Pädagogische Hochschule Luzern Ausbildung Studiengang MA SHP Sozial-emotionales Lernen im ersten Schuljahr Eine Mehrfachfallanalyse Masterarbeit Studienjahrgang HL. 1105 Verfasserin: Gabriela Luginbühl Biregghang 6 6005 Luzern eingereicht am 10.02.2014 bei Prof. Dr. rer. nat. Hiltrud Lugt Heilpädagogik
Abstract Abstract Die vorliegende Arbeit befasst sich mit sozial-emotionalem Lernen im ersten Schuljahr. In einem ersten Teil wird aufgezeigt, was unter sozial-emotionaler Kompetenz verstanden wird, welche Komponenten das Konstrukt umfasst und inwiefern diese von Bedeutung für das schulische Lernen sind. Ausserdem werden Möglichkeiten vorgestellt, wie sozial-emotionale Kompetenz in der Schule gefördert werden kann. Ein zweiter Teil der Arbeit umfasst mehrere miteinander verbundene Einzelfallanalysen, welche die Wirkungen einer gezielten Förderung auf die sozial-emotionale Entwicklung von vier Erstklässlern veranschaulichen. Mithilfe einer Triangulation unterschiedlicher Methoden wurde untersucht, welche sozialen und emotionalen Kompetenzen im Unterrichtsalltag dieser Schüler besonders häufig Anwendung fanden, bezüglich welcher Fähigkeiten die Schüler im Zuge der Intervention einen Kompetenzzuwachs erzielten und mit welchen Verhaltensveränderungen diese Weiterentwicklung zusammenhing. Ein Vergleich der Fallanalysen machte deutlich, dass Fälle mit ähnlicher Ausgangslage von den gleichen Förderinhalten profitierten: Für die Fälle mit externalisierenden Auffälligkeiten war die Förderung von Mitgefühl und Emotionsregulation, für die Fälle mit Lernbehinderung die Förderung von Emotionsverständnis und Emotionsvokabular zentral. Auf der Basis dieser Erkenntnisse wurden Hypothesen bezüglich gezielter Fördermassnahmen aufgestellt, die in weiterführenden Untersuchungen überprüft werden könnten. - 1 -
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Abstract... 1 Vorwort... 2 1 Einleitung... 5 2 Theoretischer Hintergrund... 7 2.1 Was bedeutet Sozial-emotionale Kompetenz?... 7 2.1.1 Begriffliche Präzisierung... 7 2.1.2 Konzepte... 8 2.2 Komponenten sozial-emotionaler Kompetenz... 11 2.2.1 Emotionswahrnehmung und Emotionsverständnis... 11 2.2.2 Emotionsregulation... 14 2.2.3 Mitgefühl... 17 2.2.4 Emotionale Selbstwirksamkeit... 19 2.2.5 Sozialverhalten... 20 2.3 Sozial-emotionale Kompetenz und Schulerfolg... 22 2.3.1 Schuleinstieg... 22 2.3.2 Lernen und Leisten... 24 2.4 Förderung sozial-emotionaler Kompetenz... 25 2.4.1 Curricula... 26 2.4.2 Übungssammlung... 29 2.5 Zusammenfassung... 30 3 Fragestellung und Hypothesen... 31 3.1 Fragestellung 1... 31 3.2 Fragestellung 2... 32 3.3 Fragestellung 3... 32 3.4 Fragestellung 4... 32 4 Methode... 34 4.1 Untersuchungsdesign... 34 4.2 Fallauswahl... 34 4.3 Pädagogische Intervention... 35 4.3.1 Planung... 35 4.3.2 Zielsetzung und Inhalte... 36 4.3.3 Durchführung... 37 4.4 Datenerhebung... 37 4.4.1 Systematische Verhaltensbeobachtung... 37 4.4.2 Schriftliche Befragung... 39 4.4.3 Standardisierter Test... 41 4.4.4 Mündliche Befragung... 42 4.5 Datenanalyse... 42 4.5.1 Beobachtungsprotokolle... 42 4.5.2 Schriftliche Befragung... 46 4.5.3 Standardisierter Test... 46 4.5.4 Mündliche Befragung... 46-3 -
Inhaltsverzeichnis 5 Ergebnisse... 47 5.1 Fragestellung 1... 47 5.1.1 Hypothese 1... 47 5.1.2 Hypothese 2... 48 5.1.3 Hypothese 3... 48 5.1.4 Hypothese 4... 49 5.1.5 Hypothese 5... 49 5.1.6 Hypothese 6... 49 5.1.7 Überblick... 50 5.2 Fragestellung 2... 51 5.2.1 Fall Pablo... 51 5.2.2 Fall Oliver... 56 5.2.3 Fall Jonathan... 58 5.2.4 Fall Mario... 60 5.3 Fragestellung 3... 62 5.3.1 Fall Pablo... 63 5.3.2 Fall Oliver... 68 5.3.3 Fall Jonathan... 69 5.3.4 Fall Mario... 70 5.4 Überblick Einzelfallergebnisse... 72 5.5 Fragestellung 4... 73 5.5.1 Hypothese 7... 73 5.5.2 Hypothese 8... 74 5.5.3 Hypothese 9... 75 6 Diskussion... 