Fall 11 - Lösung. BGB-AT Fall 11 - Lösung - Seite Wertersatz nach 818 II BGB ÜBERSICHT FALL Entreicherung nach 818 III BGB
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- Anneliese Schräder
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1 BGB-AT Fall 11 - Lösung - Seite 1 Fall 11 - Lösung ÜBERSICHT FALL 11 A) Hinflugkosten nach NY I. Anspruch aus 631, 632 II BGB 1. Konkludenter Vertragsschluss (-) 2. Faktischer Vertrag nach heute h.m. (-); jedenfalls geht Minderjährigenschutz vor II. Anspruch aus 280 I, 311 II, 241 II BGB (-), da zum einen Vertragsanbahnung fehlt und zum anderen Minderjährigenschutz vorgeht III. Anspruch aus 823 I BGB (-), da Vermögen kein Rechtsgut i.s.d. 823 I BGB ist IV. Anspruch aus 823 II BGB i.v.m. 265a StGB 1. Schutzgesetzverletzung (+) 2. Schaden a) Differenzhypothese kein Schaden bei Nichtauslastung b) Normativer Schaden (-), da abstrakte Nutzungsmöglichkeit nicht genügt, vgl. 253 I BGB V. Anspruch aus 812 I S.1 BGB 1. Bereicherung Wert der Beförderungsleistung 2. Kondiktionsart? a) LK (-); Leistungswille nur nach Kontrolle b) Daher: EK gem. 812 I S.1, 2.Alt. BGB (+) 4. Wertersatz nach 818 II BGB 5. Entreicherung nach 818 III BGB (+), da Luxusflug 6. Verschärfte Haftung des M nach 819 I, 818 IV BGB? a) Nach e.a. kommt es stets auf Kenntnis des gesetzlichen Vertreters an, 107, 166 I BGB analog b) Nach Ansicht des BGH wird bei deliktsähnlicher Eingriffskondiktion analog 828 III BGB auf Einsichtsfähigkeit des Mj. abgestellt c) Nach überzeugender Ansicht ist aber Deliktsähnlichkeit hier zu verneinen, da es am Schaden fehlt daher ist (entgegen BGH) auf Kenntnis der Eltern abzustellen (a.a. gut vertretbar) mangels Kenntnis der Eltern vom Flug nach New York haftet M nicht verschärft; es bleibt daher bei 818 III BGB B) Rückflugkosten nach München I. Anspruch aus GoA, 677, 683, 670 BGB 1. Obj. fremdes Geschäft (+), da auch-fremdes Geschäft 2. Fremdgeschäftsführungswille (+) 3. Mutmaßlicher Wille des GH da GoA rechtsgeschäftliche (auftragsähnliche) Wirkung hat, ist wegen 107 BGB das Interesse und der Wille der Eltern maßgebend ( 166 I BGB analog) 4. Ersatz beruflicher Aufwendungen nach 683, 670 i.v.m III BGB analog II. Anspruch aus 812 I S.1, 1.Alt BGB (-) Berechtigte GoA ist Rechtsgrund 3. Rechtsgrundlos (+), da kein Vertrag (s.o.)
