Prozessabläufe und rechtliche Grundbegriffe im Krankenhaus. Rechtsanwältin Dr. Frederike Gärtner, LL.M. Verbandsjuristin MB Hessen
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- Fritz Dressler
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1 Prozessabläufe und rechtliche Grundbegriffe im Krankenhaus Rechtsanwältin Dr. Frederike Gärtner, LL.M. Verbandsjuristin MB Hessen
2 Inhalt Aufklärung/Schweigepflicht Arztbriefe/Krankenakten Haftungssystematik
3 Systematik & Zusammenhänge Aufklärung Dokumentation Behandlung Schweigepflicht
4 Inhalt Aufklärung/Schweigepflicht Arztbriefe/Krankenakten Haftungssystematik
5 Aufklärung/Schweigepflicht Aufklärungspflicht Verdeutlichung von Risiken & Notwendigkeit einer Maßnahme Adressat: Patient Rechtsnatur: vertraglich (Behandlungsvertrag), berufsrechtlich Rechtsnormen: 630e Bürgerliches Gesetzbuch, 8 Berufsordnung Schweigepflicht Pflicht zur Verschwiegenheit Geltung gegenüber jedermann Rechtsnatur: strafrechtlich, berufsrechtlich Rechtsnormen: 203 Strafgesetzbuch, 9 Berufsordnung
6 Aufklärungspflicht Voraussetzung für ärztliche Behandlung: Einwilligung Grundlage für die Einwilligung: Inhalte der Aufklärung 8 S. 1 und 2 Berufsordnung: Zur Behandlung bedürfen Ärztinnen und Ärzte der Einwilligung der Patientin oder des Patienten. Der Einwilligung hat grundsätzlich die erforderliche Aufklärung im persönlichen Gespräch vorauszugehen. Ablauf Aufklärung Einwilligung Behandlung
7 Aufklärungspflicht nach 630e BGB (I) Inhalte der Aufklärung Aufklärung über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände, insbesondere: Art, Umfang und Durchführung der Maßnahme Folgen und Risiken der Maßnahme Notwendigkeit und Dringlichkeit der Maßnahme Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Hinweis auf Alternativen zur Maßnahme
8 Aufklärungspflicht nach 630e BGB (II) Form der Aufklärung mündlich durch den Behandelnden Alternativ: Person, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt Ergänzend: Bezugnahme auf Unterlagen, die der Patient in Textform erhält (Indiz für den Inhalt des Gesprächs) so rechtzeitig, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann verständlich unter Aushändigung der Abschriften von Unterlagen, die der Patient ggf. im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat
9 Aufklärungspflicht nach 630e BGB (III) Ausnahmen von der Aufklärungspflicht Aufklärung kann ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich sein, Insbesondere: wenn die Maßnahme unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Aufklärung ausdrücklich verzichtet hat
10 Aufklärung nach 8 Berufsordnung Verdeutlichung in verständlicher und angemessener Weise, insbesondere vor operativen Eingriffen, von: Wesen, Bedeutung und Tragweite der Behandlung einschließlich Behandlungsalternativen und die mit ihnen verbundenen Risiken Gewährleistung einer ausreichenden Bedenkzeit vor der weiteren Behandlung, vor diagnostischen oder operativen Eingriffen Je weniger eine Maßnahme medizinisch geboten oder je größer ihre Tragweite ist, umso ausführlicher und eindrücklicher sind über erreichbare Ergebnisse und Risiken aufzuklären
11 Informationspflicht nach 630c Abs. 2 BGB Erläuterung in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtlicher für die Behandlung wesentlichen Umstände, Insbesondere: die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen. Darüber hinaus: Voraussichtliche Kosten der Behandlung, wenn vollständige Übernahme durch Dritte nicht gesichert ist ( 630c Abs. 3 BGB)
12 Schweigepflicht nach 9 Berufsordnung (I) Inhalt Pflicht zu schweigen über das, was jemanden in seiner Eigenschaft als Arzt anvertraut worden ist oder bekannt geworden ist. Geltung über den Tod des Patienten hinaus. Unter die Schweigepflicht fallen auch: schriftliche Mitteilungen des Patienten, Aufzeichnungen über Patienten, Röntgenaufnahmen und sonstige Untersuchungsbefunde
