehrregelungen in Bezug auf unterirdische Hohlräume (Bsp.: Thüringer Gesetz über die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Objekten des Altbergbaus und in unterirdischen Hohlräumen Thüringer Altbergbau- und Unterirdische Hohlräume-Gesetz ThürABbUHG) Regelungen des BBergG in 127 BBergG für Bohrungen, die mehr als 100 m in den Boden eindringen sollen, als sonstige Tätigkeit gem. 2 Abs. 2 Nr. 3 BBergG betreffen singuläre Aspekte, nicht jedoch das Vorhaben eines ggf. untertägigen Pumpspeicherkraftwerks als solches Gleiches gilt für die nicht bergrechtliche Anzeigepflicht gem. 4 Abs. 1 LagerstG für mit mechanischer Kraft angetriebene Bohrungen KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare 14
9. Gesetzgeberische Reformen? Schaffung einer umfassenden Zulassungsgrundlage für Pumpspeicherkraftwerke im deutschen Recht? Standort und Inhalte einer entsprechenden gesetzlichen Regelung? Abgrenzung zu 68 WHG, 20 UVPG, 43 EnWG? Regelung zur UVP-Pflicht unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben und der aktuellen Inhalte der Anlage 1 zum UVPG? Wiedereinfügung einer Regelung ähnlich 130 BergG (a.f.) zur Erfassung untertägiger Hohlraumbauten mit Blick u.a. auf Untertagepumpspeicher und auch sonstige Untertagebauwerke im Rahmen einer BBergG-Novelle? Materielle Zulassungsvoraussetzungen, bspw.: Wasserwirtschaftliche Bewirtschaftungsziele Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung FFH-Verträglichkeitsprüfung KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare 15
Kontakt KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare Dr. Stefan Wiesendahl Messeallee 2 45131 Essen Germany Phone: +49 201 1756 624 Fax: +49 201 1756 884 E-Mail: Internet: stefan.wiesendahl@kuemmerlein.de www.kuemmerlein.de KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare 16