Corporate Governance. Verantwortlichkeitsrecht. Prof. Dr. Andreas Binder. Themen I
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- Michael Kästner
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1 Corporate Governance Verantwortlichkeitsrecht Zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Organe Verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit der Organe Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organe Organhaftpflicht-Versicherung Prof. Dr. Andreas Binder Themen I Zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Organe Fokus: Schweizer Recht Fokus: Aktiengesellschaft Haftungsvoraussetzungen Haftungsrisiko Haftungsvermeidung Business Judgment Rule Organverantwortlichkeit im internationalen Vergleich 2 1
2 Themen II Verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit der Organe AHV-Beiträge Steuern, insbesondere Verrechnungssteuern Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organe Versicherbarkeit der Organhaftung Voraussetzungen Verbleibende Risiken 3 Zivilrechtliche Verantwortlichkeit OR 754: Organhaftung OR 755: Revisionshaftung OR 752: Emissionshaftung OR 753: Gründungshaftung FusG 108: Haftung bei Umstrukturierungen (alle Rechtsformen) 4 2
3 Organhaftung (OR 754) Passivlegitimation (Haftbare Personen) Verwaltungsräte und alle mit der Geschäftsführung befassten Personen Formelle Organe Materielle Organe Faktische Organe Organstellung abzugrenzen gegen Hilfspersonen: Organ hat massgebende Mitbestimmung bei der Willensbildung der Gesellschaft (Entscheidungen der Unternehmensspitze; "Geschäftsführung") 5 Organhaftung (OR 754) Aktivlegitimation I Aktivlegitimation generell Gesellschaftsschaden: Gesellschaft, Aktionär, im Konkurs auch Gläubiger Aktionärsschaden: Aktionär Gläubigerschaden: Gläubiger Aktivlegitimation ausserhalb Konkurs Gesellschaftsschaden: Gesellschaft (direkter Schaden!); Aktionär (indirekter Schaden!); nicht: Gläubiger Direkter Aktionärs- resp. Gläubigerschaden: Aktionär resp. Gläubiger 6 3
4 Organhaftung (OR 754) Aktivlegitimation II Aktivlegitimation im Konkurs Gesellschaftsschaden Einheitlicher Anspruch der Gläubigergesamtheit, vertreten durch Konkursverwaltung (BGE 117 II 432: Raschein-Praxis) Wirkung: Den beklagten Organen sind Einreden gegen Gesellschaft / Aktionäre abgeschnitten Direkter Aktionärs- resp. Gläubigerschaden Massive Einschränkung der Klagelegitimation im Konkurs durch sog. Biber-Praxis (BGE 131 III 306) Legitimation nur, wenn Schädigung aufgrund Verletzung einer Bestimmung mit ausschliesslichem Aktionärs- resp. Gläubigerschutzcharakter 7 Organhaftung (OR 754) Haftungsvoraussetzungen Schaden Rechtswidrigkeit / Pflichtverletzung Adäquater Kausalzusammenhang Verschulden 8 4
5 Organhaftung (OR 754) Schaden Definition: Vermögensveränderung (Vergleich Vermögen mit vs ohne Pflichtwidrigkeit) Direkter / unmittelbarer (Schadenseintritt in eigener Vermögensmasse) Indirekter / mittelbarer (Schadenseintritt in fremder Vermögensmasse) Bundesgericht: Definition direkter / indirekter Schaden bis 1996 (X Corporation-Praxis) und seit 2004 (Biber-Praxis) wie hier, dazwischen abweichend Schadenminderungspflicht! 9 Organhaftung (OR 754) Rechtswidrigkeit / Pflichtverletzung Verletzung aktienrechtlicher Pflichten OR 725: Konkursverschleppung (Der Klassiker!) OR 717: Sorgfaltspflichtverletzung / Treuepflichtverletzung Definition Unsorgfalt Das Einfallstor des Soft Law ins Hard Law! OR 716a: Die 4 S (Strategies, Systems, Staff, Supervision) Verletzung anderer gesetzlicher Vorschriften (auch StGB) Business Judgment Rule 10 5