13 Schweigepflicht nach 9 Berufsordnung (II) Ausnahme: Befugnis bzw. Verpflichtung zur Offenbarung Entbindung von der Schweigepflicht durch Patienten ausdrücklich unwirksam: globale, formularmäßige Einwilligung möglich: mutmaßliche Einwilligung (z.b. Bewusstlosigkeit) Schutz eines höherwertigen Rechtsguts ( 34 StGB), z.b. Verdacht auf Kindesmisshandlung: Jugendamt informieren HIV-Infektion: ggf. Partner des Patienten informieren Gesetzliche Aussage- und Anzeigepflichten, z.b. Datenübermittlung an gesetzliche Krankenkassen Meldepflichtige Krankheiten: Gesundheitsamt Geburten: Standesamt
14 Inhalt Aufklärung/Schweigepflicht Arztbriefe/Krankenakten Haftungssystematik
15 Arztbriefe
16 Krankenakten
17 Arztbriefe/Krankenakten Arztbriefe Transferdokument Überblick über den Status des Patienten bei Entlassung Rückblick über Krankheitsverlauf Arztbriefe sind in die Krankenakte mit aufzunehmen Krankenakten Verbleiben beim Arzt Dokumentation Aufbewahrungsfrist: 10 Jahre
18 Dokumentationspflichten nach 10 BO Pflicht zur Aufzeichnung der Feststellungen und Maßnahmen Aufzeichnung dient dem Interesse des Patienten an einer ordnungsgemäßen Dokumentation Recht des Patienten auf Einsicht Ausnahme: Schweigepflicht gegenüber Dritten Auf Verlangen sind Kopien der Unterlagen gegen Erstattung der Kosten herauszugeben Aufbewahrungsfrist: 10 Jahre
19 Dokumentationspflichten nach 630 BGB Verpflichtung, Patientenakte zu führen Im zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung Änderungen in der Akte: nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind
20 Dokumentationspflichten nach 630 BGB Aufzeichnung sämtlicher Maßnahmen und Ergebnisse, insbesondere: Anamnese Diagnosen Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse und Befunde Therapien und ihre Wirkungen Eingriffe und ihre Wirkungen Einwilligungen und Aufklärungen Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen
21 Inhalt Aufklärung/Schweigepflicht Arztbriefe/Krankenakten Haftungssystematik
22 Haftungsbeziehungen Patient Schaden Fehler? Inanspruchnahme/Verurteilung als Gesamtschuldner Arzt Chefarzt Klinikträger Regress
23 Arten von Schadensersatzansprüchen Vertragsrecht Behandlungsvertrag Pflichtverletzung: Behandlungsfehler Verschulden (vermutet) Kausaler Schaden Rechtsfolge: Schadensersatz Rechtsnormen: 280, 630a BGB Deliktrecht Verletzung des Lebens, Körpers oder Gesundheit: Behandlungsfehler Rechtswidrigkeit Verschulden Kausaler Schaden Rechtsfolge: Schadensersatz Rechtsnormen: 823 BGB, 831 BGB
24 Behandlungsvertrag nach 630a BGB (I) Behandlung Arzt Patient Vergütung Durch den Behandlungsvertrag werden verpflichtet: Behandelnder (= derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt): Leistung der versprochenen Behandlung Patient: Gewährung der vereinbarten Vergütung (Ausnahme: Dritter ist zur Zahlung verpflichtet)
25 Behandlungsvertrag nach 630a BGB (II) Anforderungen an die Behandlung nach Gesetz: nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist. Leitlinien ärztlicher Fachgremien: nicht gleichzusetzen mit medizinischem Standard Leitlinien ersetzen kein Sachverständigengutachten Empfehlungen entwickeln sich nicht immer zu Standards
26 Verteilung der Beweislast Grundsatz: Die Beweislast für die Kausalität zwischen Behandlung und Schaden liegt grundsätzlich beim Patienten Behandlung Schaden Beweislast Kausalität Ausnahmen: Haftungserleichterungen durch Gesetz
