Herzrhythmusstörungen in der pädiatrischen Praxis
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- Harald Stein
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1 Herzrhythmusstörungen in der pädiatrischen Praxis Was ist zu beachten? Angelika Lindinger, Thomas Kriebel Kinderkardiologie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern Einleitung Herzrhythmusstörungen basieren auf sehr unterschiedlichen Mechanismen und gehen mit sehr unterschiedlichen Symptomen einher, die von fehlender Symptomatik bis zum plötzlichen Herztod reichen können. Im Kindesalter ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Symptome von den kleinen Patienten nicht artikuliert werden können und damit häufig erschwert erkannt werden. Zu unterscheiden sind prinzipiell bradykarde von tachykarden Herzrhythmusstörungen und bei letzteren supraventrikuläre und ventrikuläre Extrasystolen bzw. Tachykardien. Bradykarde Herzhythmusstörungen werden v. a. bei Kindern nach Operation oder Palliativeingriffen von angeborenen Herzfehlern beobachtet. Selten treten sie spontan auf oder sind angeboren, wie z. B. bei Kindern von Müttern mit einem Lupus erythematodes. Die häufigsten Rhythmusstörungen im Kindesalter sind ventrikuläre Extrasystolen, die vor allem jenseits des Säuglingsalters auftreten. Supraventrikuläre Extrasystolen kommen auch im Neugeborenen- und Säuglingsalter vor. Die häufigsten tachykarden Arrhythmien sind supraventrikuläre Tachykardien, die in jedem Lebensalter auftreten können. Ventrikuläre Tachykardien sind bei Kindern sehr selten. Diese Übersicht soll auf Symptome und EKG-Befunde bei den einzelnen Rhythmusstörungen fokussieren, um Herzrhythmusstörungen trotz der z. T. begrenzten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten in der Praxis einordnen zu können (siehe Tabelle 1 3). Anamnese Anamnestisch ist zu fragen nach Herzstolpern, Herzrasen (plötzlicher Beginn und abruptes Ende?), Klopfen im Hals, Übelkeit, Bauchschmerzen, Schwindel, Bewusstlosigkeit. Zu klären ist das Vorliegen eines angeborenen Herzfehlers, eines Herzschrittmachers oder Kardioverter-Defibrillators, einer stattgefundenen Herzerkrankung oder Herzoperation. Bei der Familienanamnese sollen Herzrhythmusstörungen, Synkopen, angeborene Herzfehler, plötzlicher Herztod/Tod unklarer Ursache insbesondere bei Verwandten unter 40 Jahren erfasst werden. Symptome Bradykarde Herzrhythmusstörungen (Tab. 2) führen bei anhaltenden ventrikulären Frequenzen, die deutlich unterhalb der Altersnormwerte liegen (etwa < 50 Schläge/min bei Säuglingen und < Schläge/min bei Schulkindern), zu Müdigkeit und Schwindel und abhängig von der Art der Bradykardie und insbesondere bei zusätzlicher Herzerkrankung oder angeborenen Herzfehlern auch zu Synkopen, selten zum (plötzlichen) Herztod. Extrasystolen (ES) werden im Kindesalter i. A. nicht verspürt. Gelegentlich wird von älteren Kindern oder Jugendlichen Herzstolpern angegeben. Extrasystolen verursachen zumeist keine Symptome. Merke: Auch wenn ventrikuläre Extrasystolen im Kindesalter häufig ohne Symptomatik und ohne kardiale Grunderkrankung sind, ist eine weitere Abklärung erforderlich, um mögliche Herzerkrankungen oder lebensbedrohliche Arrhythmien auszuschließen (s. Tab. 3). Selten können sehr früh einfallende ES zu einer funktionellen Bradykardie führen. Die Symptome bei supraventrikulären Tachykardien (SVT) sind abhängig vom Alter des Kindes, von der Art der SVT sowie von Dauer und Herzfrequenz der Tachykardie. Säuglinge zeigen früh nach Beginn der Tachykardie Symptome der Herzinsuffizienz wie Schwitzen, Blässe, Trink unlust und einen zunehmenden Kreislaufverfall. Aufgrund einer gelegentlichen kardialen Stauung werden die Patienten dann mit dem Merke: Supraventrikuläre Tachykardien haben in der Regel eine starre Herzfrequenz, die sich im Gegensatz zu Sinustachykardien nicht durch allgemeine Maßnahmen wie Beruhigung des Kindes oder Fiebersenkung beeinflussen lässt. Bild einer Pneumonie/Infektion der oberen Atemwege in der Praxis vorgestellt. Ältere Kinder und Jugendliche klagen häufig 222 Kinderärztliche Praxis 87, (2016) Nr. 4
2 Merke: Bei Verdacht auf ventrikuläre Tachykardien sind sofortige (diagnostische und) therapeutische Maßnahmen erforderlich. über Palpitationen, Bauchschmerzen, Übelkeit und Schwindel. Kinder ab etwa 5 6 Jahren können im Allgemeinen angeben, dass sie Herzrasen verspüren. Ventrikuläre Tachykardien (VT) verursachen in Abhängigkeit von der bestehenden Herzfrequenz sowie der zugrunde liegenden Art der VT Schwindel, Übelkeit und bei hohen Frequenzen eine binnen weniger Sekunden oder Minuten eintretende Kreislaufinsuffizienz, die auch zu Bewusstseinsverlust und Tod führen kann. Dabei spielt die Basisherzerkrankung (z. B. Zustand nach operierter Fallot-Tetralogie, Long-QT-Syndrom usw.) eine entscheidende Rolle. Diagnostik Basisdiagnostik: Einschätzung der hämodynamischen Stabilität des Patienten (Vitalparameter, körperliche Untersuchung, Monitor-EKG), 12-Kanal-EKG mit zusätzlichem Rhythmusstreifen. Erweiterte Diagnostik (weitere Abklärung beim Kinderkardiologen oder pädiatrischen Elektrophysiologen) mit Langzeit-und Belastungs-EKG, Echokardiographie, Röntgen-Thoraxaufnahme, Herzkatheter-/elektrophysiologische Untersuchung, medikamentöse Provokationstests (z. B. Ajmalintest bei Brugada-Syndrom), MRT, Herzmuskelbiopsie, molekulargenetische Untersuchung. EKG-Interpretation Die EKG-Interpretation sollte systematisch erfolgen. Zu klären sind folgende EKG-Details: 1. Rhythmus: Besteht ein Sinusrhythmus? (siehe Tabelle 1) 2. Herzfrequenz: a. HF im altersentsprechenden Normbereich?, b. unterschiedliche Herzfrequenz von Vorhöfen und Kammern (P-QRS-Relation 1:1)?, c. konstantes oder wechselndes P-QRS- Verhältnis? 3. Lagetyp-Bestimmung 4. Bestimmung folgender Zeitintervalle: d. PQ-Zeit e. QRS-Dauer f. QT- und QTc-Dauer (frequenzkorrigierte QT-Zeit) g. Liegen die Zeiten im Bereich der altersentsprechenden Norm? h. Folgende Befunde sollten weiter abgeklärt werden: i. PQ-Zeit > 200 ms (AV-Überleitungsstörung) ii. QRS-Dauer > 110 ms (Schenkelblock, Schrittmacherstimulus, Deltawelle) Kinderärztliche Praxis 87, (2016) Nr