2 BGB-AT Fall 11 - Lösung - Seite 2 LÖSUNG FALL 11 1 Ansprüche gegen M A. Der Hinflug I. In Betracht kommt ein Anspruch auf Zahlung des tariflichen Flugpreises aus 631, 632 II. Da die Ankunft am Zielort als Erfolg geschuldet wird, liegt bei einem Flug weitgehend ein Werkvertrag vor. Aufgrund der zusätzlich geschuldeten Leistungen ist es zwar ein gemischter Vertrag. Da der absolute Schwerpunkt allerdings auf der Erbringung der Beförderungsleistung liegt, ist letztlich - zumindest was den Primäranspruch angeht - Werkvertragsrecht anwendbar. Entscheidend ist aber, dass überhaupt ein Vertragsverhältnis wirksam zustande gekommen ist. Eine konkludente WE liegt nicht vor, da ein blinder Passagier vom objektiven Empfängerhorizont aus erkennbar keinen Vertrag schließen will. Der Abschluss eines Beförderungsvertrags vollzieht sich ausnahmslos durch das Lösen eines Flugscheins im Reisebüro oder am Schalter. Wer in einem Flugzeug ohne Ticket Platz nimmt, bekundet damit, anders als im Bus oder in der Straßenbahn, gegenüber der Fluggesellschaft nicht den Willen einen Beförderungsvertrag abzuschließen 2. Anders als bei den Parkplatzfällen 3 greifen auch die Grundsätze der protestatio facto contraria nicht ein. In diesen Fällen geht es darum, ob eine verbale Verwahrung (Protest ist erkennbar!) gegen die Vergütungspflicht unbeachtlich ist 4. Es könnte jedoch ein sog. faktisches Vertragsverhältnis vorliegen 5. Fraglich ist aber bereits, ob sich der Linienflugverkehr zum Massenverkehr rechnen lässt, was Voraussetzung für ein faktisches Vertragsverhältnis wäre. Des Weiteren wird die Lehre vom faktischen Vertrag von der heute h.m. abgelehnt, da sie nicht dem im BGB niedergelegten Grundprinzip des Zustandekommens des Vertrags durch Willenserklärungen entspricht. 1 Vgl. dazu auch JA 1996, 930 ff. ( Die Flugreiseentscheidung ) 2 BGH NJW 1971, 609; JuS 1971, Vgl. dazu MEDICUS, Rn Vgl. MEDICUS, Rn PALANDT, vor 145 BGB, Rn. 25 ff. Auch der BGH ist von dieser Lehre wieder abgerückt, da ein sachgerechtes Ergebnis auch ohne Aufgabe des Grundsatzes, dass Verträge durch Willenserklärungen zustande kommen, erreicht werden kann. Selbst bei Anwendung der Lehre vom faktischen Vertrag fehlt es aber richtigerweise an der Genehmigung (vgl. 107 entsprechend; eine a.a. lehnt Anwendung von 104 ff. beim faktischen Vertrag zu Unrecht ab! Dies ist ein weiteres Argument gegen diese Lehre). Damit ist der Vertrag nicht zustande gekommen. II. Ein Anspruch auf Schadensersatz aus c.i.c. gem. 280 I, 311 II Nr. 1, 241 II BGB i.v.m. 249 ff. wegen Pflichtverletzung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses entfällt. 1. Zum einen fehlt es an einem vorvertraglichen Schuldverhältnis i.s.d. 311 II Nr. 1 BGB. Eine ähnliche Diskussion wird bei der sog. Fangprämie geführt: Dabei geht es um die Frage, ob der Dieb für die vom Kaufhaus ausgelobte Fangprämie an die Angestellten des Kaufhauses neben 823 ff. (Kausalitätsproblem, Schutzzweck der Norm fraglich, weil freiwillig bezahlt, aber Herausforderungsfall!) auch aus 280 I, 311 II Nr. 1, 241 II BGB haftet. Die h.m. lehnt diese Haftung aber ab, der Dieb will ja nicht kaufen (keine Vertragsanbahnung!), sondern stehlen. Hinweis: Allgemein zu den Herausforderungsfällen, vgl. HEMMER/WÜST, Deliktsrecht I, Rn. 104; zur Fangprämie HEMMER/WÜST, Schadensersatzrecht III, Rn. 39 bis 42. Anders als der Dieb, bei dem nach einer Mindermeinung der innere Wille nach 116 S.1 analog unbeachtlich sein soll 6, schleicht sich der Minderjährige hier sogar heimlich ein, es fehlt vom objektiven Empfängerhorizont her an einem Erklärungstatbestand. 