Prävention nosokomialer Infektionen: Wie können evidenzbasierte Standards in die tägliche Praxis integriert werden?
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- Christa Althaus
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1 Prävention nosokomialer Infektionen: Wie können evidenzbasierte Standards in die tägliche Praxis integriert werden? Dr. Walter Zingg Service de Prévention et Contrôle de l Infection, Genève Swiss Intensive Symposium 2014 Nottwil 11. März 2014
2 To see far is one thing, going there is another Constantin Brancusi,
3 - Händehygine - Maximale Schutzmassnahmen* - Hautdesinfektion mit Chlorhexidin - Femoraler Zugang vermeiden - ZVK entfernen, sobald er nicht mehr notwendig ist *Maske, Haube, sterile Schürze, grosses steriles Abdecktuch, sterile Handschuhe (Katheter-Anlage) Pronovost. New Engl J Med 2006;355:2725
4 Median/1 000 Kathetertage Mittel/1 000 Kathetertage: 7.7 Mittel/1 000 Kathetertage: 1.3 Pronovost. New Engl J Med 2006;355:2725 4
5 Weshalb war die Studie erfolgreich? 5
6 Grosse, prospektive zweijährige Interventions-Studie in 223 englischen Intensivpflegestationen Teil des Matching Michigan Projektes... Bion. BMJ Qual Saf 2013;22:110
7 Conclusion: Die Reduktion katheterassoziierter Infektionen ist am ehesten Teil eines Langzeittrends im Rahmen einer generellen Verbesserung der Prävention nosokomialer Infektionen! Bion. BMJ Qual Saf 2013;22:110
8 Explaining Michigan : Ex-post Theorie einer Initiative zur Qualitäts-Verbesserung 1. Druck auf die Intensivpflegestationen, der Initiative beizutreten und die Studienbedingungen zu akzeptieren 2. Entstehung eines Netzwerkes mit starker Gruppendynamik und normativem Druck -Wetteifern 3. Wahrnehmung katheterassoziierter Infektionen als Problem, welches (sozial) nicht mehr akzeptiert ist 4. Bildung einer Kultur des Engagements durch multimodale Interventionen (TC, meetings, CUSP) 5. Feedback mit Benchmarking als disziplinierenden Faktor 6. Hard edges Dokumentation mittels Checkliste schärft die Verantwortung; Druck des Studienteams zur zeitgerechten Dateneingabe unter Androhung des Studienausschlusses; Datengenerierung Dixon-Woods. Explaining Michigan. Milbank Quarterly 2011;89:167
9 Wir interessieren uns häufig für das Was aber selten für das Wie!
10 Idee Evidenz Intervention Erfolg
11 Idee Evidenz Intervention Erfolg
12 Das ECDC SIGHT -Projekt Zingg W. Under review
13 Menschen sind nicht passive Empfänger von Innovationen Sie möchten sie haben, experimentieren mit ihnen, evaluieren sie, finden (oder finden keinen) Sinn in ihnen, fordern sie heraus, sorgen sich um sie, beklagen sich über sie, versuchen sie zu umgehen, gewöhnen sich an sie, passen sie an spezielle Situationen an, und sie versuchen Innovationen zu verbessern und neu zu gestalten in der Regel im Dialog mit anderen Benützern Greenhalgh. 2004
14 Was beeinflusst die Arbeit unsere Mitarbeiter? Persönliche Erfahrung ist wichtiger als formales Training Vertrauen in die persönliche Intuition wird höher gewichtet als Wissen Die Umsetzung von Empfehlungen wird beeinflusst von Wissen, aber auch von persönlicher Überzeugung, Motivation und Verantwortungsbewusstsein Sladek. Am J Infect Control 2008; 36: 399 Nicol. J Hosp Infect 2009;72:36
15 Leistung Anreize Teamwork Leadership Sozialbezihungen Kommunikation Arbeitsorganisation Pflegefachpersonen Aerzte Pflege/Therapie Patient Ergnonomie Licht Lärm Ventilation Apparate Geräte Räumlichkeiten Infrasturktur Gebäude
16 Die Intensivpflegestation ist ein feindseliger Ort Die IPS ist ein ergonomisches Desaster Falsche Alarme: 65 to 95% Teams arbeiten in einem Geflecht aus Entscheidungen, komplexen Tätigkeiten, und Emotionen Rodriguez-Paz. Postgrad Med J 2009;85:244 Donchin. Curr Opin Crit Care 2002;8:316
17 Implementierung ist ein sozialer Prozess und ist mit dem zeitlichen und räumlichen Kontext stark verflochten Kontext ist nicht einfach eine Implementierungs- Kulisse sondern stellt die Gesamtheit aktiver Interaktions-Variablen dar Die Implementierungs-Wissenschaft versteht Kontext als die Summe einzelner Faktoren, welche den Vorgang der Implementierung umgeben (und interagieren)
18 Intervention (adaptiert) Adaptierbare Peripherie Kern-Komponente Intervention (nicht adaptiert) Äußeres Setting Damschroder. Implementation Sci 2009;4: 50 Menschen Inneres Setting Adaptierbare Peripherie Kern-Komponente Prozess
19 Intervention
20 Anpassungsfähigkeit Grad der Möglichkeit, die Intervention zu formen, zurecht zu schneidern um den lokalen Bedürfnissen gerecht zu werden (One size does not fit all!) Harter Kern & unscharfe Ränder
21 Quelle Wahrnehmung der Mitarbeiter: Was steht hinter der Intervention, Wo kommt sie her, wie ist die Evidenz, kommt sie von außen, kommt sie von innen (Grass-roots)?
