Fachwissenschaftlicher Hintergrund zur Vektorrechnung
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- Marielies Biermann
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1 Fachwissenschaftlicher Hintergrund zur Vektorrechnung Seminar zur Didaktik der Linearen Algebra Dr. Oliver Passon SoSe 2010
2 Einführung: Vektorrechnung ist anders Grundbegriffe bei der schulischen Behandlung der: Analysis (Stetigkeit) Grenzwert Differenzierbarkeit, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statisktik Wahrscheinlichkeit (Zshg. zur relativen Häufigkeit) Zufallsgrößen und Verteilungen Hypothesentests, Parameterschätzen Lineare Algebra (=Vektorrechnung+ ) Vektoren: Punkte, Geraden, Ebenen, Lineare Abbildungen, Matrizen Übergangsprozesse Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 2
3 Vektorraum (statt Vektor) Eine Vektorraum über einen Körper K (K-VR) ist eine Menge V mit einer Verknüpfung +, so dass (V,+) abelsche Gruppe ist Es gibt Verknüpfung KxV V so dass: ( i) λ o w V λ K, w V ( ii) λ o ( v + w) = λ o v + λ o w ( iii) 1o v = v Strahlensatz Man nennt: u = λ o v + µ o w Linearkombination Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 3
4 Rechenregeln Merke: Ein Vektor hat Länge und Richtung ist in der formalen Definition von Elementen eines Vektorraums nicht enthalten Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 4
5 Basis und Dimension eines VR Unter der Basis eines K-VR versteht man eine Teilmenge von V mit der Eigenschaft: Jedes Element aus V lässt sich eindeutig als Linearkombination darstellen. Man kann zeigen: Jeder VR hat eine Basis (Beweis: Zornsche Lemma bzw. Auswahlaxiom bei -dim VR) Alle Basen haben gleich viele Elemente. Deren Anzahl nennt man die Dimension eines VR Klar: In der Schule werden i.d.r. nur endlich dimensionale VR betrachtet Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 5
6 Beispiele und Gegenbeispiele für Vektorräume Menge aller Abb. einer nichtleeren Menge X K bildet K-VR (mit naheliegenden Verknüpfungen ) Polynome mit Koeffizienten aus einem Körper K bilden K-VR (dim= ) mit Basis {1, x, x 2, } Menge der n-tupel mit Elementen aus K, also etwa auch IR 2 oder IR 3 Reelle Folgen bilden einen VR Aber: z. Bsp. monotone Folgen bilden keinen VR Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 6
7 Strukturerhaltende Abbildungen Definition: Lineare Abbildung (Homomorphisms) Eine Abbildung f: V W zwischen Vektorräumen heißt linear, wenn sie additiv und homogen ist: Additivität: f(x+y) = f(x) + f(y) Homogenität: f(a x)= a f(x) Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 7
8 Eigenschaften von Homomorphismen Die Null wird auf die Null abgebildet: f(0+0)=f(0)+f(0) 0=f(0) Merke: in anderen Bereichen der Mathematik wird diese Forderung nicht an lineare Abbildungen gestellt! f: V W, im(f) = {w für ein v: f(v)=w} ker(f) = {v f(v)=0} Es gilt: Im(f), Ker(f) sind Unterräume von W bzw. V Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 8
9 Eigenschaften von Homomorphismen II Es gilt folgender Zusammenhang zwischen Bild und Kern: Dimensionssatz/Rangsatz Definition: Rang(f)=dim(im(f)) Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 9
10 Injektiv und surjektiv f injektiv: Elemente der Zielmenge werden höchstens einmal getroffen ( Kern(f)={0}) f surjektiv: Jedes Element der Zielmenge wird mindestens einmal getroffen ( im(f)=w) Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 10
11 Bijektivität f bijektiv f injektiv und surjektiv Jedes Element der Zielmenge wird genau einmal getroffen Bei VR Homomorphismen mit dimv = dimw gilt: f injektiv f surjektiv Beweis: f injektiv dim(ker(f))=0 dimv=dim(im(f))=dim W f surjektiv Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 11
12 Bijektive Homomorphismen werden auch Isomorphismen genannt Alle endlichdimensionalen VR mit dim=n sind isomorph zu dem VR IR n Jeder Vektor kann als Spaltenvektor ausgedrückt werden Nach Wahl einer Basis kann die Theorie der linearen Abbildung auf die Untersuchung von Matrizen zurückgeführt werden! Das Besondere an n-tupeln und Matrizen ist also, dass sie nichts besonderes sind! Alle endlich dimensionalen VR sind isomorph zu ihnen! Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 12
13 (analytische) Geometrie Bis jetzt ist noch kein Zusammenhang zur Geometrie hergestellt worden! Zentraler Begriff: Punkt (, Gerade, Ebene, ) Axiomatische Definition: Nichtleere Menge P aus Punkten und Abbildung n: P x P V. Falls gilt: 1. Zu jedem A in P und v aus V gibt es B aus P mit n(a,b)=v ( Antragsforderung ) 2. Für alle Punkte A,B und C gilt: n(a,b) + n(b,c) = n(a,c) ( Axiom von Chasles ) nennt man (P, n, V) einen affinen Punktraum über dem Vektorraum V (suggestive Schreibweise: n ( A, B ) = AB ) r Affine Teilräume definieren Geraden und Ebenen: { X X = P + ra} Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 13
