Dissertation. Eis ist heiß: Gesunde Ernährung bei in Deutschland lebenden Chinesen

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1 Dissertation Eis ist heiß: Gesunde Ernährung bei in Deutschland lebenden Chinesen zur Erlangung der Doktorwürde der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern vorgelegt von Yi Chen von Shanghai/VR China Eingereicht bei Universität Luzern Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät Erstgutachterin: Prof. Dr. Bettina Beer Zweitgutachterin: Prof. Dr. Gabriele Alex Eingereicht am: Publikationsjahr: urn:nbn:ch:bel-85443

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3 iii Abstract Ernährung ist veränderbar und dynamisch. Menschen an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten legen in ganz verschiedener Weise fest, was essbar ist und was nicht, wie Speisen zuzubereiten sind, wie man sich am Tisch zu verhalten hat. Gegenstand der vorgelegten Dissertation ist der dynamische Komplex von Wissen, Denken und Verhalten bezogen auf die Ernährungsweise von in Deutschland lebenden Chinesen. Ich führte zwischen 2007 und 2009 eine ethnographische Untersuchung in chinesischen Migrantenfamilien in Deutschland durch. Im Verlauf der Untersuchung wurde der Wechselwirkung zwischen den chinesischen, gesundheitlichen Ernährungspraktiken und den familiären Interaktionen von chinesischen Migrantenfamilien in Deutschland fokussiert. Die Untersuchung belegt, dass individuelle Unterschiede wenig mit dem Alter und mit der Migrationsgeneration zu tun haben. Jedes Familienmitglied hat unterschiedliche kulturelle Erfahrungen, persönliche Erwartungen, Bedürfnisorientierungen, subjektive Handlungsintentionen, Kommunikationsfähigkeiten und Beziehungen. Intergenerationale Konflikte in den Migrantenfamilien sind nicht mit dem Zusammenstoß von zwei konkurrierenden Normsystemen gleichzusetzen. Eine Idee aus dem Herkunftsland kann in einigen Migrantenfamilien zwei Generationen eng miteinander verbinden, kann jedoch in einigen anderen Familien auch Unruhe und intergenerationale Konflikte erzeugen. Die gute intergenerationale Weitergabe der chinesischen Ernährungsvorstellungen in Migrantenfamilien setzt feste Verbundenheit der familiären Interaktion und Ernährungspraktiken voraus. Die Nachhaltigkeit dieser Vorstellungen hängt davon ab, wie praxisnah, flexibel, situationsgebunden und häufig sie im Familienleben vorkommen. Im Zentrum der Ernährungsheilkunde Chinas stehen zwei Vorstellungen: Die Heiß/Kalt-Nahrungsklassifikation und die Fünf- Geschmacksrichtungen. Die Heiß/Kalt-Nahrungsklassifikation spielt in der familiären Interaktion kontinuierlich eine Rolle und entspringt keinem gefestigten Faktenwissen. Dieses Wissen ist handlungspraktisch und flexibel. Durch häufiges und regelmäßiges gemeinsames Praktizieren bilden sich familiäre Handlungsgepflogenheiten heraus, die die Praktiken der Heiß/Kalt-Nahrungsklassifikation ausmachen. Ernährungspraktiken sind nicht nur eine persönliche Angelegenheit, sie sind an die jeweiligen Familien gebunden. Die Fünf- Geschmacksrichtungen werden dagegen kaum innerhalb einer Migrantenfamilien angesprochen werden. Ihre Auswirkung auf ein Familienmitglied wird unter den chinesischen

4 iv Familien in Deutschland im Alltag nicht von den anderen beobachtet und besprochen. Diese Kenntnisse sind daher nicht durch direkte, familiäre Interaktion bzw. durch Handlung und Sprache zu übermitteln und praktizieren. Sie tauchen kaum im Familienleben auf, und sind eher als die persönliche Ernährungskenntnisse und praktiken zu betrachten. Die Heiß/Kalt-Nahrungsklassifikation ist die einzige chinesische Ernährungsvorstellung in Bezug auf Gesundheit, die von den untersuchten Familien häufig besprochen und angewendet wird.

