Wissensmanagement Frameworks aus Forschung und Praxis
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- Moritz Knopp
- vor 8 Jahren
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1 Wissensmanagement Frameworks aus Forschung und Praxis Eine inhaltliche Analyse. Peter Heisig, Ronald Orth Competence Center Wissensmanagement I
2 Die Deutsche Bibliothek CIP-Einheitsaufnahme Peter Heisig, Ronald Orth: Wissensmanagement Frameworks aus Forschung und Praxis Eine inhaltliche Analyse / Peter Heisig, Ronald Orth Berlin. ISBN Dieses Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, Mikroverfilmungen und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. eureki & Fraunhofer IPK, Berlin, 2005 Printed in Germany II
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4 Autoren Eureki European Research Center for Knowledge and Innovation Der European Research Center for Knowledge and Innovation wurde 2005 von Dr.-Ing. Peter Heisig gegründet. eureki bringt projektbezogen Experten aus der Unternehmenspraxis, der Forschung und Wissenschaft zusammen, um die systematische Nutzung von Wissen für Innovationen in Organisationen zu verbessern. eureki greift aktuelle Themen aus Forschung und Praxis auf und erarbeitet fundierte und pragmatische Lösungen für seine Auftraggeber. Peter Heisig Arbeitet seit 1988 zu den Themen Wissensmanagement, Benchmarking und Prozessgestaltung. Ab 1996 baute er das Competence Center Wissensmanagement am Fraunhofer IPK auf und leitete es bis Von der EU DG Informationsgesellschaft und dem CEN wurde er 2002 als deutscher WM-Experte in ein Projektteam zur Erarbeitung des European Guide to Good Practice in Knowledge Management (CWA 14924) berufen. Er hat über 50 Artikel zum Wissensmanagement publiziert und ist Mitherausgeber mehrerer Bücher zum Wissensmanagement und zur Bilanzierung des Intellektuellen Kapitals. Competence Center Wissensmanagement Competence Center Wissensmanagement am Fraunhofer IPK Das 1997 gegründete Competence Center Wissensmanagement (CCWM) am Fraunhofer IPK unterstützt private und öffentliche Unternehmen bei der Konzeption und Umsetzung von Wissensmanagement. Ein interdisziplinäres Expertenteam bearbeitet Projekte von der strategischen Positionierung über die operative Gestaltung bis zur Einführung von Wissensmanagement. Darüber hinaus betreibt das CCWM fortwährend Forschung zum Thema Wissensmanagement. Ronald Orth Nach abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin mit den Schwerpunkten Strategisches Management, Unternehmenskooperationen und Marketing. Seit 2003 Mitarbeiter im Competence Center Wissensmanagement am Fraunhofer IPK in Berlin. IV
5 Management Summary Die zunehmende Bedeutung der Ressource Wissen für die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ist unbestritten. Ziel des Wissensmanagements (WM) ist es, den systematischen Umgang mit dieser wertvollen Ressource effizient und zielgeleitet zu gestalten. Wissensmanagement Frameworks, welche die wesentlichen Elemente und Dimensionen des Wissensmanagements beschreiben, werden in Praxis und Forschung zur Analyse und Gestaltung von Wissensmanagement-Lösungen genutzt. Die Vielfalt der publizierten WM-Frameworks ist jedoch kaum mehr überschaubar, und ein einheitliches Verständnis von Wissensmanagement ist nicht erkennbar. Daher wurde begleitend zur Arbeit des CEN-Projekts European Guide to Good Practice in Knowledge Management eine umfassende Analyse von WM-Frameworks durchgeführt. Ziel der Analyse war es, Unterschiede und Übereinstimmungen innerhalb des Datenmaterials herauszuarbeiten, um einen wesentlichen Beitrag zur Harmonisierung der Grundlagen und zur weiteren Entwicklung von Wissensmanagement zu leisten. Für die Analyse wurden insgesamt 160 WM-Frameworks recherchiert. Diese wurden nach Methoden der Inhaltsanalyse sowohl quantitativ als auch qualitativ ausgewertet. Das Analyseergebnis zeigt folgende Kernaussagen: Der Wissensbegriff