6 Organhaftung (OR 754) Rechtswidrigkeit / Pflichtverletzung Beispiele für Pflichtverletzungen Entzug von Vermögen ohne entsprechende Gegenleistung (Nichteinhaltung des arm's length-prinzips) Ungenügende Sorgfalt in der Vermögensverwaltung Ungenügende Kenntnisse, kein Beizug von Fachleuten Missachtung der Rechnungslegungsvorschriften Missachtung der Vorschriften bei Unterdeckung und Überschuldung Ungenügende Sorgfalt in Auswahl, Instruktion und Überwachung von Organen und Mitarbeitern Ungenügende Sorgfalt im Zusammenhang mit der Generalversammlung 11 Organhaftung (OR 754) Kausalzusammenhang / Verschulden Adäquater Kausalzusammenhang Zwischen Rechtswidrigkeit / Pflichtverletzung und Schaden Natürliche Kausalität Adäquate Kausalität (wertendes Urteil des Richters!) Kausalität bei Unterlassungen: Hypothetische Kausalität Verschulden Objektivierter Verschuldensmassstab Deshalb hat dieses Tatbestandselement kaum eigenständige Bedeutung: wenn eine Pflicht verletzt wurde, ist damit gleichzeitig auch das Verschulden gegeben 12 6
7 Der Verwaltungsrat im Konzern I Definition Konzern Zusammenfassung rechtlich selbständiger, aber wirtschaftlich unter einheitlicher Leitung stehender und nach gemeinsamem Plan arbeitender Unternehmungen zu einer Gesamtunternehmung Muttergesellschaft Tochtergesellschaft 1 Tochtergesellschaft 2 13 Der Verwaltungsrat im Konzern II Ungelöster Widerspruch zwischen Konzernrealität und Konzernrecht Konzernrealität Das Entscheidungszentrum liegt bei der Konzernobergesellschaft Viele der 4 S - Aufgaben werden nicht in der Konzerntochtergesellschaft wahrgenommen, sondern durch die Obergesellschaft (Widerspruch zu OR 716a) Viele Entscheidungen sind im Konzerninteresse, aber nicht im Gesellschaftsinteresse der Gesellschaft, die den Entscheid trifft resp. von ihm betroffen ist (Widerspruch zu OR 717) 14 7
8 Der Verwaltungsrat im Konzern III Konzernrecht Klassische Ansicht: OR 716a und OR 717 gelten auch im Konzern uneingeschränkt (BGE 4A_188/2008; 130 III 213; Forstmoser) Differenzierte Ansicht: OR 716a und 717 sind im Konzern differenziert anzuwenden, reduziert auf ihren Kerngehalt (Böckli) Aber auch nach der differenzierten Ansicht muss stets und ausnahmslos dafür Sorge getragen werden, dass die Untergesellschaft ihre Gläubiger jederzeit bedienen kann 15 Haftung der Revisionsstelle (OR 755) Grundsätzlich gleiche Haftungsvoraussetzungen wie bei Organhaftung Pflichtwidrigkeit: Revisionsstelle erfüllt die in ihrer Eigenschaft als Revisionsstelle wahrgenommenen Aufgaben nicht pflichtgemäss Prüfung der Jahres- und Konzernrechnung samt Anhängen Spezielle Berichte bei qualifizierter Gründung, Kapitalerhöhung, Kapitalherabsetzung, Überschuldung etc. nicht: Sonderprüfung; Spezialaufträge nach Auftragsrecht Anzeigepflicht bei Gesetzesverstössen an VR, in wichtigen Fällen auch an GV (OR 729b I) Anzeigepflicht bei offensichtlicher Überschuldung an Richter, wenn der VR nicht handelt (OR 729b II) 16 8
