Zahlungsausstände bedrängen die Schweizer KMU
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- Innozenz Sommer
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1 Zahlungsausstände bedrängen die Schweizer KMU Zur Zeit belaufen sich die noch nicht bezahlten überfälligen Forderungen der schweizerischen Unternehmen nach den Erhebungen von Intrum Justitia auf die astronomische Summe von CHF 9 Mia. Die Rechnungen werden in der Schweiz zur Zeit mit einem durchschnittlichen Zahlungsverzug von 14.8 Tagen nach Ablauf der üblichen Zahlungsfrist von 30 Tagen bezahlt. Konsumenten haben eine durchschnittliche Zahlungsdauer von 41.4 Tagen und Firmenkunden eine solche von 44.3 Tagen. Besonders schlimm sind Bund, Kantone und Gemeinden, die durchschnittlich erst nach 48.7 Tagen bezahlen. Enorm ist die Zahl der Rechnungen, die erst nach mehr als 60 Tagen bezahlt werden: In die Gruppe von 61 bis 90 Tagen fallen 8.1 % aller Rechnungen, 2.8 % der Rechnungen werden sogar erst nach 120 Tagen beglichen. Die definitiven Forderungsverluste belaufen sich auf 1.6 % aller fakturierten Beträge. Nach Untersuchungen von Intrum Justitia übt dabei die schlechte Zahlungsmoral der Kunden bei 80 % der Unternehmen einen negativen Einfluss auf die Liquidität aus. 7 % der Unternehmen sehen sich wegen der schlechten Zahlungsmoral ihrer Kunden sogar massiv in ihrer Existenz bedroht. Nach Feststellungen von Observa/Eco Diagnostique gehen 21% der Konkurse auf verspätete Zahlungseingänge bzw. dadurch bedingte Liquiditätsschwierigkeiten zurück. Im Ergebnis bedeutet der Schuldnerverzug die Inanspruchnahme von Lieferantenkrediten zum Nulltarif. Das führt zahlreiche Unternehmen insbesondere KMU, die über keine grossen Liquiditätspolster verfügen in die Liquiditätsfalle und zwingt sie zur erhöhten Inanspruchnahme von Bankkrediten und damit zu entsprechenden Zinskosten. Beträchtlich sind auch die zusätzlichen Umtriebe und Kosten, die mit dem Inkasso überfälliger Forderungen verbunden sind: Wiederum nach Untersuchungen von Intrum Justitia ergibt sich ein für die Schweiz statistisch hochgerechneter Gesamtarbeitsaufwand für die Debitorenbewirtschaftung von sage und schreibe 100 Mio. Arbeitsstunden pro Jahr. Besonders schlimm ist der Arbeitsaufwand
2 2 für die Debitorenbewirtschaftung bei KMU mit weniger als 20 Mitarbeitern: Hier fallen dafür im Durchschnitt pro Mitarbeiter 38.9 Stunden pro Jahr an. Dazu kommen noch die Aufwendungen für externe Inkassobüros, die für die Eintreibung von Forderungen gegenüber hartnäckigen Schuldnern eingesetzt werden müssen. Alle diese Zinskosten für wegen des Schuldnerverzugs notwendig gewordene Bankkredite und der Aufwand für die Debitorenbewirtschaftung sowie für Inkassobemühungen belaufen sich pro Jahr in der Schweiz hochgerechnet auf rund CHF 7.5 Mia. Trägt diese Kosten nicht der säumige Schuldner, müssen sie im Endeffekt auf die Preise überwälzt werden, was zu einer entsprechenden Verteuerung der Produkte führt. Nota bene geschieht dies nicht etwa nur zulasten der säumigen Zahler, sondern insbesondere auch zulasten der Konsumenten, die ihre Rechnungen pünktlich zahlen. Der dadurch angerichtete volkswirtschaftliche Schaden ist enorm. Dasselbe gilt für den Fall, dass eine solche Überwälzung der Kosten auf die Preise angesichts angespannter Wettbewerbsverhältnisse nicht möglich ist, was vor allem bei vielen KMU zutrifft: Diesfalls bleibt der Schaden beim betreffenden Unternehmen bzw. KMU hängen, was zu einer Beeinträchtigung des Gewinns und ggf. sogar zu einer existenziellen Gefährdung führen kann mit entsprechenden Auswirkungen auf die Arbeitsplätze. Aus Sicht der unter Schuldnerverzug leidenden Unternehmen insbesondere aus der Sicht der betroffenen KMU, aber auch aus Konsumentensicht aus der Sicht des Konsumenten nämlich, der seine Rechnungen pünktlich zahlt lässt dies nur eine Schlussfolgerung zu: Die Schadensdeckung muss nach dem Verursacherprinzip erfolgen. Mit anderen Worten: Die säumigen Schuldner müssen gezwungen werden, den Schaden, den sie mit ihrem Fehlverhalten anrichten, vollumfänglich zu tragen. Daraus sind die folgenden drei Konsequenzen abzuleiten:
3 3 Der Verzugsschaden muss konsequent auf den säumigen Schuldner überwälzt werden. Dieser hat insbesondere die Inkassokosten zu tragen, die dem Gläubiger im Zusammenhang mit dem für den Einzug überfälliger Forderungen notwendigen Beizug eines Inkassobüros entstehen. Die dafür erforderliche gesetzliche Grundlage ist in Art. 106 OR vorhanden. Dr. Simmen wird in seinem anschliessenden Referat die Details zu diesem Thema behandeln. Der gesetzliche Verzugszins muss auf ein kostendeckendes Niveau angehoben werden. Art. 104 OR ist in diesem Sinne zu revidieren. Die öffentliche Hand ist als besonders renitenter Schuldner dazu anzuhalten, Rechnungen pünktlich innert 30 Tagen zu begleichen. Entsprechende verbindliche Vorschriften sind zu erlassen. Nun im Detail zur rechtspolitischen Forderung der Erhöhung des gesetzlichen Verzugszinses bzw. der entsprechenden Revision von Art. 104 OR: In der Schweiz beträgt der gesetzliche Verzugszins gemäss dem aktuellen Text von Art. 104 OR grundsätzlich lediglich 5 % p.a.; im Verkehr zwischen Kaufleuten ist ein höherer Verzugszins dann möglich, wenn der Bankdiskontsatz mehr als 5 % beträgt. Nach herrschender juristischer Lehre ist unter dem Bankdiskontsatz der Zinssatz für ungedeckte Kontokorrentkredite zu verstehen. Damit besteht zwar für den kaufmännischen Verkehr, d.h. für Schulden von Unternehmen, eine angemessene Verzugszinsregelung. Der für Konsumentenschulden geltende Verzugszins von bloss 5 % ist demgegenüber bei Weitem nicht geeignet, die beim Gläubiger durch den Schuldnerverzug entstehenden Zinskosten zu decken: Für nicht banküblich gesicherte Kontokorrentkredite, die zur Deckung des durch den Verzug beim Lieferanten entstehenden zusätzlichen Liquiditätsbedarfes aufgenommen werden müssen, hat ein KMU rasch 9 bis 12 % p.a. zu bezahlen. Das zeigt klar, dass die heutige gesetzliche Verzugszinsregelung, wie sie in Art. 104 OR statuiert wird, den aktuellen Gegebenheiten nicht mehr entspricht. Rechtspolitisch
4 4 ist daher die Erhöhung des gesetzlichen Verzugszinses auch für Konsumentenschulden notwendig, und zwar auf einen flexiblen, das Zinsumfeld berücksichtigenden Satz, der die durch den Schuldnerverzug beim Gläubiger bewirkten zusätzlichen Zinskosten vollumfänglich abdeckt. Wie bereits gesagt, liegt eine solche Schadensdeckung nach dem Verursacherprinzip auch im Interesse der pünktlich zahlenden Konsumenten. In unserem europäischen Umfeld ist dieses Anliegen zumindest zum Teil bereits verwirklicht: In Deutschland wird der Verzugszins für Konsumentenschulden nach einem Ansatz, der 5 % über den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank liegt ( 288 BGB), berechnet. Geht man vom derzeitigen Stand des Basiszinssatzes (3.32 %) aus, so beläuft sich also in Deutschland zur Zeit der gesetzliche Verzugszins für Geldschulden von Konsumenten auf 8.32 % p.a. In Finnland gilt für Konsumentenschulden ein Zuschlag von 7 % zum Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank. Der aktuelle Verzugszins beläuft sich also auf %. In Schweden wird bei Konsumentenschulden der Verzugszins mit einem Zuschlag von 8 % zum Basiszinssatz der EZB berechnet. Der aktuelle Verzugszins beträgt also %. In Dänemark beläuft sich der Verzugszins für Konsumentenschulden auf 9.75 % p.a. Analysiert man das Zahlungsverhalten der Konsumenten in den soeben genannten Ländern, so ergibt sich die folgende interessante Tabelle:
5 5 Land Verzugszins durchschn. Zahlungsdauer von Rechnungen Schweiz 5 % 41.4 Tage Deutschland 5 % über Basiszins 37.0 Tage Finnland 7 % über Basiszins 19.0 Tage Dänemark 9.75 % 25.3 Tage Schweden 8 % über Basiszins 29.4 Tage Es ergibt sich ein doppeltes Fazit: Bezüglich Zahlungsverhalten der Konsumenten steht die Schweiz im europäischen Umfeld besonders schlecht da. Ein hoher gesetzlicher Verzugszins fördert die korrekte, rasche Rechnungszahlung. Schon ein kurzer Blick auf diese Tabelle zeigt klar, was gesetzgebungspolitisch zu tun ist: Eine Revision von Art. 104 OR ist dringend notwendig. Für die Verzugszinsberechnung ist dabei eine Lösung vorzusehen, die sowohl für kaufmännische Schulden, wie auch für Konsumentenschulden von einem Zuschlag zum Referenzzinssatz der Schweiz. Nationalbank (3- Monats-Libor) ausgeht. Angemessen ist ein Zuschlag in der Höhe von 8 %. Auf die aktuellen Verhältnisse umgemünzt würde das folgendes bedeuten: Der 3-Monats-Libor der SNB beträgt zur Zeit 2.68 %. Der Verzugszins würde also aktuell % betragen. Damit wäre das Ziel, den durch den Verzug beim Gläubiger entstehenden Zinsschaden auf den Verursacher den säumigen Schuldner zu überwälzen, im Wesentlichen erreicht.
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