wird in der Literatur vielfältig aufgefasst. Es lassen sich unterschiedliche Zugänge bei der Beschreibung von Wissen auf organisationaler Ebene i- dentifizieren, ein einheitliches Begriffsverständnis existiert jedoch nicht. Wissensmanagement-Aktivitäten können mit den sechs zentralen Tätigkeiten des Teilens von Wissen (share), des Erschaffens von Wissen (create), der Nutzung von Wissen (use), dem Speichern von Wissen (store), der Identifikation von Wissen (identify) und dem Erwerb von Wissen (acquire) beschrieben werden. Zu den kritischen Erfolgsfaktoren des Wissensmanagements sind humanorientierte Faktoren (Kultur, Mensch und Führung), organisationale Aspekte (Strukturen und Prozesse), IuK-Technologien sowie ein Managementprozess (Strategie und Messungen) zu zählen. V
6 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis VI VIII IX Einleitung 1 1 Begriffsklärung und Methode der Untersuchung 3 Begriffsklärung: Framework 3 Methodisches Vorgehen 4 2 Ergebnisse der Studie Herkunft der Wissensmanagement Frameworks 8 Wissenschaft 9 Unternehmen 10 Unternehmensberatungen 11 Verbände und Standardisierungsorgane Framework Typen im Wissensmanagement Wissen Ergebnisse der quantitativen Inhaltsanalyse Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse 16 Daten Information Wissen 16 Wissensdichotomien 19 Organisatorische Wissensbasis 21 Strategische Wissensperspektive Aktivitäten des Wissensmanagements Ergebnisse der quantitativen Inhaltsanalyse Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse 30 Teilen von Wissen share knowledge 33 Erschaffen von Wissen create knowledge 34 Nutzung von Wissen use knowledge 35 Speichern von Wissen store knowledge 36 Identifikation von Wissen identify knowledge 37 Erwerb von Wissen acquire knowledge 38 VI
7 2.5 Kritische Erfolgsfaktoren des Wissensmanagements Ergebnisse der quantitativen Inhaltsanalyse Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse 45 Humanorientierte Faktoren: Kultur Mensch Führung 46 Organisation: Strukturen und Prozesse 50 Technologie: Infrastruktur und Anwendungen 54 Managementprozess: Ziele, Strategien und Messungen 58 3 Schlussbetrachtung: Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse und Ausblick 63 4 Literaturverzeichnis 66 5 Anhang 75 Anhang A: Tabellen und Abbildungen 76 Anhang B: Statistiken 83 Anhang C: Quellenverzeichnis 93 Anhang D: Übersicht ausgewählter Frameworks 96 Anhang E: Danksagung 124 VII
8 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Veröffentlichungszeitraum der WM-Frameworks 5 Abbildung 2: Regionale Herkunft der WM-Frameworks 5 Abbildung 3: Institutionelle Herkunft der WM-Frameworks 8 Abbildung 4: Conceptual roots of knowledge management 10 Abbildung 5: Typen von WM-Frameworks 13 Abbildung 6: Veröffentlichungszeitraum und Frameworktyp 14 Abbildung 7: Begriffshierarchie: Daten, Information und Wissen 16 Abbildung 8: Wissen in Abgrenzung von Daten und Informationen 17 Abbildung 9: Das Kontinuum von Daten und Informationen zum Wissen 17 Abbildung 10: Die Wissenstreppe nach North 18 Abbildung 11: Kategorisierungen des intellektuellen Kapitals 23 Abbildung 12: Diagramm WM-Aktivitäten 26 Abbildung 13: Kernprozess des Wissensmanagements 29 Abbildung 14: Knowledge Transfer Mechanisms 33 Abbildung 15: Diagramm: Kritische Erfolgsfaktoren des Wissensmanagements 40 Abbildung 16: Critical success factors for KM Survey Results from European Companies 44 Abbildung 17: Kritische Erfolgsfaktoren eines ganzheitlichen Wissensmanagements 45 Abbildung 18: Wissensmanagement-relevanten Aspekte der Unternehmenskultur 46 Abbildung 19: Typical architecture for knowledge management systems 55 Abbildung 20: Alternative Positionierung einer Wissensstrategie 59 Abbildung 21: Managementprozess: Ziele, Strategien und Kontrolle 61 VIII
