WIE WEITER NACH DEM BREXIT? HANDLUNGSPERSPEKTIVEN FÜR EIN SOZIALES UND DEMOKRATISCHES EUROPA
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- Rüdiger Ackermann
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1 WIE WEITER NACH DEM BREXIT? HANDLUNGSPERSPEKTIVEN FÜR EIN SOZIALES UND DEMOKRATISCHES EUROPA Daniel Seikel Expertengespräch DGB-Verbindungsbüro 10. Oktober 2016, Brüssel
2 Inhalt 1. Von Integration zu Desintegration? Auflösungserscheinungen 2. Problemanalyse: Die marktliberale Schieflage der europäischen Integration 3. Wie weiter nach dem Brexit? Eine offene Verfassung für Europa 4. Weitere Handlungsfelder für ein soziales Europa 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 2
3 VON INTEGRATION ZU DESINTEGRATION? 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 3
4 Von Integration zu Desintegration? Government of the people, by the people, for the people Abraham Lincoln, Gettysburg Address, 1863 Umfasst zwei zentrale Dimensionen der Legitimität von demokratischen Systemen: Input-Legitimität Output-Legitimität 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 4
5 Von Integration zu Desintegration? Die Eurokrise als ungelöste Dauerkrise BIP pro Kopf (2008=100) Euroraum Deutschland Irland Griechenland Spanien Frankreich Italien Zypern Niederlande Österreich Portugal Slowenien Quelle: Eurostat, eigene Berechnungen 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 5
6 Von Integration zu Desintegration? Die Eurokrise als ungelöste Dauerkrise Arbeitslosenquote in % Euroraum Belgien Deutschland Irland Griechenland Spanien Frankreich Italien Niederlande Österreich Portugal Quelle: Eurostat 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 6
7 Von Integration zu Desintegration? Die Eurokrise als ungelöste Dauerkrise Keines der strukturellen Probleme gelöst: Verzerrung realer Wechselkurse (Jugend-)Arbeitslosigkeit Kein/schwaches Wachstum Schwache Investitionstätigkeit Divergenz statt Konvergenz Staatsverschuldung Risiken im Bank- und Finanzsektor Unzureichende Regulierung der Finanzmärkte Beschädigung der Demokratie 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 7
8 Von Integration zu Desintegration? Flüchtlingskrise als Krise der EU Exempel für Handlungsunfähigkeit der EU in einem Politikbereich, in dem dringend europäische Lösungen gebraucht würden Scheint größere Sprengkraft zu haben als Euro-Krise 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 8
9 Von Integration zu Desintegration? Sinkende Akzeptanz der EU Quelle: Eurobarometer 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 9
10 Von Integration zu Desintegration? Sinkende Akzeptanz der EU Quelle: Eurobarometer 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 10
11 Von Integration zu Desintegration? Erstarken europakritischer Parteien Anteil europakritischer Parteien bei der Europawahl 2014 in ausgewählten Ländern (in % der Sitze) Quelle: Europäisches Parlament, eigene Berechnungen 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 11
12 Von Integration zu Desintegration? Brexit Bisheriger Höhepunkt der Desintegrationsdynamik: Das Leave-Votum der Briten Wird es weitere Referenden geben? 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 12
13 PROBLEMANALYSE: DIE MARKT- LIBERALE SCHIEFLAGE DER EU 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 13
14 Die marktliberale Schieflage der EU Grundproblem: Asymmetrie von sozialer Regulierung und Liberalisierung 1. Probleme des politischen Entscheidungsmodus: Hohe Mehrheitserfordernisse (Einstimmigkeit, qualifizierte Mehrheit) Institutionelle und sozio-ökonomische Heterogenität der Mitgliedstaaten 10.Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 14
15 Die marktliberale Schieflage der EU Heterogenität der Mitgliedstaaten Tarifbindung (2014) Quelle: ETUI 10.Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 15
16 Die marktliberale Schieflage der EU Heterogenität der Mitgliedstaaten Unternehmenssteuersätze in Prozent (2014) 40,0 35,0 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 Quelle: Eurostat 10.Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 16
17 Die marktliberale Schieflage der EU Heterogenität der Mitgliedstaaten Sozialausgaben in Prozent des BIP (2012) Quelle: Eurostat, eigene Berechnungen 10.Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 17
18 Die marktliberale Schieflage der EU Grundproblem: Asymmetrie von sozialer Regulierung und Liberalisierung 1. Probleme des politischen Entscheidungsmodus: Hohe Mehrheitserfordernisse (Einstimmigkeit, qualifizierte Mehrheit) Institutionelle und makroökonomische Heterogenität der Mitgliedstaaten Geringe Problemlösungsfähigkeit der europäischen Politik 10.Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 18
19 Die marktliberale Schieflage der EU Grundproblem: Asymmetrie von sozialer Regulierung und Liberalisierung 2. Wucht der Integration durch Recht: Unilaterale Urteile des EuGH/Entscheidungen der Kommission Vorrang vor nationalem Recht Grundlage: marktliberale Bestandteile des EU-Rechts (Grundfreiheiten, Wettbewerbsrecht) Politische Korrektur durch Regierungen und Parlamente nahezu unmöglich Grundlegender Konflikt mit Institutionen der sozialen Marktwirtschaft (Tarifautonomie, Streikrecht, Mitbestimmung, öffentliche Daseinsvorsorge) 10.Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 19