76 6.1 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse... 76 6.1.1 Kompetenzzuwachs zentrale Komponenten... 76 6.1.2 Verhaltensveränderungen... 79 6.1.3 Kompetenzzuwachs Schlüsselkompetenzen... 84 6.1.4 Methodenübergreifende Interpretation Einzelfälle... 93 6.1.5 Gemeinsamkeiten ähnlicher Fälle... 105 6.2 Schlussfolgerungen... 106 6.3 Methodische Kritik... 107 6.3.1 Methodenübergreifende Kritik... 107 6.3.2 Schriftliche Befragung... 108 6.3.3 Standardisierter Entwicklungstest... 108 6.3.4 Mündliche Befragung... 109 6.3.5 Beobachtungsbasierte Ergebnisse... 109 6.4 Ausblick... 111 6.5 Implikationen für die Praxis... 112 6.6 Schlusswort... 113 Literaturverzeichnis... 114 Abbildungsverzeichnis... 119 Tabellenverzeichnis... 120 Anhang... 122-4 -
Diskussion 6.4 Ausblick Die vorliegende Arbeit konzentrierte sich auf die Veranschaulichung von Einzelfällen. Sie lieferte wertvolle Erkenntnisse über das sozial-emotionale Lernen der einzelnen Fälle. Interessant wäre, zu erfahren, ob diese Erkenntnisse auch für andere ähnliche Fälle der gleichen Schulstufe Gültigkeit haben. Auf der Basis der Einzelfallergebnisse lassen sich folgende Hypothesen darüber aufstellen, wo sozial-emotionale Förderung bei bestimmten Fallgruppen (zum Beispiel Schüler mit internalisierenden Verhaltensauffälligkeiten) ansetzen sollte: 1. Sozial-emotionale Förderung von Kindern mit internalisierenden Verhaltensauffälligkeiten sollte schwerpunktmässig das Gleichgewicht selbst- und fremdbezogener sozialer Fertigkeiten unterstützen. 2. Sozial-emotionale Förderung von Kindern mit besonderem sprachlichem und kognitivem Förderbedarf sollte schwerpunktmässig einen Ausbau an Emotionsverständnis, Emotionsvokabular, Situationsverständnis und allgemeiner sprachlicher Kompetenzen anstreben. 3. Sozial-emotionale Förderung von Kindern mit externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten sollte schwerpunktmässig auf die Weiterentwicklung von Mitgefühl und Emotionsregulation ausgerichtet sein. Es stellt sich die Frage, ob die geschilderten Fallgruppen mehr von einer spezifischen Förderung im Sinne der Hypothesen, als von einer allgemeinen Förderung, wie sie beispielsweise in dieser Untersuchung durchgeführt wurde, profitieren würden. Dies könnte im Rahmen einer Untersuchung mit grosser Stichprobe wie folgt in Erfahrung gebracht werden: Die Fallgruppen der Fördergruppe würden an einer spezifischen Förderung teilnehmen, während mit den Fallgruppen der Kontrollgruppe eine allgemeine Förderung durchgeführt würde. Ein Jahr später würden die Kontrollgruppe spezifisch und die Fördergruppe allgemein gefördert. Die Frage, wie sich die emotionale Selbstwirksamkeit der Schüler im Zuge der Intervention entwickelte, konnte in der vorliegenden Arbeit nicht beantwortet werden. Es wäre interessant, eine weiterführende Untersuchung der Erfassung und Förderung emotionaler Selbstwirksamkeit zu widmen. Die vorliegende Arbeit war dem sozial-emotionalen Lernen im ersten Schuljahr gewidmet. Weiterführend würde interessieren, wie sich sozial-emotionales Lernen auf höheren Schulstufen gestaltet. Dies insbesondere bei Schülerinnen und Schülern mit stabilen Lernschwierigkeiten, welche integrativ beschult werden. - 111 -
Diskussion 6.5 Implikationen für die Praxis Die Ergebnisse der Mehrfachfallanalyse geben viele Denkanstösse für die Arbeit mit Kindern im Unterstufenalter. Fünf Empfehlungen können als besonders relevant für die heilpädagogische Berufspraxis erachtet werden. Diese werden in den folgenden Abschnitten aufgeführt, begründet und erläutert. Förderung sozial-emotionaler Kompetenz als fester Bestandteil des Anfangsunterrichts Mehrere Autorinnen und Autoren empfehlen, die Förderung sozial-emotionaler Kompetenz als festen Bestandteil in den Unterricht des ersten Schuljahres zu integrieren (vgl. Burow et al., 2007; Malti et al., 2008; Petermann