2. Außerdem geht der Minderjährigenschutz vor. III. Ein Anspruch aus 823 I scheidet aus. Die Voraussetzungen liegen nicht vor, da kein absolut geschütztes Rechtsgut verletzt wurde, und das bloße Vermögen als geschütztes Rechtsgut i.s.d. 823 I ausscheidet. 6 Vgl. MUSIELAK, JuS 1977, 532
3 BGB-AT Fall 11 - Lösung - Seite 3 IV. In Betracht kommt aber ein Anspruch gem. 823 II i.v.m. 265a StGB: 1. Der Haftungstatbestand des 265a StGB ist erfüllt. Anmerkung: An der Verwirklichung des 265a StGB ändert auch das Tragen eines T-Shirts mit dem Schriftzug Ich fahre schwarz nichts. Lesen Sie dazu AG Hannover, Life&LAW 2010, 427 (Heft 6). Dabei ist, weil es hier nur um die zivilrechtlichen Folgen geht, mit der h.m. davon auszugehen, dass der Maßstab der Schuldfähigkeit sich nach 828 III BGB richtet, nicht nach JGG. Hier ist nichts dafür ersichtlich, dass diese trotz des Alters von 17 Jahren ausnahmsweise entfallen würde. 2. Fraglich ist allerdings, ob der L dadurch ein Schaden entstanden ist. a) Das ist zunächst nach der sog. Differenzhypothese zu beurteilen. Hiernach hat die Lufthansa keinen feststellbaren Schaden erlitten, da das Flugzeug laut Sachverhalt nicht vollständig besetzt war. b) Auch aus dem normativen Schadensbegriff lässt sich hier kein Schaden begründen. Die abstrakte Nutzungsmöglichkeit des Platzes für einen anderen Passagier genügt nicht, vgl. 253 I BGB. Anmerkung: Gelingt der Nachweis, dass die L den Platz an einen anderen Passagier hätte verkaufen können, liegt ein Fall des entgangenen Gewinns gem. 252 vor 7. Die Rechtsprechung bejaht mit dem Kommerzialisierungsgedanken normative Schäden nur in strengen Ausnahmefällen. Kommerzialisiert sind nur die Gebrauchsvorteile für Wirtschaftsgüter, deren ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebensführung von zentralster Bedeutung sind, wie z.b. Auto bzw. Wohnung. Die Kommerzialisierung des an sich freien Platzes in einem Flugzug muss aber ausscheiden, um eine uferlose Ersatzpflicht für Nichtvermögensschäden und damit eine Aushöhlung des 253 I BGB zu verhindern. Anmerkung: Häufig fehlen an diesem Punkt genauere Ausführungen zum Schaden. Die formelhafte Subsumtion es fehle am Schaden genügt nicht den Anforderungen an eine gute Klausur. V. Möglicherweise besteht ein Anspruch aus 812 I. 1. M müsste etwas erlangt haben. Dies ist hier der Wert der geleisteten Beförderung als vermögenswerte Position. Anders der BGH, der nur in der Ersparnis von Aufwendungen die Bereicherung sieht; dies ist aber richtigerweise eine Frage der Entreicherung. 2. Fraglich ist aber, ob eine Leistung der für die Fluggesellschaft handelnden Personen gegeben ist 8. Unter Leistung versteht man die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. (sog. doppelte Finalität ). Fraglich ist hier das Leistungsbewusstsein. Dies ließe sich damit begründen, dass an alle Personen geleistet wird, die sich tatsächlich in dem Flugzeug befinden. Hiergegen spricht aber, dass die Fluggesellschaft wohl nicht den Willen haben wird, auch an blinde Passagiere zu leisten. Im Gegensatz zur Straßenbahn etwa findet bei der Flugreise grds. eine individuelle Kontrolle statt. Ein willentliches Zulassen zum Flug ist nicht gegeben. Zumindest wird man wertend sagen müssen, dass das aktive Erschleichen des Gebrauchsvorteils stark im Vordergrund steht; hierbei handelt es sich um einen typischen Eingriff. Daher ist ein Eingriff i.s.d. 812 I S.1, 2.Alt. anzunehmen Da kein Vertrag zustande kam, erfolgte die Bereicherung ohne Rechtsgrund. 