Gruppentraining für sozial unsichere Vorschulkinder
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- Paul Schmitt
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1 Gruppentraining für sozial unsichere Vorschulkinder Dipl. Psych. Diemut Holtfrerich Psychologische Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie) SPZ Vivantes Klinikum im Friedrichshain Berlin
2 Kinderängste im Entwicklungsverlauf Gehören zur normalen Entwicklung Typischerweise mild, altersspezifisch, vorübergehend Entscheidungskriterien für Pathologie Altersangemessenheit der Angst Dauer Grad der Beeinträchtigung
3 Soziale Unsicherheit: Was ist das? Besonderheit im Erleben und Verhalten in der Spanne zwischen subklinischen Phänomenen und klinischen Diagnosen Hauptsächlich gekennzeichnet durch: Angst in Anwesenheit anderer, nicht vertrauter Personen Bewertungsangst Vermeidung sozialer Situationen
4 Relevante klinische Diagnosen Störung mit sozialer Ängstlichkeit (ICD-10F93.2) Soziale Phobie (ICD-10, F40.1) Störung mit Trennungsangst (ICD-10, F93.0) Selektiver Mutismus (ICD-10, F94.0)
5 Was geht damit einher? Deutliche Beeinträchtigung/Reduktion bis hin zur totalen Vermeidung sozialer Beziehungen In neuen sozialen Situationen oft deutliches Leiden Beginn häufig vor dem 6. Lebensjahr (v.a. F93.2) Häufig im Zusammenhang mit medizinischen Krankheitsfaktor (z.b. körperliche Behinderung, Sprachstörung) soziale Aufmerksamkeit
6 Wie häufig kommt das vor? Kindes- und Jugendalter = Hauptrisikoperiode für die Entwicklung von Angststörungen 10% der Kinder und Jugendlichen in D leiden unter akuten Angststörungen (KiGGS, 2007) rund um soziale Unsicherheit im frühen Kindesalter variieren die Prävalenzraten stark vorsichtige Schätzung versch. Studien 1-Jahresprävalenz 7% (Ahrens-Eipper, 2010)
7 Ungünstiger Entwicklungsverlauf von Angststörungen Angststörungen Agoraphobie GAS des Kindesalters Soziale Phobie Zwangsstörung Panikstörung Soziale Ängstlichkeit Trennungsängstlichkeit Soziale Phobie Selektiver Mutismus Entwicklungsverlauf Nach Petermann et al. (2002)
8 Gibt es Behandlungsbedarf? Soziale Unsicherheit und Ängste gehen einher mit Geringem Selbstwert Stark eingeschränktem Handlungsradius deutliche Gefährdung in der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben!!
9 Gibt es Behandlungsbedarf? Soziale Unsicherheit im Kindesalter erhöht das Risiko für das spätere Auftreten Affektiver Störungen von Einsamkeits- und Minderwertigkeitsgefühl von Störungen durch Substanzkonsum Soziale Unsicherheit bleibt unbehandelt bis ins Jugend- und Erwachsenenalter stabil
10 Gibt es Behandlungsbedarf? Frühe Behandlung ist wichtig! Senkung des Risikos für Komorbiditäten im Kindesalter für psychische Störungen im Erwachsenenalter
11 Wie entstand die Idee eines Gruppenkonzepts im SPZ? SPZ-Klientel ist häufig multimorbid betroffen Soziale Unsicherheit entsteht oft sekundär Früher Interventionsbeginn vielversprechend Über SPZ-Anbindung oft gute Eltern-Compliance Über SPZ-Anbindung gute Nachsorge möglich
12 Welche Ziele sollten verfolgt werden? Vermeidungsverhalten abbauen!!! Förderung des Einsatzes vorhandener sozialer Kompetenzen Neue praktische Handlungsstrategien aufbauen Reduktion aufrechterhaltender elterlicher Verhaltensweisen und Rahmenbedingungen Schaffen neuer Erfahrungsräume
13 Therapieprogramm Trainingsprogramm Mutig werden mit Til Tiger (Ahrens-Eipper et al., 2010): konzipiert und evaluiert für 5-10 jährige sozial unsichere Kinder für die Zielgruppe der 4-6 jährigen Kinder entwicklungsgerecht angepasst.