14 Trick : P=V Man kann auch den affinen Punktraum mit P=V betrachten. Als Abbildung n wählt man: n(v,w) = w-v In diesem Sinne ist jeder VR auch ein affiner Punktraum! Dies begründet die Doppelrolle der Vektoren. Der Ortsvektor ist das Vektorraumelement in der Rolle als Punkt. In der Rolle als Element des VR sind die Elemente freie bzw. Richtungsvektoren Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 14
15 Koordinatensystem: Einen Punkt als Ursprung auszeichnen 0 n (=dimv) weitere Punkte Q i, sodass 0Q i linear unabhängig sind. Jeder Punkt kann durch die Koeffizienten der Linearkombination eindeutig beschrieben werden. Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 15
16 Metrische Struktur Bisher können wir über Längen, Abstände und Winkel noch keine Aussage machen! Normauf einem VR:. :V IR + mit: x =0 x=0 µ x = µ x x+y x + y ( Dreiecksungleichung ) (V,. ) heißt normierter VR Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 16
17 Metrische Struktur II Unter der Metrik auf einem Raum X versteht man eine Abbildung d:xxx IR + mit den Eigenschaften: d(x,y) = 0 x = y Definitheit d(x,y) =d (y,x) Symmetrie d(x,y) d(x,z) + d(z,y) Dreiecksungleichung Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 17
18 Skalarprodukt Eine Abbildung mit heißt bilinear, wenn gilt: heißt symmetrisch, wenn gilt: heißt positiv definit, wenn gilt: und gdw x=0 heißt nicht ausgeartet, wenn gilt: <u,v>=0 für alle v, dann ist u=0 ( nur der 0-Vektor steht auf allen anderen senkrecht ) Ein Skalarprodukt eines Vektorraums ist eine symmetrische positiv definite (nicht ausgeartet) Bilinearform. Gilt <x,y>=0, nennt man x orthogonal zu y. Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 18
19 Zusammenhang zwischen Norm, Metrik und Skalarprodukt: Skalarprodukt <x,y> Norm: <x,x> = x Metrik: x-y =: d(x,y) Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 19
20 Skalarprodukte im IR n Nach Einführung einer Basis kann jede Bilinearform in IR n durch eine nxn Matrix dargestellt werden: x, y = x t Ay = ( x, K x ) 1, a M an A ist die Darstellung eines Skalaprodukts, wenn die Matrix symmetrisch ist und ihr rang = n (Anzahl linear unabhängiger Spaltenvektoren) n 11 1 L O L a a 1n M nn y M y 1 n Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 20
21 Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 21 Euklidischer Raum Unter einem Euklidischen Raum versteht man in der Regel den affinen Punktraum über dem Vektorraum IR n mit dem Standardskalarprodukt: = L O M M O K A Dadurch werden folgende Norm und Metrik induziert: L L + = + + = ) ( y x y x x x x n
22 Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 22 Skalarprodukt und Winkel im IR 2 ) cos( ) sin sin cos (cos sin cos sin cos β α β α β α β β α α = + = = = b a b a b a b b a a r r r r r r
23 Bedeutung für die Schule? In der Schule wird natürlich der affine Punktraum nicht axiomatisch eingeführt, sondern etwa über ein Modell: Pfeilklassen mit Addition ( hintereinander legen ) Strecken und Stauchen als Multiplikation mit einem Skalar Identifikation mit Elementen des IR 2 bzw. IR 3 (+ Ur-sprung ) Einführung des Skalarproduktes (sowie Norm und Metrik) aus geometrischer Betrachtung Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 23
24 Zusammenfassung In der Schule wird ein konkretes (geometrisches) Modell für einen affinen Punktraum verwendet (Pfeilklassen mit Ursprung und Koordinatensystem) Als Lehrer sollte man (ungefähr) wissen, von welcher Struktur dies ein Modell ist! Die Auszeichnung des IR 3 bzw. IR n ist nicht tragisch, da alle VR gleicher Dimension zu ihm isomorph sind. Lineare Algebra als axiomatische Theorie spezieller Strukturen findet an der Schule nicht statt stattdessen werden einige Aspekte der analytischen Geometrie betrachtet, die Anlass für die Schöpfung dieser Theorie gegeben haben Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 24
25 Literatur Mathematikunterricht in der Sekundarstufe II, Tietze et al. (Hrsg.) Band 2, Vieweg Lineare Algebra und Analytische Geometrie I von W.P. Barth, P. Knabner (Vorlesung Uni- Erlangen) online: Lineare Algebra und analytische Geometrie, E. Brieskorn, Vieweg Elemente der Linearen Algebra und der Analysis, W. Schwarz und H. Scheid, Spektrum Didaktik der LinAlg Vektorraumstruktur 25
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