Praktikumsbericht Praktikum im Zentrum für Psychiatrie Reichenau Sophie Klein 17.08.15 11.09.15 Studiengang: Psychologie, 6. Fachsemester Wortanzahl: 1.235 Ulm, 06.06.2016 1
1. Kurzdarstellung der Einrichtung a) Zentrum für Psychiatrie Reichenau Das Zentrum für Psychiatrie Reichenau (ZfP Reichenau) ist Teil der ZfP-Gruppe und ist ein Fachkrankenhaus, psychiatrisches Pflegeheim und akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Konstanz. Es gliedert sich in vier verschiedene Fachkrankenhäuser (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinik für Suchtmedizin, Klinik für Geronto- und Neuropsychiatrie), eine Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie und weitere Einrichtungen in Waldshut-Tiengen, Singen, Bad Säckingen und Konstanz. b) Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie - Station 26 Im Folgenden werde ich genauer auf die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und auf die Station 26 eingehen, da ich dort mein Praktikum absolvierte. Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie besteht aus sechs bettenführenden Stationen auf dem Gelände Reichenau, der Tagesklinik in Singen, einer Ambulanz im gemeindepsychiatrischen Zentrum Konstanz und dem sozialpsychiatrischen Dienst Konstanz. Drei der fünf Stationen auf dem Gelände sind Aufnahmestationen, diese sind der erste Anlaufpunkt für Patienten, die wegen einer akuten Krise Behandlung benötigen. Im Anschluss an die akute Krisenbehandlung wird von einem Team aus Ärzten, Psychologen, Sozialarbeitern und Ergotherapeuten unter Einbezug der Betroffenen und Angehörigen ein weiterer Therapieplan entworfen und realisiert. Dazu gehört oft eine Verlegung auf eine weitere spezialisierte Station oder eine Entlassung mit anschließender ambulanter Behandlung. Eine dieser Weiterbehandlungsstationen ist die Station 26, auf der ich mein Praktikum absolvierte. Die Station 26 ist eine offen geführte, allgemeinpsychiatrische Weiterbehandlungsstation mit sozialpsychiatrischem und rehabilitativem Therapieprogramm. Schwerpunktmäßig werden Patienten mit Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis, mit affektiven Störungen und mit Persönlichkeitsstörungen behandelt. Die Behandlung besteht aus sozialpsychiatrischen, psychotherapeutischen und psychopharmakologischen Bausteinen. Auf der Station arbeitet ein Team aus Pflegekräften, Ärzten, Psychologen, psychologischen Psychotherapeuten und Sozialarbeitern. 2. Darstellung des Tätigkeits-/Aufgabenfeldes a) Stationsalltag Der Tag auf der Station 26 beginnt immer mit einer Morgenrunde. Bei dieser sollten immer alle Patienten und das Personal anwesend sein, um gemeinsam in den Tag zu starten. Es werden das 2
aktuelle Befinden, der vorherige Abend, die Pläne für den Tag und andere Anliegen der Patienten besprochen. Ich stellte bald fest, dass die Morgenrunde einen nicht zu unterschätzenden Anteil am Tagesprogramm darstellt, da man durch sie immer auf dem neuesten Stand bezüglich aller Patienten ist und somit auch schnell aufkommende Probleme angehen kann. Nach der Morgenrunde nehmen alle Patienten an verschiedenen Therapieangeboten teil. Auf der Station werden psychotherapeutische Einzelgespräche, Gruppengesprächsrunden, Psychoedukation, Achtsamkeitstraining, Bewegungstraining, Kognitives Training und therapeutisch begleitete Spaziergänge von den Therapeuten, dem Stationsarzt und dem Pflegepersonal durchgeführt. Da es sich bei der Station um eine offen geführte Station handelt, gibt es nicht nur Therapien auf der Station, sondern die Patienten nehmen an diversen Therapieangeboten auf dem Gelände teil. Es gibt verschiedene Arbeitstherapien mit variierenden Schwierigkeitsgraden je nach Verfassung des Patienten (z.b. Holzwerkstatt). Des Weiteren gibt es Ergotherapie, Kunsttherapie, Musiktherapie, Sporttherapie, therapeutisches Gärtnern und auch besondere Angebote wie therapeutisches Segeln und Bogenschießen. Auch nachmittags nehmen die Patienten an verschiedenen Therapien teil. Die Teilnahme an den Therapieangeboten ist Pflicht auf der Station und Motivation bei den Patienten für die Therapieangebote aufzubauen, gehört somit auch zu den Aufgaben der Psychologen. Besonders die Arbeitstherapie spielt eine wichtige Rolle, da sie eine wichtige rehabilitative Strategie darstellt. Nach dem Abendessen auf Station folgt eine Abschlussrunde, zu der sich alle Patienten wieder auf Station befinden müssen. Da sich diese Runde außerhalb der regulären Arbeitszeit der Therapeuten und Ärzte befindet, wird sie von den Pflegekräften durchgeführt. Mindestens eine Pflegekraft musste zu jeder Tages- und Nachtzeit auf der Station sein. b) Eigene Aufgaben Meine Tätigkeit als Praktikantin bestand hauptsächlich darin, bei den verschiedenen Therapieangeboten auf Station zu hospitieren und diese anschließend mit den Therapeuten zu besprechen. Ich nahm sowohl an fast allen Gruppenangeboten teil, als auch an den Einzelgesprächen, sofern die Patienten ihr Einverständnis gaben. Des Weiteren konnte ich auch einen Einblick in die verschiedenen Arbeitstherapien außerhalb der Station erhalten und einen kurzen Einblick in verschiedene andere Stationen der Klinik. Als eigene Aufgabe bekam ich nach einer Eingewöhnungsphase die Leitung der kognitiven Gruppe zugeteilt. Bei diesem Angebot bearbeiten die Patienten verschiedene kognitive Trainingsaufgaben mit dem Ziel, die kognitive Leistungsfähigkeit der Patienten festzustellen und Veränderungen zu 3
