Besondere Phänomene bei Change Management
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- Regina Lorenz
- vor 6 Jahren
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1 P U R T S C H E R T UNTERNEHMENSENTWICKLUNG Besondere Phänomene bei Change Management 1.1 Anlässe von Change Management Anlässe für Change Vorhaben sind in Veränderungen des Umfeldes begründet. Eine globalisierte Wirtschaft und damit verbunden der Abbau von Grenzen sowie die Zunahme der Geschwindigkeit durch die Vernetzung in virtuellen Netzwerken erzeugen eine dramatische Erhöhung der Komplexität für die Gesellschaft, die Unternehmen und Organisationen der öffentlichen Hand (Doppler/Lauterburg, 2014). Organisationen wurden durch diese fundamentalen Veränderungen zu Bauplätzen, auf denen neue Organisationsarchitekturen entstehen durch den Abbau von hierarchischen Strukturen, vermehrter Projektarbeit, durch Gliederung nach Geschäftsfeldern und Fokus auf integrale Geschäftsprozesse, die mit Partnern in Kooperation und Konkurrenz aufgesetzt werden. Firmenkäufe und Fusionen gehören zur Tagesordnung (Wimmer, 2012, S. 264 ff). Im öffentlichen Umfeld wird für Kooperationen von privaten und öffentlichen Institutionen der Begriff der Private Public Partnership geprägt. Fusionen sind ein Thema (Bahnen, Gemeinden, Spitäler etc.). Im folgenden Dreiecksmodell Strategie-Struktur-Kultur (Abb. 4, in Anlehnung an Heitger, 2002, S. 52) sind die Organisationselemente, die aufgrund von Anpassungsnotwendigkeiten ans Umfeld von Change betroffen sein können, dargestellt. Die Strategie, die Geschäftsprozesse (häufig aufgrund von neuen Technologien) und die Strukturen. Dies wiederum führt zur Weiter-Entwicklung von Mitarbeitendenkompetenzen (Personalentwicklung), zur Erfordernis von neuen Verhaltens- und Entscheidungsmustern und angepasstem Führungsverhalten als Systemleistung. Die Organisations-Kultur ist in dieser Darstellung eine Folge aus dem Zusammenspiel der Systemelemente. Im Gegensatz zum ursprünglichen OE-Ansatz, wo die Kulturentwicklung ein eigenständiges Anliegen war, geht es heute in den meisten Organisationen darum, den Change direkt vom Geschäftsthema her anzupacken (Höfler et al., 2010 und Heitger/Doujak, 2002). Abbildung 1: Strategie-Struktur-Kultur (in Anlehnung an Heitger, 2002) Im eisernen Zeit 27, 8057 Zürich
2 1.2 Ausmass von Change Vorhaben Unternehmen und Organisationen wechseln zwischen zwei Arten von Change-Zustand, die sich im Ausmass unterscheiden. Längere Phasen von evolutionärem Wandel, der auch als Wandel zweiter Ordnung bezeichnet wird, wechseln ab mit Phasen grundlegender Erneuerung, bei der Organisationsstrukturen (Geschäftsfelder, Organisationseinheiten etc.) umgebaut werden. In diesem Fall spricht man auch von Wandel erster Ordnung oder von radikalem Wandel (Rüegg-Stürm, 2002, S. 83 ff). Massnahmen im Rahmen des Konzeptes der Lernenden Organisation gehören beispielsweise zum evolutionären Wandel. Bei der Entwicklung einer Lernenden Organisation geht es darum, innerhalb bestehender Strukturen Verhalten mittels Metakommunikation zu reflektieren und zu optimieren (Single-Loop- and Double-Loop-Learning). Die Einführung eines neuen Geschäftsprozessdesigns, wie es beim Business Reengineering Ansatz geschieht, gehört in die Sparte radikalen Wandels. 1.3 Besondere Phänomene bei Change Vorhaben Bestimmte Phänomene werden von Autoren verschiedener Fachrichtungen und von PraktikerInnen herausgehoben, deren Beachtung und konstruktive Berücksichtigung im Change Prozess als relevant für das Gelingen eines Veränderungsvorhabens genannt werden. Dass diese Phänomene im Rahmen von Change Vorhaben beschrieben werden, verdeutlicht, dass Veränderungen, vor allem fremd initiierte, von den meisten Menschen als unangenehm bis bedrohlich wahrgenommen werden, weil es Irritation von Routinen, Umlernen und Kontrollverlust bedeutet. In der Regel gibt es VerliererInnen, die von neuen Lösungen weniger profitieren (Baitsch, 2014). Bei den Phänomenen handelt es sich um: Typische Gefühlszyklen Das Phänomen Widerstand Umgang mit Veränderungen MitspielerInnen und Skeptiker Die Beteiligung von Betroffenen, auch mit den Begriffen Partizipation oder Mitwirkung benannt. Die folgenden Abschnitte umreissen, was damit gemeint ist: Gefühle sind wichtig Die Beachtung der Logik der Gefühle (Heitger/Doujak, S. 115.ff) wird heute anerkannt (ganz im Gegensatz zu Zeiten des Rationalismus, wo Gefühle unerwünscht waren im Arbeitskontext), obwohl es für die Akteurinnen und Akteure im Arbeitsalltag schwierig ist, einen adäquaten Umgang mit Gefühlen zu finden (Doppler/Lauterburg, 2014). Die Logik besagt, dass Menschen zwischen einem (stabilen) Ausgangspunkt und einem neuen Zustand verschiedene Gefühlsphasen erleben. Im angelsächsischen Raum wird dieser psychologische Prozess Transition (= Übergang) genannt. Durch das Ankündigen einer Veränderung taucht Angst auf, die wach und vorsichtig zugleich macht. Angst als eigenes Erleben ansprechen (durch die Führungskräfte) und als normale Reaktion im Rahmen von Change, hilft Betroffenen, sich an die bevorstehenden Änderungen heranzutasten.
