Schwierige Kinder und riskante Familien? Wie Kindheits- und Familienbilder unser Handeln in Tagesgruppen leiten
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- Rüdiger Heintze
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1 Schwierige Kinder und riskante Famiien? Wie Kindheits- und Famiienbider unser Handen in Tagesgruppen eiten Prof. Dr. Michae Behnisch Frankfurt University, Hochschue für angewandte Wissenschaften
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3 Kindheits- und Famiienbider entstehen durch Soziaen Wande und sind nie a-historisch Leitende geseschaftiche Vorsteungen (Bider) über Famiien sie vermischen geseschaftiche Zuschreibungen und empirische Reaitäten Wissenschaft, Medien poitische Maßnahmen Eigene, emotionae geprägte biografische Erfahrungen Ideaisierung und Romantisierung versus Dramatisierung und Kuturkritik
4 Kindheits- und Famiienbider sind aso Vorsteungen innerhab einer Epoche über Kinder und Famiien die individue wie geseschaftich wirksam werden und das Verhaten gegenüber wirkichen Kindern/ Famiien beeinfussen (in Anehnung an Dieter Richter 1987: das fremde Kind)
5 Famiienbider bestimmen das eigene Handen Wenn wir über Famiie(n) sprechen, haben wir es immer auch mit Famiienbidern zu tun. Diese prägen unser Sebstverständnis von Famiien und sie beeinfussen damit unser pädagogisches Handen oftmas auf der Hinterbühne fachicher Refexion. Mehr noch: Tagesgruppen transportieren Famiienbider
6 Übersicht I. Aktuee Famiienbider II. III. Aktuee Kindheitsbider Handen in Tagesgruppen: Einige Bemerkungen
7 I. Aktuee Famiienbider 1. Die öffentiche Famiie 2. Die Risikofamiie 3. Die aktivierte Famiie 4. Die Projektfamiie 5. Die erschöpfte Famiie
8 1. Die öffentiche Famiie: Gründe Seit den 1960er Jahren: Die mediae Inszenierung des Privaten Hao Hörerfamiie Kinder kriegen die Leute immer (?) Famiienerziehung as soziainvestive Poitik im demografischen Wande Kinderschutzdebatte: Opfer im öffentichen Raum
9 1. Die öffentiche Famiie: Gründe Grenzenos zuhause und immer erreichbar Entgrenzung von Arbeits- und Famiienwet Öffentiche Erziehung und deren Rhythmen: Ganztagsbetreuung: Bidungsprojekt und Foge eines ökonomischen Interesses an Beschäftigungsfähigkeit ( empoyabiity )
10 1. Die öffentiche Famiie: Fogen Famiieneben wird sichtbarer, entgrenzter öffenticher - und dadurch kontroierbarer aber auch offener für Unterstützung. Verweigerte Entwickung? Der Druck pädagogischer Institutionaisierung steigt ( sich hefen assen )
11 2. Die Risikofamiie sind wir ae Risikoverdacht und tiefe Skepsis as Grundstimmung: Ein öffenticher Eindruck darüber, dass mit den Famiien irgendwas nicht stimme Das Private wird bedrohich: => Erziehungskatastrophe, Das einst Sebstverständiche wird zum Probem, Schwierigkeiten sind Normaität geworden, Heutige Etern haben wenig Erziehungskompetenz,
12 2. Die Risikofamiie sind die anderen Risikofamiie / gefähriche Etern : Famiien in probematischen Lebensagen, die zum Risiko einer fördernden und beschützenden Entwickung für Kinder werden und für eine soziainvestive Poitik. Reaktion: Soziae Frühwarnsysteme mit unterschiedichem Interventionsgrad
13 2. Die Risikofamiie: Fogen Vom Wecome bis zum Etern-Warnsystem : Massiver Ausbau risikobearbeitender Pädagogik (Schutz und Entwickung von Kindern) Spannungsfed Prävention Bezug zur Empirie riskanter Eternschaft? Tatsächiches Risiko (She Studie, Forsa Studie) oder Steuerung von Famiie?
14 3. Die aktivierte Famiie Famiien werden durch Prävention und Bidungsangebote dazu aufgefordert, aktiv eine verantwortiche Lebensführung zu entwicken die Aktivierten werden durch Freiheit beohnt, die nicht Aktiven zunehmend ausgegrenzt.
