Ökonomische Theorie der Politik!
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- Helmut Albert Adler
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1 Ökonomische Theorie der Politik! Einführung! Der homo oeconomicus in der Politik! Prof. Dr. Alois Stutzer, 17. September 2013! Ablauf! Ziele! Erwartungen und Organisation! Vorgehen! Zugänge zur Ökonomischen Theorie der Politik! Anwendung: Frauenstimmrecht! Vorstellung des Dozenten! Programmvorschau! Hinweise zur Prüfung! 2
2 Ziele! Was möchte ich Ihnen vermitteln?! Denkweise! vergleichende Analyse! Theoretisches Wissen! Grundideen aus der Politischen Ökonomie! Wichtige Arbeiten und Forscher! Vorstellung über mögliche empirische Analysen! Hinweise auf neue Entwicklungen! Freude an der Politischen Ökonomie! 3 Erwartungen und Organisation! Erwartungen! Lektüre für die Vorlesung vorbereitet! Aktive Teilnahme an der Vorlesung! Download der Vorlesungsunterlagen! Syllabus, Pflichtlektüre (ausser Lehrbuch), Vorlesungsfolien! Abteilungshomepage - Lehre! Benutzername: poloek / Passwort: poloek_hs13! Kontakt Lehrassistenz! Reto Odermatt (reto.odermatt@stud.unibas.ch)! 4
3 Vorgehen! Lesen! Mueller, Dennis C. (2003). Public Choice III. Cambridge, New York and Melbourne: Cambridge University Press.! Ausgewählte Fachartikel! Hören und Diskutieren! 5 Zugänge zur Ökonomischen Theorie der Politik! 1. Begriffserklärung! 2. Verschiedene Sichten der Finanz- und Wirtschaftspolitik! 3. Dogmengeschichte! 4. Wissenschaftliche Schulen! 5. Fragen / Themen / Beispiele! 6
4 Begrifflichkeiten!! Public Choice can be defined as the economic study of nonmarket decision making, or simply the application of economics to political science: the theory of the state, voting rules, voter behavior, party politics, the bureaucracy, and so on. The methodology of public choice is that of economics, however. The basic behavioral postulate of public choice, as for economics, is that man is an egoistic, rational, utility maximizer.!!!!!!!!(mueller 2003, S. 1)! 7 Das ökonomische Verhaltensmodell I! Methodologischer Individualismus! Individuum ist Handlungs- und Analyseeinheit! nur Individuen haben Präferenzen! subjektive Bewertungen sind massgebend! kollektives (politisches) Handeln ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Individuen! 8
5 Das ökonomische Verhaltensmodell IIa! Rationale Verfolgung der eigenen Interessen! Menschen handeln nicht zufällig, sondern systematisch und vorhersehbar, wenn eine Handlungsmöglichkeit vorteilhafter erscheint!!! Anreize bestimmen das Verhalten! Menschen lernen, bilden Erwartungen, wägen ab!! Rationalität bedeutet in diesem Modell lediglich, dass das Individuum, wenn es seinen Intentionen folgt, prinzipiell in der Lage ist, gemäss seinem relativen Vorteil zu handeln, d.h. seinen Handlungsspielraum abzuschätzen und zu bewerten und entsprechend zu handeln.! 9 (Kirchgässner 2000, S. 17)! Das ökonomische Verhaltensmodell IIb! Individuum wird nicht als rational fool (Sen 1977) modelliert! Nicht vollständig informiert (Grund: Informationskosten)! Keine Maximierung des Nutzens, sondern z.b. Orientierung an Heuristiken (Grund: Kosten der Entscheidungsfindung)! Individuelle Präferenzen werden (wenigstens in der kurzen Frist) als gegeben angenommen.! Individuelle Präferenzen werden inhaltlich nicht in Frage gestellt.! Es gibt keine irrationalen Ziele (nur eine irrationale Zielverfolgung).! 10
6 Das ökonomische Verhaltensmodell III! Präferenzen versus Einschränkungen! Anreize werden bestimmt über Präferenzen und Einschränkungen, welche strikt zu trennen sind.! Verhaltensänderung werden über Veränderung im Möglichkeitsraum erklärt.! 11 Das ökonomische Verhaltensmodell IV! Präferenzen: Eigennutz! Individuen sind grundsätzlich und in erster Linie auf den eigenen Vorteil bedacht.! aber: kein Neid, kein Hass, keine Schadenfreude! sondern: gegenseitig desinteressierte Vernünftigkeit " (Rawls1971, S. 168)! Eigennutz vs. Opportunismus! Opportunismus als die Verfolgung des Eigeninteresses unter Zuhilfenahme von List. Dies schliesst krassere Formen ein, wie Lügen, Stehlen und Betrügen. (Williamson 1985, S. 54).! 12