9 Haftung der Revisionsstelle (OR 755) Haftungsbegrenzung de lege ferenda? Botschaft des Bundesrates zur Revision des Aktien- und Rechungslegungsrechts vom ( OR 759 I bis ): Personen, die der Revisionshaftung unterstehen und die einen Schaden nur fahrlässig (leicht- oder grobfahrlässig) mitverursacht haben haften bis zu dem Betrag, für den sie zufolge Rückgriffs aufkommen müssten Beurteilung? Justiziabilität? 17 Emissionshaftung (OR 752) I Schutz des zur Zeichnung aufgerufenen Publikums vor Übervorteilung Zweck: Durchsetzung der dem Emittenten obliegenden Informations- und Aufklärungspflichten Erfasst sind sämtliche im Zuge der Emission gemachten Mitteilungen, die an die Öffentlichkeit gerichtet sind Inserate, Kurzprospekte, Werbeschreiben, Werbespots, Websites und massenweise versandte E- Mails Nicht aber mündliche Aussagen 18 9
10 Emissionshaftung (OR 752) II Aktivlegitimation: Zeichner der Titel; ausserdem der spätere Erwerber, sofern der Prospekt kausal für dessen Kaufentschluss war Passivlegitimation: Alle, die bei der Erstellung, Gestaltung oder Verbreitung des Prospekts massgeblich mitwirken Tatbestand: Rechtswidrig ist die Erstellung oder Verbreitung eines Prospekts oder einer ähnlichen Mitteilung, die unrichtige, irreführende oder den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechende Angaben enthält Haftungsfolge: Der Anleger ist so zu stellen, wie wenn er von allem Anfang an zutreffend und umfassend durch den Emissionsprospekt informiert worden wäre Beweisprobleme für Kläger: Kausalität; Schaden 19 Gründungshaftung (OR 753) Ziel: Sicherstellung einer rechtmässigen Aufbringung des Grundkapitals, insbesondere bei qualifizierten Kapitaleinlagen Findet analog Anwendung bei Kapitalerhöhungen Schaden: entsteht der Gesellschaft, in Höhe der nicht erbrachten Kapitaleinlage Gefahr bei qualifizierter Gründung? Sacheinlagegründung (Beabsichtige) Sachübernahmegründung 20 10
11 Haftung mehrerer: Differenzierte Solidarität (OR 759) I OR 759 I: Sind für einen Schaden mehrere Personen ersatzpflichtig, so ist jede von ihnen insoweit mit den anderen solidarisch haftbar, als ihr der Schaden aufgrund ihres eigenen Verschuldens und der Umstände persönlich zurechenbar ist Niemand haftet für Schaden, den er nicht selbst adäquat verursacht hat Jede Haftung setzt eine persönliche Pflichtverletzung voraus Im Aussenverhältnis können persönliche Haftungsreduktionsgründe wie geringes Verschulden geltend gemacht werden Diese theoretische Möglichkeit kommt in der Rechtsprechung der Gerichte (zum allgemeinen Haftpflichtrecht!) allerdings kaum zum Tragen (es gibt kaum Fälle von Haftungsreduktion wegen Geringfügigkeit des Verschuldens) 21 Haftung mehrerer: Differenzierte Solidarität (OR 759) II OR 759 II: Der Kläger kann mehrere Beteiligte gemeinsam für den Gesamtschaden einklagen und verlangen, dass der Richter im gleichen Verfahren die Ersatzpflicht jedes einzelnen Beklagten festsetzt Der Kläger ist damit von der Pflicht entbunden, in der Klage das pflichtwidrige Verhalten jedes einzelnen Beklagten im Detail zu begründen Mehrere Beklagte haben zudem grundsätzlich nur Anspruch auf eine Parteientschädigung bei Obsiegen Ausnahmen bei Interessenkollisionen 22 11