3 Wenn die Veränderung mehr ins Bewusstsein dringt, ist Ärger die Folge, mit der Absicht, die eigene Identität zu verteidigen und sich nicht machtlos zu fühlen. Ärger macht sich proaktiv Luft in der Konfrontation mit der Unabwendbarkeit. Jetzt wird Change ernst genommen. Wenn es etwas zu verhandeln gibt, ist dies der richtige Zeitpunkt. Trauer folgt, wenn die Veränderung akzeptiert wird. Der Blick richtet sich zur Vergangenheit, um zu bedauern und Abschied zu nehmen. Die vielen offenen Enden sind jetzt verwirrend. In der Trauerphase hilft die Würdigung des Bisherigen und die Entlastung von individueller Schuld als Grund für die Veränderung. Relative Langsamkeit und Stabilität unterstützen diesen Prozess und ermöglichen, neue Zuversicht zu finden durch Kompetenzerlebnisse in der neuen Situation (Heitger/Doujak, 2002, a.a.o). Dieses Phasenmodell fokussiert das Individuum. Auf Teamebene liefert die Gruppendynamik Modelle, die Meinungsbildung und die emotionale Haltung eines Teams besser zu verstehen. Von allen geschätzte Team-Mitglieder werden als Meinungsführende von den anderen beobachtet. Dies kann in einem Change Vorhaben gezielt genützt werden, indem diese informellen Leader als Akteursgruppe konstruktiv einbezogen werden. Auch auf der Gesamtorganisationsebene können bestimmte Gefühle unter der Oberfläche vorherrschen und somit kulturbestimmend sein (Rank/ Scheinpflug, 2010, S. 21 ff) Ohne Widerstand geht nichts Hager (1999) beschreibt Widerstand als Selbsterhaltungsprinzip des Menschen, der Einfluss nehmen will auf die Gestaltung seines Umfeldes um sich zu schützen vor Unbill. Bei Widerständen handelt es sich um Bedenken, Befürchtungen oder Ängste, dass sich die eigenen Anliegen oder Interessen nicht genügend realisieren lassen. Es gibt verbale und nonverbale Symptome für Widerstand in aktiver und passiver Form (Doppler/Lauterburg, S. 202 ff). aktiv (Angriff) verbal (Reden) Widerspruch Gegenargumentation, Vorwürfe, Drohungen, Polemik, sturer Formalismus nonverbal (Verhalten) Aufregung Unruhe, Streit, Intrigen, Gerüchte, Cliquenbildung passiv (Flucht) Ausweichen Schweigen, Bagatellisieren, ins Lächerliche ziehen, Unwichtiges debattieren Lustlosigkeit Unaufmerksamkeit, Müdigkeit, Fernbleiben, innere Emigration, Krankheit Abbildung 2: Arten von Widerstand (Doppler/Lauterburg, 1994) Wie umgehen mit Widerstand? Doppler/Lauterburg (1994, a.a.o) empfehlen, sich zu überlegen, was sich Betroffene von Veränderungen generell fragen: Warum und wozu soll das Ganze gut sein? Kann ich das? (Bin ich dem Neuen gewachsen?) Und: Will ich das? (Was bringt es mir?).