4. Dies erfolgte auch auf Kosten der L: M hat sich hier die Beförderung angemaßt und damit in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts eingegriffen. Er bereicherte sich somit unmittelbar auf Kosten der L. Anmerkung: Beachten Sie immer, dass die Eingriffskondiktion - anders als die Leistungskondiktion, bei der dieser letzte Punkt entfallen würde, - vierstufig zu prüfen ist! Damit greift die Eingriffskondiktion ( 812 I S.1, 2. Alt.) grundsätzlich ein. 5. Umfang der Herausgabepflicht a) Nach 818 II wäre der objektive Wert des Gebrauchsvorteils zu ersetzen, also das übliche Geld für den Flug, vgl. 632 II. 7 Vgl. PALANDT, vor 249 BGB, Rn. 19 ff. 8 So BGHZ 55, 128 ohne Begründung 9 Vgl. auch TEICHMANN, JuS 1972, 247 (249)
4 BGB-AT Fall 11 - Lösung - Seite 4 b) M könnte sich möglicherweise aber auf Entreicherung i.s.v. 818 III berufen. Ob eine Entreicherung bei Inanspruchnahme von Gebrauchsvorteilen überhaupt möglich ist, ist umstritten. Es wird jedenfalls normativ zwischen der Inanspruchnahme der Gebrauchsvorteile = Erlangtes und der Entreicherung zu unterscheiden sein, die dann vorliegt, wenn keine oder nur eine geringe Ersparnis (von Aufwendungen) vorliegt. Ist der Bereicherungsschuldner minderjährig und kann dieser das Erlangte nicht mehr herausgeben, besteht die Gefahr, dass die Wertersatzpflicht des 818 II BGB zu einer quasivertraglichen Haftung führen kann. Problematisch ist dies insbesondere in den Fällen, in denen der Bereicherungsgegenstand wie im vorliegenden Fall eine Dienstleistung oder ein Gebrauchsvorteil war. Aus diesem Grund wird für die Frage, ob im Vermögen des Minderjährigen noch ein adäquater Vermögensvorteil vorhanden ist, darauf abgestellt, ob sich der Minderjährige Aufwendungen erspart hat, deren Entstehung dem Willen seines gesetzlichen Vertreters entsprachen. Ist dies nicht der Fall, so ist der Minderjährige entreichert, 818 III BGB. Da im vorliegenden Fall der Flug nicht dem Willen der Eltern des M entsprach und somit nicht getätigt worden wäre, ist M grds. entreichert. c) M könnte jedoch verschärft nach 819, 818 IV haften. Würde der Minderjährige verschärft nach 819 I, 818 IV BGB haften, könnte er sich nicht mehr auf Entreicherung berufen und würde damit wiederum de facto an den unwirksamen Vertrag gebunden bleiben. Aus diesem Grund wird der Minderjährigenschutz im Bereicherungsrecht auch (bzw. gerade) in 819 I BGB verwirklicht. Angesetzt wird dabei beim Tatbestandsmerkmal der Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund. Problematisch ist nun, auf wessen Kenntnis es bei Minderjährigen ankommt. aa) Fraglich ist, ob bei Minderjährigen auf die eigene Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrundes oder auf die des gesetzlichen Vertreters abzustellen ist. (1) Nach einer Ansicht, die den Schutz des Minderjährigen in den Vordergrund stellt, soll es immer auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters ankommen, 166 I entsprechend So ausdrücklich Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II/2, 73 II [S. 312 f.]; MüKo, 819 BGB, Rn. 7; Canaris, (2) Nach Ansicht des BGH 11 ist jedoch zu unterscheiden: Bei der Leistungskondiktion ist es gerechtfertigt, entsprechend 166 I BGB auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters abzustellen, denn diese dient regelmäßig der Abwicklung eines, von dem Minderjährigen geschlossenen, unwirksamen Rechtsgeschäfts. Würde man hier auf seine Kenntnis abstellen, käme man häufig über 819 zu einer quasi vertraglichen Leistung des Minderjährigen. Bei der Eingriffskondiktion soll dagegen nach der h.m. auf 828 III BGB zurückgegriffen werden. Grund: Da der Minderjährige eine unerlaubte Handlung begangen hat, besteht eine vergleichbare Interessenlage. Hier liegt eine Eingriffskondiktion vor, sodass 828 BGB III BGB analog anzuwenden ist. 12 Der fast 18-jährige M besitzt mangels entgegenstehender Anhaltspunkte jedenfalls die Einsichtsfähigkeit in die Bedeutung seines Handelns. Da M hier auch positiv wusste, dass er unter diesen Umständen nicht mitfliegen durfte, hatte er die positive Rechtsfolgenkenntnis i.s.d. 819 I BGB. Er haftet damit nach Ansicht des BGH aus 819 I, 818 IV verschärft und kann sich letztlich nicht auf Entreicherung berufen. (a) Die verschärfte Haftung kann aber nicht über 292 I, 989 begründet werden, da 989 mangels Schadens nicht erfüllt ist. 13 (b) Genauso wenig ist eine Lösung über 292 II, 987 richtig. 987 muss entfallen, da das erlangte Etwas kein Gegenstand i.s.d. 292 BGB war. 14 Das erlangte Etwas war nämlich nicht das Flugzeug oder der Flugzeugsitz, sondern die Beförderung als solche. Hierauf ist 292 BGB nicht anwendbar. (c) Bei bereicherungsrechtlichen Geldwertschulden wird die verschärfte Haftung lediglich mit dem Hinweis begründet, dass der bösgläubige Schuldner eben Geld zu haben hätte. JZ 1971, 560 [563]; Pinger, MDR 1972, 101 [103 Fn. 40]; Ebel, JA 1982, 526; AnwKomm-BGB, Bd. 2, 819 BGB, Rn. 5; und wohl auch KG, NJW 1998, 2911 ff. 11 BGH, NJW 1971, 609 [611 f.]; Tyroller, Ausgewählte Probleme des Minderjährigenrechts (Teil 2), Life&Law 2006, Heft 5, 358 [361 f.]. 12 Dies muss aber auch dann gelten, wenn zwar eine Leistung vorliegt, diese aber durch eine deliktische Handlung veranlasst wird, vgl. TEICHMANN, JuS 1972, 247 [250]. 13 Unzutreffend daher MÜLLER in JuS 1995, 81 [82] 14 Unzutreffend daher COSLER in JuS 1996, 376
5 BGB-AT Fall 11 - Lösung - Seite 5 Dieses Ergebnis der Rechtsprechung kann mit dem Rechtsgedanken des 276 I S.1 BGB begründet werden, wonach Geldschulden Beschaffungsschulden sind und damit eine verschuldensunabhängige Haftung gerechtfertigt ist ( Geld hat man [= der verschärft haftende Bereicherungsschuldner] zu haben ). 15 (3) Gegen diese grds. überzeugende Rechtsprechung des BGH bestehen aber jedenfalls im vorliegenden Fall Bedenken. Das Hauptargument des BGH im Flugreisefall, dass der Minderjährige eine vorsätzliche unerlaubte Handlung begehe und deswegen nach 828 III BGB zu behandeln sei, geht bei näherer Betrachtung fehl, wenn - wie hier - kein Schaden entstanden ist. Dessen Vorliegen ist jedoch unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten von ausschlaggebender Bedeutung. Zum einen ist der Geschädigte (zivilrechtlich) weitaus schutzbedürftiger als derjenige, dem zwar eine Leistung abgeschwindelt, aber dadurch kein Schaden im Rechtssinne zugefügt worden ist. Zum anderen vermindert ein eingetretener Schaden auch die Schutzwürdigkeit des Haftenden, weil dieser i.d.r. die Gefahr seines Eintritts erkennen kann und darin für ihn eine Warnfunktion liegt, die etwa bei der Inanspruchnahme eines Platzes in einer nicht ausgebuchten Maschine fehlt. 