Klinische Ethikberatung in der Psychiatrie besondere Herausforderungen und Lösungsansätze
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- Andrea Pia Giese
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1 Klinische Ethikberatung in der Psychiatrie besondere Herausforderungen und Lösungsansätze Ethikberatung in Klinik und Altenpflege zum Stand der Dinge, 18. Juni 2016 Jan Schürmann Assistenz, Abt. Klinische Ethik 1
2 Gliederung Klinische Ethikberatung in der Psychiatrie Klinische Ethikberatung in Basel State of the Art? Ethikkonsultationen in den UPK Basel Besondere Herausforderungen Herausforderungen im Vergleich zur somat. Medizin Fallbeispiel: Respekt vor Autonomie vs. Fürsorge Lösungsansätze 2
3 Gliederung Klinische Ethikberatung in der Psychiatrie Klinische Ethikberatung in Basel State of the Art? Ethikkonsultationen in den UPK Basel Besondere Herausforderungen Herausforderungen im Vergleich zur somat. Medizin Fallbeispiel: Respekt vor Autonomie vs. Fürsorge Lösungsansätze 3
4 Klinische Ethikberatung in Basel Psychiat. Akut- und Langzeitbehandlng. (stationär/ ambulant) + Forensik, alle Altersgruppen UKBB Palliativzentr., erwachs. Pat. USB UPK 4
5 Formen ethischer Unterstützung Ethikkonsultation (EK) Screening & Feedback Teaminterne ethische Fallbesprechung Kontext-angepasste Unterstützung Fort- und Weiterbildung Arbeitsgruppe Spezielle Projekte USB UPK UKBB Reiter-Theil (2016/forthcoming) 5
6 Basler Leitfaden zur EK 1. Vorbereitung Klärung des Rahmens und des Vorgehens Bericht aus dem klinischen Team 2. Falldiskussion Formulierung eines Ethik-Fokus 3. Ethische Analyse Systematischer Perspektivenwechsel Ethische Prinzipien, Werte, Normen Rechte und Pflichten der Beteiligten 4. Fokussierte Ergebnisse Entscheidung und ethische Begründung Planen des weiteren Vorgehens Dokumentation 5. Feedback Reiter-Theil, Schürmann (2016) 6
7 State of the Art? Wenige Publikationen zur Ethikberatung in der Psychiatrie (n=26, ) Hinweise auf eine Dunkelziffer in der psychiatrischen Praxis Reiter-Theil, Schürmann, Schmeck (2014) 7
8 State of the Art? Motto: Caring for the Ethically Complicated Patient Case Studies zu psychiatrischen Patienten (USA, Indien, Paris, Bielefeld, Basel) Panel zur Palliative Care bei psychiatrischen Patienten 8
9 State of the Art? Ethische Aspekte in der Psychiatrie Brennpunkte: Zwangsbehandlung, Personalknappheit, therapeutische Beziehung, Kooperation der Berufsgruppen, Umgang mit Angehörigen Laufende Studien in Jugendpsychiatrie und -forensik Rabenschlag et al. (2014) 9
10 Ethikkonsultationen in den UPK Basel Ethische Themen in 50 EKs Zwangsmassnahmen Organisation der Pflege Evaluation des Behandlungsplans Therapielimitierung Misshandlung Patientenverfügung Behandlung am Lebensende Assistierter Suizid Informierte Zustimmung Urteilsfähigkeit Vertraulichkeit Anderes Hauptthema Nebenthema Reiter-Theil, Schürmann (2016/forthcoming) 10
11 Anfragende Abteilungen n (50) % Erwachsenenpsychiatrie Kinder- und Jugendpsychiatrie Forensische Psychiatrie Anderes Reiter-Theil, Schürmann (2016/forthcoming) 11
12 Profession des Anfragenden n (50) % Arzt / Ärztin Leitende/r Therapeut/in Leitende Pflegefachperson Leitende/r Arzt / Ärztin Pflegefachperson Patient oder Angehörige Therapeut/in Andere Reiter-Theil, Schürmann (2016/forthcoming) 12
13 Gliederung Klinische Ethikberatung in der Psychiatrie Klinische Ethikberatung in Basel State of the Art? Analyse von 50 Ethikkonsultationen Besondere Herausforderungen Herausforderungen im Vergleich zur somat. Medizin Fallbeispiel: Respekt vor Autonomie vs. Fürsorge Lösungsansätze 13