15 3. Die aktivierte Famiie Aktivierender Soziastaat: Aktivierung von Eigenverantwortung durch Steuerung der risikoreichen Lebensgestatung ( überwachte Freiheit ): - Förder- und Bidungsangebote - Gesetzgebung - Medien und Öffentichkeit - v.a. Bidung, Integration, Gesundheit,
16 3. Die aktivierte Famiie: Fogen Famiien, die Aktivierung nutzen und bewätigen gescheiterte Famiien, die diese Verantwortungs- Aktivierung nicht eisten können/woen. Moraischer Druck auf das Gegenbid inaktiver, abhängiger Famiien. Es gibt keine Ausreden mehr : Freiheit vs. zunehmende Exkusion (Bidung, Integration, Verantwortung)
17 4. Die Projektfamiie Die Famiie entwirft kein Curricuum, um sicherzusteen, dass die Kinder sich wunschgemäß entwicken (D. Büher-Niederberger 1988)
18 4. Die Projektfamiie Fit für den Start ins Leben oder: wenn sebst die Auswah eines Kinderwagens zur Lebensentscheidung wird. Optimierung, systematische Panung und professionee Unterstützung für das Projektzie geingende Kindheit.
19 4. Die Projektfamiie: Gründe Foge öffenticher Verwertungs -Erwartungen Foge öffenticher Kontroe von Erziehungseistungen Das Kind as etzte nicht austauschbare Primärbeziehung (Kinderschokoaden-Gesichter) Die Urangst der Mitteschicht: Der Virus der Fauheit erreicht unsere Kinder (K. Dörre)
20 4. Die Projektfamiie: Fogen Leitmotiv as Famiienbid Bidungshinwendung: Projekt as Lebensaufgabe Öffenticher Druck, Versagensängste Zeit- und Bescheunigungsdruck Überadene Sinnfunktionen, Perfektionsdruck: Reproduktion von Geseschaft und Entscheunigungsinse (Rosa) Funktionaisierung von Kindheit (=> später)
21 5. Die erschöpfte Famiie Erschöpfung as Foge von öffentichem Aktivierungs-Druck, Projektorientierung, Empoyabiity-Erwartung Herausforderungen: Zeit, Grenzziehung zwischen privat und öffentich, Ortsviefat, Erwartungsviefat, hohes Niveau an Stressfaktoren Forsa Umfrage 2015: Zeitnot as zentraes Probem
22 5. Die erschöpfte Famiie Tagesgruppen: Antei Transferbezug 60 % Für besonders ressourcenarme Famiien: Entkoppung und Scheitern an der Erschöpfung (der kutureen, soziaen, emotionaen Kräfte) Spezifische Kippfaktoren zwischen emotionaer Unterstützung und Erschöpfung (Koh/ Gatermann 2012)
23 Und jetzt? Weche Famiienbider ereben Sie in Ihrer Tagesgruppen-Arbeit as reevant?
24 II. Kindheitsbider: Das gefährdete Kind Ein (scheinbarer) Widerspruch: Gefährdung: ausgerechnet heute? Immer früher, immer mehr, immer schimmer - aktuee Debatten Überdauerndes Leitbid + historisch reativ
25 1. Das gefährdete Kind Gefährdungsformen: - Risiko etericher Erziehung / fehende Förderung ( Risikofamiie, aktivierte Famiie ) - Übergriffe durch Etern/ Institutionen - Psy. Krankheiten, seeische Beeinträchtigungen - Gefährdung der körperichen Entwickung, v.a. Bewegung, Gesundheit, Aergien, Psychosomatik - Digitaisierung der Lebenswet
26 1. Das gefährdete Kind Empirische Hinweise: unterschiediche Trends, aber zumeist keine (reae) Zunahme innerhab der Gefährdungsformen Einfussfaktoren: - neue, genauere Diagnosemethoden - Aufmerksamkeit, Enttabuisierung - Bessere Versorgungsstrukturen - Atersbezogene Vorveragerung durch Prävention - Veränderte Verständnisse, z.b. von Erschöpfung, burn out etc.
