HARMONISIERUNGSAMT FÜR DEN BINNENMARKT (MARKEN, MUSTER UND MODELLE) HAUPTABTEILUNG KERNGESCHÄFT DIENSTSTELLE GESCHMACKSMUSTER ENTSCHEIDUNG DER NICHTIGKEITSABTEILUNG VOM 29.10.2012 IM VERFAHREN ÜBER DIE NICHTIGERKLÄRUNG EINES EINGETRAGENEN GEMEINSCHAFTSGESCHMACKSMUSTERS AKTENZEICHEN ICD 8815 GEMEINSCHAFTSGESCHMACKSMUSTER 001188486-0006 VERFAHRENSSPRACHE Deutsch ANTRAGSTELLERIN United Potteries Saigon Ltd. 2, 8th Street Song Than 1 Industrial Zone Di An District Binh Duong Province Vietnam VERTRETER Dr. Clemens Gillen DER ANTRAGSTELLERIN Hauptstr. 35 52159 Roetgen Deutschland INHABERIN Saveri Home & Garden Vietnam Ltd Di An District Binh Duong Province Vietnam VERTRETER RÖSLER SCHICK RASCH PATENTANWÄLTE DER INHABERIN Bodenseestr. 18 D-81241 München Deutschland Avenida de Europa, 4, E - 03008 Alicante, Spanien Tel. (+34) 965 139 100 - Fax: (+34) 965 131 344 - Internet: http://oami.europa.eu/
Die Nichtigkeitsabteilung, in der Zusammensetzung von Martin Schlötelburg (Berichterstatter), Jakub Pinkowski (Mitglied) und Ingeborg Mendieta Vetter (Mitglied) hat am 29.10.2012 entschieden: 1. Der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr 001188486-0006 wird zurückgewiesen. 2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. I. Vorbringen und Anträge (1) Das angegriffene Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 001188486-0006 ( Streitmuster ) wurde auf den Namen der Inhaberin mit Datum vom 30.12.2009 angemeldet und eingetragen. Die Angabe des Erzeugnisses lautet Tische. Der Gegenstand des Streitmusters ist durch die folgende Ansicht wiedergegeben, die im Blatt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster veröffentlicht ist (http://oami.europa.eu//bulletin/rcd/2010/2010_103/001188486_0006.htm): (2) Mit Eingangstag 11.06.2012 hat die Antragstellerin ( Ast. ) einen Antrag auf Nichtigerklärung des Streitmusters eingereicht. (3) Der Antrag wurde auf die Nichtigkeitsgründe des Artikel 25(1)(b) ivm. Artikel 4 GGV gestützt. 2
(4) Als Beweismittel legt die Ast. die folgenden Unterlagen vor: - Kopien der Internetseite http://www.altar-und-kanzel.de/altarhgk.html, in welcher die folgenden Abbildungen enthalten sind: - Kopien der Internetseite http://www.zum-guten-hirtenberlin.de/default.php?url=showpic&urlforbigpic=/kirchenpics/hirten7.jpg, in welcher die folgende Abbildung enthalten ist: - Kopien aus dem Internet-Archiv www.archive.org. (5) Die Ast. trägt vor, dass die auf den Internetseiten gezeigten Altäre ausweislich des Internet-Archivs vor dem Anmeldetag des Streitmusters der Öffentlichkeit zugänglich waren und sowohl in ihrer Form wie auch in ihrer Materialbeschaffenheit mit dem Streitmuster übereinstimmten. Zu den absoluten Maßen könnte keine Aussage getroffen werden, da beide Ansichten den Tisch des Streitmusters von schräg oben zeigten. Auch der Querschnitt der Sockelbeine, ob quadratisch oder 3
rechteckig, sei nicht deutlich erkennbar. Die Dicke der Tischplatte sei ein untergeordnetes Gestaltungsmerkmal, da es sich primär aus dem gewählten Werkstoff oder dem Verwendungszeck ergäbe. (6) In ihrer Replik zu dem Antrag entgegnet die Inhaberin, dass sich die Altäre durch ihre Farben und ihre Proportionen von dem Streitmuster unterschieden. Die Dicke der Tischplatte sei kein untergeordnetes Merkmal, da sie sich nicht nur aus dem gewählten Werkstoff bzw. dem Verwendungszweck bestimme. (7) Zu den weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf den Akteninhalt verwiesen. II. Entscheidungsgründe A. Zulässigkeit (8) Der Antrag entspricht den Anforderungen von Artikel 28(1) GGDV und den sonstigen formellen Voraussetzung der GGV und GGDV und ist folglich zulässig. B. Begründung B.1 Offenbarung (9) Wie von der Ast. hinreichend nachgewiesen, sind die in den Abbildungen gezeigten Altäre ( ältere Geschmacksmuster ) bereits vor dem Anmeldetag des Streitmusters der Öffentlichkeit im Sinne von Artikel 7 GGV zugänglich gemacht worden. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Internet-Archive, sondern auch aus den Datumsangaben in den Internet-Seiten selbst. B.2 Neuheit (10) Dem Streitmuster fehlt gemäß Artikel 5 GGV die Neuheit, wenn ein identisches Geschmacksmuster der Öffentlichkeit zuvor zugänglich gemacht worden ist. (11) Das Streitmuster und die älteren Geschmacksmuster betreffen gleichermaßen Tische. (12) Das Streitmuster und die älteren Geschmacksmuster haben die folgenden Merkmale gemeinsam: - Jeder Tisch besteht aus einer Tischplatte, die auf zwei identischen Beinen gestützt ist. - Tischplatte und Beine haben die gleiche Farbe. - Die Beine sind vom Tischende beanstandet und stehen symmetrisch zur der Tischmitte. - Die Beine sind rechteckig. - Die Breite der Beine liegt über der Dicke der Tischplatte. (13) Das Streitmuster unterscheidet sich von den älteren Geschmacksmustern mindestens in den folgenden Merkmalen: - In dem Streitmuster liegt das Verhältnis von Dicke der Tischplatte zu Breite eines Beines deutlich unterhalb von einem 1/3. In den älteren Geschmacksmustern liegt dieses Verhältnis deutlich oberhalb von 1/2. 4
- In dem Streitmuster ist der Tisch dunkelgrau. In den älteren Geschmacksmustern sind die Tische hellbeige. (14) Die Proportionen und Farben der Tische sind keine unwesentlichen Einzelheiten. Daher stehen die älteren Geschmacksmuster der Neuheit des Streitmusters nicht entgegen. B.3 Eigenart (15) Die Eigenart des Streitmusters ist dann gegeben, wenn sein Gegenstand beim informierten Benutzer einen Gesamteindruck hervorruft, der sich von dem Gesamteindruck unterscheidet, den die älteren Geschmacksmuster bei diesem Benutzer hervorrufen. Bei der Beurteilung der Eigenart ist die Art des Erzeugnisses zu berücksichtigen, bei dem das Geschmacksmuster benutzt wird oder in das es aufgenommen wird, und insbesondere die Besonderheiten des jeweiligen Industriezweigs und der Grade der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters. (16) Der informierte Benutzer ist mit Tischen vertraut. Tische gibt es in unzähligen Varianten. Der Grad der Gestaltungsfreiheit eines Entwerfers ist aber insofern eingeschränkt, als ein Tisch notwendigerweise eine Tischplatte und Beine haben muss. (17) Durch die wesentlich dünnere Tischplatte wirkt das Streitmuster nicht so massiv wie die älteren Geschmacksmuster. Die Stärke der Tischplatte ist kein untergeordnetes Merkmal, da sie auch bei Verwendung derselben Materialart noch weitgehend wählbar ist, wie der Unterschied zwischen dem Streitmuster und den älteren Geschmacksmustern beweist. Der Tisch des Streitmusters ist auch in privaten Haushalten zu gebrauchen, wohingegen die älteren Geschmacksmuster eindeutig Altäre sind, wie sie nur in Kirchen aufgestellt werden. Zudem steht das Dunkelgrau des Streitmusters in einem starken Kontrast zu dem Hellbeige der Altäre. Der Gesamteindruck, den das Streitmuster bei einem informierten Benutzer hervorruft, unterscheidet sich demnach von jedem der Gesamteindrücke, die die älteren Geschmacksmuster jeweils bei diesem Benutzer hervorrufen. C. Schlussfolgerung (18) Der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit des Streitmusters ist als unbegründet zurückzuweisen. III. Kosten (19) Gemäß Artikel 70(1) GGV und Artikel 79(1) GGDV trägt die Ast. alle für die Durchführung des Verfahrens notwendigen Kosten, die der Inhaberin entstanden sind. (20) Die Kosten des Verfahrens, die die Ast. der Inhaberin zu erstatten hat, werden gemäß Artikel 79(6)(7)(f)(ii) GGDV auf 400 Euro festgesetzt, entsprechend dem Höchstsatz für die Erstattung der Kosten des Vertreters. 5
IV. Rechtsmittelbelehrung (21) Gegen die vorliegende Entscheidung kann Beschwerde eingelegt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. DIE NICHTIGKEITSABTEILUNG Martin Schlötelburg Jakub Pinkowski Ingeborg Mendieta Vetter 6