14 Mutig werden mit Til Tiger im Original Ursprünglich konzipiert für 5-10 jährige Kinder Verhaltenstherapeutisches Programm Kombination aus Einzelsitzungen zu und Gruppensitzungen Elternberatung Erstellung individueller hypothetischer Bedingungsmodelle Individuelle Zielvereinbarungen
15 Mutig werden mit Til Tiger im Original Therapiemethoden und -mittel: Psychoedukation für Kind und Eltern Kognitive Umstrukturierung Operantes Lernen Lernen am Modell Rollenspiele Therapeutische Hausaufgaben Entspannungstraining (PMR)
16 Modifikation des Therapieprogramms für die jüngere Zielgruppe aktives Reproduzieren von Therapieinhalten bis zum 5.LJ nur begrenzt möglich Verzicht auf kognitive Methoden! Stattdessen vorwiegender Einsatz von» Operanten Methoden (z.b. Verstärkerpläne)» Modelllernen» Übungen auf der Verhaltensebene
17 Modifikation des Therapieprogramms für die jüngere Zielgruppe Verzicht auf Einzelsitzungen Gruppentermine für die Eltern Therapieinhalte sind problem- und handlungsorientiert an den alltagsrelevanten Situationen des Altersspektrums (Spielplatz, Kita, etc.) Statt Schriftsprache wird gemalt Statt Entspannungstraining kommen Spiele mit motorischen Anteilen zum Einsatz Im letzten 1/4 des Verlaufs Exposition in vivo
18 Kernelemente des modifizierten Gruppenprogramms Identifikationsfigur und Modell: Til, ein schüchterner Tiger, der sich viele Dinge nicht traut und gemeinsam mit den Kindern vornimmt, etwas Neues zu lernen und auszuprobieren Inhalte sind entwicklungsgerecht eingebettet in eine Geschichte
19 Dürfen wir vorstellen? Til Tiger! Funktion: Eisbrecher Modell Verstärker Stichwortgeber Motivator Repräsentant der Spielebene
20 Til traut sich nicht Die Geschichte, die den Handlungsrahmen vorgibt ist kindgerecht bebildert worden
21 Til ist mit seiner Angst nicht alleine
22 Til ist mit seiner Angst nicht alleine
23 Tils Freunde und der Lehrer, die weise Eule
24 Struktur des Gruppenprogramms Indikation durch SPZ-Ärztin oder Psychologin Klinische Diagnose oder subklinische Symptomatik Screening zum Prä-Zeitpkt: (CBCL 4-18)/VBV-EL 3-6 & VBV-ER 3-6 Gruppendurchführung durch 2 Therapeutinnen (& ggf. Praktikant) Gruppenstärke 4-7 Kinder Kein Quereinstieg möglich, da Sitzungen aufeinander aufbauen 12 Gruppensitzungen 1x pro Woche, 60 Minuten Parallel zu Sitzung 2, 6 &10 finden Gruppenelternsitzungen statt Screening zum Post-Zeitpkt: (CBCL 4-18)/VBV-EL 3-6 & VBV-ER 3-6 Ggf. Nachsorge; Booster im Einzelsetting
25 Struktur des Gruppenprogramms Sitzungen laufen ritualisiert ab Kinder sammeln ihr bearbeitetes Material in einem persönlichen Til Tiger-Heft Wöchentliche Hausaufgaben (zunächst zweidimensional, dann alltagspraktische Übungen) Nach jeder Sitzung erhalten Eltern schriftliche Informationen zum Sitzungsinhalt
26 Inhalte der Gruppenstunden Stunde 1 Kennenlernen I, Einführung von Til Stunde 2 Kennenlernen II Stunde 3 Gefühle identifizieren und Sprache dafür finden ( Stimmungstiger ) Stunde 4 Einführung der Gesprächsregeln Stunde 5 Freies Sprechen im Spiel und Rückmeldung zu Gesprächsregeln Stunde 6 Fragen stellen und Rückmeldung zu Gesprächsregeln
27 Gesprächsregeln I deutlich sprechen
28 Gesprächsregeln II Laut sprechen
29 Gesprächsregeln III Gegenüber angucken, Blickkontakt
30 Inhalte der Gruppenstunden Stunde 7 Stunde 8 Stunde 9 vor der Gruppe sprechen und Rückmeldung zu Gesprächsregeln Informationen erfragen (Rollenspiel) Nein-Sagen, sich wehren (Rollenspiel) Stunde 10 Forderungen stellen (Rollenspiel) Stunde 11 Rollenspiel; Exposition in vivo : Eis kaufen Stunde 12 Exposition in vivo : Einkaufen, Abschlussfest mit Kindern und Eltern
31 Aufbau einer Gruppenstunde Begrüßungslied Stimmungstiger; ggf Spiel mit motorischem Anteil Reflektion der Woche/Hausaufgaben auswerten mit Rückmeldung zu Gesprächsregeln Spiel mit motorischem Anteil/Malen Stundenthema mit praktischen Übungen Hausaufgaben Abschlusslied