7 Das ökonomische Verhaltensmodell V! Einschränkungen: Institutionen bestimmen Möglichkeitsraum! Restriktionen! Einkommen (inkl. Vermögen und Kreditmöglichkeiten)! (relative) Güterpreise! Zeit! Institutionen" = von Menschen ausgedachte Einschränkungen, welche die Interaktion zwischen Menschen strukturieren (North 1991)! 13 Begrifflichkeiten! Verschiedene Bezeichnungen! Ökonomische Theorie der Politik! Public Choice! (Moderne) Politische Ökonomie! Positive Political Theory! Positive Political Economy! Hauptmerkmale! ökonomisches Verhaltensmodell! (formale Analyse)! empirische Forschung! analytische Werkzeuge der modernen Wirtschaftswissenschaften 14
8 Begrifflichkeiten! Positive Analyse! erklären, was ist! vergleichende Analyse bestehender Institutionen! Normative Analyse! was sollte sein! Was wäre unter welchen Bedingungen optimal?! Problemidentifikation! Vorschlag für institutionelle Veränderung! Abgrenzung?! 15 Verschiedene Sichten der Finanz- und Wirtschaftspolitik! Traditionelle Wohlfahrtsökonomie! Politische Ökonomie Aggregation individueller Präferenzen in eine einzige Ordnung! Staatsversagen wegen privater Interessen der beteiligten Akteure! Politik als Resultat von Tauschbeziehungen! Rahmenbedingungen! vergleichende Perspektive! 16
9 Kurze Dogmengeschichte! Grosse Bedeutung der Politik für wirtschaftliche Entwicklung früh erkannt (z.b. Smith, Ricardo, Marx)! Aber: Schule der neoklassischen Ökonomie entwickelte eine ökonomische Theorie frei von Institutionen: den ökonomischen Mainstream! Gegenbewegung: Public Choice, etc.! Public Choice/Political Economics: Kein Field, sondern Methodik! 17 Kurze Dogmengeschichte! Social Choice! Abstimmungsregeln in Ausschüssen! Duncan Black (1948)! Maximierung der Sozialen Wohlfahrt! Kenneth Arrow (1951)! Amartya Sen (1970)! Borda (1781) de Condorcet (1785) C.L. Dodgson (Lewis Caroll) (1876) Bergson (1938) Samuelson (1947) 18
10 Kenneth Arrow (University of Stanford) Amartya Sen (Harvard University)! 19 20
11 The Boys from Blacksburg, 1962! 21 Kurze Dogmengeschichte! Markt Analogie! Parteienwettbewerb! Joseph Schumpeter! Anthony Downs (1957)! Regierung wird nicht mehr als black box gesehen! keine Lösung zum Arrow Paradox! Neu: Stimmbeteiligungsparadox! Bergson (1938) Arrow (1951) 22
12 Kurze Dogmengeschichte! Markt Analogie! Kollektives Handeln! Mancur Olson (1965)! Modelle des Regierungsverhaltens! Bruno Frey und Larry Lau (1968)! Politische Konjunkturzyklen! William Nordhaus (1975)! Stimmentausch! Peter Bernholz (1973)! 23 Kurze Dogmengeschichte! Tausch Paradigma! <> organisches Staatsverständniss! James Buchanan (1949)! JB & Gordon Tullock (1962)! Verfassungsökonomik! Wicksell (1896) 24
13 James M. Buchanan und Gordon Tullock 25 Kurze Dogmengeschichte! Kritik! Annahmen! Wissenschaftlicher Beitrag! Literatur! Green, Donald P. and Ian Shapiro (1994) Pathologies of Rational Choice Theory. New Haven: Yale University Press.! Friedman, Jeffrey (ed.) (1996). The Rational Choice Controversy: Economic Models of Politics Reconsidered. New Haven: Yale University Press.! 26
14 Wissenschaftliche Schulen! Virginia School! Buchanan/Tullock/Olson! Chicago School! Becker/Peltzman/Stigler! Alesina/Roland/Persson/Tabellini/Besley! Verwandte Gebiete! Institutionenökonomik! Systemvergleichende Ökonomik! Djankov et al. (2003)! Acemoglu/Robinson! 27 Wissenschaftliche Schulen! Behavioral Public Choice! Beschränkte Rationalität! Wähler, Bürokraten & Medien! Beschränkte Willenskraft! Defaults (Thaler und Sunstein 2003)! Prosoziale Präferenzen! Umverteilung! Intrinsische Motivation, internalisierte Normen! Steuermoral, Einhaltung von Gesetzen! Nutzenmessung: subjektives Wohlbefinden! 28
15 Frauenstimmrecht! Frauenstimmrecht! Seit wann?! Interessant und relevant?! Was ist von Interesse aus der Perspektive der Politischen Ökonomie?! Wie könnte man es untersuchen?! 30
16 Source: Aidt and Dallal (2008).!31 Frauenstimmrecht! Auswirkungen auf die Finanz- und Wirtschaftspolitik! Staatsausgaben insgesamt! Sozialausgaben! Theoretischer Mechanismus! 32