14 Ethische Themen im Vergleich 50 UPK-EKs / 50 USB-EKs Zwangsmassnahmen Organisation der Pflege Evaluation des Behandlungsplans Misshandlung Therapielimitierung Patientenverfügung Behandlung am Lebensende Assistierter Suizid Informierte Zustimmung Urteilsfähigkeit Ass. Reproduktion / Schwangers.konfl. Anderes UPK USB Reiter-Theil, Schürmann (2016/forthcoming) 14
15 Ethische Themen im Vergleich In EKs in der Psychiatrie: stehen die Themen Zwangsbehandlung (34%), Organisation der Pflege (20%) und Evaluation des Behandlungsplans (20%) im Vordergrund. sind Behandlungen am Lebensende, Therapielimitierung, assistierte Reproduktion und Schwangerschaftskonflikte traditionelle ethische Themen der somatischen Medizin selten Thema. Reiter-Theil, Schürmann (2016/forthcoming) 15
16 EK-Charakteristika im Vergleich UPK (n=50) USB (n=50) Form Prospektive Ethikkonsultation Retrospektive Ethikkonsultation 15 6 Dringlichkeit Normal Dringend (innerhalb 2 Tage) 0 12 Sehr dringend (innerhalb 1 Tages) 0 19 Anzahl der Teilnehmenden Median der Teilnehmenden [Bereich] 9.3 [2-18] 8.5 [2-19] Teilnahme von Patient/innen oder Angehörigen Ja 4 8 Nein Konsens Ja Nein 2 0 EK hilfreich Ja Ja, teilweise 3 0 Nein
17 EK-Charakteristika im Vergleich EKs in der Psychiatrie: führen vergleichbar oft zu einem Konsens und werden vergleichbar oft als hilfreich erlebt wie in der somatischen Medizin. sind weniger dringlich als in der somatischen Medizin. Es besteht Bedarf an retrospektiven EKs. haben im Median mehr Teilnehmende, sind interprofessioneller, finden aber weniger oft unter Teilnahme von Patient/innen oder Angehörigen statt. Reiter-Theil, Schürmann (2016/forthcoming) 17
18 Patientencharakteristika im Vergleich UPK (n=50) USB (n=50) Geschlecht Weiblich Männlich Alter Median Alter (Jahre) [Bereich] 37.2 [6-72] 49.3 [15-92] Urteilsfähigkeit Gegeben 5 17 Beeinträchtigt Nicht gegeben Unklar 11 6 n. v. 3 1 Prognose Gut 5 8 Unsicher 4 11 Schlecht Terminal 0 6 Unklar 19 6 n. v
19 Patientencharakteristika im Vergleich In EKs in der Psychiatrie: sind die betroffenen Patienten seltener urteilsfähig (10%) als in der somatischen Medizin (34%). Die Urteilsfähigkeit ist zudem oft beeinträchtigt oder unklar (62%). ist die Prognose häufig unklar (38%). Die Prognose ist zwar nie terminal, allerdings oft schlecht (20%). Reiter-Theil, Schürmann (2016/forthcoming) 19
20 Ethische Grundsatzfragen in EKs Welches ist das ethische Verfahren der Entscheidungsfindung? Wie kann man sich auf einen normativen Rahmen verständigen? Wie können normative Begriffe verstanden werden? Welche Rolle spielen ethische Richtlinien oder Empfehlungen? Welche Bedeutung haben rechtliche Vorschriften für die ethische Reflexion? Wie kann das Ergebnis verallgemeinert werden? UPK (n=50) USB (n=50) Andere
21 Ethische Grundsatzfragen in EKs In EKs in der Psychiatrie: treten vergleichbar oft ethische Grundsatzfragen auf (42%) wie in der somatischen Medizin (48%). beziehen sich ethische Grundsatzfragen oft auf die Verallgemeinerbarkeit der Resultate (63.6%). Schürmann, Reiter-Theil (2015) 21
22 Ethischer Beratungsdienst in den UPK Strukturelle Herausforderungen Unbestimmte Erwartungen Steigende Nachfrage, begrenzte Ressourcen Systemische Trägheit Unbestimmte Rolle des/r Ethikberaters/in Reiter-Theil (2016/forthcoming) 22
23 Zusammenfassung Besondere Herausforderungen in der Psychiatrie Thematisch: Brennpunktthemen, Tabuthemen Diskursbezogen: Dringlichkeit, Interprofessionalität, Einbindung von Patienten und Angehörigen Patientenbezogen: Urteilsunfähigkeit, prognostische Unsicherheit Metaethisch: Auftreten ethischer Grundsatzfragen Strukturell: Erwartungen, Ressourcen, systemische Trägheit, Rolle des Ethikberaters 23
24 Gliederung Klinische Ethikberatung in der Psychiatrie Klinische Ethikberatung in Basel State of the Art? Analyse von 50 Ethikkonsultationen Besondere Herausforderungen Herausforderungen im Vergleich zur somat. Medizin Fallbeispiel: Respekt vor Autonomie vs. Fürsorge Lösungsansätze 24