9 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Herkunft der Frameworks nach Region und Institution 9 Tabelle 2: Wissensdichotomien 19 Tabelle 3: Wissensorientierte Konstrukte in der strategischen Literatur eine Auswahl. 22 Tabelle 4: WM-Aktivitäten Statistische Kennzahlen 25 Tabelle 5: Häufigkeitstabelle WM-Aktivitäten 26 Tabelle 6: Die sechs häufigsten Gruppen von WM-Aktivitäten 27 Tabelle 7: Ausgewählte Methoden und Konzepte der Wissensgenerierung 34 Tabelle 8: Five Types of Knowledge Maps 37 Tabelle 9: Maßnahmen zur Einbindung bislang externer Wissensträger 38 Tabelle 10: Kritische Erfolgsfaktoren des Wissensmanagements Statistische Kennzahlen 39 Tabelle 11 Häufigkeitstabelle der kritischen Erfolgsfaktoren des Wissensmanagements 40 Tabelle 12: Kritische Erfolgsfaktoren des Wissensmanagements 42 Tabelle 13: Typische Wissensmanagement-Rollen 53 Tabelle 14: Kriterien für die benutzerfreundliche Gestaltung einer Wissensinfrastruktur 54 Tabelle 15: Definitionen des Begriffs Wissen 76 Tabelle 16: Definitionen des Begriffs Wissensmanagement 77 Tabelle 17: Wissenskategorien 78 Tabelle 18: Wissensdichotomien aus unterschiedlichen wissensschaftlichen Disziplinen 79 Tabelle 19: Methoden zur Messung immaterieller Vermögenswerte ein Überblick 81 Tabelle 20: Häufigkeiten der WM-Aktivitäten nach Institutionen 88 Tabelle 21: Häufigkeiten der WM-Aktivitäten nach Jahrgängen 89 Tabelle 22: Häufigkeiten der kritischen Erfolgsfaktoren nach Institutionen 92 Tabelle 23: Häufigkeiten der kritischen Erfolgsfaktoren nach Jahrgängen 92 IX
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11 Einleitung Die zunehmende Bedeutung von Wissen für den Organisationserfolg wird heute kaum noch angezweifelt. Im Gegensatz zu früheren Perioden der wirtschaftlichen Entwicklung, wird insbesondere dem Wissen vor den traditionellen Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital eine zentrale Rolle im Wertschöpfungsprozess zuerkannt (Quinn 1992; Stewart 1997). Auf organisationaler Ebene impliziert diese Veränderung eine zunehmende Verschiebung von materiellen zu immateriellen Ressourcen, denen bei der Generierung von langfristigen Wettbewerbsvorteilen ein hoher Stellenwert beigemessen wird (Teece 1997, 1998; Grant 1996, 2000, Mertins et al. 2003). Dabei steht die sich gegenwärtig vollziehende Entwicklung von der Industriegesellschaft zur sogenannten Informationsund Wissensgesellschaft jedoch noch am Anfang ihrer genaueren Untersuchung. Vor dem Hintergrund dieser veränderten Rahmenbedingungen ist die Frage nach dem Management von Wissen in Wissenschaft und Praxis gleichermaßen in den Vordergrund gerückt. Gemessen an der Anzahl von Publikationen und Konferenzen ist die Aufmerksamkeit, die dem Phänomen Wissensmanagement (WM) entgegengebracht wird bemerkenswert. Diese Entwicklung hat jedoch zu einem Mangel an Geschlossenheit im Feld des Wissensmanagements geführt. Wie für viele Konzepte, die eine gewisse Popularität erlangt haben, besteht auch für das Wissensmanagement (...) die Tendenz, alles Mögliche, was man gerne propagiert sehen möchte, hineinzuweben, mit der bedauerlichen Konsequenz, dass das Konzept zu verwässern droht (Schreyögg 1998, S. 440). Eine weit verbreitete Methode, um wesentliche Aspekte des Wissensmanagements und die Prinzipien ihrer Interaktion besser verstehen und strukturieren zu können, ist die Entwicklung so genannter Frameworks. Jedoch ist die Vielfalt der WM-Frameworks in Wissenschaft und Praxis kaum noch überschaubar, und ein einheitliches Verständnis eines Wissensmanagements ist bisher nicht erkennbar. Daher wurde begleitend zur Arbeit des CEN-Projekts European Guide to Good Practice in Knowledge Management 1 von den Autoren eine umfassende Analyse von WM-Frameworks durchgeführt. 1 CWA 14924; CEN/ISSS (Comitee Europen de Normalisation/Information Society Standardization System) 1
