Koordination von Notfallseelsorge und psychosozialer Unterstützung 29. bis 30. April 2008
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- Gisela Schmitz
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1 Koordination von Notfallseelsorge Tagung und psychosozialer Unterstützung 29. bis 30. April 2008 Das folgende Referat bzw. die Präsentation wurde auf der Tagung Koordination von Notfallseelsorge und psychosozialer Unterstützung in der Evangelischen Akademie Bad gehalten. Der zur Verfügung gestellte Beitrag des Verfassers wurde unbearbeitet übernommen, gegebenenfalls im Layout etwas angepaßt. In allen Urheberrechtsfragen wenden Sie sich bitte an den Verfasser bzw. die Verfasserin. Dierk Schäfer Evangelische Akademie Akademieweg Bad Fon: ( ) (meist vormittags) Fax: ( ) Mail: dierk.schaefer@ev-akademie-boll.de Korrespondenzadresse der Autorin/des Autors roesch@titz-online.de
2 Flugunfall Überlingen, : Ergebnisse einer Fragebogenbefragung der polizeilichen Einsatzkräfte Der Unfall Am gegen 23:36 Uhr kollidierten zwei Flugzeuge im Luftraum über Überlingen. 71 Passagiere starben, darunter 45 Kinder und Jugendliche. Beginnend in der Nacht des Absturzes, wurde die Absturzstelle gesichert, der Verkehr umgeleitet, es wurde in unübersichtlicher Landschaft nach Toten und Leichenteilen gesucht, die Toten mussten bewacht, erfasst und identifiziert, die Angehörigen verständigt und betreut werden. Ein außergewöhnlicher und belastender Einsatz für die beteiligten Einsatzkräfte. Die Befragung Ein Jahr nach dem Einsatz wurde in Absprache mit dem Ärztlichen Dienst der Landespolizeidirektion Tübingen von der Koordinierungsstelle für Konflikthandhabung und Krisenintervention (KOST-Ko) ein Fragebogen an die eingesetzten Beamten versandt. Fragestellungen Wie viele Beamte haben müssen als belastet angesehen werden oder haben eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)? Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der PTBS-Symptomatik und Personeneigenschaften? Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der PTBS-Symptomatik und Einsatzeigenschaften? Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der PTBS-Symptomatik und negativen Auswirkungen auf den beruflichen und privaten Alltag? Der Fragebogen: Teil I und II und III Teil I enthielt Fragen nach Einsatzzeiten, Aufgabengebiete im Einsatz und im Alltag, Berufsgruppe, Alter und Geschlecht Teil II enthielt die offene Frage nach dem eindrücklichsten Ereignis, sowie Fragen nach dem subjektiven Erleben während des Ereignisses und gesundheitlichen Folgen. Teil III umfasste die Items der PTSD-Symptom-Scale Self Report (PSS-SR nach Foa) mit den Kriteriumsbereichen der PTBS Wiedererleben Vermeidung Erhöhte Erregung Sowie Fragen nach den Auswirkungen dieser Beschwerden auf verschiedene Lebens- und Funktionsbereiche (Arbeit, Pflichten im Haushalt, Beziehungen mit Freunden, Freizeitaktivitäten, Erotik, Beziehungen innerhalb der Familie, Ausbildung/ Schule, Allgemeine Lebenszufriedenheit, Allgemeine Leistungsfähigkeit). Die Fragen der PSS-SR beziehen sich auf die letzten vier Wochen und sind mit vier Antwortmöglichkeiten versehen: 0 = überhaupt nicht / nur 1x im letzten Monat 2 = 2 bis 4 x pro Woche / die Hälfte der Zeit 1 = 1x pro Woche oder seltener / manchmal 3 = 5 x oder öfter pro Woche / fast immer Das Kriterium gilt als erfüllt, wenn Weiches Kriterium = die Werte 1/2/3 angekreuzt sind Hartes Kriterium = die Werte 2/3 angekreuzt sind Seite 2 von 6
3 Das Vollbild der PTBS wird dann angenommen, wenn 1 Item Wiedererleben angekreuzt wurde 3 Items Vermeidungsverhalten 2 Items Erhöhte Erregung Eine subsyndromale PTBS wird angenommen, wenn nur zwei der drei Beschwerdebereiche erfüllt sind. Die Auswertung erfolgte Rein deskriptiv, also beschreibend. Die angegebenen Prozentangaben beziehen sich immer auf die eigene Gruppe, damit werden die Balken/Angaben miteinander vergleichbar. Rücklauf 1103 Fragebögen lagen zur Auswertung vor. Laut Bericht wurden für den Einsatz insgesamt 6240 Kräfte (Manntage) benötigt. Aus den 1103 Fragebögen ergeben sich etwa 2020 Manntage, also eine Rücklaufquote von 32,37%. Die tatsächliche Rücklaufquote liegt vermutlich zwischen 30 und 40%, was ein gutes Ergebnis darstellt. Belastung und PTBS Weich versus hart sowie Vollbild versus subsyndromal Weiches Kriterium (N=1103) Hartes Kriterium (N=1103) Vollbild 1 34 (3,1%) 3 (0,3%) Subsyndromal 2 82 (7,4%) 15 (1,4%) Gesamt belastet 116 (10,5%) 18 (1,7%) Alter 80,0% 70,0% 60,0% 50,0% 40,0% 30,0% 20,0% 10,0% 0,0% bis bis 60 nicht-belastet weiches Kriterium hartes Kriterium Hier zeigt sich deutlich, dass die Personen mit dem harten Kriterium ausschließlich in den beiden Kategorien mit dem höchsten Alter wiederzufinden sind. Dagegen entsprechen die Werte der Gruppe mit dem weichen Kriterium in etwa der Verteilung in 1 Kriterien für alle drei Symptombereiche erfüllt 2 Kriterien für zwei Symptombereiche erfüllt Seite 3 von 6