16 Zudem ist der vom BGH im Flugreisefall aufgestellte Satz, dass der Schutz beschränkt geschäftsfähiger Minderjähriger seine Grenze im Recht der unerlaubten Handlungen finde, im Bereicherungsrecht nirgends verankert. Auch insoweit ist vielmehr zwischen der dem Deliktsrecht zukommenden Aufgabe der Wiedergutmachung (Naturalrestitution) und der schadensunabhängigen Restituierung eines erlangten Etwas gem. 818 II BGB strikt zu trennen. Andernfalls käme man im Bereich der sog. nichtgegenständlichen Vermögensvorteile zu einer schadensersatzrechtlichen Haftung im bereicherungsrechtlichen Gewand. Dass im Schadensersatzrecht vielfach die Nachweisbarkeit eines echten Vermögensschadens Schwierigkeiten bereitet, ist kein Argument für, sondern eher gegen die Anwendung des Bereicherungsrechts HEMMER/WÜST, Bereicherungsrecht, Rn. 511; TY- ROLLER, Die verschärfte Haftung des Bereicherungsschuldners, Teil 3, Life&Law 2007, Heft 5, 346 [347 f.] 16 Palandt, 819 BGB, Rn. 2; Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II/2, 73 II [S. 312 f.]. 17 MüKo, 819 BGB, Rn. 7. Aus Rechtsgründen muss aber allein und ausschließlich auf die Kenntnis der Eltern als gesetzliche Vertreter des M abgestellt werden, da nur dies der eindeutigen gesetzlichen Wertung der 104 ff. BGB mit dem dort zum Ausdruck gebrachten Wunsch nach umfassendem Minderjährigenschutz gerecht wird. Eine vom Vorliegen eines Schadens unabhängige Wertersatzpflicht gem. 818 II BGB ist mit dem Minderjährigenschutz nicht vereinbar. Anmerkung: So nun ausdrücklich das AG Kerpen, Life&Law 2007, Heft 2, 73 ff. = ZGS 2006, 437 ff. bb) Im vorliegenden Fall hatten die Eltern des M laut Sachverhalt keinerlei Kenntnis vom Flug nach New York. Mangels verschärfter Haftung des M gem. 891 I, 818 IV BGB kann sich dieser daher auf Entreicherung berufen. B. Der Rückflug I. In Betracht kommt ein Anspruch aus 677, 683, 670 i.v.m III auf Ersatz der Kosten für den Rückflug. 1. Es liegt ein objektiv fremdes Geschäft vor, da M, da er nicht einreisen durfte, wieder zurück musste. Geschäft i.s.d. 677: Gegenstand der GoA kann sein, was Inhalt eines Dienstvertrages, Werkvertrages oder Auftrages sein kann. L hat also ein Geschäft des M besorgt. 2. Wie sich im Umkehrschluss aus 687 I ergibt, ist beim Geschäftsführer (L) weiterhin subjektiv ein Fremdgeschäftsführungswille erforderlich. Beim objektiven fremden Geschäft, wird der Fremdgeschäftsführungswille beim Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte vermutet. Dabei ist unschädlich, dass die Lufthansa eventuell auch eigene Belange verfolgt hat (sog. auch fremdes Geschäft; strittig) Damit eine berechtigte GoA i.s.d. 683 BGB vorliegt, muss die Übernahme der Geschäftsführung objektiv im Interesse des Geschäftsherrn sein und subjektiv seinem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entsprechen. 18 Vgl. dazu ausführlich bereits Fall 8, BGB-AT