12 Ziel der Studie war es, anhand einer quantitativen und qualitativen Inhaltsanalyse Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen verschiedenen Frameworks herauszuarbeiten und somit einen strukturierten Überblick über den gegenwärtigen Stand des Wissensmanagements in Wissenschaft und Praxis darzulegen. Ausgehend von dieser Zielsetzung ist der vorliegende Beitrag folgendermaßen aufgebaut: Kapitel 1 schildert die grundlegenden Begriffe und die methodische Vorgehensweise der Studie. Anschließend werden in Kapitel 2 die wesentlichen Ergebnisse der Studie ausführlich vorgestellt. Zunächst werden die institutionelle Herkunft bzw. der Entstehungskontext der Frameworks sowie unterschiedliche Frameworktypen näher betrachtet (Kapitel 2.1 und Kapitel 2.2). Darüber hinaus stehen im zweiten Kapitel folgende Fragen im Mittelpunkt der Analyse: Welche Aussagen treffen die ausgewählten Ansätze hinsichtlich des Wissensbegriffs (Kapitel 2.3)? Welche Aktivitäten und Prozesse des Wissensmanagements werden in den untersuchten Frameworks thematisiert (Kapitel 2.4)? Welchen Faktoren wird ein maßgeblicher Einfluss auf den (Miss-)Erfolg von Wissensmanagement beigemessen (Kapitel 2.5)? In Kapitel 3 werden die wesentlichen Ergebnisse der Studie kurz zusammengefasst und zukünftige Herausforderungen diskutiert. 2
13 1 Begriffsklärung und Methode der Untersuchung Begriffsklärung: Framework Für den Begriff des Frameworks existiert bis heute keine eindeutig anerkannte Definition. 2 Nach Weber et al. (2002) stellt ein Framework eine prägnante Beschreibung von wesentlichen Elementen, Konzepten und Prinzipien einer Domäne dar, welche darauf abzielt, eine Referenz für zukünftiges Handeln zu schaffen. Frameworks werden häufig aus dem Zusammenwirken von Modellen und Fallstudien entwickelt. Modelle dienen dazu, innerhalb vielschichtiger Phänomene und komplexer Beziehungen auf relevante Zusammenhänge aufmerksam zu machen. Fallstudien ergänzen diese Sichtweise dahingehend, dass sie auf empirisch und praktisch relevante Variablen hinweisen und somit auch für Problemstellungen der Unternehmenspraxis sensibilisieren. Frameworks wollen dabei keine gesetzesartigen Beziehungen zwischen Variablen aufstellen. Vielmehr sind sie ein Strukturierungsinstrument für komplexe Problemstellungen, welches gleichzeitig als Ausgangspunkt für die Generierung möglicher Handlungsalternativen herangezogen werden kann (Osterloh/Grand 1995). Wissensmanagement Frameworks Ein Wissensmanagement Framework 3 soll demnach die Kernelemente des Wissensmanagements benennen und die Prinzipien ihrer Interaktion näher beleuchten. Für die Unternehmenspraxis schafft es somit einen systematischen Ausgangspunkt für Entscheidungen bezüglich der Implementierung und Anwendung von Wissensmanagement. Aufgrund seines Abstraktionsgrades schafft ein Framework einen gewissen Interpretationsspielraum und lässt sich somit auf unterschiedliche Situationen anwenden. Da bei der Einführung von Wissensmanagement in Organisationen stets den jeweils spezifischen Kontextbedingungen Rechnung getragen werden muss, sind Handlungsempfehlungen auf Basis eines Frameworks grundsätzlich von heuristischer Natur. 2 Der Begriff Framework wird beispielsweise wie folgt definiert: A structure expressed in diagrams, text and formal rules that relates the components of a conceptual entity to each other (ISO/CEN DIS 19439; 2002). 3 Neben dem insbesondere im englischen Sprachraum verbreiteten Begriff Framework werden in der (WM-)Literatur folgende Begriffe weitgehend synonym verwandt: Gestaltungsrahmen, Referenzmodell, Bezugsrahmen, heuristisches Modell, Analyseraster, Grundgerüst. 3