3 Tab. 1: Befunde bei Sinusrhythmus und Rhythmusvarianten Sinusrhythmus Definition: Jeder Vorhoferregung folgt eine Kammererregung (1:1-Relation von Vorhöfen und Kammern); Herzfrequenz im Altersnormbereich EKG: Bei normaler Lage des Sinusknotens im oberen rechten Vorhof: Vorliegen von positiven P-Wellen in den Ableitungen I, II + avf Sinustachykardie Definition: Die Altersnorm überschreitende Herzfrequenz, die unter erhöhtem Sympathikotonus bei psychischem oder physischem Stress auftritt. Seltene kardiologische Ursachen: Myokarditis, Kardiomyopathie, eingeschränkte Ventrikelfunktion EKG: Herzfrequenz > 220 Schläge/min bei Säuglingen, > 190 Schläge/min bei Kindern, > 180 Schläge/min bei älteren Kindern und Jugendlichen; langsamer Beginn und allmähliches Ende der erhöhten HF, keine starre HF; ansonsten unauffälliger EKG-Ablauf; Absenkung der HF bei Behandlung der Ursache Basisdiagnostik: 12-Kanal-EKG, ggf. Echokardiographie, weitere Diagnostik nach Ursache Therapie: Behandlung der Ursache Sinusbradykardie Definition: erniedrigte, die Altersnorm unterschreitende Herzfrequenz, die bei vermehrtem Vagotonus (Schlaf) oder bei gut trainierten Kindern und Sportlern auftritt EKG: HF < 90 Schläge/min bei Säuglingen, < 60 Schläge/min bei Kindern, < 50 Schläge/min bei Jugendlichen. Ansonsten unauffälliger EKG-Ablauf. DD: Sinusknotendysfunktion Therapie: nicht erforderlich, bei Sinusknotendysfunktion s. u. Respiratorische Arrhythmie Definition: atemabhängiger Wechsel der HF EKG: HF-Beschleunigung über ca. 3 4 Schläge bei Inspiration, Abnahme der HF bei Exspiration; ansonsten unauffälliger EKG-Ablauf Therapie: keine Wandernder Vorhofschrittmacher Definition: Allmähliche Verlangsamung der Sinusknotenfrequenz mit Übergang der Schrittmacherfunktion auf tiefer gelegene Vorhofareale, zumeist unter Vagotoniebedingungen; überwiegend bei herzgesunden Kindern, selten verbunden mit pathologischen Bradykardiesituationen EKG: Änderung der P-Wellen-Achse, verbunden i. d. R. mit einer etwas geringeren HF; dann umgekehrter Verlauf Therapie: nicht erforderlich AV-Frequenzdissoziation Definition: Die Frequenz des Sinusknotens verlangsamt sich geringfügig auf das Niveau des AV-Knotens; meist unter Vagotoniebedingungen und überwiegend bei Herzgesunden, selten verbunden mit pathologischen Bradykardiesituationen EKG: Die P-Wellen aus dem Sinusknotenbereich (positiv in I, II und avf) wandern in den QRS-Komplex hinein und sind z. T. auch kurz nach dem QRS-Komplex sichtbar ( Pendeln des P um den QRS- Komplex ); nach einigen Schlägen umgekehrter Verlauf Therapie: nicht erforderlich AV-Rhythmen (junktionale Rhythmen) Definition: Bei Verlangsamung der Sinusknotenfrequenz: Ersatzschläge aus dem AV-Knotenbereich (Vagotonuseinfluss), bzw. beschleunigter Ersatzrhythmus; selten in Kombination mit pathologischen Bradykardiesituationen EKG: negative P-Wellen in II, III und avf, die unmittelbar vor oder nach dem QRS-Komplex stehen oder in ihm verborgen (nicht erkennbar) sind Abb. 1: Oberflächen-EKG (25 mm/s) eines 10-jährigen Mädchens mit deutlicher Deltawelle im Sinusrhythmus, vor allem in Abl. II, III und avf (Pfeile). 224 Kinderärztliche Praxis 87, (2016) Nr. 4
