DER GRAF VON MONTE CHRISTO

Transkript

1 Katharina Gericke DER GRAF VON MONTE CHRISTO (frei nach Motiven von Dumas) 1

2 henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2004 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. F1 2

3 PERSONEN EDMUND DANTES / MONTE CHRISTO ein Kapitän BERTUCCHIO BENEDETTO EUGENE DANGLAR GERARD VILLEFORT FERNAND DE MORCERF MORELL ALBERT DE MORCERF ABBÉ FARIA JEAN LUIS DESIGN MERCEDES DE MORCERF HAIDEE TEBERLIN VALENTINE Piraten Schiffs-Bankier ein Staatsanwalt ein Kadett, später Offizier ein Reeder Monte Christos Sohn ein Kapuziner ein Modemacher Mutter von Albert de Morcerf Monte Christos Freundin ein Stubenmädchen NAPOLEON BONAPARTE / LUIS REX / SCHLIESSER / GESANDTER AUS MAZEDONIEN ZEIT 1815, 1825, 1830 ORTE Marseille, Château d If, Ligurische See 3

4 Prolog Auf Elba, nachts. hält einen Brief hin. Dem Korsen. So viele Schiffe kamen hier vorbei. Doch näher wagte deines nur. So viele Hilfeschreie habe ich gehört. Sie kamen alle aus meiner Kehle. Wär Käptn Leclere nicht gestorben im Fieberwahn wär mir der Treueeid des 1. Offiziers nicht ernst gewesen ich hätte den Brief nicht in dein Exil auf Elba bringen müssen. (Hascht nach dem Brief.) Halt ihn doch noch höher! Bis ihn die Sterne verschlingen. Sie krönen die Nacht ein kaltes Tränenmeer. (Läßt den Arm sinken.) Hätt ich gewußt, was diese Geste aus mir macht mein Arm bliebe oben. Sinkender Fahnenmast. (Gibt den Brief.) Ich lese ihn am Biwak-Feuer. Trink! Abstinenzler. Rauche mindest! Nichtraucher. (Nachdem er den Brief gelesen hat.) Man wird dich in Marseille für einen Bonapartisten halten. Erwarte leichte Repression deswegen. Leichte? (Lacht.) Reiß mich nicht an der Uniform der See! Der Seele, junger Mann. (Hält seinen Siegelring ins Feuer.) Schon färbt das Morgenrot die See wie Blut. Gleich zieht uns der Tag den Samtvorhang weg. (Packt Hand brennt sein Zeichen hinein.) Ah! So heiß ich dich willkommen im Kreise meiner Anhänger, die meine Träume träumen. Vom Himmel fiel ein Stern aus der gigantischen Mathematik über uns. 5

5 So heiß so kalt. Was wird aus mir?! Ein Stern? Ein Graph aus der Funktion da oben. (Reicht ihm die Hand.) Adieu. Es tut so weh! Edmund wird sterben. Was leben wird der Graf von Monte Christo. 6

6 TEIL 1 ANROLLENDE FERNE 1. Szene Hafen von Marseille.,. Wann kommt sein Schiff? Vorhin hieß es gleich. Gestern hieß es heut. Und morgen wird es gestern heißen! Dein Sehnen geht mir auf den Zeiger, Seemannsbraut. Da, Herr das Schiff am Horizont! Wie ein leuchtendes Kristallpantöffelchen. Es steuert Marseille an! Der Lotse fährt schon los! Das Warten hätt ein End, Fräulein. Für dieses Mal. Ist Seemanns Braut nicht eigentlich die See? (Die Galeone fährt ein.) So traurig ragt sie in die Haufenwolken! Dein Bräutigam Edmund er steigt auf Käptn Lecleres Platz! Da wird doch wohl keine Krankheit an Bord sein? Es muß eine bei Käptn Leclere sein. Hat Edmund eben seine Sache gut gemacht? Die Reederei hat keine Worte mehr. ( kommt mit sie tragen das Band und den Ehrendegen Lecleres.) Vergiß mir unser Wortgefecht um Elba! Du weißt, was ich von der Aktion gehalten habe. (Will ihm die Hand reichen. will ihm wohlwollend auf die Schulter schlagen. weicht erschrocken aus.) Ich brach mir doch den Hals bei Austerlitz! Zwar heilte er zusammen doch ein Hieb auf meine Schulter und ich bin gelähmt. Dann kann ich bloß noch mit den Lidern winken. 7