22 Äußeres Setting Politik Infektions- Prävention Grass Roots Management Inneres Setting
23 Relativer Vorteil Vorteil der Intervention gegenüber dem Ist-Zustand und Alternativen in der Wahrnehmung der Mitarbeiter Die Intervention ist erfolgreicher wenn sie in der Wahrnehmung derjenigen, die sie umsetzen müssen einen klaren und eindeutigen Vorteil hat (Wirkung, Effizienz) Aber: Solide wissenschaftliche Evidenz allein ist kein Garant das die Kollegen die Intervention als Vorteil wahrnehmen
24 Komplexität Umsetzbarkeit in der Wahrnehmung der Mitarbeiter Technische Interventionen sind sichtbarer (messbarer) als Verhaltens-Interventionen (Änderungen der Arbeitsweise) die komplexer und schwieriger erscheinen Die Komplexität kann aber auch ein Vorteil sein: Wird die Intervention als fundamentale Veränderung eines Prozesses wahrgenommen (und besteht nicht einfach aus einer kleinen Änderung im gewohnten Prozess) sind Mitarbeiter eher bereit, sich zu investieren (es lohnt sich mehr) Komplexe Interventionen können (sollen) in einzelne Module aufgeteilt werden
25
26 Kosten (Hohe) Kosten der Intervention und dessen Umsetzung wird mittlerweile selbst von Mitarbeitern an der Front als Hindernis gesehen Auf der anderen Seite: Was nichts kostet ist auch nichts wert!
27 Äußeres Setting
28 Okonomischer, politischer und sozialer Kontext Kultur Ausgaben im Gesundheitswesen Wirtschaftskrise Wahrnehmung von Gesundheit in der Bevölkerung Gesundheits - politik
29 Externe Vernetzung Grad der Vernetzung einer Organisation mit anderen (externen) Organisationen Eine Organisation, welche die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen fördert ist eher bereit, etwas Neues auszuprobieren
30 Wettbewerb Wettbewerb zwischen Organisationen Druck, etwas zu implementieren, das zu einer (neuen) Norm geworden ist (Michigan) Die Organisation als Teil eines Netzwerkes kann sich einer neuen Norm nicht verschliessen Netzwerke sind formell oder lose, je nachdem mit wem sich die Organisation identifiziert oder konkurrenziert
31 Inneres Setting
32 Beziehungen und Kommunikation an der Arbeit Formelle und informelle Kommunikation in einer Organisation Formelle Beziehungen (Struktur)? Informelle Beziehungen Kommunikations- Kanäle Beziehungen und Kommunikation
33 Kultur Normen, Werte und grundsätzliche (Welt-) Anschauungen einer Organisation Kultur ist etwas Stabiles und den Akteuren häufig nicht bewusst Was ist unsere Kultur? Interventionen zielen häufig auf sichtbare, objektive Aspekte einer Organisation (Tätigkeiten, [Organisations-] Strukturen) Und misslingen, weil weniger konkrete Aspekte wie Werte, Anschauungen, Denkweisen oder das Arbeitsklima nicht berücksichtigt werden
34 Bereitschaft für Neues Bereitschaft zur Implementierung
35 Bereitschaft für Neues Bereitschaft zur Implementierung
36 Leadership Umfasst Engagement, Verantwortung und Anteilnahme von Leitern und Managern Nur die volle Unterstützung eines Chefs zählt Alles darunter ist ein Rezept für Misserfolg! Widerspruch zwischen verbaler (und schriftlicher) Unterstützung eines Managers und dem, was im Alltag sichtbar ist, wird von Mitarbeitern sehr negativ interpretiert Leiter des mittleren Managements sind offen für Unterstützung (Prioritäten setzen, Ressourcen), wenn sie überzeugt werden können, dass dies ihren Zielen in der Organisation dient und wenn sie aktiv in die Planung eingebunden werden Elder Qual Saf Health Care 2008;17: 25
37 Ressourcen Ressourcen, welche zur Implementierung und zur längerfristigen Sicherstellung der Leistung bereit gestellt werden müssen umfassen: Geld, Zeit, Training, Infrastuktur A priori zu knapp bemessene Ressourcen sind ein Garant für Misserfolg