4 der nicht-belasteten Gruppe, wobei auch hier die zwei höchsten Alterskategorien anteilig deutlich häufiger belegt sind als in der nicht-belasteten Gruppe. Geschlecht Die Belastung von Männern und Frauen entspricht in etwa der Verteilung der Geschlechter in der Gesamtstichprobe (Männer = 90,2%, Frauen = 9,8%). Tätigkeiten im Alltag Anzahl Personen (in %) 80,0% 70,0% 60,0% 50,0% 40,0% 30,0% 20,0% 10,0% 0,0% Streifendienst/ VD/BD/Posten Kriminaldienst EHU/BePo Stabsdienst sonstige nicht-belastet weiches Kriterium hartes Kriterium Hier zeigt sich eine deutliche Erhöhung im Anteil der belasteten Gruppen (hart und weich), innerhalb der Personen, die im Alltag im Kriminaldienst tätig sind oder bei der Bereitschaftspolizei/Einsatzhundertschaft Dienst tun. Beispiele für eindrücklichste Ereignisse Gesichtsausdruck eines Opfers, das zunächst auf einen weichen Erd-Pflanzenhaufen fiel, zunächst noch lebte und wenige Meter weiter mit im Boden eingekrallten Fingern starb. Rufe aus der Durchsuchungskette "Fund-organisch", "Fund-anorganisch" Servieren von Abendessen (Rippchen!!!) unmittelbar an der Bergungsstelle Insgesamt nannten 316 (33,5%) Personen den Kontakt mit Leichen, Leichenteilen und Kinderleichen als eindrücklichstes Ereignis an erster Stelle. Seite 4 von 6
5 Belastende Ereignisse Presse/ Gaffer Leichentransport/ Aufbewahrung Angehörigenkontakt Kinderleichen Gesamteindruck Leichenkontakt 0,0% 5,0% 10,0% 15,0% 20,0% 25,0% 30,0% 35,0% 40,0% 45,0% 50,0% Anzahl Personen (in %) nicht-belastet weiches Kriterium hartes Kriterium Schaut man sich die Gruppen im Vergleich an, dann berichten die belasteten Gruppen als erstgenanntes eindrücklichstes Ereignis vor allem Kontakt mit Leichen (Kategorien: Fundsituation / Leichen allgemein und Kinderleichen, Transport und Aufbewahrung Leichen ). Eine andere überrepräsentierte Kategorie ist der Kontakt mit Angehörigen. Ebenso fällt die Kategorie Presse/Gaffer ins Auge. Andere unauffällige Kategorien waren: Durchsuchung, Anteilnahme der Bevölkerung, Einsatzkritik, Gerüche, Anteilnahme von Kollegen, geringer Fremdschaden, sonstiges/kein Ereignis. Erleben während des Einsatzes 70,0% Anzahl Personen (in %) 60,0% 50,0% 40,0% 30,0% 20,0% 10,0% 0,0% Hilflosigkeit Angst/Entsetzen Ekel Schaff ich das? nicht-belastet w eiches Kriterium hartes Kriterium Seite 5 von 6
6 Hier handelte es sich um ja/nein-fragen, deswegen ist jede Balken-Gruppe getrennt zu betrachten. Diese Antworten zeigen, dass der subjektive Teil des Trauma-Kriteriums (Erleben während der traumatischen Situationen) in den belasteten Gruppen wie zu erwarten öfter erfüllt wird, als in der nicht-belasteten Gruppe. Einsatzzeiten Die belasteten Gruppen waren im Schnitt länger im Einsatz als die nicht-belastete Gruppe hartes Kriterium M=35,5 Std. weiches Kriterium M= 26 Std. nicht-belastete Gruppe M=21,9 Std. Auswirkungen auf den Alltag 1005 (91,1%) Personen gaben an, keine direkten Auswirkungen des Einsatzes auf ihre Lebensbereiche zu verspüren. Die belasteten Gruppen gaben für sämtliche 9 Bereiche mehr Belastung an als die nicht-belastete Gruppe. Zusammenfassung Ein Jahr nach dem Einsatz sind belastet o 116 Personen (10,5%, weiches Kriterium) o 18 Personen (1,7%, hartes Kriterium) o Die Zahlen sind mit anderen Studien vergleichbar Belastete Gruppen o Eher über 40 Jahre alt o Eher im Kriminaldienst/BePO/EHU tätig o Kontakt mit Leichen wird am belastendsten erlebt (Bergung, Sicherung, Identifikation) o Reaktion mit Hilflosigkeit, Entsetzen o Längere Einsatzzeiten Der Großteil (91,1%) berichtet KEINE Auswirkungen auf seinen Lebensalltag. Die vollständige Auswertung wurde veröffentlicht in Buchmann, K.E. & Rösch, S. (2007). Posttraumatische Belastung polizeilicher Einsatzkräfte nach dem Flugunfall in Überlingen. Polizei & Wissenschaft, Ausgabe 1/2007. Seite 6 von 6
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