4 Ihre vier Grundsätze für den Umgang mit Widerstand lauten (a.a.o, S. 212 ff): - Es gibt keine Veränderung ohne Widerstand. Wenn ein Veränderungsvorhaben ernst genommen wird, muss es Widerstand geben. - Widerstand enthält immer eine verschlüsselte Botschaft, die im emotionalen Bereich liegt und die es herauszuschälen gilt. Die wirklichen Interessen liegen unter der Oberfläche verborgen und werden häufig nicht direkt ausgesprochen. - Nichtbeachtung von Widerstand führt zu Blockaden. Widerstand zeigt an, dass der geplante Weg so im Moment nicht erfolgreich beschritten werden kann. Denkpause einlegen! Verlangsamen und Gründe für den Widerstand erkunden. - Mit dem Widerstand, nicht gegen ihn gehen! Die emotionale Energie muss ernst genommen werden Umgang mit Veränderungen Mitspielerinnen und Skeptiker Die Akzeptanz gegenüber einem Vorhaben kann höher oder niedriger sein, je nachdem, wie Menschen die sachlichen und / oder die persönlichen Risiken für sich einschätzen. Sachliche Risiken sind z.b. die erwartete Effizienzsteigerung wird nicht eintreten oder das Change Vorhaben verbessert die aktuellen Missstände aus Sicht dieser Personen nicht. Sie sind dementsprechend wenig motiviert. Persönliche Risiken sind z.b. Angst um Stellen- oder Statusverlust oder befürchtete Lohneinbussen (Mohr, Woehe, Diebold, 1998). Die Akzeptanzmatrix (Mohr, Woehe, Diebold, 1998) stellt aus diesen zwei Achsen Gruppen von Personen zusammen in ihrem Verhältnis zum Veränderungsvorhaben und sie machen Vorschläge, wann der Einbezug welcher Gruppe erfolgversprechend ist. Einschätzung persönlicher Risiken niedrig hoch Skeptiker (ca. 40 %) später einbeziehen Gegner (ca. 15 %) in geeigneter Weise einbeziehen hoch Promotoren (ca. 5 %) zuerst einbeziehen Bremser (ca. 40 %) später einbeziehen niedrig Einschätzung sachlicher Risiken Abbildung 3: Akzeptanz-Matrix bei Veränderungen (Mohr, Woehe, Diebold, 1998) Die Prozentverteilung bei den jeweiligen Gruppen zeigt, dass die generelle Stimmung gegenüber Veränderungsvorhaben skeptisch ist (Skeptiker und Bremser) demgegenüber stellen die Unterstützer eine viel kleinere Gruppe dar. Das erklärt, warum es so wichig ist, über den Sinn und die möglichen maximalen Konsequenzen für Einzelne zu sprechen. Damit lässt sich die Gruppe, die wirklich zu den Verlierern gehört, möglicherweise reduzieren; sie können so zu pragmatischen Mitspielern werden.
5 1.3.4 Beteiligung ist unverzichtbar, jedoch... Change Management kann ohne die betroffenen Menschen nicht erfolgreich durchgeführt werden. Betroffene zu Beteiligten machen ist ein zentrales Postulat, das die Organisationsentwicklung einbrachte, damals insbesondere auch von Beteiligung bei Entscheidungen. Ein solcher Anspruch kann im heutigen, dynamischen Umfeld kaum eingelöst werden. Diese Beteiligung würde die Veränderungsprojekte stark öffnen und damit zu stark verlangsamen. Zudem hätte diese umfassende Beteiligung eher eine systemstabilisierende Wirkung, weil es schwer vorstellbar ist, zu einem bestimmten Zeitpunkt einen gemeinsamen Nenner für eine radikale (unbequeme) Entscheidung zu finden (Janes et al., 2001, S. 72 ff). Beteiligung soll darum differenziert in unterschiedlichen Intensitätsgraden gestaltet werden. Intensitätsgrade von Beteiligung können sich folgendermassen unterscheiden in aufsteigender Intensität und Verantwortung (a.o.o.): - Informiert werden - Feedback geben zu vorgelegten Lösungsvorschlägen - Mitarbeit bei Lösungen - Mitentscheiden - Entscheiden über Lösungen Wenn diese graduelle Beteiligung passend zu den verschiedenen Anspruchsgruppen eines Vorhabens gestaltet wird, kann sich das Postulat der Mitwirkung erfüllen bei gleichzeitigem Erhalt der Steuerfähigkeit. Literatur: Doppler / Lauterburg: Change-Management, Campus Heitger / Doujak: Harte Schnitte-Schnelles Wachstum, Ueberreuter Hager: Trigon Themenheft 1/99 Janes et al: Transformationsmanagement, Springer Mohr et al: Widerstand erfolgreich managen, Campus Rank / Scheinpflug: Change Management in der Praxis, Erich Schmidt Verlag Rüegg / Stürm: Das neue St. Galler Management-Modell, Haupt Wimmer: Organisation und Beratung, Carl-Auer
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