38 Zugang zu Information und Wissen Information und Wissen umfasst Experten, erfahrene Mitarbeiter, digitale Informations-Systeme, schriftliche Quellen Information und Wissen soll aktiv zu den Mitarbeitern gelangen falls die Mitarbeiter selber Wissen holen müssen, soll dieses einfach zugänglich sein Training, das in den Alltag integriert ist (on-the-job) ist erfolgreicher insbesondere, wenn das Team als Ganzes teilnimmt
39 Menschen
40 Menschen sind nicht passive Empfänger von Innovationen Sie möchten sie haben, experimentieren mit ihnen, evaluieren sie, finden (oder finden keinen) Sinn in ihnen, fordern sie heraus, sorgen sich um sie, beklagen sich über sie, versuchen sie zu umgehen, gewöhnen sich an sie, passen sie an spezielle Situationen an, und sie versuchen Innovationen zu verbessern und neu zu gestalten in der Regel im Dialog mit anderen Benützern Greenhalgh
41 Wissen und Überzeugungen Haltung gegenüber einer Intervention und die Vertrautheit mit dessen Grundlagen und Fakten Subjektive Meinungen von Kollegen fördern Enthusiasmus oder sind die Quelle aktiven oder passiven Widerstands
42 Selbstvertrauen Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten im Zusammenhang mit den zu erwartenden Fähigkeiten, um Intervention erfolgreich durchzuführen Selbstvertrauen ist ein wichtiger Bestandteil in fast allen Theorien der Verhaltensänderung
43 Identifikation mit der Organisation Die positive (oder negative) Identifikation mit der Organisation hat (direkte) Auswirkungen auf das Engagement im Betrieb und damit die Bereitschaft, etwas im Alltag zu implementieren
44 Prozess
45 Greenhalgh. Milbank Q 2004;82:581
46 Planung Planung ist ein wesentlicher Bestandteil der Implementierung Planung soll konkret, detailliert und der Situation angepasst sein Planung braucht Zeit!
47 REDCO CVC-Projekt - Genf Preparation Baseline Training Physician training: tools Nurse training: modular E- learning program Workshops for physicians Training for nurses Adoption by school of nursing Surveillance
48 Engagieren Gewinnen der richtigen Leute für die Planung und die frühe Phase der Implementierung (die Mitarbeiter oder Teams agieren als Beispiele für den weiteren Verlauf der Implementierung) Having the right people in the right seats Das Studienteam muss sorgfältig zusammengesetzt sein: interdisziplinär, Vertreter der Berufsgruppen, die das Programm später umsetzen müssen 48
49 Engagieren Formelle Leader (Chefs) Opinionleader External change agents Champions
50 Ausführung Die Ausführung bemisst sich an der Qualität der geplanten Aktionen, ihrer zeitgerechten Ausführung, und dem Grad des Engagements der involvierten Personen Drei generelle Prinzipien erhöhen die Chance auf Erfolg: - Simulationen - Pilot-Projekte - Aufteilung der Intervention in Module
51 Reflexion und Evaluation Quantitatives und qualitatives Feedback bezüglich Fortschritt und Qualität der Implementierung Feedback Reflexion ( Debriefing )
52 Zusammenfassung
53 Äußeres Setting (Kontext) Können wir nicht beeinflussen aber wir müssen es kennen und verstehen, welchen Einfluss es auf die Menschen hat Inneres Setting (Kontext) Dieses können wir beeinflussen indem wir für ein gutes Organisations-Klima sorgen Menschen Wir müssen versuchen unsere Mitarbeiter zu verstehen und sie früh in die Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen
54 Das Design der Intervention (adaptierbare Peripherie) und die Prozessorganisation sind die Hebel, mit denen wir die Implementierung an den Kontext der Menschen und der äußeren und inneren Dimension anpassen können
55 Prävention nosokomialer Infektionen: Wie können evidenzbasierte Standards in die tägliche Praxis integriert werden? Vielen Dank Dr. Walter Zingg Service de Prévention et Contrôle de l Infection, Genève Swiss Intensive Symposium 2014 Nottwil 11. März 2014
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