Branchenseminar Bäckerhandwerk / Nährmittel und Stärkeindustrie. Einsatz von Werkverträgen in der Ernährungswirtschaft

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1 Branchenseminar Bäckerhandwerk / Nährmittel und Stärkeindustrie Einsatz von Werkverträgen in der Ernährungswirtschaft

2 kleiner Erfahrungsaustausch Welche Erfahrungen mit Werkverträgen habt ihr? Wie viele WAN werden im Betrieb eingesetzt? Wie lange bleiben die WAN im Betrieb? Was ist der Grund für den Einsatz von Werkverträgen? Auftragsspitzen, Lohndumping oder andere Gründe Sind Werkverträge ein Schwerpunkt der BR-Arbeit? Wird der Betriebsrat beteiligt? Gibt es betriebliche oder tarifvertragliche Vereinbarungen? Was regeln sie? Gibt es hierzu Überlegungen? Wo braucht der BR Unterstützung? Hauptverwaltung, VB II / KR 2

3 Entwicklung der Leiharbeit Stichtag: jeweils 30. Juni Mai Hauptverwaltung, VB II / KR 3

4 Entwicklung der Werkverträge Stichtag: Hauptverwaltung, VB II / KR 4

5 HBS-Projekt: Betriebsräte und Werkverträge 100% 90% 80% 70% Anzahl Leih und Wervertragsarbeitnehmer in 7 ausgewählten Betrieben der Getränkeindustrie Werkvertragsgewerke bzw. betriebliche Funktionen in der Getränkeindustrie 60% 50% 40% % 20% 10% 0% Stammbelegschaft Leiharbeitnehmer owan Hauptverwaltung, VB II / KR 5 Quelle: Projektantrag bsb GmbH Betriebsräte-Strategieberatung Köln

6 Ziele der Umfrage Bestandsaufnahme der Anzahl von Leiharbeitnehmern in der Ernährungsindustrie Bestandsaufnahme der Anzahl von Werkvertragsfirmen und externen Dienstleistern in der Ernährungsindustrie Feststellung des Durchdringungsgrades der Fremdfirmen Feststellung des Organisationsgrades der in den Fremdfirmen Beschäftigten und der Tarifzuständigkeit Sensibilisierung für das Thema, insbesondere im Hinblick auf: Mitbestimmung der Betriebsräte Tarifverträge den Betriebsbegriff (Erweiterung des rechtlichen um den gewerkschaftlichen Betriebsbegriff) Gewerkschaftliche Durchsetzungsfähigkeit Hauptverwaltung, VB II / KR 6

7 Zeitraum, Methode und Umfang der Befragung Die Umfrage fand von im Zeitraum vom 05. Januar bis 29. Februar 2012 statt Standardisierter Fragebogen Insgesamt haben sich von ca Betriebsräten 371 an der Umfrage beteiligt (16,2%) Die 371 Betriebsräte repräsentieren über 87 Tsd. AN in Stammbelegschaften und über 11 Tsd. Leih- (L-AN) und Werkvertragsarbeitnehmer (W-AN) In ca. 250 Betrieben (67,4%) werden L-AN und in 155 Betrieben (41,8%) W-AN, mit steigender Tendenz, eingesetzt Hauptverwaltung, VB II / KR 7

8 Stammarbeitnehmer, Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer Beschäftigte in Leiharbeit (= 5,3% an Stammbelegschaft) Werkvertragsbeschäftigte (= 7,8% an Stammbelegschaft) Stammbeschäftigte Hauptverwaltung, VB II / KR 8

9 L-AN / W-AN nach Branchen in % zur Stammbelegschaft 53,7% Eigene Grafik 5,5% 3,3% 1,9% 4,5% 8,4% 1,3% 5,9% 2,6% 10,0% Getränke Getreide Fleisch Milch / Fett Süßw aren / Zucker L-AN an Stammb. 1,5% 3,4% Obst & Gemüse 0,0% 3,0% 0,0% 4,2% 1,8% Tabak HoGa Genossenschaften W-AN an Stammb. 12,7% 7,5% Nicht zuordenbar Hauptverwaltung, VB II / KR 9