27 1. Das gefährdete Kind - Angebot und Nachfrage - Die Beispiee Neurasthenie und Dyspraxie Nachweisbar sind höhere Behandungs- und Eingriffszahen, aber nicht Krankheitszahen Zusammenhänge zu den Famiienbidern
28 2. Das vermessene Kind Normieren, Vermessen, Bewerten, Korrigieren einer as norma/ durchschnittich definierten Kindheit Tradition: Normaismus (19. Jahrhundert) Aktuee Dynamik durch - Wissenschaftiche Erkenntnisse - Präventionsogik, Diagnose - Famiienbider ( Risiko, Projekt, Aktivierung, Sebstnormaisierung)
29 2. Das vermessene Kind Vermessungsfeder - Körper(-hatung), Bewegung - Sprache (Sprachstandserhebung) - Ernährung (Broschüren, Programme) - Bidung (PISA, Sprachstandserhebungen) - Schutz (Kindeswohgefährdung, Screening) - Gesundheit (verpfichtende U-Untersuchungen)
30 2. Das vermessene Kind Vermessung und Korrektur - Therapie - Med.-Pädagogische Behandung - Medikamente - Erzieherische Hifen, Beratung Einschätzung - Homogenisierung von Kindheitsmiieus, ag. Hife und Unterstützung, aber: - Dürfen auch unangepasste Kinder ihren Patz finden anstee von Stigmatisierung und Normierung?
31 3. Das ge-bidete Kind Conni das immer ernende Kind Bidungsbemühungen um das knappe Gut Kind as soziainvestive Poitik Programme frühkindicher Bidung ( öffentiche Famiie ) Entwickungsdruck: Lernfenster Fokussierung auf formee Bidungseistungen
32 3. Das ge-bidete Kind Einschätzungen: - Steigende Bidungseistungen (IQ), steigende Schuabschüsse - Kinder: Bidungsanspruch statt Bergwerk - Wenig empirische Hinweise auf Überforderung (She Studie, Dornes 2010, Hurremann 2008) Oder? So eien wir ständig einer Zukunft voer Wunder entgegen, eine Zeit des hysterischen Wartens ( ). Um der Zukunft wien wird gering geachtet, was heute erfreut, traurig macht, in Erstaunen versetzt, ärgert und interessiert. (Janusz Korczak, 1921: Das Recht des Kindes auf den heutigen Tag)
33 4. Das pädagogische Kind Tradition der Pädagogisierung von Kindheit: kindbezogene Förder-, Lern- und Freizeiteinrichtungen Formen der weiteren Pädagogisierung - Schuisches Lernen (Horte, Ganztag) - Frühkindiche Bidung (Kurse, Tagesstätten) - Behandung und Korrektur (Erziehungshifen, Beratung, med.-therapeutische Angebote) - Freizeit durch Speziaisierung kindicher (Freizeit-) und Spieräume
34 4. Das pädagogische Kind Gründe u.a. - Emotionaer Schutz, Förderung das Kind as Projekt - Bidung und Schutz vor Gefährdung des Kindes - Soziaer Wande ( empoyabiity ) und Zutrauen in Institutionen
35 4. Das pädagogische Kind Fogen - Förderung, geseschaftiche Bedeutung - Verbetriebichung der Lebensführung (Jurczyek), Famiienmanagement + Zeitkonfikte (Forsa 2015) - Gestiegene Sebstansprüche (Forsa 2015) - Funktionaisierung von Kindheit: Kein Toben ohne Trainer, keine Ruhe ohne Zeitfenster, kein Rückzug ohne Rückzugsecke (J. Juu)
36 Zwischenfazit: Zusammenhang von Ausgrenzung und Famiienbidern Einerseits Homogenisierung von Kindheit und Bemühen um soziae Gerechtigkeit Geichzeitig: Kindheitsbider as bürgeriche Leitwährung, die von vieen bewätigt werden, von einigen nicht: Lernen nicht schne genug, sind gefährdet, abweichend, passen nicht in pädagogische Settings (60 % Transferbezug,,Krankheit und soziae Schicht) Kindheitsbider as Messkategorien des Nicht-Erreichens geingender Kindheit
37 Kindheitsbider, Famiienbider Kraftfeder Eigene Biografie Team der Tagesgruppe Kinder in der Gruppe zwischen zwei Kuturen? Konzepte, Leitung => Einrichtungskutur Etern bzw. Famiienmitgieder Jugendamt (Finanzierung, Diagnose) Andere päd. Einrichtungen (Schue), Therapie Experten, Wissenschaft Poitische, öffentiche, mediae Bider Soziaes Umfed / Stadttei
38 III. Handen in Tagesgruppen ist Ihre Aufgabe. Und im Übrigen ganz einfach:
39 . Grundagen Hifen zur Erziehung J.W. Strauss/ M. Behnisch 2014
40 Handen in Tagesgruppen Zentrae Herausforderung: Arbeit unter Bedingungen von Zuschreibungen, Kindheitsbidern, institutioneen Aufträgen und doch der andere Ort mit anderen Erwachsenen zu sein für Kinder und Etern Widersprüche oder gemeinsame Passung?