et al., 2006). Die Ergebnisse der Mehrfachfallanalyse im Rahmen der vorliegenden Arbeit unterstützen diese Empfehlung. Förderung sozial-emotionaler Kompetenz als fester Bestandteil heilpädagogischer Begleitung In integrativen Schulformen konzentriert sich die heilpädagogische Arbeit vielfach auf die Förderung von Kulturtechniken. Kinder mit Lernschwierigkeiten stehen im Unterrichtsalltag jedoch besonders häufig vor grossen sozial-emotionalen Herausforderungen (vgl. Unterkapitel 2.3). Die Ergebnisse der Mehrfachfallanalyse weisen darauf hin, dass die beiden Schüler mit Lernbehinderung besonders von der Intervention profitiert haben. Daraus lässt sich folgern, dass die Förderung sozial-emotionaler Kompetenz auch bei integrativen Unterrichtssettings mit zum Tätigkeitsbereich Schulischer Heilpädagoginnen und Heilpädagogen gehören und einen festen Bestandteil heilpädagogischer Begleitung von Kindern mit Lernschwierigkeiten darstellen sollte. Sozial-emotionale Kompetenz und Sprachentwicklung im Zusammenhang erfassen und fördern Die Ergebnisse der Mehrfachfallanalyse verdeutlichen den in der Fachliteratur angesprochenen Zusammenhang zwischen Sprache und sozial-emotionaler Kompetenz. Folglich empfiehlt es sich, bei Kindern mit verzögerter Sprachentwicklung die Förderung von Sprache und sozial-emotionaler Kompetenz wie folgt miteinander zu verknüpfen: Kombinierte Förderung von Emotionswissen, Emotionsverständnis und Emotionsvokabular Kombinierte Förderung von Situationsverständnis, Kommunikationsformen und Wortschatz für den sozialen Austausch mit Gleichaltrigen Kombinierte Förderung sozialer Fertigkeiten und sprachlicher Inhalte, die zur Umsetzung sozialer Fertigkeiten gebraucht werden (zum Beispiel Sätze erarbeiten, die gesagt werden können, wenn man nicht gestört werden möchte). - 112 -
Diskussion Fremd- und selbstbezogene soziale Fertigkeiten fördern Die Ergebnisse der Mehrfachfallanalyse machen deutlich, dass die beiden Schüler mit internalisierenden Verhaltensauffälligkeiten durch die Intervention nicht ausreichend unterstützt wurden. Der Grund dafür war, dass die Intervention sich auf emotionale Fähigkeiten und fremdbezogene soziale Fertigkeiten konzentrierte, während selbstbezogene soziale Fertigkeiten vernachlässigt wurden. An dieser Stelle soll deshalb darauf hingewiesen werden, dass Förderprogramme zur Förderung der sozial-emotionalen Kompetenz nur dann allen Kindern einer Schulklasse gerecht werden können, wenn sowohl fremd- als auch selbstbezogene soziale Fertigkeiten trainiert werden. Gezielte Förderplanung auf der Grundlage ganzheitlicher Erfassung sozial-emotionaler Kompetenz Eine wesentliche Erkenntnis der Mehrfachfallanalyse dieser Arbeit besteht darin, dass erst im Rahmen eines ganzheitlichen Überblicks erkannt wurde, wo eine weiterführende Förderung zur optimalen Unterstützung des Schülers anknüpfen sollte. Bezogen auf die heilpädagogische Berufspraxis lässt sich hieraus ableiten, dass es wichtig ist, sozial-emotionales Verhalten nicht vorschnell, sondern erst auf der Grundlage differenzierter und ganzheitlicher Beobachtungen zu interpretieren. Ein ganzheitlicher Überblick macht es möglich, zu erkennen, welche Entwicklungsziele tatsächlich anstrebenswert sind und in welchen Situationen es dem Kind gelingt, diesen Zielen näher zu kommen. Diese Informationen können dazu dienen, das Kind im Alltag kompetent zu unterstützen sowie eine individuell angepasste Förderung zu planen. 6.6 Schlusswort Im Rahmen dieser Arbeit erhielt ich wertvolle Einblicke in das sozial-emotionale Verhalten von vier Kindern. Diese Einblicke führten mich zu Erkenntnissen über sozial-emotionales Lernen, die meine weitere Berufspraxis als Schulische Heilpädagogin bereichern werden. Das Schlusswort ist an die Kinder gerichtet, die dies möglich machten: Herzlichen Dank! - 113 -