10 Verhältnis L-AN und W-AN in den Jahren 2010 bis 2012 Verhältnis L-AN zu W-AN in der Ernährungsindustrie 57,3% 52,3% 52,1% Verhältnis L-AN zu W-AN in der Getränkeindustrie 55,4% 52,8% 52,7% 47,7% 47,9% 42,7% 47,2% 47,3% 44,6% geplant geplant L-AN Gesamt W-AN Gesamt L-AN Getränke W-AN Getränke Verhältnis L-AN zu W-AN in der Getreideindustrie Verhältnis L-AN zu W-AN in der Milchwirtschaft 83,2% 80,5% 75,3% 81,1% 80,6% 79,0% 16,8% 19,5% 24,7% 18,9% 19,4% 21,0% geplant geplant L-AN Getreide W-AN Getreide L-AN Milch W-AN Milch Hauptverwaltung, VB II / KR 10 Eigene Grafiken

11 Werden Stammarbeitsplätze durch Werkverträge ersetzt? 62,6% Eigene Grafik 34,6% 2,8% JA NEIN Unbek. Hauptverwaltung, VB II / KR 11

12 Wird der Betriebsrat bei der Vergabe von Werkverträgen im Vorfeld beteiligt? 58,9% Eigene Grafik 28,6% 12,6% JA NEIN Unbek. Hauptverwaltung, VB II / KR 12

13 Wurde dem Betriebsrat vor der Vergabe eines Werkvertrages eine Wirtschaftlichkeitsrechnung vorgelegt? 67,8% Eigene Grafik 17,2% 14,9% JA NEIN Unbek. Hauptverwaltung, VB II / KR 13

14 Prüft der Betriebsrat, ob es sich um Werkverträge oder Leiharbeit handelt? 67,8% Eigene Grafik 26,9% 5,3% JA NEIN Unbek. Hauptverwaltung, VB II / KR 14

15 Liegt dem Betriebsrat der Werkvertrag vor? Liegt dem Betriebsrat der Werkvertrag vor? 4 6,2 % 5 1,9 % 1,9 % 1 5,8 % 7 1,1 % 1 3,2 % 5 0,0 % 5 0,0 % 0,0 % 3 6,8 % 5 7,5 % 5,7 % Getränke Getreide Milch Gesamt JA NEIN Unbek. Hauptverwaltung, VB II / KR 15 Eigene Grafik

16 Gibt es im Betrieb eine Betriebsvereinbahrung oder Tarifvertrag? Gibt es im Betrieb eine Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag zum Einsatz von Leiharbeit und/oder Werkverträge? 2 5,9 % 6 6,7 % 7,4 % 2 0,3 % 7 9,7 % 0,0 % 2 0,9 % 7 9,1 % 0,0 % 2 1,3 % 7 3,3 % 5,4 % Getränke Getreide Milch Gesamt JA NEIN Unbek. Hauptverwaltung, VB II / KR 16 Eigene Grafik

17 Stundenlohndifferenz In den meisten Fällen war die Lohndifferenz nicht bekannt 29 Betriebsräte konnten konkrete Angaben machen Die Angaben schwankten zwischen 50% und 700,00 netto im Monat Die niedrigste Stundenlohndifferenz lag bei 0,50 im Bereich Hotel und Gaststätten bzw. 1,10 in der Fischindustrie Die höchste Stundenlohndifferenz wurde in der Getränkeindustrie mit 11,50 bzw. in der Brot- und Bachwarenindustrie mit 10,00 angegeben Die durchschnittliche Stundenlohndifferenz lag bei 5,84 Hauptverwaltung, VB II / KR 17

18 Stimmen der Betriebsräte Beim Einsatz von Werkverträgen gelten offenbar gar keine Regeln. Dem Missbrauch ist Tür und Tor geöffnet. Sollte verboten werden! Die Ausbeutung hat ein neues Level erreicht: Werkvertragsarbeitnehmer sind noch weniger wert als Leiharbeiter. Werkverträge in dieser Form gehören verboten. Ausbeutung der Arbeitnehmer und Beschneidung der Menschenwürde. Abschaffen - sofort! Es wird immer schlimmer: Das Unternehmen will die Stammbelegschaft komplett ersetzen: Werkvertragsarbeitnehmer sind einfach viel billiger. Sowohl Leiharbeitnehmer als auch Werkvertragsarbeitnehmer werden ausgenutzt. Das ist moderne Sklaverei. Hauptverwaltung, VB II / KR 18

19 Fremdfirmeneinsatz im Betrieb Hauptverwaltung, VB II / KR 19 Den Arbeitgebern stehen verschiedene rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, dieselbe Tätigkeit oder Arbeit in verschiedenen rechtlichen Formen erledigen zu lassen!