20 Die marktliberale Schieflage der EU Grundproblem: Asymmetrie von sozialer Regulierung und Liberalisierung Soziale Regulierung nur im politischen Modus Rechtlicher Modus: Liberalisierung Strukturelles Ungleichgewicht zwischen sozialer Regulierung und Liberalisierung 10.Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 20
21 EINE OFFENE VERFASSUNG FÜR EUROPA 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 21
22 Eine offene Verfassung für Europa Was wollen die Bürger? Quelle: FES Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 22
23 Eine offene Verfassung für Europa Grundidee: Gleichklang aus (1) Vereinfachung, (2) Demokratisierung europäischer Entscheidungsprozesse und (3) flexibler Integration Austausch der zahlreichen Blockademöglichkeiten europäischer Gesetzgebung gegen politisch kontrollierte Opt-outs 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 23
24 Eine offene Verfassung für Europa 1. De-konstitutionalisierung des Binnenmarktrechtes Europäische Verfassung reduziert auf Bestandteile, die typischerweise in Verfassungen enthalten sind: Kompetenzen, Institutionen, Verfahren, soziale Grundrechte, Bürgerrechte Binnenmarktrecht bleibt Bestandteil des einfachen europäischen Rechts (sekundärrecht) Aufhebung des Primats individueller wirtschaftlicher Freiheitsrechte über soziale Rechte 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 24
25 Eine offene Verfassung für Europa 2. Demokratisierung: Aufwertung des Europäischen Parlaments Aufhebung des monopolisierten Initiativrechts der Kommission Qualifizierte Minderheiten im EP und Rat erhalten Initiativrecht Höhere Input-Legitimation, stärkere Politisierung europäischer Politik 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 25
26 Eine offene Verfassung für Europa 3. Vereinfachung der europäischen Entscheidungsprozesse für einfache Gesetzgebung Annahme von Gesetzesvorschlägen mit einfacher Mehrheit im Rat und im EP Umbau der EU zu echtem Zwei-Kammern-System 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 26
27 Eine offene Verfassung für Europa 4. Flexible Integration: Politisch kontrollierte Opt-outs Mitgliedstaaten können Opt-outs bei einfacher Gesetzgebung beantragen Antrag kann mit qualifizierter Mehrheit im Rat und einfacher Mehrheit im EP abgelehnt werden Besserer Schutz nationaler Errungenschaften von Minderheit von Mitgliedstaaten vor Abschaffung durch einfache Mehrheiten Erleichterte Konsensfindung angesichts institutioneller und sozio-ökonomischer Heterogenität der Mitgliedstaaten Debatten über EU-Austritte ließen sich in weniger disruptive Debatten über selektive Opt-outs kanalisieren 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 27
28 HANDLUNGSFELDER FÜR EIN SOZIALES EUROPA 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 28
29 Handlungsfelder für ein soziales Europa Was wollen die Bürger? Quelle: FES Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 29
30 Handlungsfelder für ein soziales Europa Was wollen die Bürger? Quelle: FES Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 30
31 Handlungsfelder für ein soziales Europa Soziale Mindeststandards Keine redistributiven Sozialversicherungssysteme Regulative Sozialpolitik: europäische Mindestlohnpolitik (60% des nationalen Medianlohns), Mindest-Lohnersatzraten für Renten und Arbeitslosengeld ( Korridormodell ) Mindestanforderungen für öffentliche Daseinsvorsorge 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 31
32 Handlungsfelder für ein soziales Europa Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerunterbietungswettbewerb Teilharmonisierung der Steuerpolitik Einheitliche Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage Mindest-Körperschaftsteuersätze Verstärkter Einsatz der EU-Beihilfenkontrolle gegen nationale Praktiken Finanztransaktionssteuer 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 32
33 Handlungsfelder für ein soziales Europa Korrektur des Euro-Krisenmanagements Abschaffung der Troika Ende der Kürzungspolitik Besserer Schutz sozialer Rechte (einschließlich Tarifautonomie) Europäischer Marshall-Plan (finanziert aus Finanztransaktionssteuer) statt Juncker-Plan Dynamischere Lohnentwicklung in Überschussländern 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 33
34 Fazit Eine offene Verfassung für Europa Trade-off: Flexible Integration vs. Einheitlichkeit Level-playing-field widerstreitender ordnungspolitischer Vorstellungen (soziale Marktwirtschaft vs. liberale Marktwirtschaft) Keine Verschlechterung gegenüber integrativen Ist-Zustand : Wenn einheitliche Regelanwendung erforderlich erscheint, Rückfall auf Verfahrenslogik der jetzigen Gemeinschaftsmethode zurück (qualifizierte Mehrheit). Erhöhte Problemlösungsfähigkeit europäischer Politik + weniger struktureller Marktliberalismus höhere Output-Legitimität 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 34
35 VIELEN DANK FÜR DIE AUFMERKSAMKEIT 10. Oktober 2016 Wie weiter nach dem Brexit? Daniel Seikel 35
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