12 Verjährung (OR 760) Relative Verjährungsfrist: 5 Jahre ab Kenntnis Absolute Verjährungsfrist: 10 Jahre ab schädigender Handlung OR 760 gilt für alle Verantwortlichkeitsansprüche gemäss OR 752 bis 757 Wenn sich die Klage aus einer strafbaren Handlung des Beklagten herleitet, für die das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorschreibt, gilt diese auch für den Zivilanspruch (OR 760 II) Merke: Zivilrechtliche Verjährungsfristen lassen sich endlos unterbrechen und damit verlängern (mittels Betreibung oder Klage)! 23 Organhaftung: Faktisches Haftungsrisiko (Gesellschaftsschaden) I Geringes Haftungsrisiko ausserhalb Konkurs (abgesehen von Sondersituationen!) Nur Aktionäre und Gesellschaft klagelegitimiert Klage geht auf Leistung an Gesellschaft Geringe Motivation der Gesellschaft zur Geltendmachung der Ansprüche Schlechte Informationslage des Aktionärs Hohes Prozessrisiko des Aktionärs Ausserordentlich geringe Motivation des Aktionärs zur Geltendmachung der Ansprüche Ausnahmen (früher sehr selten, heute und in Zukunft immer häufiger): Nach Kontrollwechsel Bei vollständigem Wechsel in VR/GL 24 12
13 Organhaftung: Faktisches Haftungsrisiko (Gesellschaftsschaden) II Hohes Haftungsrisiko im Konkurs Zusätzlich Gläubiger (Konkursverwaltung) aktivlegitimiert Gute Informationslage (Zugriff auf alle Gesellschaftsakten) Am höchsten ist das faktische Haftungsrisiko, wenn die Konkursmasse noch über ansprechende Aktiven verfügt und die haftbaren Personen vermögend oder versichert sind Fast standardmässig wird die Klage der AHV- Ausgleichskassen für nicht abgelieferte AHV-Beiträge geführt 25 Organhaftung: Faktisches Haftungsrisiko (Gesellschaftsschaden) - 10 Tips (nach: P. Forstmoser, Verantwortlichkeitsrecht) 1. Handeln wie ein sorgfältiger Einzelunternehmer 2. Die Minderheiten leben lassen 3. Das Spiel der AG spielen 4. Sicherstellung einer angemessenen Organisation 5. Erfüllung der Buchführungsvorschriften 6. Wahl einer qualifizierten Revisionsstelle 7. Sorgfalt und Zurückhaltung bei der Einräumung von Vollmachten 8. Einhalten der Formalien 9. Überprüfung der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Abgabe- und Beitragsforderungen 10. Klare Regelungen bei Treuhandverhältnissen 26 13
14 Organhaftung im internationalen Vergleich Schweiz hat eines der weltweit strengsten Organhaftungsregimes Umfassender Pflichtenkatalog Haftung für jede Fahrlässigkeit Strenger Massstab der Gerichte betreffend Sorgfaltspflicht Immerhin: Meist hohe Anforderungen an Kausalitätsnachweis Bei solidarischer Haftung mehrerer Personen kaum Differenzierung der Haftung nach Schwere des Verschuldens in der Gerichtspraxis Keine Möglichkeit der statutarischen Haftungseinschränkung (anders: US; UK) 27 Organhaftung de lege ferenda Status quo (so Botschaft zur Revision des Aktienund Rechnungslegungsrechts)? Quantitative Haftungsbegrenzung (Summe oder Mehrfaches des Honorars)? Qualitative Haftungsbegrenzung (Haftung nur bei Grobfahrlässigkeit; Business Judgment Rule)? Stärkere Differenzierung der Haftung nach dem Mass des Verschuldens? Einschätzung? 28 14