25 Lösungsansätze Herausforderungen im Überblick Thematisch: Brennpunktthemen, Tabuthemen Diskursbezogen: Dringlichkeit, Interprofessionalität, Einbindung von Patienten und Angehörigen Patientenbezogen: Urteilsunfähigkeit, prognostische Unsicherheit Metaethisch: Auftreten ethischer Grundsatzfragen Strukturell: Erwartungen, Ressourcen, systemische Trägheit, Rolle des Ethikberaters 25
26 Lösungsansätze für thematische Herausforderungen Kompetenzen im Umgang mit Brennpunktthemen stärken, insbesondere: Zwangsmaßnahmen Fort- und Weiterbildung Ethische Richtlinien und Empfehlungen konsultieren und/oder erstellen Begleitforschung Sensibilisierung für allfällige Tabuthemen (z.b. Palliative Care, assistierter Suizid) 26
27 Lösungsansätze für diskursbezogene Herausforderungen Kontinuierliche (nicht nur akute) Formen der Ethikunterstützung anbieten Diskursbedingungen schaffen für EKs mit interprofessionelle Teams Patienten und Angehörige aktiv einbeziehen Meyer, Reiter-Theil (2016/forthcoming) 27
28 Lösungsansätze für patientenbezogene Herausforderungen Konzepte und Instrumente für den Umgang mit Urteilsunfähigkeit entwickeln, z.b.: Konzept einer graduellen Urteilsfähigkeit Konzept der starken Autonomie Prinzip in dubio pro competentia Prinzip des lichten Moments Prinzip der Wiederherstellung Prinzip der eingeschränkten Wahl Prognostische Unsicherheit akzeptieren, mit Szenarien arbeiten 28
29 Lösungsansätze für metaethische Herausforderungen Sich bewusst sein, dass ethische Grundsatzfragen auftreten können und bereit sein, sie zu adressieren Ethische Grundsatzfragen in der EK: identifizieren und entscheiden, ob sie diskutiert werden sollten ggf. diskutieren ggf. in anderem Rahmen wieder aufgreifen dokumentieren 29
30 Lösungsansätze für strukturelle Herausforderungen Erwartungen: Angebot klären, Erwartungen ggf. probeweise aufgreifen Ressourcen: Aufgaben priorisieren und nachhaltige Ziele setzen, wenn erforderlich Systemische Trägheit: Langzeitziele verfolgen, Hindernisse anerkennen, ggf. Angebot anpassen Rolle des Ethikberaters: Rolle in der Beratungssituation und in der Institution klären und profilieren Reiter-Theil (2016/forthcoming) 30
31 Literatur Meyer D, Reiter-Theil S (2016/forthcoming) Context-adjusted clinical ethics support (CES) in psychiatry. Accompanying a team through a sensitive period. Clinical Ethics Rabenschlag F, Steinauer R, Heimann R, Reiter-Theil S (2014) Pilotstudie: Wahrnehmung ethischer Aspekte in der psychiatrischen Patientenversorgung. Psychiatrische Praxis 41(07): Reiter-Theil S (2016/forthcoming) Initiating and Maintaining Clinical Ethics Support in Psychiatry. Ten Tasks and Challenges and How to Meet Them. Clinical Ethics Reiter-Theil S, Schürmann J (2016/forthcoming) The Big Five in 100 Clinical Ethics Consultation Cases. Evaluating three years of ethics support in the Basel University Hospitals Reiter-Theil S, Schürmann J, Schmeck K (2014) Klinische Ethik in der Psychiatrie: State of the Art. Psychiat Praxis 41(07): Reiter-Theil S, Schürmann J (2016) Unterstützung bei ethischen Fragen eine methodische Orientierung zur Ethikberatung in der Palliativversorgung. In: Wienke A, Janke K, Sitte T, Graf-Baumann T (Hrsg) Aktuelle Rechtsfragen der Palliativversorgung. Springer-Verlag Berlin Heidelberg, S Schürmann J, Reiter-Theil S (2015). Uncertainty Controversy Dilemma: How Basic Ethical Questions are reflected in Clinical Ethics Consultation (CEC). International Conference on Clinical Ethics Consultation (ICCEC); New York City. 31
32 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Jan Schürmann Abt. Klinische Ethik 32
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