4 Tab. 2: Befunde bei bradykarden Herzrhythmusstörungen Sinusknotendysfunktion und sinuatrialer Block Definition: Ausfall einer oder mehrerer Vorhoferregungen mit anschließender variabler Pause. Ursachen: idiopathisch, postoperativ, infektiös EKG: fehlende Vorhoferregung mit anschließender Asystolie bis zum Einsetzen eines Ersatzrhythmus (junktional, ventrikulär) bzw. erneuter Vorhoferregung durch den Sinusknoten Symptome: je nach Länge der Pause Schwindel, Synkope (Adam- Stokes-Anfall), plötzlicher Herztod; ggf. Assoziation mit einem Bradykardie-Tachykardie-Syndrom Therapie: bei symptomatischer Bradykardie: Schrittmacherimplantation (s. aktuelle DGPK-Leitlinien [1]) AV-Block Definition: Verzögerung bis Verlust der atrioventrikulären Überleitung Therapie: abhängig von Basiserkrankung, Symptomatik und Grad des AV-Blocks. AVB I : meist keine Therapie erforderlich, bei PQ-Zeit > 300 ms ggf. Schrittmacher-implantation [2] AVB II /Typ Wenckebach: ohne kardiale Grunderkrankung: keine Therapie erforderlich AVB II /Typ Mobitz: individuelle Handhabung je nach Kammerfrequenz und Symptomatik (s. DGPK-Leitlinie) AVB III : postoperativer AVB III mit Persistenz: i. A. Schrittmacherimplantation erforderlich Angeborener AVB III : Schrittmacherindikation abhängig von Kammerfrequenz, Symptomatik, Grunderkrankung und LV-Funktion; s. DGPK-Leitlinie [1]. Prognose: bei zunehmendem Grad des AV-Blocks ungünstiger EKG: AV-Block I : Verlängerung der AV-Überleitungszeit (PQ-Zeit) über die altersspezifische Norm (PQ-Zeit > 200 ms ist immer pathologisch) AV-Block II, Typ Mobitz 1/Wenckebach: Zunehmende Verlängerung der AV-Überleitungszeit bis zum Ausfall eines Kammerkomplexes und anschließender Wiederholung der Abfolge AV-Block II vom Typ Mobitz 2: Überleitung nur jeder 2., 3. oder 4. Vorhoferregung; die PQ-Zeit kann dabei normal oder verlängert sein AV-Block III : Komplette Überleitungsunterbrechung der Vorhoferregung auf die Kammern, verbunden mit AV-Dissoziation; i. A. junktionaler Ersatzrhythmus oder ventrikulärer Ersatzrhythmus (verbreiterter QRS-Komplex) Abb. 2: Oberflächen-EKG (25 mm/s) einer SVT auf der Grundlage einer akzessorischen Leitungsbahn (gleicher Patient wie in Abb. 1) mit einer HF von 170 Schlägen/min. Retrograde P-Wellen sind z. B. in den Ableitungen III, avf und V3 erkennbar. Kinderärztliche Praxis 87, (2016) Nr
5 Tab. 3: Befunde bei tachykarden Herzrhythmusstörungen Supraventrikuläre Extrasystolen Definition: vorzeitig einfallende Herzaktion aus dem Vorhof- und AV-Knotenbereich (Ursprung oberhalb des His-Bündelstamms); häufig ohne zugrunde liegende Herzerkrankung EKG: vorzeitig einfallende P-Welle, P-Wellenkonfiguration i. d. R. nicht identisch mit Sinus-P; Überleitung auf die Kammern (PQ- Abstand): normal oder verzögert; QRS-Komplex i. d. R. normal, gelegentlich schenkelblockartig verbreitert; postextrasystolische Pause: meist nicht kompensiert, d. h. weniger als 2 RR-Abstände bei Sinusrhythmus Diagnostik: bei Vorliegen eines angeborenen Herzfehlers: LZ-EKG, ggf. weitere Diagnostik Therapie: i. A. nicht erforderlich Ventrikuläre Extrasystolen Definition: vorzeitig einfallende Herzaktion aus dem Kammerbereich EKG: vorzeitig einfallender, verbreiterter und schenkelblockartig konfigurierter QRS-Komplex; fehlende vorangehende P-Welle; postextrasystolische Pause meist voll kompensiert, d. h. 2 RR-Abstände im Sinusrhythmus umfassend Basisdiagnostik: LZ-EKG, Echokardiographie, Belastungs-EKG, bei > 10 % VES von allen QRS-Komplexen in 24 h: MRT [3], im Einzelfall: EPU und molekulargenetische Untersuchung Therapie: bei strukturell