beobachten, sowie ihre kognitive Leistungsfähigkeit zu trainieren und zu verbessern. Dies war besonders auf der Station 26 von besonderer Relevanz, da die vielen Patienten mit Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis oft besonders starke kognitive Defizite hatten. Eine der Psychologinnen auf Station leitet zusätzlich eine Früherkennungssprechstunde zu Psychosen und ich durfte sie bei einigen dieser Gesprächen begleiten. Dies war besonders interessant, da ich so einen Interviewleitfaden zur Früherkennung von Psychosen kennenlernte und außerdem verschiedene weitere Fragebögen, die zur Ausschlussdiagnostik verwendet wurden. Da es sich hierbei meist um junge Patienten handelt, wurden verschiedenste Fragebogen verwendet, z.b. ein Fragebogen zu ADHS und ein Fragebogen zur Autismus-Spektrum Störung. Falls eine Prodromalsymptomatik festgestellt wird, können verschiedene Maßnahmen eingeleitet werden. Ein Beispiel hierfür wäre eine Station des ZfP Reichenau, die speziell für junge Patienten mit schizophrenen Erkrankungen bzw. mit Prodromalsymptomatik eingerichtet wurde und ein speziell angepasstes therapeutisches Programm durchführt. Neben der Hospitation bei den therapeutischen Angebote bekam ich auch einen Einblick in die weitere Arbeit der Therapeuten. Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit besteht in der Koordination der eigenen Arbeit mit dem restlichen Team der Station. Außerdem nimmt die Dokumentation von Therapiesitzungen und Gruppentherapien, das Schreiben von Briefen (Entlassbriefe, Gutachten..) und weitere Bürotätigkeiten viel Zeit in Anspruch. c) Kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Tätigkeit Positiv an meinem Praktikum im ZfP Reichenau empfinde ich den Einblick, den ich dadurch in den Alltag in der Psychiatrie erhalten konnte. Ich habe viele verschiedene Facetten der psychiatrischen Arbeit kennengelernt und kann mir nun besser vorstellen, wie die Arbeit dort vonstatten geht und auch was die Aufgaben der Psychologen in einer Klinik sind. Sehr spannend war, dass ich bei vielen Therapiegesprächen hospitieren konnte, da die meisten Patienten meine Anwesenheit nicht störte. Durch diese Gespräche und durch viele Gespräche mit Patienten außerhalb der Therapie, habe ich nun viel über verschiedene Störungsbilder gelernt und habe mein theoretisches Wissen um viel praktisches Wissen erweitert. Etwas kurz gekommen ist für mich die Diagnostik. Da es sich um eine Weiterbehandlungsstation handelte, standen die meisten Diagnosen bereits fest und ich konnte dahingehend nicht viel lernen. Nur in der Früherkennungssprechstunde lernte ich einige diagnostische Verfahren kennen. Da bei vielen Patienten die Störungen schon chronisch seit vielen Jahren vorlagen und die kognitiven 4
Defizite oft groß waren, lag ein großer Schwerpunkt der Behandlung auf der medikamentösen Behandlung. Für mich als Psychologie-Praktikantin wäre natürlich mehr psychotherapeutische Behandlung spannender gewesen. Dennoch lernte ich, dass bei vielen Störungsbildern die medikamentöse Behandlung sehr wichtig ist und dass dies auch die Psychologen betrifft. Das große Wissen der Psychologen bezüglich der medikamentösen Behandlung beeindruckte mich, ich verstand aber auch schnell, warum dies sehr wichtig ist. Durch mein noch unabgeschlossenes Psychologiestudium und die fehlende psychotherapeutische Ausbildung fehlten mir natürlich die Kompetenzen um eigene psychotherapeutische Gespräche zu führen. Daher gab es für mich nicht viele eigene Aufgaben, sondern ich konnte oft nur hospitieren. Nach einiger Zeit wäre es für mich natürlich interessanter gewesen, hätte ich mehr eigene Aufgaben gehabt. 3. Zusammenfassende Einschätzung des Praktikums und der Praxiseinrichtung Insgesamt hat mir mein Praktikum im ZfP Reichenau gut gefallen. Voraussetzungen für Praktikanten sind keine Angst vor Patientenkontakt zu haben und zumindest über grundlegendes Wissen über psychische Störungsbilder, ICD-10 Diagnosen und evtl. über Medikamentengruppen zu verfügen. Das Praktikum würde ich Studenten empfehlen, die einen ersten Einblick in den psychiatrischen Alltag erhalten möchten. Ich kann mir nun besser vorstellen, wie der Arbeitsalltag in der Psychiatrie aussieht und wie sich psychische Störungen in der Realität manifestieren. 5