17 Frauenstimmrecht und staatl. Umverteilung! Modell von Meltzer und Richard (1978)! perhaps the simplest and yet most elegant public choice analysis! of the growth of government. (Mueller 2003: 512)! 1. staatliches Handel beschränkt sich auf Umverteilung! pauschale Übertragungen finanziert durch proportionale Steuer! Individuen sind unterschiedlich produktiv und entscheiden über Arbeitseinsatz! Bürger entscheiden über Steuer mit Mehrheitsentscheid! 33 Frauenstimmrecht und staatl. Umverteilung! Modell von Meltzer und Richard (1978)! 2. Optimierungskalkül des Medianwählers! Arbeitseinsatz: Grenzrate der Substitution zwischen Freizeit und Konsum = Nettoertrag aus Arbeit! Durchschnittseinkommen sinkt mit höherer Steuer, wegen negativem Arbeitsanreiz! Laffer Kurve! optimale Wahl von prop. Steuer und damit auch Transfer! 34
18 Frauenstimmrecht und staatl. Umverteilung! Modell von Meltzer und Richard (1978)! 3. Beurteilung! staatliches Handel ist weit mehr als blosse Umverteilung! Umverteilung begünstigt Gruppen in allen Einkommensklassen! offensichtliche Profiteure staatlicher Umverteilung stimmen ähnlich wie Nettozahler! 35 Frauenstimmrecht und staatl. Umverteilung! Modell von Meltzer und Richard (1978)! 4. Empirische Tests! Erweiterung des Elektorats! Stimmrechte an Mittellose, Analphabeten! Aufhebung der Verknüpfung von Kopfsteuern (poll tax) mit Stimmrecht! Frauenstimmrecht! Hypothese: Erhöhung der Staatsausgaben! 36
19 Frauenstimmrecht und Staatsausgaben:" Evidenz für die Schweiz!!Stutzer, Alois und Lukas Kienast (2005). Demokratische Beteiligung und Staatsausgaben: Die Auswirkungen des Frauenstimmrechts. Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik 141(4): ! Ausgangslage! schwierige statistische Trennung von Effekten eines erweiterten Elektorats und weiteren zeitgleichen Einflüssen! institutionelles Labor Schweiz! Einführung des Frauenstimmrechts zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den Kantonen der Schweiz! 37 Frauenstimmrecht und Staatsausgaben in der Schweiz! 38
20 39 40
21 41 42
22 43 Frauenstimmrecht und Staatsausgaben:" Evidenz für die Schweiz! Einführung des Frauenstimmrechts in den Kantonen der Schweiz hat den Anstieg der Ausgaben gebremst.! Resultat steht im Widerspruch zur Prognose des Modells von Meltzer und Richard! 44
23 Frauenstimmrecht und Staatsausgaben:" Evidenz für die Schweiz! Diskussion und mögliche Erklärungen! Wirkungskanal! Frauen als Wählerinnen und Stimmbürgerinnen! Frauen als Parlamentarierinnen! Präferenzen und Interessenvertretung: Interessenvertretung der Frauen im Parlament ist mit geringeren Ausgaben verbunden! Kritik am Modell! Systematisch unterschiedliche Präferenzen?! Rein eigennütziges Wahl- und Abstimmungsverhalten der Männer?! Finanzreferenden entfalteten eine stärkere Wirkung?! Empirischer Test: keine Interaktionseffekte festgestellt! 45 Frauenstimmrecht! Evidenz für Westeuropa ( ) (Aidt und Dallal 2008)! Sozialausgaben (Bildung, Gesundheit, Wohnraum für Arme, Übertragungen, d.h. Arbeitslosenunterstützung, Pensionen, Kinderunterstützung) steigen nach Einführung des Frauenstimmrechts.! Kritik: Einführung des Frauenstimmrechts nach den Weltkriegen fällt zeitlich mit anderen Bedürfnissen zusammen: Unterstützungszahlungen an die Opfer des Krieges! Evidenz für die Schweiz (Krogstrup und Wälti 2011)! Budgetdefizite in den Kantonen der Schweiz sinken einige Jahren nach Einführung des Frauenstimmrechts.! 46
24 Literatur! Aidt, Toke S. und Bianca Dallal (2008). Female voting power: the contribution of women s suffrage to the growth of social spending in Western Europe ( ). Public Choice 134(3-4): ! Krogstrup, Signe und Sébastien Wälti (2011). Women and Budget Deficits. Scandinavian Journal of Economics 113(3): ! 47 Ökonomische Theorie der Politik! Hinweise zur schriftlichen Prüfung!
25 Ablauf! 2 Fragen mit 3 bis 4 Unterfragen! 1 Frage bearbeiten! Stil: Aufsatz! allenfalls graphische Darstellung! Zeit: 50 Minuten! 49
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