14 Methodisches Vorgehen Die Framework-Studie basiert methodisch auf der quantitativen und qualitativen Inhaltsanalyse 4 von bestehenden WM Frameworks, die in der wissenschaftlichen Literatur veröffentlicht, bei Fachkonferenzen der Öffentlichkeit vorgestellt oder in Unternehmen praktisch angewandt werden. Zur Datenerhebung wurden die einschlägigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Thema Knowledge Management und Wissensmanagement recherchiert 5, die Tagungsdokumentationen von wissenschaftlichen und kommerziellen Wissensmanagement-Konferenzen im Zeitraum von 1998 bis 2003 durchgesehen sowie in Internetquellen recherchiert. Ferner wurde eine direkte -Befragung unter wissensmanagement-interessierten Wissenschaftlern und Praktikern durchgeführt und ein Aufruf über das Knowledgeboard in der SIG (Special Interest Group) Standards gestartet. 6 Die Recherchearbeiten fanden von April 2003 bis August 2003 statt, die -Befragung wurde im Mai 2003 durchgeführt. Antworten wurden bis Mitte August 2003 berücksichtigt. Nach Abschluss der Materialsammlung wurden insgesamt 160 Frameworks für die weitere Analyse ausgewählt. Der Veröffentlichungszeitraum der Frameworks erstreckt sich von 1995 bis 2003 (Abbildung 1). Annähernd die Hälfte der gesammelten Publikationen stammt dabei aus den letzten drei Jahren, was einerseits unterstreicht, dass es sich bei Wissensmanagement um eine noch recht junge Disziplin handelt und andererseits auf ein nach wie vor hohes Interesse an der Thematik schließen lässt. Ferner deckt die Auswahl verschiedene Entwicklungsstadien des Wissensmanagements ab. 4 Zu Grundlagen und Techniken der Inhaltsanalyse vgl. z.b. Mayring (1988). 5 Hierzu zählen neben Monographien und Beiträgen in Sammelbänden insbesondere die folgenden Fachzeitschriften: Journal of Knowledge Management, Knowledge and Process Management, Long Range Planning, Information Support Systems und California Management Review. 6 Die -Befragung richtete sich an Wissenschaftler und Praktiker, die den Autoren bekannt sind sowie an Personen aus dem Who is who? -Verzeichnis des Knowledgeboards. Das Knowledgeboard ( ist die größte virtuelle KM Community in Europa und wurde von der EU Kommission finanziell gefördert. 4
15 Jahrgang Abbildung 1: Veröffentlichungszeitraum der WM-Frameworks Bei Betrachtung der Frameworks anhand ihrer regionalen Herkunft lässt sich feststellen, dass der Großteil (77%) der Veröffentlichungen aus dem europäischen Raum 7 stammt (Abbildung 2). Abbildung 2: Regionale Herkunft der WM-Frameworks 7 Wie Abbildung 2 zeigt, entfällt hier der größte Teil auf deutsche Publikationen (35%). Die anderen Frameworks stammen aus den folgenden europäischen Ländern: Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweiz, Spanien und Türkei. Ferner gehören zu dieser Gruppe acht von der EU geförderte Forschungsprojekte zum Thema Wissensmanagement. 5
16 Die Grundlage der Inhaltsanalyse stellen die graphisch und textlich beschrieben Frameworks zum Wissensmanagement dar. Dabei sind die aus der Wissenschaft stammenden Frameworks in der Regel ausführlicher beschrieben als die Darstellungen der Praktiker. Die in der Organisationspraxis genutzten Frameworks reduzieren sich oft auf eine oder mehrere graphische Darstellungen und Kurzbeschreibungen aus Einführungs- und Projektpräsentationen, die uns zur Verfügung gestellt wurden bzw. öffentlich zugänglich sind. Die Auswertung erfolgte in vier Schritten. Im ersten Schritt wurden aus den Framework-Darstellungen Angaben herausgearbeitet, zum Teil in die Englische Sprache übersetzt und den folgenden Analysekategorien zugeordnet: 1. Quelle: Titel der Veröffentlichung, Autor(en), Jahr. 2. Herkunft der Frameworks nach Institution 3. Framework Typ 4. Aussagen zum Wissensbegriff 5. Wissensmanagement-Aktivitäten 6. Kritische Erfolgsfaktoren des Wissensmanagements Der Schwerpunkt der inhaltlichen Analyse liegt auf den drei zuletzt genannten Kategorien: Aussagen zum Wissensbegriff, Wissensmanagement-Aktivitäten und kritische Erfolgsfaktoren des Wissensmanagements. Wissensbegriff Grundsätzliches Ziel des Wissensmanagements ist es, den systematischen Umgang mit Wissen und Wissenspotentialen innerhalb der Organisation zu verbessern. Daher gilt es zunächst die Frage zu beantworten, welches Verständnis von Wissen den Frameworks zugrunde liegt, da nur schwerlich Aussagen zum Wissensmanagement abzuleiten sind, wenn der zentrale Begriff Wissen nicht eindeutig geklärt ist. Wissensmanagement-Aktivitäten Der Umgang mit Wissen stellt an sich nichts Neues dar. Neu allerdings ist es, den Umgang mit Wissen systematisch und zielgeleitet zu gestalten. Demnach gilt es zu untersuchen, welche konkreten Aktivitäten zum systematischen Umgang mit Wissen ausgeübt bzw. in den Frameworks thematisiert werden. 6