15 Business Judgment Rule Entwickelt in den USA Rezipiert in Kontinentaleuropa In CH-Literatur (z.b. Andrea Grass, CH-Dissertation!) In CH-Rechtsprechung erst ganz ansatzweise In Gesetzgebung (Deutschland!) Grundidee: Bei unternehmerischen Entscheiden soll nicht der Richter sein unternehmensfernes Wissen und Ermessen anstelle des Wissens und Ermessens der Unternehmensführung stellen Bei unternehmerischen Entscheiden findet daher primär ein Verfahrenstest statt: Wie ist der Entscheid des VR zustandegekommen? Wenn das Verfahren korrekt war, gilt auch der getroffenen Entscheid als korrekt und rechtmässig 29 Business Judgment Rule Deutschland (seit ) I 93 I Satz 2 D-AktG: "Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied 1) bei einer unternehmerischen Entscheidung 2) vernünftigerweise annehmen durfte, 3) auf der Grundlage angemessener Information 4) zum Wohle der Gesellschaft zu handeln". 1) Unternehmerische Entscheidung vs rechtlich gebundene Entscheidung 2) vernünftigerweise annehmen durfte Gutgläubigkeit frei von Interessenkonflikten Perspektivwechsel! 30 15
16 Business Judgment Rule Deutschland (seit ) II 3) angemessene Information Perspektive Organ! Instinkt! 4) Handlung zum Wohl der Gesellschaft d.h. es gibt auch materielle Prüfung des Entscheids, aber nur grob Perspektive Organ! Die grosse Frage: Gesetzeswortlaut vs Gerichtspraxis? 31 Kostentragung OR 756 II: Bei aufgrund der Sach- und Rechtslage begründetem Anlass des Aktionärs zur Klage verteilt der Richter die Kosten nach seinem Ermessen auf klagenden Aktionär und Gesellschaft (soweit die Kosten nicht vom Beklagten zu tragen sind) Einschätzung? Mögliche Lösungen Prozessfinanzierung Freiwilliges Klagezulassungsverfahren (vgl. D- AktG) 32 16
17 Prozessfinanzierung I Mit der Prozessfinanzierung wird einem Anspruchsteller finanziell ermöglicht, ohne Risiko einen geldwerten Anspruch rechtlich geltend zu machen Bei erfolgreicher Geltendmachung des strittigen Anspruchs darf sich der Prozessfinanzierer aus der erstrittenen Summe für seine Kosten schadlos halten. Überdies hat er Anspruch auf einen zum Voraus festgelegten Anteil am Netto-Erlös der erstrittenen Summe 33 Prozessfinanzierung II Der Prozessfinanzierer prüft die Sach- und Rechtslage und entscheidet anschliessend, ob er den Prozess finanzieren will Prozessfinanzierung ist interessant für Konkursmassen, da ihnen oft die Mittel fehlen, um die Ansprüche selber geltend zu machen Die Prozessfinanzierung ist gemäss Bundesgericht grundsätzlich zulässig (BGE 131 I 223) 34 17
18 Haftung der Organe aufgrund verwaltungsrechtlicher Vorschriften AHVG 52: Haftung für nicht abgelieferte AHV-Beiträge AHVG 52 I: Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen Bei juristischen Personen können die verantwortlichen formellen und faktischen Exekutivorgane subsidiär belangt werden (Gerichtspraxis) Die Gerichtspraxis hat die an sich eingeschränkte Verschuldenshaftung (Haftung nur für grobe Fahrlässigkeit) fast in eine Kausalhaftung pervertiert Viele weitere öffentlich-rechtliche Vorschriften, die ein - häufig nicht erkanntes - Haftungsrisiko für die Organe bergen Beispiel: Haftung für Ablieferung von VOC-Abgaben 35 Haftung der Organe aufgrund steuerrechtlicher Vorschriften Steuerrechtliche Vorschriften sehen zum Teil eine Haftung der formellen und faktischen Exekutivorgane sowie der Liquidatoren für Steuerschulden der Gesellschaft vor Gefährlich: Verrechnungssteuergesetz VStG 15 Insbesondere bei der Auflösung einer juristischen Person Gefährlich vor allem die stille Liquidation einer Gesellschaft, deren Aktionäre im Ausland sitzen (Theoretische) Möglichkeit der Entlastung durch den qualifizierten Nachweis, dass die Verantwortlichen alles ihnen Zumutbare zur Feststellung und Erfüllung der Steuerforderung getan haben 36 18