7 Edmund Seit Civitavecchia hat dein Kerl nicht gelacht. (Sie treffen auf.) Was, bitte, ist geschehen? Junger Spund, ich höre! Käptn Leclere starb. Unvorhergesehen. Im Fieberwahn. Er litt fürchterlich. Bis Giglio fantasierte er sich in den Tod. Mein Beileid, Herr. Auf der Höhe von Lourdes haben wir ihn begraben. Sein Leib ruht im Meer. Leclere hat noch für deine Nachfolge votiert? Auch hat die Mannschaft mich bestimmt. Mit einer Enthaltung! Die Mannschaft hat mit der Enthaltung mich gewählt. Du hast dich einstimmig ernannt! Herr Schiffs-Bankier, so ist es einmal mit dem Avancement auf Erden: Das Alte stirbt, das Neue folgt ihm nach. Wenn wir es lassen. Ich fahre nicht noch einmal unter dem Kommando eines Knaben! (Will Hand nehmen.) Morgen wird er groß! Nicht die Hand! Dein Kerl liebt seine Freiheit, wie mir scheint.! Meine Hand tut weh, seit ich auf Elba war. Ja werd ich morgen trotzdem sagen. Du warst auf Elba? Ja. Leclere hat dir den Brief, den er am Herzen trug, zur weiteren Beförderung gegeben? Und halten Sie sich fest an wen! An. 8

8 Sie kennen sich erstaunlich gut in kranken Seemanns-Köpfen aus! Ich suchte nur, dem Treuebild vom 1. Offizier zu ähneln. Dein Käptn hatte nicht mehr alle Fünfe beieinander! Ich hatte wohl den Eindruck, daß er wußte, was er tat. Ich wußt gar nicht, daß du den Helden von Arcole und Marengo so verehrst. Mir fällt das leider schwer seit Austerlitz. Mein Vater fiel bei Austerlitz. Erst 10, ging ich zur See. Wie viele Kindheiten hat getötet wie viele Jungen hat er wohl zu Seemännern gemacht? Ich wär nicht ich ohne den Imperator. Ich wußte nicht, daß du ihn noch als Kaiser hast wo jeder andere vernünftige Franzose längst Luis Rex zum König hat. Mein Kaiser ist der Wind! So körperlose Führung suchtest du? Das scheint mir auf ein schwaches Ich zu deuten. Man wird es stärken im Bonapartistischen Komitee. Laß dich bloß nicht auf diese Leute ein! Sie wagen es, Herr Schiffsbankier den jungen Kapitän zu warnen vor mir und meinesgleichen?! (Meint Band und Degen.) Händigen Sie ihm lieber seine Ehrenzeichen aus! Hätt ich gewußt, wes Geistes Kind Sie sind ich wäre nie auf einem Schiff der Reederei gefahren. Luis Rex hat das Bonapartistische Komitee verboten! Und seine Anwälte die Bourbonen haben äußerst demokratische Methoden. Siehst du Schloß If am Horizont bedenklich ragen?! Seit Henri Quatre lagern dort politische Gefangene, die lebend sterben! So feige, Herr? Hat Frankreich nicht vom Bürgerkrieg genug? Das Blut stand wie ein roter Wasserfilm auf allen Straßen! Hören Sie auf mit dem politischen Gewäsch! Ich kündige! Sie sind gefeuert! Pff. Ich sterbe einmal nicht für Leute, die sich strafbar machen! Lieber Freund zum Seefahrer warst du doch nicht geboren. 9