41 1. Viefat: Aufmerksamer Umgang mit Nicht-Wissen Das Gefüh, einen anderen Menschen zu verstehen, zeugt nicht seten von beschränkter Wahrnehmung und ist nur seten Ergebnis von Verstehenseistungen. Sobad sich Verstehen einstet, wir die Suche nach Information beendet. Die beruhigende Gewissheit, die Situation des Kienten eindeutig aufgeschüsset zu haben, vereitet den Auftrag, die innere und äußere Wet des Kienten zu erkunden. (M. Meinhod 1987)
42 1. Viefat: Aufmerksamer Umgang mit Nicht-Wissen Kritischer Umgang mit Kindheits- und Famiienbidern, die seten frei sind von Interessen (Kraftfedern) und Instrumentaisierungen (Büher-Niederberger 2005) Famiien/Kindern eine Stimme geben Keine Reativierung von Probemagen, aber: Famiien sind as eigenartige Kuturen (K. Wof) anzuerkennen, die sich - auch wissenschaftichen- Zuschreibungen immer auch entziehen.
43 2. Famiienbider: Teamarbeit Kindheits- und Famiienbider entstehen immer im Gefecht der verschiedenen Kraftfeder. Dazu braucht es ein Team und eine Kutur, in der offen und refexiv über soche Bider gesprochen werden kann. Autoritäre Kuturen und verwahroste Kuturen sind für ae Beteiigten probematisch.
44 3. Tagesgruppe as Ort des Wohfühens Du bist bei UNS Die Erfahrung, nicht zu passen und den gängigen Bidern nicht zu genügen, so sich in der Tagesgruppe nicht wiederhoen: Nur ein prinzipiees Wohfühen und eine Atmosphäre des Positiven eröffnet neue (pädagogische) Entwickungen (Sprache, Atag,..)
45 4. Zeit: Tagesgruppe und der heutige Tag Insbesondere Kinder mit schwierigen biografischen Erfahrungen benötigen Zeit, Kontinuität und Gedud. Dies muss auch durchgesetzt werden gegen aktuee Kindheitsund Famiienbider, die sich zeigen in institutioneen Zeitvorgaben, Aufträgen, Hifepänen. Kinder sind küger Berücksichtigung kindicher (famiiärer) Eigenzeit: Gedud, Übung, Zeit Gesagt ist nicht gehört
46 5. Irrtümer müssen sein Das Kind so ruhig unrecht tun. Es wächst moraisch und psychisch daran. Im Gefecht mit dem eigenen Gewissen wird seine moraische Widerstandskraft ( ) wachsen. Die Tagesgruppe as Ort, an dem Kinder ein Recht auf Schwierigkeiten haben dürfen Irrwege müssen mögich sein und ausgehaten werden Offenheit von Lernprozessen und Feherfreundichkeit: Nur die Kutivierung der Freiheit rechtfertigt den Zwang
47 6. Kinder brauchen Grenzen?! eine Wiederkehr von technischen, eher rigiden, normativen Erziehungsvorsteungen ist auch eine Foge aktueer Kindheits- und Famiienbider (pädagogisches Kind, vermessenes Kind, Risikofamiie). das Reden von den Grenzen ist genau deshab ungeeignet: Ausschießend, einseitig, sebst begrenzend, würdeos Kinder brauchen Erwachsene, von denen sie ernen können, wie man Grenzen überwindet
48 7. So wie jeder andere und so wie kein anderer Pädagogisches Handen muss Handen ermögichen Dazu dürfen pädagogische Ort aber nicht zu stark durchgepant sein, sondern müssen Entwickungen ermögichen, die sich nicht nur an speziaisierten pädagogischen Programmen orientieren.
49 Bidung beginnt as Herzensbidung, as Bidung der Seee und der Gefühe. Kognitives Wissen und Verstehen beginnen erst, wenn Menschen erebt haben, dass sich andere um sie intensiv sorgen. (Greenspan/ Bendery 2001)
50 Vieen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Sie dürfen jetzt die passenden Fragen zu meinen Antworten steen
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