17 Kritische Erfolgsfaktoren des Wissensmanagements Der Erfolg oder Misserfolg von Wissensmanagementinitiativen ist maßgeblich von den Rahmenbedingungen abhängig unter denen sie umgesetzt werden. Da sich Wissen teilweise seiner direkten Steuerung entzieht, ist es eine Aufgabe des Wissensmanagements, auf die Gestaltung des organisationalen Kontextes hinzuwirken. Es gilt somit die Frage zu beantworten, welche Kontextfaktoren in den Frameworks als besonders kritisch für den Erfolg von Wissensmanagement eingestuft werden. Im zweiten Schritt wurden die Ergebnisse in diesen Kategorien codiert und nach ihrer Häufigkeit der Nennung ausgezählt. Auf dieser Basis wurden statistische Kennzahlen berechnet, wie z.b. die Häufigkeit der Nennung von WM- Aktivitäten, Maximal- und Minimalwerte sowie Durchschnittswerte, Median und die Standardabweichung. Im dritten Schritt wurden die synonymen und bedeutungsnahen Begriffe nach inhaltlichen Klassen geordnet. So werden beispielsweise in der Kategorie WM-Aktivitäten Begriffe wie Share (31), Transfer (23), Distribution (21), Diffusion (3) zu einer Gruppe zusammengefasst und ihre Häufigkeiten (78) summiert. Ziel dieser quantitativ-analytischen Vorgehensweise war es, durch das Herausfiltern bestimmter Bestandteile aus dem Ausgangsmaterial, die in den Frameworks bestehende Heterogenität und Komplexität zu reduzieren. Diese strukturierte Zusammenfassung dominanter Aspekte innerhalb des Kategoriensystems stellt gleichzeitig den Ausgangspunkt für den vierten Schritt die qualitative Inhaltsanalyse dar. Für die Ergebnisdarstellung wurden hier die einzelnen Begriffe inhaltlich erläutert. Dort wo es möglich war, wurde die Bandbreite des Begriffsverständnisses aufgezeigt. Für die detaillierte Darstellung wurden aus den analysierten Frameworks und durch Rückgriff auf zusätzliches Material, diejenigen Beschreibungen ausgewählt, die aus Sicht der Autoren die differenzierteste Darstellung für die jeweilige Gruppe anbieten beziehungsweise anwendungsorientierte Hinweise für die Praxis liefern. 7
18 2 Ergebnisse der Studie 2.1 Herkunft der Wissensmanagement Frameworks Die Entwicklung des Wissensmanagements ist durch einen starken Praxis- beziehungsweise Anwendungsbezug gekennzeichnet. Oft sind WM-Frameworks in Kooperation zwischen Wissenschaft und Unternehmenspraxis entstanden wie beispielsweise im Schweizerischen Forum für Organisationales Lernen und Wissensmanagement (Probst et al. 1998) oder von Unternehmensberatungen für die Praxis konzipiert worden. Die Analyse sollte daher sowohl WM-Frameworks aus der Praxis als auch aus der Wissenschaft umfassen. Somit war es notwendig, die Grundgesamtheit der WM-Frameworks hinsichtlich ihrer Herkunft bzw. des Entstehungszusammenhangs zu unterteilen. Als Entscheidungskriterium wurde hierzu die Zugehörigkeit der Autoren und Herausgeber zu den vier Gruppen Wissenschaft, Unternehmensberater, Unternehmen sowie Verbände und Standardisierungsorgane herangezogen. Danach stellen Vertreter aus der Wissenschaft mit 44 Prozent den größten Anteil der WM-Frameworks, gefolgt von den Unternehmensberatern (30%), den Unternehmen (19%) sowie Verbänden und Standardisierungsorganen (7%). 8 Das Ergebnis wird in Abbildung 3 visualisiert. Abbildung 3: Institutionelle Herkunft der WM-Frameworks 8 Ein ausführliches Quellenverzeichnis befindet sich im Anhang C. 8