unauffälligem Herzen + monomorphen VES und/oder Couplets, normalem QT-Intervall, Suppression der VES unter Belastung: keine Therapie, regelmäßige kinderkardiologische Kontrollen; bei allen anderen Situationen: Vorstellung beim Kinderkardiologen/pädiatrischen Elektrophysiologen Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind QRS-Komplexe, die aus dem AV-Knoten- oder Kammerbereich stammen und nicht vorzeitig, sondern verspätet einfallen (= Ersatzsystolen/-rhythmen). Supraventrikuläre Tachykardien (SVT) Definition: in der Regel starrfrequente Tachykardie, die auf pathologischem Mechanismus beruht EKG: Schmalkomplex-Tachykardie über mind. 3 Schläge, meist mit plötzlichem Beginn und abruptem Ende; überwiegend 1:1-Relation zwischen Vorhöfen und Kammern (Ausnahmen: z. B. junktionalektope Tachykardie, hochfrequente atriale Tachykardien, z. B. Vorhofflattern mit funktionellem AV-Block); Frequenzen zwischen 180 und 280/min Häufigste Formen im Kindesalter: AV-Reentry-Tachykardie (AVRT): Reentrykreis auf der Grundlage einer akzessorischen Leitungsbahn, teilweise mit Präexzitationsmuster im Sinusrhythmus (Abb. 1) Erster Häufigkeitsgipfel im Neugeborenen- und Säuglingsalter, in 90 % Sistieren im weiteren Verlauf; zweiter Häufigkeitsgipfel im frühen Schulkindesalter (z. T. Rezidive), hierbei i. d. R. kein Sistieren der Tachykardien mehr. EKG: P-Welle negativ in II, III und avf, kurz nach QRS einfallend (Abb. 2) AV-Knoten-Reentry-Tachykardie (AVNRT): Reentrykreis auf der Grundlage von dualen AV-Knotenleitungsbahnen Erstes Auftreten überwiegend im Kindes- und Jugendalter EKG: P-Welle im QRS-Komplex versteckt und daher i. d. R. nicht erkennbar Basisdiagnostik: LZ-EKG, Echokardiographie; ggf. weiterführende Diagnostik Therapie von AVRT und AVNRT: in Abhängigkeit vom Alter des Kinder, von der Art der SVT sowie von Dauer und Häufigkeit der Anfälle: keine Therapie, medikamentöse Therapie, Katheterablation; s. Leitlinien der DGPK [4]; Expertenrat einholen Weitere sehr seltene SVT-Formen: in der Regel chronische Tachykardie mit mäßig erhöhter HF (fokal-atriale Tachykardie, permanente junktionale Reentry-Tachykardie und junktional-ektope Tachykardie). Atriale Reentrytachykardien, Vorhofflattern und Vorhofflimmern kommen v. a. bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern und hier überwiegend bei Vorhofbelastung oder nach Herzoperationen vor. Ventrikuläre Tachykardien (VT, Abb. 3) Definition: Breitkomplex-Tachykardie mit Ursprung distal des His- Bündels und differentem QRS-Komplex im Vergleich zum Sinusrhythmus EKG: Breite QRS-Komplexe über mindestens 3 Schläge (QRS-Breite > 80 ms im Säuglingsalter, > 100 ms bei Kindern und Jugendlichen) Differenzaldiagnosen: supraventrikuläre Tachykardie mit Schenkelblock, antidrome SVT über eine akzessorische Leitungsbahn. EKG-Merkmale, die für eine VT sprechen: AV/VA-Dissoziation, QRS- Breite > 140 ms bei Rechtsschenkelblock bzw. > 160 ms bei Linksschenkelblock, überdrehter Lagetyp, Konkordanz der QRS-Polarität in allen Brustwandableitungen Basisdiagnostik: nach therapeutischer Beendigung der VT: Echokardiographie, LZ-EKG; je nach Ursache: Belastungs-EKG, MRT, Myokardbiopsie, elektrophysiologische Untersuchung, Molekulargenetik