5 1 Inhaltsverzeichnis Einleitung 3 1. Theoretischer Kontext Ernährung Zwei theoretische Richtungen Dynamik chinesischer Gastronomie Medizin Migration Begriffsbestimmung Chinesische Migrantenfamilien Die Sinne Zusammenfassung Zentrale Konzepte der Ernährungsheilkunde nach Zhong-Yi Die Ernährungsheilkunde nach Zhong-Yi Die Nahrungsmittelangebote der Ernährungsheilkunde Zhong-Yi-Klassiker der Ernährungsheilkunde Zwei Grundkonzepte nach Zhong-Yi Die Heiß/Kalt-Nahrungsklassifikation Yin/Yang & Heiß/Kalt Heiß/Kalt als Kategorie, Diagnose und Behandlungsanleitung Bestimmungsprinzipien der Heiß/Kalt-Nahrungsklassifikation Die Fünf-Geschmacksrichtungen Standardreihenfolge der Zhong-Yi-Pharmakologen Die Fünf-Wandlungsphasen Die Heiß/Kalt-Nahrungsklassifikation und die Fünf-Geschmacksrichtungen im interkulturellen Vergleich Die Heiß/Kalt-Kategorie Geschmacksrichtungen und Gesundheit Balancierte Heilkunde im Wandel Datenerhebung Forschen als einheimische Ethnologin Informantinnen und Informanten Verschiedene Verfahren Zusammenfassung Chinesische Migrantenfamilien Kurze Geschichte der chinesischen Migration nach Deutschland Vier Fallstudien Familie Tao: Bildung als Hauptmotivation der Migration Familie Guo: Deutschland öffnet das Tor zur Welt Familie Zhao: gespanntes Eltern-Kind-Verhältnis Familie Liu: Eheprobleme Analyse: Transkulturelles Leben Schlussfolgerung Transkulturelle Familienmahlzeit Mahlzeiten in vier chinesischen Migrantenfamilien Familie Tao: Tolerante Mahlzeit Familie Guo: Mahlzeit mit großer Neugier Familie Zhao: Mahlzeit ist keine Familienzeit Familie Liu: Mahlzeit ohne Mama Analyse: Mahlzeiten von Individuen und Familien 102

6 5.2.1 Hybride Ernährungsweise Zwei Einstellungen zu transkultureller Küche Interaktion zwischen Eltern und Kindern Zusammenfassung Die Heiß/Kalt-Nahrungsklassifikation in chinesischen Migrantenfamilien Wissen über die Heiß/Kalt-Nahrungsklassifikation Gemeinsames Wissen in vier Familien Gemeinsames Wissen von dreißig Informanten Individuelle Unterschiede Wissensvermittlung über die Heiß/Kalt-Empfindung Gemeinsames Wissen über die Heiß/Kalt-Empfindung Änderung der Heiß/Kalt-Empfindung in Deutschland Motivation praktischer Anwendung Dauermotivation im Alltag Zeitbedingte Motivation Zusammenfassung: Situationsgebundene Motivation Diskussion über die Rolle der Familien Die Fünf-Geschmacksrichtungen in chinesischen Migrantenfamilien Die Fünf-Geschmacksrichtungen Begründungen der nicht von Familien übermittelten Kenntnisse von der Fünf- Geschmacksrichtungen Mündliche & schriftliche Überlieferung Sinneswahrnehmung als Gesundheitskontrolle Schlussfolgerung Zuo Yue Zi: Beispiel einer Ernährungspraxis Was ist Zuo Yue Zi? Zuo Yue Zi in China und Wochenbett in Deutschland Was sollen Frauen während Zuo Yue Zi machen? Zuo Yue Zi in der Familie Zuo Yue Zi heutzutage Untersuchung über Zuo Yue Zi in vier Familien Guo Fang: Änderungen mit der Zeit Sang Jun: die schöne Mutter-Tochter-Zeit Yuan Ying: unter eigener Kontrolle Lu Hua: wenn Frau alles selber schaffen muss Zusammenfassung Diskussion Bewusste Kontrolle der Frauen nach Entbindung Familie als Kontext Zustimmung zur Heiß/Kalt-Nahrungsklassifikation Zusammenfassung 190 Fazit 192 Literatur 197 2