19 Betrachtet man in einem weiteren Schritt die Grundgesamtheit der analysierten Frameworks anhand der Dimensionen regionaler und institutioneller Herkunft ergibt sich folgende Verteilung (Tabelle 1): Tabelle 1: Herkunft der Frameworks nach Region und Institution Institution Region Europa (ohne Deutschland) Deutschland USA Asien und Australien Sonstige Summe Wissenschaft Unternehmensberater Unternehmen Verbände und Standardisierungsorgane Summe Wissenschaft Die Diskussion über Wissensmanagement (Knowledge Management) speist sich aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen und Forschungsrichtungen. Nach Maier (2002) reichen die konzeptionellen Wurzeln des Wissensmanagements von der Managementforschung, über die Wissenssoziologie, die Psychologie bis zur Informatik und den Ingenieurswissenschaften (Abbildung 4). Generell lassen sich gegenwärtig zwei Generationen von Ansätzen des Wissensmanagements unterscheiden. Im Mittelpunkt der ersten Generation standen vorrangig informationstechnische Systemlösungen, welche jedoch auf erhebliche Umsetzungs- und Akzeptanzprobleme stießen. Hierauf aufbauend unterscheidet sich die zweite Generation insbesondere dadurch, dass sie den zuvor vernachlässigten sozialen und organisationalen Entstehungs- und Verwendungszusammenhang von Wissen in den Vordergrund stellt (Schreyögg/Geiger 2003). Aus heutiger Sicht hat sich Wissensmanagement zu einem Querschnittsthema mit interdisziplinären Forschungsansatz entwickelt, welches insbesondere Erkenntnisse aus den Bereichen der Betriebswirtschaftslehre, Informatik und Psychologie integriert (Reinmann-Rothmeier 2000) 9
20 Intellectual asset management Knowledge goals Knowledge Management Knowledge strategy People oriented Technology oriented Knowledge Contents, E-Learning processes Roles and structures, Knowledge systems organization ontology economics Knowledge management systems Translation to business and management concepts and terminology Goal-oriented design of handling of knowledge, capabilities and competences Use of supporting information and communication technologies Single/double loop learning Organizational Learning Identification Intuition Management by Innovation management Strategic management OL as dynamic process Interpretation Diffusion Sociology of Organizational knowledge development Organizational psychology Evolution of organizations Cognitive psychology Individual Group Organization Organizational knowledge base/ memory Institutionalization Integration Organized chaos Organizational change Application Feedback Artificial Systems intelligence Organizational dynamics intelligence Systems Organizational theory culture Abbildung 4: Conceptual roots of knowledge management (Maier 2002, S. 32). Unternehmen Die Diskussion über Wissensmanagement hat heute fast jede Organisation und Institution in der Gesellschaft erreicht. Das Spektrum reicht von großen börsennotierten Unternehmen bis zu kleinen Sanitär- und Installationsunternehmen, deren Wissensmanagement-Lösung im Jahr 2002 mit dem Preis Wissensmanager des Jahres ausgezeichnet wurde (Impulse 02/2003). Die verschiedenen Unternehmen haben vielfältige Methoden und Konzepte entwickelt, um den systematischen Umgang mit Wissen effizienter zu gestalten. Je nach Stellenwert, der dem Wissensmanagement (gegenwärtig) im Unternehmen beigemessen wird, ist im Rahmen seiner Einführung ein unterschiedliches Ausmaß an Veränderungen in organisationalen Strukturen, Prozessen und Rollen zu beobachten. Dieses erstreckt sich beispielsweise von der Initiierung einzelner Pilotprojekte, über die Einrichtung neuer Abteilungen o- der Arbeitsgruppen bis hin zur Schaffung neuer Rollen auf den verschiedenen Hierarchieebenen des Unternehmens. 10