6 BGB-AT Fall 11 - Lösung - Seite 6 Dieser Gesetzeswortlaut ( und ) ist missverständlich. Eine GoA ist nämlich richtiger Weise bereits dann berechtigt, wenn sie nur dem wirklichen Willen entspricht und dieser beachtlich ist 19. Dies folgt aus der Rechtsgeschäftsähnlichkeit der GoA und damit letztlich aus dem Grundsatz der Privatautonomie. Lediglich subsidiär ist auf das objektive Interesse abzustellen, nämlich dann, wenn sich der wirkliche Wille nicht feststellen lässt oder der wirkliche Wille analog 104 ff., 679 BGB unbeachtlich ist Der mutmaßliche Wille ist maßgeblich, wenn ein wirklicher Wille fehlt. Der mutmaßliche Wille wird aus dem objektiven Interesse gefolgert. Hier ist analog 104 ff. auf das Interesse und den Willen der Eltern abzustellen. Die GoA hat rechtsgeschäftsähnliche Wirkung und kann daher wie eine vertragliche Verpflichtung zu einem Anspruch gegen den Geschäftsherrn führen. Der Rückflug erfolgte im Interesse der Eltern, 1626, und entsprechend auch mit dem mutmaßlichen Willen der Eltern. 4. Rechtsfolge: Aufwendungsersatz gemäß 683, 670 BGB. Aufwendungen sind grds. sämtliche willentlich erbrachte Vermögensopfer. Allerdings sind die beim Flug erbrachten Arbeitsleistungen grundsätzlich von 670 nicht erfasst. Dies folgt aus der Unentgeltlichkeit des Auftrags. Sie werden aber bei der GoA in entsprechender Anwendung von 1835 III ersetzt, da sie in den beruflichen und gewerblichen Bereich der Lufthansa fallen. L hat daher gegen den Minderjährigen (= Geschäftsherr) einen Anspruch auf Vergütung für den Rückflug aus GoA. IV. Ein Anspruch aus 812 I S.1, 1.Alt. scheidet neben GoA aus, da diese causa für die Leistung ist. I. Wiederholungsfragen: 1. Um welche Vertragsart handelt es sich bei einem Flug? 2. Kommt zwischen blindem Passagier und Fluggesellschaft ein solcher Vertrag zustande? 3. Was versteht man unter faktischem Vertragsverhältnis? 4. Gelten die Grundsätze des faktischen Vertrags auch gegenüber Minderjährigen? 5. Wonach bestimmt sich grundsätzlich der Schaden bei einem Schadensersatzanspruch? 6. Was versteht man unter dem normativen Schadensbegriff? 7. Was hat M nach richtiger Ansicht erlangt? 8. Um welche Kondiktionsart handelt es sich? 9. Auf wen ist bei Minderjährigen im Rahmen der verschärften Haftung abzustellen? 10. Wann wird der Fremdgeschäftsführungswille vermutet? 11. Auf wessen Interesse ist beim Rückflug abzustellen? 12. Warum scheidet hinsichtlich des Rückfluges 812 I S.1, 1.Alt. als Anspruchsgrundlage aus? II. Vertiefungsfrage: Der Minderjährige M (12 Jahre alt) wird bei einer Straßenbahnschwarzfahrt (Ticket 1 ) erwischt. Nach den allgemeinen Beförderungsbedingungen der Straba AG sind bei einer Schwarzfahrt 60 zu zahlen. Können diese 60 von M verlangt werden? (vgl. dazu AG Bonn, Life&LAW 2010, 424 (Heft 6) = NJW-RR 2010, 417 f.). III. Arbeitsanleitung: 1. Zum Minderjährigenrecht lesen Sie HEM- MER/WÜST, BGB-AT I, Rn. 110 bis 131 sowie TYROLLER, Ausgewählte Probleme des Minderjährigenrechts in Life&Law 2006, 213 ff. (= Heft 3); 358 ff. (= Heft 5) und 498 ff. (= Heft 7). 2. Zur verschärften Haftung des Bereicherungsschuldners lesen Sie TYROLLER Life&Law 2007, 135 ff. (= Heft 2); 278 ff. (= Heft 4) und 346 ff. (= Heft 5)! 3. Zum Vertragsschluss an der Selbstbedienungstankstelle lesen Sie BGH, Life and Law 2011, Heft 8, 542 ff. 19 Vgl. PALANDT 683 Rn. 6; BGH Z 138, 281 [287]
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