32
33 Elternarbeit 3 Gruppenelterntermine parallel zu Kinderterminen: 1 Vermittlung eines hypothetischen Bedingungsmodells, Psychoedukation und Informationen über das Gruppenprogramm 2 Identifikation von aufrechterhaltendem und verstärkendem Elternverhalten Ableitung förderlichen Erziehungsverhaltens 3 Austausch über erprobte Veränderungen im Erziehungsverhalten, Klärung alltagspraktischer Situationen, Rückfallprophylaxe
34 Hypothetisches Bedingungsgefüge Aufrechterhaltende Bedingungen Auslösende Faktoren Angst Vorausgehende Bedingungen Modifiziert nach: Ahrens-Eipper, S. & Nelius, K. (2009)
35 Hypothetisches Bedingungsgefüge Elternverhalten Vermeidung Aufrechterhaltende Bedingungen Ausweitung durch Reizgeneralisierung Geringe soziale Kompetenzen Auslösende Faktoren Vorausgehende Bedingungen Stigmatisierende Situation Veränderung der Lebensumstände Angst Körperliche Behinderungen Modifiziert nach: Ahrens-Eipper, S. & Nelius, K. (2009) Eltern Behavioral inhibition
36 Günstiges Elternverhalten Verzicht auf stellvertretendes Handeln! Verzicht auf Unterstützung von Vermeidungsverhalten Vertrauen in die Fähigkeiten des Kindes Kleine Fortschritte würdigen Positives Verstärken Begleiten statt Übernehmen
37 Erfahrungen in der Elternarbeit I Eltern haben hohen Leidensdruck Ausgeprägte Unsicherheit im Umgang mit der Angst des Kindes Oft Erinnerung an eigene Ängste u./o. Schüchternheit Häufig Schuldgefühle bei Konfrontation des Kindes mit angstauslösenden Situationen
38 Erfahrungen in der Elternarbeit II Störungsmodell/Behandlungsrational muß verstanden werden, damit Eltern Gelerntes im Alltag unterstützen sowie Erziehungsverhalten verändern können Austausch mit anderen Eltern wird als entlastend und bereichernd erlebt Eltern untereinander werden zu akzeptierten Ratgebern
39 Fazit und Perspektive I Training wird insbesondere von Eltern als hilfreich empfunden Prä-Post-Vergleich: Veränderungen bildeten sich in den VBV-Dimensionen emotionale Auffälligkeiten und sozialemotionale Kompetenzen ab (EL und ER) Einbettung in Geschichte/Bilder ermöglicht Erinnerung auch im Nachhinein und fördert Rückgriff auf Gelerntes Soziales Kommunikationsrepertoire kann auch im Nachhinein erweitert werden durch Explikation und Verinnerlichung von Gesprächsregeln, durch Einbezug der Eltern
40 Fazit und Perspektive II Beobachtung: Malentwicklung wird oft angestoßen Voraussetzung für Graphomotorik Vorschulische Intervention kann Angst am Übergang in die Schule reduzieren Erfüllung der Entwicklungsaufgaben wird realistischer Prävention
41 Fazit und Perspektive III Spezifisches Training durch entwicklungsspezifische Adaptation frühzeitig möglich Konzept und praktische Durchführung befindet sich in kontinuierlicher Weiterentwicklung Til Tiger wird uns noch lange begleiten!!
42 Literatur Ahrens-Eipper, S. & Nelius, K. (2009). Mutig werden mit Til Tiger. Ein Ratgeber für Eltern, Erzieher und Lehrer von schüchternen Kindern. Göttingen: Hogrefe Ahrens-Eipper, S., Leplow, B. & Nelius, K. (2010). Mutig werden mit Til Tiger. Ein Trainingsprogramm für sozial unsichere Kinder. 2., erweiterte Auflage. Göttingen: Hogrefe Petermann,U., Essau, C.A. & Petermann, F. (2002). Angststörungen In F. Petermann (Hrsg.), Lehrbuch der klinischen Kinderpsychologie und psychotherapie (5. Aufl.). Göttingen:Hogrefe Ravens-Sieberer u., Wille, N., Bettge S. et al. Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse aus der BELLA-Studie im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KIGGS). Bundesgesundheitsblatt 2007; 50:
43 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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