27 Haftung für Aufklärungsfehler nach 630h Abs. 2 BGB Die Verantwortung über den Inhalt der Patientenaufklärung einschließlich der vollständigen Erfassung der Risiken trägt der Arzt Achtung: Der aufklärende Arzt haftet grundsätzlich neben dem Operateur! Der behandelnde Arzt hat zu beweisen, dass er: die Einwilligung des Patienten eingeholt hat und entsprechend aufgeklärt hat (Indiz: Einwilligungsformular). Genügt die Aufklärung nicht den Anforderungen, kann der Behandelnde sich darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte
28 Haftung bei Dokumentationsfehlern nach 630h Abs. 3 BGB Es wird vermutet, dass der Behandelnde eine medizinisch gebotene Maßnahme nicht getroffen hat, wenn er: medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis nicht in der Patientenakte aufgezeichnet hat oder die Patientenakte entgegen der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht nicht aufbewahrt hat. Dokumentation (-) Aufbewahrung (-) Umkehr der Beweislast
29 Haftung bei beherrschbarem Risiko nach 630h Abs. 1 BGB Ein Fehler des Behandelnden wird vermutet, wenn: ein allgemeines Behandlungsrisiko eingetreten ist, das für den Arzt voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat. Behandlungsrisiko Herrschaftsbereich des Behandelnden Verletzung Patient Beispiele: technische Mängel an Instrumenten; Lagerungsschäden; Verletzung hygienischer Standards Umkehr der Beweislast
30 Haftung bei groben Behandlungsfehlern nach 630h Abs. 5 S. 1 BGB Die Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für die Verletzung des Patienten wird vermutet, wenn: ein grober Behandlungsfehler vorliegt: eindeutiger Verstoß gegen den ärztlichen Standard nebst schlechterdings unverständlichem Fehlverhalten und dieser grundsätzlich geeignet ist, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen Grober Behandlungsfehler Eignung für eingetretene Verletzung Umkehr der Beweislast
31 Haftung bei Befunderhebungs-/ Befundsicherungsfehlern nach 630h Abs. 5 S. 2 BGB Die Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für die Verletzung des Patienten wird auch dann vermutet, wenn: es der Behandelnde unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, der der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte, und das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre. Umkehr der Beweislast
32 Regress (I) Grundsatz: jeder ist für sich selbst verantwortlich Ausnahme im Arbeitsleben: Innerbetrieblicher Schadensausgleich, Haftungsebenen: Leichte Fahrlässigkeit = unerhebliches, vernachlässigendes Verschulden Folge: Arbeitnehmer wird gegenüber dem Arbeitgeber von der Haftung befreit Patient Klinikträger Arzt
33 Regress (II) Normale Fahrlässigkeit = Nichtbeachtung der erforderlichen Sorgfalt, Folge: Arbeitnehmer haftet gegenüber dem Arbeitgeber anteilig, Aufteilung erfolgt nach Zumutbarkeit und Billigkeit Klinikträger Patient Arzt Haftung anteilig
34 Regress (III) Grobe Fahrlässigkeit = Nichtbeachtung bzw. Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße, Folge: Arbeitnehmer haftet gegenüber dem Arbeitgeber vollständig Klinikträger Patient Arzt Arzt haftet vollständig
35 Haftpflichtversicherung Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern ( 21 Berufsordnung). Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn sich ergibt: dass der Arzt nicht ausreichend gegen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren versichert ist, sofern kraft Landesrechts oder kraft Standesrechts eine Pflicht zur Versicherung besteht. ( 6 Abs. 1 Bundesärzteordnung) Deckungssumme: mindestens 5 Millionen Euro
36 Inhalt Aufklärung/Schweigepflicht Arztbriefe/Krankenakten Haftungssystematik
37 Zusammenfassung Aufklärung Dokumentation Behandlung Schweigepflicht
38 Haben Sie noch Fragen? VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT!
Die nachfolgenden Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches sind kursiv gedruckt. 630 a BGB: Vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag
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