21 Unternehmensberatungen Viele Organisationen greifen heute bei der Einführung von Wissensmanagement auf die Unterstützung von Unternehmensberatungsgesellschaften zurück. Dabei waren es insbesondere die internationalen Management-Consulting Firmen selbst, die recht frühzeitig intensive Anstrengungen unternommen haben Wissen gezielt zu entwickeln und in der Organisation vorhandenes Wissen (z.b. aus abgeschlossenen Kundenprojekten) zu transferieren und wiederzuverwenden (Böhmann et al. 2002). Es ist daher kaum überraschend, dass insbesondere in diesem Umfeld die ersten internen Wissensmanagementsysteme eingeführt wurden. Neben den großen Management-Consultants und verschiedenen IT-Beratungsdienstleistern haben sich mittlerweile aber auch verstärkt kleinere und mittlere Beraterfirmen auf das Thema Wissensmanagement spezialisiert. Verbände und Standardisierungsorgane Eine neuere Entwicklung, die für die Gestaltung von WM- Frameworks von besonderer Bedeutung ist, sind die Aktivitäten von Institutionen der Standardisierung sowie von Berufsverbänden und Branchenvereinigungen. So hat die Working Group Knowledge Management der EIRMA (European Industrial Research Management Association) bereits 1998 eine Empfehlung unter dem Titel The Management of Corporate Knowledge veröffentlicht. Im Jahr 2001 hat die British Standard Institution das Beratungsunternehmen PriceWaterhouseCoopers beauftragt einen Leitfaden ( Knowledge Management: A guide to good practice ) als PAS (Public Available Specification) zu erstellen (Kelleher/Levene 2001). In Australien hat die Standards Australia International ebenfalls in 2001 den Guide Knowledge Management: A framework for succeeding in the knowledge era (HB ) unter Beteiligung von zahlreichen Vertretern aus Wirtschaft und politischen Institutionen veröffentlicht. Derzeit wird am Interim Standard (AS 5037 (int) 2003) gearbeitet, der das Handbuch ersetzen soll. In Europa wurde im Herbst 2002 von der CEN (Europäisches Komitee für Normung) mit Unterstützung des EU Direktorats Informationsgesellschaft ein achtköpfiges Projektteam von europäischen WM-Experten ausgewählt und mit der Erarbei- 11
22 tung des European Guide to Good Practice in Knowledge Management beauftragt. Die Arbeit wurde von mehr als einhundert Teilnehmern des CEN-Workshops Knowledge Management begutachtet und im November 2003 verabschiedet. Das CEN Workshop Agreement (CWA 14924) liegt in englischer und deutscher Sprache vor. In Deutschland hat der Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie e.v. (VBM) in Kooperation mit der Universität München bereits im Jahr mit kleinen und mittelständischen Unternehmen Pilotprojekte zum Thema Wissensmanagement durchgeführt. Die Ergebnisse und Erfahrungen sind in den Leitfaden Wissensmanagement für die Praxis eingegangen (vgl. VBM 2000). Die Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.v. (DGFP) hat im Herbst 2000 einen Arbeitskreis mit der Aufgabe ins Leben gerufen, ein praxisorientiertes Verständnis von Wissensmanagement zu entwickeln und Handlungsfelder für die Umsetzung zu beschreiben. Der Abschlußbericht wurde im Jahr 2002 publiziert (vgl. Armutat et al. 2002). In Nordrhein-Westfalen arbeiten Vertreter der Arbeitgebervereinigung und der gewerkschaftsnahen Technologie- Beratungsstellen (TBS) im Rahmen des geförderten Projektes Faktor Wissen mit Unternehmen an der Umsetzung von Wissensmanagement in der Praxis. Die Technologieberatungsstelle beim DGB Landesbezirk NRW e.v. hat im Rahmen ihrer Reihe Arbeit, Gesundheit, Umwelt, Technik mit dem Band 50 eine Broschüre zum Wissensmanagement speziell für betriebliche Interessenvertreter herausgegeben (vgl. Herrmann et al. 2001). Der Verein Deutscher Ingenieure e.v. (VDI) hat 2003 im Kompetenzfeld Informationstechnik den Fachausschuss Wissensmanagement im Engineering eingerichtet, um eine VDI-Richtlinie zu erarbeiten, die Entscheidungsträgern und WM-Projektleitern sowie WM-Verantwortlichen einen Einführung in das Themenfeld Wissensmanagement vorzulegen und die Besonderheiten des WM im Ingineurbereich kompakt darzustellen. In der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) wird von der AG 130 Wissensmanagement eine Publikation mit Erfahrungen zum WM aus Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen erarbeitet. 12
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