Häufigste VT-Ursachen im Kindesalter: Ionenkanalerkrankungen (Long-QT-Syndrom, Brugada Syndrom usw.), vor und nach Herzoperationen, Myokarditis/Kardiomyopathie, idiopathische VT Therapie: bei hämodynamischer Instabilität sofortige Defibrillation und Beginn von ABC-Maßnahmen [5]. Dauertherapie: Antiarrhythmika oder, wenn möglich, EPU und Ablation, ICD-Implantation je nach Grunderkrankung; Vorstellung beim pädiatrischen Elektrophysiologen 226 Kinderärztliche Praxis 87, (2016) Nr. 4
6 Abb. 3: Oberflächen-EKG eines 5-jährigen Patienten mit einer linksventrikulären faszikulären Tachykardie vom Typ Belhassen mit einer HF von 180 Schlägen/min. Es zeigt sich eine für diese Tachykardie typische superiore Achse (überdrehter Lagetyp) mit Rechtsschenkelblock. iii. QTc-Zeit > 440 ms bei Jungen und > 460 ms bei Mädchen (Long-QT- Syndrom?) 5. Hypertrophiezeichen 6. ST-Streckenveränderungen, diskordante T-Wellen. Differenzialdiagnosen Differenzialdiagnostisch kommen sehr unterschiedliche Krankheitsbilder in Betracht, die in Abhängigkeit von Alter, Grunderkrankung und Symptomatik abzugrenzen sind. Im Säuglings- und gesamten Kindesalter: Stoffwechselerkrankungen (z. B. Hypoglykämien), neurologische Erkrankungen (z. B. epileptische Anfälle); Kleinkindesalter: Affektkrämpfe, die sich i. A. durch die typische Anamnese (Wutanfälle mit Atempausen) abgrenzen lassen. Jugendalter: Orthostase-Syndrom Reflexsynkopen. Literatur 1. Paul T, Ruschewski W, Janousek J (2010) Leitlinie Pädiatrische Kardiologie: Bradykarde Herzrhythmusstörungen. www. kinderkardiologie.org 2. Brignole M, Auricchio A, Baron-Esquivias G, Bordachar P, Boriani G et al. (2013) ESC Guidelines on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy: the Task Force on cardiac pacing and resynchronization therapy of the European Society of Cardiology (ESC). Developed in collaboration with the European Heart Rhythm Association (EHRA). Eur Heart J 34: Priori SG, Blomström-Lundqvist C, Mazzanti A, Blom N, Borggrefe M et al. (2015) 2015 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death: The Task Force for the Management of Patients with Ventricular Arrhythmias and the Prevention of Sudden Cardiac Death of the European Society of Cardiology (ESC) Endorsed by: Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC). Eur Heart J 36: Paul T, Gebauer R, Kriebel T, Schneider H, Janousek J (2011) Leitlinie 21a Pädiatrische Kardiologie: Tachykarde Herzrhythmusstörungen Kleinman ME, de Caen AR, Chameides L, Atkins DL, Berg RA et al. (2010) Pediatric Basic and Advanced Life Support Chapter Collaborators. Part 10: Pediatric basic and advanced life support: 2010 International Consensus on Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency Cardiovascular Care Science With Treatment Recommendations. Circulation 122 (16 Suppl 2): Interessenkonflikt Die Autorin hat keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Beitrag. Korrespondenzadresse Frau Prof. Dr. med. A. Lindinger Kinderkardiologie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Hellmut-Hattert-Straße Kaiserslautern alindinger@westpfalz-klinikum.de Tel.: 06 31/ Fax: 06 31/ Kinderärztliche Praxis 87, (2016) Nr
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