19 Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organe Charakteristika Die meisten Straftatbestände sind nur bei Vorsatz strafbar (zivilrechtlich genügt dagegen leichte Fahrlässigkeit) Absicht ("wissen und wollen und bezwecken") Vorsatz ("wissen und wollen") Eventualvorsatz ("ernsthaft für möglich halten und in Kauf nehmen") Bewusste Fahrlässigkeit: Der Täter erkennt die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung, er setzt sich jedoch, mehr oder weniger leichtfertig, darüber hinweg, im Vertrauen darauf, dass schon nichts geschehen wird Unbewusste Fahrlässigkeit: Der Täter bedenkt nicht einmal die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung 37 Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organe Verjährung Absolute Verfolgungsverjährungsfrist Dauer abhängig von theoretischer Strafdrohung; Zuchthaus oder Gefängnis über 3 Jahre: 15 Jahre; sonst: 7 Jahre bis zu Urteil 1. Instanz (früher: Urteil 2. Instanz) Viele einschlägige Delikte verjähren daher nach 7 Jahren: StGB 158,152, 161, 161bis,162 Verjährung nach 15 Jahren: Urkundenfälschung, Veruntreuung, Betrug, einige Konkursdelikte Einschätzung? 38 19
20 Strafrechtliche Verantwortlichkeit Einige einschlägige Straftatbestände I StGB 158: Ungetreue Geschäftsbesorgung (das Pendant zu OR 754) StGB 152: Unwahre Angaben über kaufmännische Gewerbe StGB 251: Urkundenfälschung (Bilanz!) StGB 161: Ausnützen von Insiderkenntnissen StGB 161 bis : Kursmanipulation StGB 162: Verletzung des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses 39 Strafrechtliche Verantwortlichkeit Einige einschlägige Straftatbestände II StGB 138: Veruntreuung StGB 146: Betrug StGB 163 ff: Konkursdelikte USG 60 ff: Umweltvergehen KG 54 f: Widerhandlungen gegen das Kartellrecht VStrR 6: Rückgriff auf Organe von juristischen Personen im Verwaltungsstrafrecht 40 20
21 Organhaftpflichtversicherung (D&O-Versicherung) I Versicherungsnehmer: Gesellschaft Versicherungssumme: typisch CHF Mio. Versicherte Personen: Formelle, materielle und faktische Organe Deckung Kosten der Anspruchsabwehr (zivil - und - teilweise - strafrechtlich) Schadenersatz 41 Organhaftpflichtversicherung (D&O-Versicherung) II Deckungsausschlüsse Falsche Deklarationen in Versicherungsantrag Vorsätzliche Pflichtverletzungen Oft auch grobfahrlässige Pflichtverletzungen Klagen der Gesellschaft Klagen der wesentlichen Aktionäre (z.b. über 10%) Claims made-prinzip: führt zu einer Inkongruenz auf der Zeitachse zwischen möglicher Konfrontation mit Haftungsansprüchen und Versicherungsdeckung! (immerhin z.t. Nachversicherungsmöglichkeit für limitierte Zeit) Haftung für Sozialversicherungsabgaben!? Merke: Die Prämienhöhe ist bei weitem nicht das einzige Kriterium bei der Auswahl des Versicherers! ("Lass nicht den alleinigen Lead dem Broker!") 42 21
22 Fazit Grosse Aufgabenfülle der Organe Umfassender Pflichtenkatalog Hoher Pflichtenstandard Solidarische Haftung bei jedem Verschulden 43 Anforderungsprofil an Verwaltungsrat Professionalität Selektion Einsatzbereitschaft Honorierung Unabhängigkeit persönlich finanziell Zivilcourage 44 22
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