20 Leiharbeit Arbeitnehmer Arbeit Arbeitsvertrag Leiharbeitsfirma = Arbeitgeber (Verleiher) Weisungsrecht Dritter (Entleiher) Arbeitnehmerüberlassungsvertrag Hauptverwaltung, VB II / KR 20

21 Fremdfirmeneinsatz/ Werkvertrag Auftraggeber (Arbeitgeber) Auftraggeber (Arbeitgeber) Werkvertrag oder Werkvertrag Auftragnehmer Fremdfirma (Einzelperson) Auftragnehmer Fremdfirma Arbeitsverträge oder Werkverträge oder Arbeitnehmerüberlassungsverträge Arbeitnehmer Arbeitnehmer Subunternehmer Hauptverwaltung, VB II / KR 21

22 Arbeitsvertrag, Leiharbeit, Werkvertrag und Dienstvertrag Arbeitsvertrag: Eingliederung in den Betrieb und Weisungsgebundenheit Vertrag zum Arbeitgeber, es gilt normales Arbeitsrecht Es wird kein Erfolg der Arbeit geschuldet Leiharbeit: Verleiher stellt nur Arbeitnehmer; Direktionsrecht wird vom Entleiher wahrgenommen, gespaltene Arbeitgeberstellung Geregelt in AÜG, BetrVG, Im Verhältnis Verleiher AN gilt normales Arbeitsrecht Werkvertrag: Werkvertragsunternehmer (Besteller) verpflichtet zur Herstellung eines Werkes zur Leistung eines Dienstes, ein bestimmter Erfolg wird geschuldet Werkverträge sind nur eine Form des Outsourcing Geregelt in den 631 und 645 BGB Im Verhältnis Werkvertragsunternehmer AN gilt normales Arbeitsrecht Freier Dienstvertrag: Dienstnehmer verpflichtet sich zur Leistung von Arbeit, geschuldet wird nur Arbeit, kein Erfolg Dienstverträge sind nur eine Form des Outsourcing Geregelt in den 611 und 621 BGB Freier Dienstnehmer ist ein Selbständiger, es gilt kein Arbeitsrecht Hauptverwaltung, VB II / KR 22

23 Arbeitsvertrag, Leiharbeit, Werkvertrag und Dienstvertrag Rechtsprechung prüft folgende Kriterien: Haben Auftraggeber und Auftragnehmer einen konkreten Leistungsgegenstand vereinbart? Wer übt das Weisungsrecht ggü. Fremdpersonal im Betrieb aus? Wie sind die konkreten Arbeitsabläufe organisiert? Wie sieht die Arbeitsteilung zwischen Stamm- und Fremdpersonal aus? Wird das Fremdpersonal nur innerhalb des vereinbarten Rahmen/Leistungsgegenstandes eingesetzt? Haftet der Auftragnehmer für den Erfolg? Hat der Auftragnehmer die Gewährleistung zu tragen? Hauptverwaltung, VB II / KR 23

24 Abgrenzung Werkvertrag und Leiharbeit Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung rechtlich nicht hinreichend klar Folge: Arbeitgeber nutzen die Unklarheit aus Sozialversicherungsträger kontrollieren kaum, da Abgrenzung unklar Verfahren vor Gericht nicht vorhersehbar Hauptverwaltung, VB II / KR 24

25 Folgen für Stammbelegschaften Stammbelegschaften mit guten, sicheren Arbeitsverhältnissen schrumpfen und werden durch Leiharbeit und Werkverträge ersetzt Druck auf Stammbelegschaft nimmt zu Angst um eigene Arbeitsplätze wächst Betriebliche Mitbestimmung wird geringer Durchsetzungskraft bei Tarifverhandlungen sinkt Auswirkungen bei Arbeitskämpfen durch Einsatz von Leiharbeit und Werkverträge Hauptverwaltung, VB II / KR 25

26 NGG will: Keine Spaltung in Stamm- und Randbelegschaften Begrenzung von Leiharbeit Equal Pay und Equal Treatment für Leiharbeitnehmer Missbrauch von Werkverträgen verhindern Stammbelegschaften schützen Erhalt und Fortentwicklung sozialer Standards in den Betrieben Tarifverträge schützen Arbeitsbedingungen für Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer verbessern Gleichbehandlung mit Stammbelegschaft Verhinderung von Lohndumping und Sozialdumping Keine Schmutzkonkurrenz der Betriebe/Unternehmen untereinander Größe BR-Gremien und Freistellungen erhalten Hauptverwaltung, VB II / KR 26

27 NGG fordert: Die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn schützt Beschäftigte und Unternehmen vor Lohndumping der Konkurrenz. Er gilt für alle in Deutschland arbeitenden Menschen Die Stärkung der Rechte von Betriebsräten BR müssen über die Vergabe von Werkverträgen und über die Art und Weise des Einsatzes von Werkvertragsbeschäftigten beteiligt werden Einen effektiven Schutz zur Verhinderung von Missbrauch Verbindliche Regeln und wirksame Kontrollmöglichkeiten schaffen Eine statistische Erhebung zur Verbreitung von Werkverträgen Verbreitung und Auswirkungen von Werkverträgen müssen erfasst werden Hauptverwaltung, VB II / KR 27

28 NGG hat: Umfrage gestartet und Öffentlichkeit hergestellt Schwarzbuch Werkverträge in Arbeit Projekt owan gemeinsam mit der IGM Handlungshilfe für BR s in Arbeit Arbeitsgruppe beim DGB eingerichtet Forderungen an die Politik abstimmen NGG Arbeitsgruppe eingerichtet Strategien erarbeiten (erste Sitzung am 11. Juni 2012) Hauptverwaltung, VB II / KR 28

29 NGG und Betriebsräte müssen gemeinsam: Informations- und Kontrollrechte wahrnehmen ( 80 BetrVG) Anspruch auf Einblicksrecht in die Werk- & Dienstleistungsverträge Kontrolle des Missbrauchs (Abgrenzung Leiharbeit) Eine systematische Vorgehensweise der Betriebsräte verabreden Behandlung des Themas in BR, GBR, KBR, ARGE Sitzungen im Wirtschaftsausschuss thematisieren und Unterlagen einfordern Nachhaltigkeit des Outsourcings verfolgen (Stimmen die dargestellten Kosteneinsparungen?) Betriebsvereinbarung über Fremdleistungsplanung abschließen Regelung über Mitwirkungsrechte des BRs Beschäftigung für Stammbelegschaft durch offensive Beteiligung an der Personalplanung sichern ( 92 und 92 a BetrVG) Mitbestimmung bei Neueinstellungen nutzen Gute Beispiele in den Branche bekannt machen Branchenkonferenzen nutzen Öffentlichkeit herstellen Gründung von Betriebsräten in Werkvertragsfirmen prüfen Hauptverwaltung, VB II / KR 29

30 Handlungsmöglichkeiten der Betriebsräte im Vorfeld von Fremdvergaben Allgemeine Aufgaben, 80 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers, 80 Abs. 2 Vorlage von Unterlagen Wirtschaftsausschuss, 106 BetrVG Unterrichtung und Beratung bei ungenügender Unterrichtung ggf. Einigungsstelle, 109 BetrVG Personal(bedarfs)planung, 92 BetrVG Unterrichtung und Beratung Vorschlagsrecht des BR Beschäftigungssicherung, 92 a BetrVG Vorschlagsrecht des BR Beratungspflicht des AG mit BR bei Ablehnung: Begründungspflicht des AG Betriebsänderung, 111, 112 BetrVG Interessenausgleich und Sozialplan Hauptverwaltung, VB II / KR 30

31 Besser statt Billiger Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich eine Menge Geld habe. Ich habe eine Menge Geld, weil ich gute Löhne zahle. Robert Bosch ( ), deutscher Industrieller und Gründer der Werkstätten für Feinmechanik und Elektronik (später Robert Bosch GmbH) Hauptverwaltung, VB II / KR 31

32 Z U M S C H L U S S Vielen Dank für die Aufmerksamkeit Hauptverwaltung, VB II / KR 32

33 Normalarbeitsverhältnis Unbefristeter Arbeitsvertrag (nach evtl.probezeit) Vollzeitbeschäftigung oder selbstbestimmte, existenzsichernde, arbeits- und sozialrechtlich vollständig abgesicherte Teilzeitarbeit Volle Integration in soziale Sicherungssysteme Vollständige rechtliche Betriebsintegration Tarifgebundenheit Vertretung durch Betriebsrat Existenzsicherung und Sicherung angemessener sozialer und kultureller Teilhabe Kontinuierliche Teilhabe am Produktivitätsfortschritt (Entgeltsteigerungen!) Hauptverwaltung, VB II / KR 33